European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124658
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Streitteile haben im August 1996 geheiratet; sie haben eine zwischenzeitlich volljährige Tochter. Der Kläger ist sportbegeistert und verbringt den Großteil seiner Freizeit mit Wandern und Bergsteigen; zudem nimmt er an Ausflügen teil. Die Beklagte war in den letzten Jahren mit den Aktivitäten des Klägers unzufrieden. Sie zeigte aber Scheu davor, sich vermehrt an den Interessen des Klägers zu beteiligen. Sie hat sich auch weniger darum bemüht, gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen oder zu planen. Im Zuge gemeinsamer Aktivitäten verliebte sich der Kläger in eine Kollegin. Im Mai 2017 ist er aus der Ehewohnung ausgezogen.
Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe mit der Beklagten aus deren alleinigem Verschulden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und stellte für den Fall der Klagsstattgebung einen Mitverschuldensantrag gemäß § 60 Abs 3 EheG.
Das Erstgericht gab der Scheidungsklage statt und erklärte die zwischen den Streitteilen geschlossene Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers als geschieden. Spätestens mit dem Auszug des Klägers aus der Ehewohnung sei die Ehe der Streitteile unheilbar zerrüttet gewesen. Den Kläger treffe das überwiegende Verschulden, weil er im Februar 2017 eine ehewidrige Beziehung aufgenommen habe. Der Beklagten sei ein Mitverschulden an der Ehezerrüttung anzulasten, das aber in den Hintergrund trete. Sie habe es unterlassen, ausreichend auf die Bedürfnisse des Klägers einzugehen und gemeinsame Aktivitäten mit ihm zu unternehmen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Da die Beklagte den Interessen des Klägers zu wenig Beachtung geschenkt und sich nicht ausreichend um gemeinsame Aktivitäten bemüht habe, sei ihr ein Mitverschulden an der Ehezerrüttung anzulasten.
Mit ihrer gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Ehe der Streitteile ist unheilbar zerrüttet (vgl dazu RIS‑Justiz RS0056832; RS0043423). Nicht mehr strittig ist, dass den Kläger (zumindest) das überwiegende Verschulden an der Ehezerrüttung trifft. Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass ihr kein Mitverschulden anzulasten und das Scheidungsbegehren nicht gerechtfertigt sei.
2.1 Bei Beurteilung der Frage, ob ein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich gerechtfertigt ist, sind das gesamte Verhalten der Ehegatten und die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0057246 [T1]). Die Beurteilung des Scheidungsbegehrens als sittlich gerechtfertigt ist nicht schon deshalb unvertretbar, weil die vom Kläger gesetzten Eheverfehlungen bei weitem überwiegen. Wegen der Einzelfallbezogenheit kann die Frage, ob das Scheidungsbegehren sittlich gerechtfertigt ist, vom Obersten Gerichtshof nur aufgegriffen werden, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (7 Ob 112/11p; 6 Ob 177/16x).
2.2 Das Gesetz verpflichtet die Ehegatten unter anderem zur anständigen Begegnung. Dieser Begriff ist objektiv auszulegen und erfordert ein Verhalten, das die Persönlichkeit des Ehepartners schätzt und seine Interessen mitberücksichtigt (vgl RIS‑Justiz RS0056321). Interessenlosigkeit gegenüber den Belangen des anderen Ehegatten ist ein ehewidriges Verhalten (RIS‑Justiz RS0056053 [T6]).
Ausgehend von den Feststellungen, wonach die Beklagte mit den Freizeitaktivitäten des Klägers, an denen sie sich nicht beteiligte, unzufrieden war, sich aber weniger um gemeinsame Aktivitäten bemühte, ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagten sei ein kausaler und schuldhafter Beitrag an der Zerrüttung der Ehe anzulasten, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Nach den Feststellungen bestand das desinteressierte Verhalten der Beklagten unabhängig von den verstärkten Freizeitaktivitäten des Klägers mit seiner Kollegin und nunmehrigen Lebensgefährtin. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei ihrem Verhalten daher nicht lediglich um eine Reaktion auf das ehewidrige Verhalten des Klägers (vgl RIS‑Justiz RS0057033).
3. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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