OGH 6Ob210/19d

OGH6Ob210/19d19.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** B.V., *****, vertreten durch Mag. Stefan Benesch, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. W*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nichtigerklärung von Generalversammlungsbeschlüssen, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juli 2019, GZ 129 R 66/19b‑23, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. Jänner 2019, GZ 15 Cg 64/18f‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00210.19D.1219.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei sowie dem Nebenintervenienten jeweils die mit je 2.302,20 EUR (darin 383,70 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist eine in den Niederlanden registrierte Besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (B.V.; Gesellschaft mit beschränkter Haftung), deren Geschäftsgegenstand die Beteiligung an Gesellschaften im Wettgeschäft war. Geschäftsführer und Gesellschafter der Gesellschaft ist K. *****. Die Klägerin wurde zum 28. 11. 2005 aufgelöst. Über Antrag von K. ***** vom 3. 7. 2017 ordnete das Gericht Mittel-Niederlande am 12. 7. 2017 die Wiederaufnahme des Verfahrens in Bezug auf die Abwicklung der Klägerin an und bestellte K. ***** zum Liquidator.

Die Klägerin ist nicht Gesellschafterin der Beklagten.

Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der 1998 gegründeten M***** GmbH. Deren Gesellschaftsvertrag vom 7. 5. 1998 sah für die Beschlussfassung der Generalversammlung vor, dass mehr als die Hälfte des Stammkapitals anwesend oder rechtsgültig vertreten ist.

Am 3. 4. 2000 fand eine außerordentliche Generalversammlung der M***** GmbH statt, in der die Erhöhung des Stammkapitals um 1.270.000 ATS auf 1.770.000 ATS unter Ausschluss des Bezugsrechts der Klägerin sowie eine Änderung und Neufassung der Satzung beschlossen wurde.

In der außerordentlichen Generalversammlung der M***** GmbH vom 8. 6. 2000 wurden der Beschluss auf Berichtigung und Klarstellung der am 3. 4. 2000 beschlossenen Satzung, insbesondere der Regelung der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer, gefasst und der Gesellschaftsvertrag klarstellend dahingehend korrigiert, dass der Punkt 7 des Gesellschaftsvertrags nunmehr richtig zu lauten hat:

„7. Die Gesellschaft hat einen, zwei oder mehrere Geschäftsführer. Sie vertreten je selbstständig. Den Geschäftsführern obliegt die Leitung des gesellschaftlichen Unternehmens und die Entscheidung und Verfügung in allen gesellschaftlichen Angelegenheiten die nach dem Gesetz, dem Gesellschaftsvertrag oder einem Gesellschafterbeschluss nicht der Generalversammlung vorbehalten sind.“

Am 30. 6. 2000 fand eine weitere Generalversammlung der M***** GmbH statt, in der unter anderem die Beschlüsse gefasst wurden, dass gemäß § 2 UmwG die M***** GmbH auf Grundlage der Schlussbilanz zum 31. 12. 1999 und des zwischen der M***** GmbH und ihrer Hauptgesellschafterin (65 %) W***** AG errichteten Umwandlungsplans unter Inanspruchnahme der Begünstigungen des Art II UmgrStG durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge umgewandelt wird, auf die Liquidation der M***** GmbH einvernehmlich verzichtet wird, der Umwandlungsplan genehmigt wird und auf den Bericht des Geschäftsführers im Sinn des § 220a AktG nach der gemäß § 2 Abs 3 UmwG sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des § 100 Abs 1 GmbHG verzichtet wird. Die Hauptgesellschafterin wurde 2010 in die Beklagte umgewandelt.

Die Beschlüsse vom 3. 4. 2000, 8. 6. 2000 und 30. 6. 2000 wurden jeweils im Jahr 2000 in das Firmenbuch eingetragen.

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Nichtigkeit und Rechtsunwirksamkeit, in eventu die Nichtigerklärung der oben angeführten Generalversammlungsbeschlüsse wegen Einberufungs-mängeln, unwirksamer Vertretung der Klägerin in der Generalversammlung am 30. 6. 2000 und weil es W***** in sitten- und treuwidriger Weise darauf angekommen sei, die Klägerin um ihren Geschäftsanteil zu bringen, indem mit den gefassten Beschlüssen ein „squeeze out“ der Klägerin vorbereitet und durch die Kapitalerhöhung der Geschäftsanteil der Klägerin auf unter 10 % gesenkt worden sei. Protokolle der Generalversammlungen seien nicht übersendet worden. Infolge dieser treuwidrigen, rechtsmissbräuchlichen und sittenwidrigen Vorgehensweise seien die Beschlüsse vom 3. 4. 2000, 8. 6. 2000 und 30. 6. 2000 mit derartig gravierenden Mängeln behaftet, dass sie als absolut nichtige Scheinbeschlüsse zu betrachten seien. Sollten keine Scheinbeschlüsse vorliegen, seien die Beschlüsse jedenfalls mit derartigen Mängeln behaftet, die eine Anfechtung rechtfertigten. Für den Fall der Feststellung der Rechtsunwirksamkeit und Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses vom 3. 4. 2000 hätte das im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Aufgriffsrecht von der Klägerin ausgeübt werden können.

Die Beklagte brachte zusammengefasst und soweit für das Revisionsverfahren von Interesse vor, die Einladungen zu den Generalversammlungen seien ordnungsgemäß erfolgt. Nur durch die Kapitalerhöhung sei es möglich gewesen, die nachfolgende verschmelzende Umwandlung durchzuführen, im Zuge derer die Klägerin eine angemessene Barabfindung in Höhe von 175.000 ATS erhalten habe. In der Generalversammlung vom 30. 6. 2000 sei die Klägerin bzw K. ***** aufgrund einer eigenhändig unterzeichneten Vollmacht durch Mag. K***** vertreten gewesen. Jedenfalls sei die Anfechtung verfristet, weil die Anfechtungsklage nicht binnen eines Monats vom Tag der Absendung der Kopie der gefassten Beschlüsse erhoben worden sei.

Der Nebenintervenient schloss sich diesem Vorbringen an.

Das Erstgericht wies ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt das Klagebegehren ab. Die vorgebrachten Mängel würden lediglich zu gemäß § 41 GmbHG anfechtbaren Generalversammlungsbeschlüssen führen. Dem auf Feststellung der Nichtigkeit gerichteten Hauptbegehren komme schon aus diesem Grund keine Berechtigung zu. Soweit man in Analogie zum Aktienrecht auch im Recht der GmbH die Kategorie der nichtigen Gesellschafterbeschlüsse anerkenne, müssten auch die Heilungstatbestände des Aktienrechts analog anzuwenden sein. Nach § 200 AktG heilten nichtige Beschlüsse, die nicht ordnungsgemäß beurkundet sind, mit Eintragung, alle sonstigen in § 200 Abs 2 AktG genannten nichtigen Beschlüsse binnen drei Jahren ab Eintragung in das Firmenbuch. Jedenfalls aber müssten sowohl die Hauptbegehren als auch die Eventualbegehren der Klägerin am „Bestandschutz“ der erfolgten Umwandlung scheitern.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Bestandschutz lasse sich mit allgemeinen Erwägungen und Verkehrsschutzüberlegungen begründen. Davon ausgehend müsse der Bestandschutz alle Beschlüsse umfassen, die die Umwandlung ermöglichen, vorbereiten und abwickeln. Wenn an dem übernehmenden Rechtsträger keine Mitgliedschaftsrechte erworben würden und die zuvor inne gehabten erlöschen, wäre es systemwidrig, wenn man die Möglichkeit eines Aufgriffsrechts an der übertragenden Gesellschaft auch nach der Umwandlung bejahte. Ein über die Anfechtung von Beschlüssen nachträglich „wiederauflebendes“ Aufgriffsrecht widerspräche dem Umstand, dass wesentliches Charakteristikum der Umwandlung gerade darin liege, dass die Minderheitsaktionäre nicht an dem Nachfolgeunternehmen beteiligt werden und zwingend aus dem Unternehmen ausscheiden.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu vorliege, ob der Bestandschutz des § 2 Abs 3 UmwG iVm § 230 AktG auch für die Umwandlung vorbereitende Beschlüsse gelte.

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof billigt die Entscheidungen der Vorinstanzen sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass weitgehend darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist Folgendes hervorzuheben:

2. Vorweg ist festzuhalten, dass sich die Frage der Nichtigkeit bzw Anfechtbarkeit von Generalversammlungsbeschlüssen einer im österreichischen Firmenbuch eingetragenen GmbH mit Sitz in Österreich nach österreichischem Recht richtet. Dem „Sitzrecht“ unterliegen alle Fragen, die das Leben der juristischen Person oder Gesellschaft begleiten, so jedenfalls auch die Bereiche der inneren und äußeren Organisation der Gesellschaft (RS0077060, RS0077038, RS0077097).

3.1. Die klagende Partei stützt ihr Klagebegehren primär auf Feststellung der Nichtigkeit der gefassten Generalversammlungsbeschlüsse, weil sie davon ausgeht, dass absolut nichtige (Schein‑)Beschlüsse vorliegen.

3.2. Anders als bei der Aktiengesellschaft wird bei der GmbH im Gesetz nicht (ausdrücklich) zwischen bloß anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen unterschieden. Im Schrifttum wird – in nicht einheitlicher Terminologie – zwischen anfechtbaren, nichtigen, unwirksamen und sonstigen Nicht‑ bzw Schein‑ oder wirkungslosen Beschlüssen unterschieden (vgl Enzinger in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG § 41 Rz 10).

3.3. Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass der weite Wortlaut des § 41 GmbHG dafür spricht, dass sowohl Einberufungsmängel und Ankündigungsmängel als auch Inhaltsmängel des Gesellschafterbeschlusses nur anfechtbar sind, nicht aber von Anfang an unwirksam und damit nicht sanierbar wären (RS0111765; 6 Ob 65/15z).

3.4. Der Normzweck der Anfechtungsmöglichkeit besteht in der Beseitigung inkorrekt zustande gekommener oder inhaltlich bedenklicher Beschlüsse. Die Befristung der Klagemöglichkeit soll sicherstellen, dass ein Beschluss „nicht all zu lange in der Schwebe“ belassen wird (6 Ob 290/98k; 6 Ob 65/15z).

3.5. Die Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse mit Klage nach § 41 GmbHG ist nach der Rechtsprechung nur dort entbehrlich, wo ein Beschluss mit derart gravierenden Mängeln behaftet ist, dass von einer rechtlich unbeachtlichen Willensäußerung gesprochen werden muss (RS0060167). Solche „Scheinbeschlüsse“ entfalten von vornherein keine Wirksamkeit, weil es bereits an den formalen Voraussetzungen für einen Beschluss nach § 34 GmbHG mangelt und eine nachträgliche Heilung jedenfalls ausscheidet ( Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer , Gesellschaftsrecht 2 Rz 4/306 mwN). In diesem Fall kann die mangelnde Wirksamkeit jederzeit durch Einrede oder Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO ohne die Befristung des § 41 GmbHG geltend gemacht werden (6 Ob 191/18h; RS0111607; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer , Gesellschaftsrecht 2 Rz 4/306 mwN; Linder in Foglar‑Deinhardstein/Aburumieh/ Hoffenscher‑Summer, GmbHG § 41 Rz 16 ff).

3.6. Die von der klagenden Partei behaupteten Beschlussmängel reichen nicht aus, die angefochtenen Beschlüsse als Scheinbeschlüsse im Sinn der Rechtsprechung zu qualifizieren (vgl dazu RS0060167).

3.7. Ein Scheinbeschluss wurde etwa angenommen, wenn er unter Mitwirkung eines Nichtgesellschafters zustande kam und weder eine ordnungsgemäße Einberufung einer Generalversammlung erfolgte, noch ein schriftliches Einverständnis aller Gesellschafter zu einer schriftlichen Abstimmung (Umlaufbeschluss) vorlag (7 Ob 143/10w) oder wenn entgegen § 34 GmbHG ein Beschluss weder in einer Generalversammlung noch in einer für die schriftliche Abstimmung vorgesehenen Weise erfolgt ist. Diesfalls ist von einer rechtlich unbeachtlichen Willensäußerung einer Minderheit bzw einem allenfalls „Nichtbeschluss“ auszugehen (vgl 7 Ob 284/98k; 8 ObA 32/08a; 9 ObA 71/09w). Demgegenüber bringt die klagende Partei selbst vor, dass die Generalversammlungen grundsätzlich – wenn auch nach ihrem Vorbringen mangelhaft – einberufen wurden und tatsächlich stattfanden.

3.8. Der Oberste Gerichtshof ist etwa bei Teilnahme eines vom Stimmrecht ausgeschlossenen Gesellschafters an der Abstimmung von bloßer Anfechtbarkeit ausgegangen (1 Ob 573/85), ebenso bei einem nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommenen Beschluss (2 Ob 241/03z), bei Nichtbeachtung eines satzungsmäßig vorgesehenen Präsenzquorums (6 Ob 59/13i), bei Verstößen gegen § 1295 Abs 2 ABGB und treuwidriger Stimmabgabe (6 Ob 130/05v; RS0106227).

3.9. Damit kommt den von der klagenden Partei primär erhobenen Feststellungsbegehren schon aus diesem Grund keine Berechtigung zu.

3.10. Entgegen dem Revisionsvorbringen ist den Entscheidungen 6 Ob 574/77, 1 Ob 573/85, 6 Ob 27/92, 7 Ob 284/98k und 4 Ob 527/94 keine allgemeine Aussage dahin zu entnehmen, dass eine Sittenwidrigkeit jedenfalls zum Vorliegen eines bloßen Scheinbeschlusses führen müsse. Im der Entscheidung 6 Ob 575/77 zugrundeliegenden Fall wurde – ohne Verständigung der Mehrheitsgesellschafter von der beabsichtigten Beschlussfassung – ein Beschluss von einer bloßen Minderheit außerhalb einer Generalversammlung gefasst. In der Entscheidung 4 Ob 527/94 wurde zudem das Vorliegen von Sittenwidrigkeit im konkreten Fall verneint.

4.1. Zutreffend erkannten die Vorinstanzen, dass sowohl die Hauptbegehren als auch die Eventualbegehren der klagenden Partei am „Bestandschutz“ der erfolgten Umwandlung scheitern. Im Kern wendet sich die klagende Partei gegen den Beschluss auf Umwandlung nach § 2 UmwG in der Generalversammlung am 30. 6. 2000, der noch im Jahr 2000 in das Firmenbuch eingetragen wurde.

4.2. § 2 Abs 3 UmwG verweist auf die verschmelzungsrechtlichen Regelungen des Aktien‑ und des GmbH‑Gesetzes. § 230 AktG regelt die Anfechtung des Verschmelzungsbeschlusses der übertragenden Gesellschaft. Nach der Eintragung der Verschmelzung in das Firmenbuch ist eine Anfechtung des Verschmelzungsbeschlusses der übertragenden Gesellschaft gegen die übernehmende Gesellschaft zu richten (§ 230 Abs 1 AktG). Nach § 230 Abs 2 AktG lassen allerdings Mängel der Verschmelzung die Wirkungen der Eintragung gemäß § 225a Abs 3 AktG unberührt. Das auf Anfechtung oder Feststellung der Nichtigkeit eines Verschmelzungsbeschlusses gerichtete Begehren kann ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 235 ZPO auf den Ersatz des Schadens, der dem Kläger aus der auf dem Beschluss beruhenden Eintragung der Verschmelzung im Firmenbuch entstanden ist, abgeändert oder auf Ersatz der Prozesskosten eingeschränkt werden.

4.3. Mit der Eintragung der Verschmelzung tritt somit der sogenannte „Bestandschutz“ ein (Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 § 2 UmwG Rz 37, 120 und 124). Die vollzogene Umwandlung soll nicht Jahre nach Beendigung des Anfechtungsverfahrens nach Eintragung rückgängig gemacht werden (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 230 Rz 6). Daher können Mängel zwar auch noch nach Eintragung der Verschmelzung wahrgenommen werden, nach der Regel des § 230 Abs 2 AktG aber nicht zur Rückgängigmachung einer einmal wirksam gewordenen Verschmelzung führen (Szep in Artmann/Karollus, AktG6 § 230 Rz 9 ff mwN).

4.4. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 230 AktG in der Fassung des EU‑GesRÄG, BGBl 1996/304, erschöpft sich daher eine erfolgreiche Anfechtung der der Verschmelzung zugrunde liegenden Rechtshandlungen in Schadenersatzansprüchen (32 BlgNR 20. GP  106).

4.5. Der Bestandschutz bezieht sich auf alle Mängel der Verschmelzung unabhängig von der Schwere des Mangels (Napokoj, Bestandschutz eingetragener Verschmelzungen, GES 2007, 231 [232]; Szep in Artmann/Karollus, AktG6 § 230 Rz 10). Auch wenn im Gesetz ausdrücklich nur von Anfechtungsklagen gesprochen wird, bezieht sich die Regelung nach herrschender Auffassung auch auf die Nichtigkeit (Szep in Artmann/Karollus, AktG6 § 230 Rz 5; Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 § 230 AktG Rz 8). Selbst die Nichtigkeit des Vertrags zB wegen Täuschung oder Verstößen gegen die guten Sitten lässt den Bestand der Verschmelzung unberührt (Szep aaO Rz 10 f; Napokoj, Praxishandbuch Spaltung Rz 26.2; Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 § 230 AktG Rz 14 mwN; vgl auch Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 96 Rz 22a). Nach der Eintragung kann daher selbst bei schwersten Mängeln keine Anfechtungs‑ oder Nichtigkeitsklage erhoben werden; vor Eintragung erhobene Anfechtungs‑ oder Nichtigkeitsklagen müssen in Schadenersatzklagen geändert oder auf Kosten eingeschränkt werden (Hügel, Das neue Spaltungsgesetz und die Reform des Umgründungsrechts, ecolex 1996, 527; Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 195 Rz 94, 115 und § 197 Rz 36).

4.6. Ob – wie die klagende Partei meint – der Bestandschutz nach § 230 AktG auch dann greift, wenn der Umgründungsbeschluss auf einer strafbaren Handlung beruht, braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend geklärt zu werden, weil die Feststellungen der Vorinstanzen keine diesbezüglichen Anhaltspunkte bieten.

4.7. § 230 Abs 2 AktG normiert zwar einen Bestandschutz, führt aber nicht dazu, dass die Gesellschafter rechtsschutzlos bleiben. Aus § 230 Abs 2 AktG kann nämlich keine Heilung von Mängeln abgeleitet werden (Napokoj, GES 2007, 231 [233]; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 230 Rz 14). Vielmehr geht die Bestimmung implizit davon aus, dass weiterhin Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können. Aus § 230 Abs 2 AktG ergibt sich lediglich die Einschränkung, dass nur noch derartige Schadenersatzansprüche sowie allenfalls ein prozessualer Kostenersatzanspruch in Betracht kommen (vgl Heinrich, Anfechtungsklagen in der AG, GesRZ 2017, 281 [286]; Napokoj, GES 2007, 231 [233]). Daher sieht § 2 Abs 3 UmwG für zum Zeitpunkt der Eintragung in das Firmenbuch bereits anhängige Anfechtungsverfahren ausdrücklich eine Umstellung auf Schadenersatz vor (vgl 6 Ob 36/06x).

4.8. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen trifft die Argumentation der Klägerin, wonach Rechtsschutzlücken verblieben, nicht zu. Die Mängel des Verschmelzungs‑ bzw Umgründungsvorgangs werden durch § 230 Abs 2 AktG daher nicht etwa „legitimiert“; vielmehr sieht der Gesetzgeber als Ausgleich für den Verlust der Anfechtungsmöglichkeit ausdrücklich Rechtsschutz des (Minderheits‑)Gesellschafters in Form von Schadenersatz‑ und Prozesskosten-ersatzansprüchen vor, wobei § 230 Abs 2 AktG eine diesbezügliche Klagsänderung ohne Vorliegen der sonst nach § 235 ZPO erforderlichen Voraussetzungen zulässt.

4.9. Wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat, muss, wenngleich § 230 AktG nur auf den Verschmelzungs- bzw Umwandlungsbeschluss selbst Bezug nimmt, der Bestandschutz auch vorgelagerte Beschlüsse einschließen, wenn diese die Strukturveränderung vorbereiten und daher in der strukturverändernden Maßnahme „aufgehen“. Ebenso wie die Mangelhaftigkeit eines Beschlusses einen anderen erfassen kann, wenn nach ihrem Sinn ein Zusammenhang besteht (vgl Baumgartner/Mollnhuber/ U. Torggler in U. Torggler, GmbHG § 41 Rz 4), sind infolge des Bestandschutzes auch die nach dem Vorbringen der klagenden Partei „vorbereitenden“ Beschlüsse vom 3. 4. 2000 und 8. 6. 2000 als „anfechtungsfest“ anzusehen. In diesem Sinn ist nach herrschender Auffassung etwa auch ein verschmelzungsbedingter Kapitalerhöhungsbeschluss der übernehmenden Gesellschaft vom Bestandschutz erfasst (Szep in Artmann/Karollus, AktG6 § 230 Rz 8; Aburumieh/Adensamer/Foglar‑Deinhardstein, Praxisleitfaden Verschmelzung Rz E.1 mwN). Daher kann die Bekämpfung vorbereitender Beschlüsse nie dazu führen, dass die Umwandlung rückabgewickelt wird. Alles andere wäre inkonsequent und konterkarierte die Intention des Gesetzgebers, die Verschmelzung (Umwandlung) bestandsfest zu machen.

4.10. Zutreffend hat auch schon das Erstgericht darauf verwiesen, dass die verschmelzende Umwandlung zur Folge hat, dass das betroffene Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergeht (RS0079848, RS0075703; 2 Ob 156/01g). Damit gelten die in der Generalversammlung der M***** GmbH als Rechtsvorgängerin der beklagten Partei am 3. 4. 2000 und 8. 6. 2000 gefassten Beschlüsse als Beschlüsse der beklagten Partei und bestehen als Beschlüsse der beklagten Partei weiter. Bei der Umwandlung werden – im Gegensatz zur Verschmelzung – keine Mitgliedschaftsrechte am übernehmenden Rechtsträger erworben; Minderheitsgesellschafter erwerben vielmehr einen Anspruch auf Barabfindung gegen den Hauptgesellschafter (Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 § 2 UmwG Rz 127). Auch diese Erwägung spricht gegen die Möglichkeit der Klägerin, die ja nie Gesellschafterin der beklagten Partei geworden ist, die angeführten Beschlüsse der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu bekämpfen (vgl auch zur Spaltung 7 Ob 287/06s; RS0119153; zum Squeeze‑out 6 Ob 197/18s).

4.11. Da somit die Umwandlung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, fehlt es auch an einem Rechtsschutzinteresse der Klägerin für eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO. Aus der Feststellung der Unwirksamkeit der angeführten Beschlüsse allein wäre für die klagende Partei nichts abzuleiten, weil die M***** GmbH nicht mehr existiert und die Umwandlung aufgrund der Eintragung im Firmenbuch bereits Bestandschutz genießt. Das erforderliche Feststellungsinteresse muss aber aus der konkreten Betroffenheit der Rechtslage des Klägers ableitbar sein. Ein allgemeines Interesse an einer fehlerfreien Beschlussfassung reicht für ein Feststellungsinteresse nicht aus (vgl zu Mängeln von Aufsichtsratsbeschlüssen 5 Ob 554/94).

4.12. Am Bestandschutz der eingetragenen Verschmelzung scheitert aber auch die Berufung der klagenden Partei auf ihr Aufgriffsrecht. Die Klägerin argumentiert im Wesentlichen, für den Fall der Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse vom 3. 4. 2000 hätte sie ihr Aufgriffsrecht ausüben können. Ein über eine Anfechtung nachträglich wiederauflebendes Aufgriffsrecht liefe aber dem Bestandschutz der Umwandlung zuwider. Ein Anspruch auf Anteile an der neuen Gesellschaft würde letztlich die Wirkungen der Umwandlung aufheben. Damit würde aber gegen den Grundsatz verstoßen, wonach wesentliches Charakteristikum der Umwandlung darin liegt, dass die Minderheitsaktionäre nicht an dem Nachfolgeunternehmen beteiligt werden und damit zwingend aus dem Unternehmen ausscheiden.

5. Zusammenfassend erweisen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen daher als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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