OGH 5Ob554/94

OGH5Ob554/9429.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef Wolfgang Z*****, Industrieller, ***** vertreten durch Dr.Peter Kisler und DDr.Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Ronald Rast und Dr.Christian Werner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung der Rechtsunwirksamkeit von Beschlüssen des Aufsichtsrates, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 8.Juli 1993, GZ 3 R 78/93-11, in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 24.Oktober 1994, 3 R 78/93-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 19.Februar 1993, GZ 30 Cg 281/92-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 19.069,20 (darin S 3.178,20 USt.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Mitglied des Aufsichtsrates der Beklagten, deren Unternehmensgegenstand gemäß Punkt 2. des Gesellschaftsvertrages die Herstellung und der Vertrieb von Nahrungs- und Genußmitteln aller Art, insbesondere von Kartoffeln und Chips, Popcorn, gerösteten Erdnüssen und ähnlichen Produkten ist, ferner die Beteiligung an ähnlichen Unternehmen, die ihren Sitz in der Republik Österreich haben, die Vertretung von in- und ausländischen Unternehmen des gleichen Produktszweiges innerhalb der Republik Österreich sowie der Handel mit Waren aller Art.

Gemäß Punkt 7. Abs 3 des Gesellschaftsvertrages sind Anordnungen des Aufsichtsrates und die Beschlüsse der Generalversammlung für die Geschäftsführer bindend.

Gemäß Punkt 7. Abs 6 des Gesellschaftsvertrages ist für nachfolgende Maßnahmen der Geschäftsführung die vorherige Zustimmung des Aufsichtsrates erforderlich:

1. zur Erteilung und zum Widerruf der Prokura;

2. zur Gewährung von Darlehen an Gesellschafter;

3. für Geschäfte, die dem Statut der Gesellschaft in seiner jeweiligen Fassung gemäß der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen.

Außer der Bestimmung des Punktes 7. Abs 3 bis 6 finden sich im Gesellschaftsvertrag und im Syndikatsvertrag, aufgrund dessen der Kläger einen Sitz im Aufsichtsrat einnimmt, keinerlei Anordnungen über die Bindung der Geschäftsführer an Aufsichtsratsbeschlüsse oder über die Übertragung von Kompetenzen der Generalversammlung auf den Aufsichtsrat, insbesondere der Kompetenz nach § 20 GmbHG, den Geschäftsführern Weisungen zu erteilen.

Der Kläger nimmt aufgrund des Syndikatsvertrages vom 12.8.1985, Pkt III lit e, ein Recht auf einen Sitz im Aufsichtsrat in Anspruch. Er ist an der Z***** GmbH zu 70 %, seine Schwester Dr.Hildegund M***** gemeinsam mit ihren beiden Kindern zu 30 % beteiligt. An der Beklagten ist die B***** AG zu 56 %, die V***** GmbH hingegen zu 44 % beteiligt. Gesellschafter der V***** GmbH sind die Z***** GmbH (als Mehrheitsgesellschafterin) und der Verband *****.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß folgende in der Sitzung des Aufsichtsrates der Beklagten vom 19.5.1992 gefaßten Beschlüsse nichtig bzw. rechtsunwirksam seien:

a) daß der Bericht des Geschäftsführers und der von der Geschäftsführung vorgelegte Jahresabschluß für das Geschäftsjahr 1991 genehmigt erscheine;

b) KommRat Herbert R***** mit dem Abschluß des Lizenzvertrages mit der K***** KFT zu betrauen;

c) auf Genehmigung und Abschluß eines Konsulentenvertrages mit der K***** KFT in der Weise, daß die K***** GmbH Management-Leistungen und Know-how der K***** KFT gegen vollen Spesenersatz leistet;

d) den Geschäftsführer mit dem Abschluß einer Rahmenvereinbarung für Forschung und Entwicklung mit der B***** AG zu ermächtigen.

Der Kläger stellte auch das Eventualbegehren, diese Beschlüsse für nichtig zu erklären.

Der Kläger begründete das Klagebegehren damit, mit Ausnahme des zu a) genannten Beschlusses seien die Beschlußgegenstände in der Einladung nicht ordnungsgemäß angekündigt worden und es habe daher darüber schon formal kein gültiger Beschluß gefaßt werden können.

Die Mitglieder des Aufsichtsrates hätten vor der Sitzung vom 19.5.1992 keinerlei Unterlagen erhalten und daher die Fragen nicht eingehend studieren können. Der Aufsichtsrat sei nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag zur Fassung der bekämpften Beschlüsse nicht kompetent gewesen. Es habe sich die qualifizierte Konzernmacht der H. B***** KG als Mehrheitsgesellschafter unter Hintansetzung der Interessen der Minderheit der Gesellschafter und vor allem unter Umgehung des in Betreff der zu b), c) und d) genannten Beschlußgegenstände den Mehrheitsgesellschafter treffenden Stimmverbotes nach § 39 Abs 4 GmbHG durchgesetzt. Die Beschlußfassung zu Pkt a) sei in krasser Verletzung des Gesetzes, insbesondere des § 30k GmbHG und des § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG erfolgt. Es sei die zwingende Kompetenz der Generalversammlung kraß verletzt worden. Die Vorgangsweise der Mehrheitsgesellschafterin hinsichtlich der Beschlußgegenstände b) und c) sei für die Beklagte existenzgefährdend und der Abschluß der Verträge, wozu der Aufsichtsrat den Geschäftsführer berechtigt habe, von so weittragender Bedeutung, daß es sich hier um Grundlagenentscheidungen handle, welche nicht nur nach § 20 GmbHG in die Kompetenz der Generalversammlung fielen, sondern zu ihrer Durchführung zumindest der qualifizierten Mehrheit, wenn nicht der Einstimmigkeit der Gesellschafter im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 49 ff GmbHG bedürfte. Bei der Beschlußfassung über diese Punkte wäre gemäß § 39 Abs 4 GmbHG die Mehrheitsgesellschafterin vom Stimmrecht in der Generalversammlung ausgeschlossen. Als Mitglied des Aufsichtsrates habe der Kläger auch das Gesamtinteresse der Gesellschaft individuell wahrzunehmen, weil ihn die Haftung für die sorgsame Erfüllung seiner Pflichten als Aufsichtsratsmitglied treffe. Eine Rahmenvereinbarung mit der B***** AG für Forschung und Entwicklung wäre jedenfalls der Zustimmung der Generalversammlung unter Ausschluß des Stimmrechts des begünstigten Mehrheitsgesellschafters nach § 39 Abs 4 GmbHG zu unterziehen (ON 1). Die V***** GmbH habe die Beschlüsse der Generalversammlung vom 3.8.1992, insbesondere auch den Beschluß auf Feststellung des Jahresabschlusses und auf Gewinnverteilung nach § 41 GmbHG zu AZ 14 Cg 183/92 des Handelsgerichtes Wien angefochten. Im Hinblick darauf, daß seitens der V***** als Mehrheitsgesellschafterin die gesellschaftswidrigen Beschlüsse der Aufsichtsratssitzung vom 3.8.1992 hinsichtlich des Jahresabschlusses 1991 ohnedies nach § 41 GmbHG angefochten würden, habe er die Anfechtung des dieser Beschlußfassung zugrundeliegenden Aufsichtsratsbeschlusses vom 3.8.1992 bisher nicht vorgenommen.

Die Beklagte wendete ein, gemäß Punkt 8. des Gesellschaftsvertrages seien die Sitzungen des Aufsichtsrates einzuberufen, ohne daß es der Bekanntgabe einer Tagesordnung bedürfe. Bei dem zu Punkt a) der Klage bekämpften Beschlußgegenstand handle es sich lediglich um die Erklärung des Aufsichtsrates, daß der Jahresabschluß in dieser - sohin genehmigten - Form der Generalversammlung präsentiert werde und diese im Sinne des § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG die Prüfung vorzunehmen und die Genehmigung desselben sowie die Verteilung des Reingewinnes zu beschließen habe. Der Aufsichtsrat habe lediglich gemäß § 30k Abs 1 GmbHG den Jahresabschluß geprüft und der Generalversammlung berichtet.

Die nach den Beschlußgegenständen zu b), c) und d) der Klage vom Aufsichtsrat genehmigten Verträge fänden sich weder im Kompetenzkatalog des § 35 GmbHG noch liege eine Beschränkung des Geschäftsführers im Sinne des § 20 GmbHG durch Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluß vor. Ein allfälliges Stimmverbot nach § 39 Abs.4 GmbHG sei nicht anzuwenden, weil die zitierte Gesetzesstelle die Beschlußfassung der Gesellschafter behandle und auf Aufsichtsratsbeschlüsse nicht analog anzuwenden sei.

Dem Kläger sei in der Generalversammlung vom 3.8.1992 einstimmig die Entlastung als Aufsichtsratmitglied erteilt worden. Er habe daher kein rechtliches Interesse an der Feststellung einer Unwirksamkeit der Aufsichtsratsbeschlüsse.

Das Erstgericht wies das Haupt- und Eventualbegehren ab.

Das Erstgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Die Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses könne nur im Wege einer Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO überprüft werden. Im Wege eines Feststellungsurteiles, welches keine Rechtskraftwirkung gegenüber Dritten äußere, könnte der Kläger nur erreichen, daß die Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses im Verhältnis zwischen ihm und der Beklagten, nicht jedoch im Verhältnis zwischen Gesellschaftern untereinander, Gesellschaftern und Gesellschaft, Gesellschaft und Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit oder Gesellschaft und Geschäftsführern festgestellt werde. Die Wahrnehmung von Gesellschaftsinteressen durch ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied im Wege einer Feststellungsklage erscheine daher schon aus diesem Grund nicht möglich. Ein allgemeines Interesse an der Fehlerfreiheit von Aufsichtsratsbeschlüssen legitimiere das Aufsichtsratsmitglied noch nicht zur Klageführung. Der Kläger werde durch die bekämpften Beschlüsse nicht in seiner, sich aus der Position eines Aufsichtsratsmitgliedes ergebenden Rechtslage beeinträchtigt. Durch die bekämpften Beschlüsse werde möglicherweise in die Mitgliedschaftsrechte der einzelnen Gesellschafter eingegriffen, deren Klagsrecht unbestritten sei, die Rechtslage des Klägers als Aufsichtsratsmitglied werde hievon jedoch nicht betroffen. Insbesondere sei der Käger auch keinen Schadenersatzansprüchen aufgrund der angefochtenen Beschlüsse ausgesetzt. Von einem Aufsichtsratsmitglied könne keinesfalls verlangt werden, daß er zum Wohl der Gesellschafter auf eigenes wirtschaftliches Risiko den Klagsweg beschreite.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes in jedem Klagepunkt (s. Ergänzungsbeschluß vom 24.10.1994) S 50.000,-- übersteigt, und daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht stellte zunächst aus den vorgelegten Urkunden folgendes fest:

Gemäß Pkt.8 Abs 9 des Gesellschaftsvertrages werden die Sitzungen des Aufsichtsrates vom Vorsitzenden mittels eingeschriebenen Briefes wenigstens 14 Tage vor der Sitzung einberufen, ohne daß es der Bekanntgabe einer Tagesordnung bedarf.

In der Einladung zur Aufsichtsratssitzung vom 13.4.1992 scheint als zweiter Tagesordnungspunkt der "Beschluß über die Vorlage des Rechnungsabschlusses 1991 samt Gewinnverteilungsvorschlag an die ordentliche Generalversammlung vom gleichen Tage" auf. Indes erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Lunacek zu dem im Protokoll wie in der Einladung bezeichneten zweiten Tagesordnungspunkt laut dem Protokoll über die Aufsichtsratssitzung vom 19.5.1992, den "Antrag der Geschäftsführung auf Genehmigung des vorgelegten Rechnungsabschlusses" zur Abstimmung zu bringen und stellte nach der Abstimmung fest, daß "der von der Geschäftsführung vorgelegte Jahresabschluß mehrheitlich genehmigt erscheine".

Entsprechend der für den 19.5.1992 vorgenommenen Einladung zur Generalversammlung war der erste Tagesordnungspunkt dieser Generalversammlung die "Feststellung der Bilanz 1991" und Pkt 4 die "Beschlußfassung über die Verteilung des Gewinnes des Geschäftsjahres 1991".

In der Aufsichtsratssitzung vom 3.8.1992 wurde der Rechnungsabschluß des Geschäftsjahres 1991 samt Gewinnverteilungsvorschlag "neuerlich behandelt und der Beschluß gefaßt, der Generalversammlung vom 3.8.1992 zur Beschlußfassung den Rechnungsabschluß und den Gewinnverteilungsvorschlag vorzulegen".

Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen folgendes aus:

Das GmbHG enthalte keine Regelung hinsichtlich fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse. Die Anwendung der §§ 41 ff GmbHG über die Voraussetzungen und Folgen der Nichtigkeit fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse auf derartige Aufsichtsratsbeschlüsse im Wege der Analogie werde in Österreich einhellig abgelehnt. Da das Gesetz eine Qualifikation der bei Aufsichtsratsbeschlüssen unterlaufenden Fehlerhaftigkeiten unterlasse, sei die Unterscheidung in anfechtbare und nichtige Beschlüsse auf den Aufsichtsrat nicht anwendbar. Es werde nur zwischen gültigen und ungültigen Aufsichtsratsbeschlüssen unterschieden. Die Nichtigkeit eines solchen Beschlusses könne demnach nur im Wege einer Feststellungsklage vom Gericht überprüft werden (SZ 58/32; Wünsch, GmbHGKomm, § 30g, Anm 62 ff mwN).

Der Berufungswerber bezweifle nicht, daß sich die Voraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 228 ZPO beurteilen, vertrete jedoch unter Berufung auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung die Ansicht, daß das nach § 228 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse nicht aus der Rechtslage des Klägers entspringen müsse, sondern daß das allgemeine Interesse des Klägers als Aufsichtsratsmitglied an fehlerfreien Aufsichtsratsbeschlüssen ausreiche.

Gemäß § 228 ZPO könne auf Feststellung geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran habe, daß ein Rechtsverhältnis oder Recht (oder die Urkundenechtheit) durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Nicht bezweifelt werde, daß die Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses einer GmbH Gegenstand einer Feststellungsklage sein könne (SZ 58/32).

Zum Unterschied von anderen Klagstypen sei das Erfordernis des rechtlichen Interesses für die Feststellungsklage ausdrücklich normiert. Eine sinnvolle Wirkung könnten Feststellungsklage und Urteil nur entfalten, wenn ein aktueller Anlaß zu einer vorbeugenden Klärung bestehe. Die Gerichtstätigkeit solle auf jene Fälle beschränkt werden, in denen eine vorbeugende Klärung der Rechtslage durch den Richter zweckmäßig erscheine und auch geeignet sei, einen künftigen weiteren Rechtsstreit zu vermeiden. Es sei daher das Feststellungsinteresse für jede Feststellungsklage besonders zu prüfen, soweit nicht das materielle Recht eigene Feststellungsklagen geschaffen habe, bei denen das Feststellungsinteresse vermutet und vom Kläger nicht gesondert behauptet werden müsse (Fasching, LB2, Rz 1096, 1104).

Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung müsse sich unmittelbar aus der Rechtsordnung ableiten lassen und setze ganz allgemein voraus, daß der Klagsgegenstand eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung des Klägers besitzt (Fasching, LB2, Rz 1097 ff mwN). Es müsse daher auch bei der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses eines Aufsichtsrates das erforderliche Feststellungsinteresse aus der Rechtslage des Klägers abzuleiten sein; ein allgemeines Interesse an fehlerhaften Aufsichtsratsbeschlüssen reicht nicht aus (SZ 58/32; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 278; Wünsch, aaO, § 30g, Anm.65; vgl auch Schiemer, AktG2, § 92, Anm.1.4).

Gemäß § 30k GmbHG habe der Aufsichtsrat den Jahresabschluß, den Vorschlag für die Gewinnverteilung und den Geschäftsbericht zu prüfen und der Generalversammlung zu berichten. Demgegenüber unterliege gemäß § 35 Abs.1 Z 1 GmbHG die Prüfung und Genehmigung des Jahresabschlusses und die Verteilung des Reingewinnes, falls letztere im Gesellschaftsvertrag einer besonderen Beschlußfassung von Jahr zu Jahr vorbehalten ist, der Beschlußfassung der Gesellschafter.

Da der Aufsichtsrat den Jahresabschluß 1991 samt Gewinnverteilungsvorschlag sowohl der Generalversammlung vom 19.5.1992 als auch vom 3.8.1992 zur Beschlußfassung vorgelegt habe, könne der Behauptung des Klägers, durch die den Jahresabschluß 1991 betreffende Beschlußfassung des Aufsichtsrates in seiner Sitzung vom 19.5.1992 hätte die zwingende Kompetenz der Generalversammlung umgangen werden sollen, nicht gefolgt werden. Zuletzt sei auch noch durch eine Beschlußfassung in der Aufsichtsratssitzung vom 3.8.1992 unzweifelhaft klargestellt worden, daß sich der Aufsichtsrat nicht die Kompetenz der Generalversammlung nach § 35 Abs.1 Z 1 GmbHG anmaße, sodaß ein rechtliches Interesse an der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses laut Pkt a des Klagebegehrens durch das Erstgericht zu Recht schon deshalb zu verneinen wäre, weil die Beklagte bzw deren Aufsichtsrat keinen aktuellen Anlaß zur Klagsführung durch die Gefährdung irgendeiner Rechtsposition gegeben hätte.

Der Aufsichtsrat habe gemäß § 30j Abs.1 GmbHG die Geschäftsführung zu überwachen und könne gemäß § 30j Abs.5 GmbHG auch anordnen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden sollen. Eine solche Anordnung könne auch für einzelne Geschäfte durch den Aufsichtsrat getroffen werden, wenn diese aus dem Kreis der sonstigen Geschäfte völlig herausragten und wegen ihrer Besonderheit und Bedeutung als Geschäfte besonderer Art anzusehen seien (Wünsch, aaO, § 30j GmbHG, Anm.148). Unzweifelhaft handle es sich bei den Geschäften laut den Punkten b, c und d des Klagebegehrens um herausragende Geschäfte, deren Abschluß der Aufsichtsrat von seiner Genehmigung habe abhängig machen können. Wenn nun auch ein Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrates zu den genannten Verträgen formell nicht beschlossen worden sei, so komme doch den Beschlüssen, aus denen die Zustimmung des Aufsichtsrates zum Abschluß der Verträge zu ersehen sei, im Rahmen der Überwachung der Geschäftsführung, die gemäß Punkt 7. Abs.3 des Gesellschaftsvertrages an Anordnungen des Aufsichtsrates gebunden sei, eine Klarstellungsfunktion zu, die in den gesetzlichen Aufgabenrahmen des Aufsichtsrates eingeordnet werden könne. Die beanstandeten Beschlüsse des Aufsichtsrates hätten jedoch die Generalversammlung nicht daran hindern können, ihre Funktion als oberstes Organ der Gesellschaft, welches an die Entscheidungen des Aufsichtsrates nicht gebunden sei, wahrzunehmen und durch Weisungen die Geschäftsführer zur Unterlassung der beabsichtigten Vertragsabschlüsse anzuhalten (Kastner-Doralt-Nowotny, Gesellschaftsrecht5, 406), sodaß allein aus den Beschlußgegenständen keine Nichtigkeit der bekämpften Beschlüsse des Aufsichtsrates abgeleitet werden könne.

Beschlüsse, mit denen der Aufsichtsrat an einer ungleichmäßigen verdeckten Gewinnausschüttung mitwirkte, könnten nichtig sein und böten dem Geschäftsführer dann keine Rechtfertigung für sein Vorgehen (vgl Kastner-Doralt-Nowotny, aaO, 387, FN 147).

Der Berufungswerber lasse bei seiner Berufung darauf, daß ihm aufgrund des Syndikatsvertrages vom 12.8.1985, Pkt III lit e, das Recht auf einen Sitz im Aufsichtsrat zukomme, um im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzen des Aufsichtsrates die Interessen der Z***** GmbH wahrzunehmen, unbeachtet, daß auch entsandte Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen ihrer Überwachungsaufgabe ihr Amt frei und unabhängig in eigener Verantwortung zu führen haben. Sie könnten sich vertraglich nicht dazu verpflichten, ihr Mandat in bestimmter Weise auszuüben (Wünsch, aaO, § 30g, Anm 60; Raiser in Hachenburg GKdGmbHG8, Rz 142 zu § 52). Zur Begründung seines ihm als Aufsichtsratsmitglied zukommenden Feststellungsinteresses könne dem Kläger daher auch nicht die Behauptung dienen, daß mit den zu b) bis

d) des Klagebegehrens bekämpften Beschlüssen in die Rechtslage der Z***** GmbH eingegriffen werde. Diese könne vielmehr als Mehrheitsgesellschafterin der V***** GmbH ihr rechtliches Interesse am Unterbleiben der Vertragsabschlüsse durch Einberufung einer Generalversammlung und entsprechende Anträge in dieser geltend machen. Gesetzwidrige Beschlüsse der Generalversammlung, die als oberstes Organ der Gesellschaft nicht an Beschlüsse des Aufsichtsrates gebunden sei, könnten - wie nach dem Vorbringen des Klägers im Schriftsatz ON 4, S 8 zu AZ 14 Cg 183/92 des Erstgerichtes in Einzelfällen schon geschehen - gemäß §§ 41 ff GmbHG angefochten werden, sodaß die Z***** GmbH nicht der Feststellungsklage des von ihr entsandten Aufsichtsratsmitgliedes bedürfe, um ihre rechtlichen Interessen zu wahren.

Im übrigen weise der Berufungswerber zur Begründung seines Vorgehens im Interesse der Minderheitsgesellschafter selbst darauf hin, daß die drei zu b) bis d) des Klagebegehrens bekämpften Beschlüsse dem Geschäftsführer nur eine Scheindeckung bieten könnten und dieser nur einer Ausrede zu entledigen sei. Ohne die vorliegende Klagsführung müßte in einem späteren Schadenersatzprozeß mit dem Einwand, es liege Deckung durch einen gültigen Aufsichtsratsbeschluß vor, gerechnet und über diese Vorfrage entschieden werden. Das vorliegende Verfahren gehe dem Verfahren auf Schadenersatz mehr oder weniger voran. Dieser Darlegung sei entgegenzuhalten, daß eine Feststellungsklage der Feststellung von Rechtsverhältnisen, nicht aber der Feststellung einzelner Elemente von Rechtsverhältnissen diene und eine Feststellungsklage nicht zulässig sei, wenn ein Leistungsanspruch aus einem streitigen Rechtsverhältnis bereits fällig ist (Fasching, aaO, Rz 1093, 1101).

Der Kläger begründe das aus seiner Stellung als Aufsichtsratsmitglied abzuleitende Feststellungsinteresse auch mit einer persönlichen Haftung für die Beschlüsse des Aufsichtsrates. Darauf sei zu erwidern, daß es bei einer Schädigung der Gesellschaft durch einen Beschluß des Aufsichtsrates für die Verantwortlichkeit der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder auf ihre Beteiligung an der Beschlußfassung ankomme. Ein bestimmtes Aufsichtsratsmitglied hafte nur, wenn es für den rechtswidrigen Beschluß gestimmt oder schuldhaft unterlassen habe, den Aufsichtsrat auf seine Bedenken hinzuweisen (Reich-Rohrwig, aaO, 309, bei FN 43). Die Voraussetzungen für eine schadenersatzrechtliche Haftung des Klägers lägen somit entsprechend seiner eigenen Sachverhaltsdarstellung nicht vor. Daß der Kläger zu einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der bekämpften Aufsichtsratsbeschlüsse nicht verpflichtet wäre, räume er im übrigen selbst ein.

In Deutschland würde die Meinung vertreten, daß nicht alle Aufsichtsratsbeschlüsse gleich beurteilt werden könnten. Die Vertreter dieser Ansicht wollten stattdessen - ähnlich wie in Deutschland bei mangelhaften Gesellschafterbeschlüssen - die §§ 241, 243 dAktG analog mit der Folge anwenden, daß bei schweren Mängel Nichtigkeit, bei leichten Anfechtbarkeit vorläge. Mit dieser Unterscheidung wäre dem Berufungswerber jedoch schon deshalb nicht geholfen, weil mit der Zulässigkeit einer rechtsgestaltenden Anfechtungsklage gegen Beschlüsse des Aufsichtsrates noch nicht die Klagebefugnis eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gegeben wäre, wenn in seine Rechte nicht unmittelbar eingegriffen würde.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine umfassende neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Fehlerhaftigkeiten von Aufsichtsratsbeschlüssen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gerichtlich durch ein Mitglied des Aufsichtsrates geltend gemacht werden können, fehle.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen in klagestattgebendem Sinn - allenfalls bloß soweit es das Eventualbegehren betrifft - abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Vorweg ist auszuführen, daß die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens - wie der Oberste Gerichtshof nach Prüfung des Akteninhaltes feststellt - nicht gegeben ist; dies bedarf keiner näheren Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Der Oberste Gerichtshof erachtet die mit der Revision bekämpften wesentlichen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteiles für zutreffend, die Revisionsausführungen hingegen für nicht stichhältig, so daß unter Hinweis auf die Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichtes nur kurz folgendes auszuführen ist (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO):

Die unter sorgfältiger Erwägung der von der in Österreich herrschenden Lehre und Rechtsprechung zur Beurteilung der hier relevanten Rechtsfrage (Recht eines Mitgliedes des Aufsichtsrates einer Gesellschaft mbH - abgeleitet bloß aus dieser Eigenschaft - zur Anfechtung von seiner Meinung nach nichtigen oder zumindest fehlerhaften Beschlüssen des Aufsichtsrates) entwickelten Grundsätze (betreffend Anfechtbarkeit als solcher und der aus den Vorschriften der Zivilprozeßordnung sich ergebenden Voraussetzungen für eine Feststellungsklage) entsprechen den Ausführungen in der Entscheidung SZ 58/32, wovon abzugehen der erkennende Senat keinen Grund sieht:

Die Anwendung der §§ 41 ff GmbHG über die Voraussetzungen und Folgen der Nichtigerklärung fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse auf derartige Aufsichtsratsbeschlüsse im Wege der Analogie ist abzulehnen, weil das Gesetz jene Mängel der Aufsichtsratsbeschlüsse, die zu deren Anfechtung berechtigen würden, nicht näher bezeichnet. Es gibt demnach nur wirksame und unwirksame (nichtige) Aufsichtsratsbeschlüsse; die Nichtigkeit eines solchen Beschlusses kann nur im Wege einer in ihren Voraussetzungen nach § 228 ZPO zu beurteilenden Feststellungsklage vom Gericht geprüft werden, wobei das erforderliche Feststellungsinteresse aus der konkreten Betroffenheit der Rechtslage des Klägers ableitbar sein muß. Ein allgemeines Interesse eines Aufsichtsratsmitgliedes an fehlerfreien Aufsichtsratsbeschlüssen reicht daher nicht aus. Wohl aber kann einem Aufsichtsratsmitglied das Feststellungsinteresse an der Beseitigung eines die innere Organisation des Aufsichtsrates (zB Wahl des Vorsitzenden) betreffenden, wegen eines bei der Einberufung der Sitzung unterlaufenen Fehlers unwirksamen Aufsichtsratsbeschlusses nicht abgesprochen werden, weil künftige Beschlußfassungen - schon zB wegen des dem Vorsitzenden zustehenden Einberufungsrechtes - in einer bestimmten Richtung entscheidend beeinflußt werden könnten und dann ihrerseits wieder nichtig wären (SZ 58/32 mwN und Auseinandersetzung auch mit der deutschen Lehre). Soweit Koppensteiner (GmbH-Gesetz Kommentar, Rz 14 zu § 30g) seine Meinung, das auf Seiten des Klägers erforderliche Rechtsschutzbedürfnis sei Mitgliedern des Aufsichtsrates immer zuzubilligen, auf SZ 58/32 stützt, wird sie durch diese Entscheidung nicht gedeckt.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Fall führt zu dem Ergebnis, daß dem Kläger das in § 228 ZPO geforderte Feststellungsinteresse fehlt, und zwar einerseits, weil er selbst in seiner allein maßgebenden Eigenschaft als Mitglied des Aufsichtsrates wegen seines von der Mehrheit abweichenden Abstimmungsverhaltens von keiner Haftung für die Folgen der gefaßten Beschlüsse betroffen sein könnte (s. Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 309), und weil anderseits die gefaßten Beschlüsse weder die künftige Tätigkeit des Klägers als Aufsichtsratsmitglied noch des Aufsichtsrates als Organ insgesamt (und damit indirekt wieder die des Klägers als Mitglied dieses Organes) beeinträchtigen können.

Da ein über diese Klage ergehendes Feststellungsurteil nur zwischen den Parteien dieses Prozesses Recht schaffen könnte, hätte ein Urteil im vorliegenden Verfahren auf möglicherweise durch die bekämpften Aufsichtsratsbeschlüsse in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigte Gesellschafter - also andere Rechtssubjekte - keine rechtliche Relevanz; deren allfälliges Feststellungsinteresse kann daher das dem Kläger fehlende nicht ersetzen.

Schon aus diesen Gründen ist die Rechtssache in klageabweisendem Sinn spruchreif. Es bedarf daher - entgegen der in der Revision vertretenen Rechtsmeinung - keiner weiteren Befassung mit dem dem Kläger gegenüber in der Aufsichtsratssitzung vom Vorsitzenden und den anderen Mitglieder an den Tag gelegten Verhalten (Nichtvorlage der Vertragsentwürfe) bzw mit der festgestellten Vorgangsweise bei Einberufung der Sitzung des Aufsichtsrates (Nichtbekanntgabe aller dann wirklich behandelten Tagesordnungspunkte - eine jedenfalls nach dem Gesellschaftsvertrag zulässige Vorgangsweise).

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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