OGH 3Ob227/19g

OGH3Ob227/19g17.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.‑Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* Gesellschaft mbH, *, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei O*, vertreten durch Dr. Georg Kahlig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. Oktober 2019, GZ 40 R 99/19h‑22, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127244

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf und ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Primär strittig ist die Frage, ob die Mutter des Beklagten, die den streitgegenständlichen Mietvertrag im Jahr 1985 gemeinsam mit ihrem Ehemann (= Vater des Beklagten) als Mitmieter abgeschlossen hat, im Zuge der Scheidung im Jahr 1989 auf ihre Mitmietrechte verzichtet hat. Der Beklagte ist unstrittig nach dem Tod seines Vaters in den Mietvertrag eingetreten.

1.1. Ein Verzicht erfolgt nach herrschender Rechtsprechung durch Vertrag (RIS‑Justiz RS0033948 [T2], RS0034122 [T7]) und bedarf daher der Annahme durch den Schuldner, die jedoch auch konkludent erfolgen kann (RS0034122 [T8]; RS0014439). Dafür genügt bereits die widerspruchslose Entgegennahme der Erklärung durch den Schuldner (2 Ob 35/17m; RS0017350; RS0034122 [T2]). Allerdings ist auch die schlüssige Annahme eine zugangsbedürftige Willenserklärung (8 Ob 7/93 SZ 68/21; Bollenberger in KBB5 § 862a ABGB Rz 1). Das Ausscheiden des Mitmieters aus dem Mietverhältnis bedarf einer– zumindest konkludenten – Dreiparteieneinigung zwischen den Mitmietern einerseits und dem Vermieter andererseits (3 Ob 149/15f mwN).

1.2. Selbst wenn man den Feststellungen den von der Klägerin behaupteten schlüssigen Verzicht der Mitmieterin entnehmen könnte, wäre für die Klägerin nichts gewonnen. Sie unternimmt in der Revision gar nicht den Versuch, den Zugang ihrer angeblichen Annahmeerklärung an die Mitmieterin darzustellen. Ihre schlüssige Annahmeerklärung erblickte die Klägerin in erster Instanz darin, dass ihr Rechtsvorgänger/dessen Hausverwaltung die Mietzinsvorschreibungen nach der Scheidung der Mieter nur gegenüber dem Vater des Beklagten vorgenommen habe und in der Berufung weiters darin, dass von Vermieterseite die Mietzinszahlung durch den Beklagten (gemeint offenbar: und davor durch seinen Vater jeweils allein) akzeptiert worden sei. Da die Revision allerdings selbst davon ausgeht, dass an die Mitmieterin niemals Vorschreibungen adressiert waren und sie nie den Bestandzins bezahlte, ist nicht ersichtlich, wie ihr die behaupteten Annahmehandlungen je zur Kenntnis gelangt, ihr also zugegangen sein sollen; das Vorgehen der Hausverwaltung führte nämlich aus der Sicht der Mitmieterin zu keiner Änderung der Gegebenheiten nach der Scheidung.

1.3. Eine (durchaus naheliegende) Kontaktaufnahme der Hausverwaltung mit der Mitmieterin, um ihr zwecks Klarstellung die Zustimmung der Vermieterseite zum Ausscheiden aus dem Bestandverhältnis und dessen Zeitpunkt zur Kenntnis zu bringen, wird von der Klägerin nicht behauptet und steht auch nicht fest. Schon mangels Zugangs einer (allenfalls schlüssigen) Annahmeerklärung ist somit der Klägerin der ihr obliegende Beweis (vgl RS0039929 [T2]) des wirksamen Zustandekommens eines Verzichtsvertrags mit der Mitmieterin nicht gelungen. Von diesem Ergebnis sind ohnehin auch die Vorinstanzen ausgegangen.

2. Der Klägerin stehen daher nach wie vor zwei Mieter aus dem Bestandverhältnis gegenüber.

2.1. Nach herrschender Ansicht bilden mehrere Mitmieter eine Rechtsgemeinschaft bürgerlichen Rechts nach § 825 ABGB und im Kündigungsprozess eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinn des § 14 ZPO, weil sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf sämtliche Streitgenossen erstreckt (RS0013160 [T10]; RS0013191; Fucik in Rechberger/Klicka 5 § 14 ZPO Rz 2; Schneider in Fasching/Konecny³ § 14 ZPO Rz 58). Das Bestandverhältnis von Mitmietern kann daher vom Bestandgeber nur für alle gemeinsam aufgekündigt werden (RS0013416 [T6]; RS0020369 [T4]). Gestaltungsrechte sind unteilbar; eine Teilauflösung, die nur einem Mitmieter gegenüber wirkt, ist unzulässig (1 Ob 616/84 SZ 57/120 RS0067030 [T2]). Mitmieter können nur alle gemeinsam auf Räumung geklagt werden, was sich schon daraus ergibt, dass bei Auflösung des Bestandverhältnisses nur in Ansehung eines der mehreren Mitberechtigten dieser nicht verurteilt werden kann, die Wohnung, an der von einem anderen Mitberechtigten weiterhin das Bestandrecht ausgeübt werden darf, dem Bestandgeber geräumt zu übergeben (4 Ob 336/98k). Die nur gegen einen der Mitmieter erhobene Klage ist daher abzuweisen (5 Ob 142/08f mwN RS0013160 [T15]).

2.2. Mit diesen Grundsätzen steht die Entscheidung des Berufungsgerichts im Einklang, ohne dass die Klägerin eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen vermag, weil sie sich nicht mit der (an die – von ihrer konkreten Ausübung unabhängige – materiell-rechtliche Stellung der Mitmieter anknüpfenden) Wirkung des zu fällenden Urteils auseinandersetzt.

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