European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00053.19A.0822.000
Spruch:
Die gegen die Abweisung des Veröffentlichungsbegehrens gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.
Der Rekurs der Beklagten wird zurückgewiesen.
Der außerordentlichen Revision der Beklagten wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden in ihren Aussprüchen über das Unterlassungsbegehren mit Teilurteil dahin abgeändert, dass das Unterlassungsbegehren abgewiesen wird.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Medieninhaberin der Gratiszeitung „H*****“ und der Website www.h*****.at. Die Beklagte ist Medieninhaberin der Website s*****.de.
Die Klägerin hat auf ihrer Website am 23. 1. 2015 einen Artikel mit Lichtbild, an dem ihr das ausschließliche Verwertungsrecht eingeräumt wurde, veröffentlicht. Das Lichtbild zeigt die im Artikel stets als „Maria J.“ bezeichnete Chefredakteurin der Klägerin. Der Artikel beginnt wie folgt:
Die Beklagte hat auf ihrer Website am 24. 1. 2015 folgenden Artikel veröffentlicht:
Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es künftig zu unterlassen, das eingangs abgebildete Lichtbildwerk ohne Zustimmung der Klägerin in Österreich öffentlich zur Verfügung zu stellen und/oder zu vervielfältigen, sowie den Urteilsspruch mit Ausnahme der Entscheidung über das Zahlungsbegehren und über die Prozesskosten binnen 14 Tagen auf der Startseite der Website der Beklagten für die Dauer von zwei Monaten in Österreich zu veröffentlichen. Sie begehrt weiters, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr einen Schadenersatz von 1.000 EUR sA zu zahlen, zumal das angemessene Entgelt für die Verwendung des Lichtbilds 500 EUR betrage und der Klägerin gemäß § 87 Abs 3 UrhG Schadenersatz in doppelter Höhe zustehe. Die Veröffentlichung sei aufgrund der unerlaubten Verwendung gerechtfertigt.
Die Beklagte wendete ein, die Verwendung des Lichtbildes sei als Berichterstattung über ein Tagesereignis (§ 42c UrhG) und in Ausübung des Zitatrechts (§ 42f UrhG) zulässig gewesen. Die Klägerin habe mit der Veröffentlichung des Lichtbildes, das die (im Artikel „anonymisierte“) Chefredakteurin der Klägerin zeigt, eklatant gegen das mediale Transparenzgebot verstoßen; um dies aufzuzeigen, sei die Veröffentlichung gerechtfertigt gewesen. Der Chefredakteurin sei die Veröffentlichung seit 24. 1. 2015 bekannt gewesen; sie sei der Klägerin zuzurechnen, weshalb der Schadenersatzanspruch verjährt sei. Das angemessene Entgelt betrage maximal 40 EUR und sei aufgrund der Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien nur für Österreich noch weiter zu reduzieren, weil die Beklagte international auftrete. Die Beklagte habe einen Unterlassungsvergleich angeboten, den die Klägerin abgelehnt habe, weshalb die Wiederholungsgefahr weggefallen sei.
Das Erstgericht gab dem Unterlassungs- und dem Schadenersatzbegehren im Ausmaß von 450 EUR samt 4 % Zinsen seit 9. 7. 2018 statt; das Zahlungs- und ein Zinsenmehrbegehren wies es ebenso ab wie das Urteilsveröffentlichungsbegehren. Die Teilabweisung des Zahlungs- und Zinsenbegehrens blieb unangefochten. Grundsätzlich sei die Verwendung eines Lichtbildwerks ohne Zustimmung des Berechtigten unzulässig. Hier liege weder ein rechtmäßiges Zitat noch eine Berichterstattung über Tagesereignisse vor. Um die Berichterstattung der Klägerin über das Verkehrsdelikt ihrer Chefredakteurin zu kritisieren, hätte es nicht des Lichtbildes bedurft, auch fehle die Quellenangabe. Die Berichterstattung über eine Berichterstattung in einer anderen Tageszeitung betreffe kein Tagesereignis, weshalb die freien Werknutzungen der §§ 42c und 42f UrhG nicht zum Tragen kämen. Der Schadenersatzanspruch sei nicht verjährt, da es sich um ein Dauerdelikt handle und die Nutzung noch nicht beendet worden sei. An Entgelt seien 225 EUR angemessen (§ 273 ZPO), gemäß § 87 Abs 3 UrhG stünden der Klägerin daher 450 EUR sA Schadenersatz zu.
Das Berufungsgericht bestätigte mittels Teilurteils die Stattgebung des Unterlassungsbegehrens und die Abweisung des Veröffentlichungsbegehrens und hob die Entscheidung über das Zahlungsbegehren im noch nicht rechtskräftigen Umfang auf. Neben einem Kostenvorbehalt sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Kritik der Beklagten habe sich gegen die anonymisierte Berichterstattung der Klägerin gerichtet, die verschweige, dass die abgebildete Radfahrerin ihre Chefredakteurin ist. Um sich über diese Vorgangsweise so zu äußern, dass die Leser die Kritik verstehen, sei allerdings die Verwendung des Lichtbildes, das die betreffende Redakteurin zeige, nicht notwendig. Das Lichtbild diene hier nur dem Zweck, die Aufmerksamkeit auf den Artikel der Beklagten zu lenken. Das sei kein durch Art 13 StGG bzw Art 10 EMRK geschützter Zweck. Aus demselben Grund liege auch kein nach § 42f UrhG zulässiges Bildzitat vor. Auf ein Werknutzungsrecht gemäß § 42c UrhG könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die Analyse der Berichterstattung eines Konkurrenzmediums keine Berichterstattung über ein Tagesereignis sei. Auch bei Verwendung des Bildes im Rahmen eines Screenshots liege kein freies Werknutzungsrecht vor. Der von der Beklagten angebotene Unterlassungsvergleich, der diese Verwendung ausnehme, sei daher nicht ausreichend, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
Die Verjährung eines Unterlassungsanspruchs nach dem UWG beginne erst, wenn der das Gesetz verletzende Zustand aufhöre. Das gelte allerdings nur für den Unterlassungsanspruch. Der Vergütungsanspruch nach § 90 Abs 1 UWG folge in Bezug auf die Verjährung den Regeln des allgemeinen Schadenersatzrechts. Hier werde auf die Kenntnis des Berechtigten (hier: deren Organe) abgestellt. Die Beklagte stütze ihren Verjährungseinwand ausschließlich darauf, dass die auf dem Lichtbild abgebildete Chefredakteurin der Klägerin seit dem 24. 1. 2015 von der Verwendung des Lichtbildes gewusst habe. Diese verfüge aber auch nach dem Vorbringen der Beklagten über keine Organstellung bei der Klägerin; auf ihr Wissen komme es daher in diesem Zusammenhang nicht an. Das Erstgericht habe daher das Schadenersatzbegehren im Ergebnis zu Recht als nicht verjährt beurteilt. Zur Höhe des angemessenen Entgelts habe die Beklagte einen Zeugen angeboten, den das Erstgericht nicht vernommen habe. Dies mache das Verfahren mangelhaft und verlange die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung über das Zahlungsbegehren zwecks Ergänzung der Feststellungen zur Höhe des angemessenen Entgelts.
Die Urteilsveröffentlichung nach § 85 UrhG habe keinen Strafcharakter. Ein berechtigtes Aufklärungsinteresse liege daher nur dann vor, wenn die Veröffentlichung ein geeignetes Mittel zur Beseitigung jener Nachteile sei, die eine Verletzung der gesetzlich normierten (Verwertungs-)Rechte mit sich gebracht habe oder noch mit sich bringen könnte. Die Urteilsveröffentlichung müsse dabei geeignet sein, falsche Eindrücke zu beseitigen, die durch die Veröffentlichung entstanden seien. Hier sei kein Interesse der Klägerin an dieser Information zu erkennen. Die Verwendung des Bildes habe der Illustration der Geschichte über die Art der Berichterstattung der Klägerin gedient. Die der Klägerin missfallende Kritik an dieser Berichterstattung lebe überhaupt nicht von dem verwendeten Bild. Es sei durch das Bild auch kein falscher Zusammenhang hergestellt worden, der durch die Veröffentlichung zurechtgerückt werden müsste. Ein gesondertes Interesse an der Veröffentlichung der Urheberschaft an dem Bild sei somit nicht erkennbar.
Gegen die Stattgabe des Unterlassungsbegehrens sowie „hinsichtlich der Aufhebung und Zurückverweisung im Hinblick auf das Schadenersatzbegehren“ richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, gegen die Abweisung des Veröffentlichungsbegehrens jene der Klägerin.
Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben; in ihrer Rekursbeantwortung beantragt sie, den Rekurs der Klägerin zurückzuweisen. Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung ebenfalls, die Revision der Klägerin zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.
Soweit sich die – insoweit als Rekurs zu beurteilende – Revision der Beklagten gegen die Aufhebung des Ersturteils in Ansehung des Zahlungsbegehrens wendet, ist sie jedenfalls unzulässig; im Übrigen ist sie zulässig und berechtigt. Die Revision der Klägerin ist nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
I. Zum Rekurs der Beklagten
1. Die Beklagte bekämpft (auch) den aufhebenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichts betreffend das Zahlungsbegehren. Insoweit ist das als Rekurs zu behandelnde Rechtsmittel der Beklagten gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO absolut unzulässig.
2. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seines Teilurteils ausgesprochen, dass das angefochtene Urteil des Erstgerichts im Spruchpunkt 2 aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wird. Dabei handelt es sich – ausreichend deutlich erkennbar – um einen in das (auch als solches bezeichnete) Teilurteil aufgenommenen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts. Ein solcher Aufhebungsbeschluss muss nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden; dies ist nach der gerichtlichen Praxis vielmehr unüblich. Der Beschlusscharakter wird im Allgemeinen durch die Wendung „hat beschlossen und zu Recht erkannt“ zum Ausdruck gebracht.
3. Das Berufungsgericht hat zum aufhebenden Teil seiner Entscheidung keinen Zulassungsausspruch im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO getroffen. Fehlt ein solcher Ausspruch, so ist eine Anfechtung des Aufhebungsbeschlusses ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0043898). Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung einen Teil des erstgerichtlichen Urteils bestätigt, einen anderen Teil dieser Entscheidung aber aufhebt und die Rechtssache im letzteren Umfang an das Erstgericht zurückverweist (4 Ob 196/18d mwN). Das insoweit absolut unzulässige Rechtsmittel der Beklagten ist daher zurückzuweisen.
II. Zur außerordentlichen Revision der Beklagten
1. § 42c UrhG (Berichterstattung über Tagesereignisse)
1.1. Der Senat hat erst jüngst (4 Ob 7/19m) die Rechtsprechung bekräftigt, wonach die freie Werknutzung nur für andere Werke gilt, die im Rahmen der Berichterstattung über ein Tagesereignis öffentlich wahrnehmbar werden. Damit trägt das Gesetz der Tatsache Rechnung, dass eine tagesaktuelle (Bild‑)Berichterstattung die Wiedergabe dabei wahrnehmbarer Werke in der Regel nicht vermeiden kann (RS0108465). Eine allgemeine Rechtfertigung für die Verwertung von Lichtbildern, die (selbst) Tagesereignisse zeigen oder damit in Zusammenhang stehen, ergibt sich daraus nicht (4 Ob 104/11i, Phantombild V [3.3.]). Das Werk als solches darf nicht allein Gegenstand des Tagesereignisses sein (4 Ob 92/08w [3.2.]; 4 Ob 361/97k; St. Korn in Kucsko/Handig, urheber.recht² § 42c UrhG Rz 15, 21).
1.2. Von dieser Rechtsprechung sind die Vorinstanzen nicht abgewichen. Die in der Revision vertretene Ansicht, nicht das Bild, sondern der kritisierte Bericht sei das „Tagesereignis“ gewesen, vermag daran nichts zu ändern. Die Analyse der Berichterstattung eines Konkurrenzmediums ist keine Berichterstattung über ein Tagesereignis (4 Ob 224/00w, Schüssels Dornen-Krone).
2. § 42f UrhG (Zitate)
2.1. Der Senat hat sich mit dieser Bestimmung in der Entscheidung 4 Ob 81/17s, Bild des Wilderers (MR 2017, 325 [Walter]; ÖBl‑LS 2018/9 [Handig]; ZTR 2017, 211 [Appl]; ZIIR 2018, 87 [Thiele]; ecolex 2018, 54 [Zemann]) grundlegend auseinandergesetzt. Er hat darin an älterer Rechtsprechung (RS0124069; 4 Ob 42/12y, Einspruch S, 3.3.2.) festgehalten, wonach auch unter Berücksichtigung von Art 10 EMRK ein Bildzitat Zitat- und Belegfunktion haben muss und nicht nur der Illustration dienen darf, um beim Leser bzw Zuseher Aufmerksamkeit zu erheischen. Sofern sich der Nutzer auf das Zitatrecht beruft, ist auch zu prüfen, ob die Verneinung der freien Werknutzung einem dringenden sozialen Bedürfnis im Sinne der Judikatur des EGMR zur Notwendigkeit eines Eingriffs in die Meinungsäußerungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft dient. Die bloße Befriedigung von Neugierde oder Sensationslust zählt nicht dazu. Ferner ist auch immer zu fragen, ob sich der Zitatzweck nicht auch anders (etwa durch Einholung der Einwilligung des Rechteinhabers) oder durch Darstellung des Schutzgegenstands mit eigenen Worten erreichen lässt (3.3.1.).
2.2. An der Grundaussage dieser Rechtsprechung, nicht jeder Zitatzweck heilige das eingesetzte Mittel, hat der Senat erst jüngst wieder festgehalten (4 Ob 7/19m). Sie ist mit Art 10 MRK vereinbar, weil die vorrangige Funktion der Presse zur kritischen Berichterstattung (vgl RS0123667) in Fällen bloßer Sensationslustbefriedigung nur geringfügig beeinträchtigt wird. Selbst einem legitimen Zweck dienende Zitate dürfen den gebotenen Umfang nicht überschreiten, weil das Recht des Urhebers nicht stärker beeinträchtigt werden darf, als es die Ausübung der im Interesse der geistigen Kommunikation eingeräumten Zitierfreiheit erfordert. Insbesondere darf die Zitierfreiheit nicht dazu führen, dass der wirtschaftliche Wert des zitierten Werks in einer ins Gewicht fallenden Weise ausgehöhlt wird (4 Ob 224/00w; 4 Ob 127/01g; Mitterer/G. Korn in Kucsko/Handig, urheber.recht² § 42f UrhG Rz 30 f; vgl auch RS0076733). Dabei kommt es auf eine Abwägung der Interessen an (RS0115377 [T4]).
2.3. Hinsichtlich der Aussage dieser Rechtsprechung, es sei immer zu fragen, ob sich der Zitatzweck auch anders erreichen lasse, wurde die Entscheidung 4 Ob 81/17g allerdings in der Literatur kritisiert, weil weder der Wortlaut noch der Zweck der Norm eine generelle Subsidiarität des Zitaterechts bei Lichtbildern rechtfertige. Da sich beinahe jedes Lichtbild auch mit Worten beschreiben lasse, würde das Zitatrecht dadurch bis zur Gegenstandslosigkeit eingeschränkt (insb Appl, ZTR 2017, 211; Zemann, ecolex 2018, 54). Richtig verstanden handelt es sich jedoch bei der Frage nach zumutbaren Alternativen um ein ergänzendes Kriterium, das im Rahmen einer Gesamtbetrachtung mitabzuwägen ist (so zutreffend Walter in MR 2017, 325).
2.4. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass eine Zustimmung der Klägerin zur Bildveröffentlichung bei gebotener ex-ante Betrachtung wenig wahrscheinlich gewesen wäre. Die Verwertung des Lichtbildes erfolgte im Rahmen einer direkt gegen die Berichterstattung der Klägerin gerichteten Kritik (vgl 4 Ob 105/03z). Für die Beklagte bestanden daher keine Anhaltspunkte, die Klägerin würde sich bereit erklären, daran durch die Einräumung von Rechten an dem Lichtbild selbst aktiv mitzuwirken. Auch eine Beschreibung des Lichtbildes mit Worten erfüllt den intendierten Zitatzweck – wie im Folgenden im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung näher dargelegt wird – nicht ausreichend.
2.5. Die Revision zeigt zutreffend auf, dass der hier zu beurteilende Sachverhalt mit der Entscheidung 4 Ob 42/12y, Einspruch S, nicht vergleichbar ist. Dort wurde eine Abbildung des Titelblatts einer beliebigen Ausgabe des Mediums der damaligen Klägerin veröffentlicht, die mit dem eigentlichen Inhalt des Berichts – einer Kritik an einem Kommentar – in keinerlei Zusammenhang stand. Damit erfüllte die Abbildung weder Beleg- noch Zitatfunktion, weil sie zum inhaltlichen Verständnis der Kritik nichts beitrug.
Hingegen wurde in der Entscheidung 4 Ob 224/00w, Schüssels Dornen-Krone, ausgesprochen, dass bei Kritik an der Berichterstattung eines Mediums als publizistisch und ethisch fragwürdig optische Belege in Form der Abbildung einzelner Seiten dazu beitragen können, die verbale Kritik für das Publikum zu verdeutlichen und zu untermauern. In einem solchen Fall kann sich das Publikum erst durch die Abbildung der kritisierten Titelblätter selbst ein Bild machen. Daher wurde ein legitimer Zitatzweck bei Abbildung des Titelblatts einer Zeitungsausgabe bejaht, weil daraus die mit den dort ersichtlichen Lichtbildern bewirkte und nunmehr kritisierte Prangerwirkung für das Publikum ersichtlich gemacht werden konnte.
Ähnlich wurde in 4 Ob 127/01g, Medienprofessor, entschieden. Die Wiedergabe von Artikeln der dortigen Klägerin war notwendig, um die gegen den Beklagten geführte „Medienkampagne“ zu belegen. Die Berufung auf das urheber- und leistungsschutzrechtliche Ausschließungsrecht kann unter solchen Umständen nur den Zweck verfolgen, eine Auseinandersetzung mit der durch die Artikelserie dokumentierten Medienkampagne zu verhindern.
2.6. Der gegenständliche Sachverhalt ist mit den beiden zuletzt zitierten Entscheidungen vergleichbar.
2.6.1. Der Artikel der Beklagten fällt in den Schutzbereich des Art 10 MRK. Er stellt eine legitime Kritik an einem Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt der Klägerin (Verletzung des journalistischen Transparenzgebots) dar. Gerade in der kritischen Berichterstattung liegt aber die wesentliche Funktion der Presse in einer demokratischen Gesellschaft (vgl RS0123667).
2.6.2. Es kann auch keine Rede davon sein, die Veröffentlichung habe nur das Ziel verfolgt, die dem Werk selbst entgegengebrachte Aufmerksamkeit auszunutzen. Das Bild zeigt für den nicht informierten Betrachter bloß eine unbekannte Frau auf einem Fahrrad, die bei Rotlicht auf einem Zebrastreifen steht. Wie dadurch die Neugier oder Sensationslust der Betrachter angesprochen und für eigene wirtschaftliche Zwecke der Beklagten kanalisiert werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Ein relevantes Interesse der Leser entsteht vielmehr erst durch die zusätzliche Information, dass es sich bei der Radfahrerin um die Chefredakteurin der Klägerin handelt.
2.6.3. Ebensowenig ist erkennbar, dass mit der Veröffentlichung auf der Website der Beklagten der wirtschaftliche Wert des zitierten Werks in einer ins Gewicht fallenden Weise ausgehöhlt werden könnte. Ist dieser Wert im konkreten Fall schon an sich äußerst gering anzusetzen, so ist jedenfalls kein signifikanter Verlust durch die kritische Berichterstattung der Beklagten zu erwarten.
2.7. Das strittige Lichtbild erfüllt damit Zitat- und Belegfunktion. Kern der Kritik der Beklagten war die fehlende Offenlegung des Umstands, dass die von der Polizei bestrafte Radfahrerin Chefredakteurin der Klägerin ist; das Lichtbild belegt dies. Eine Beschreibung mit Worten kann diesem Zweck nicht im selben Ausmaß gerecht werden, weil erst durch das Lichtbild aus einer bloßen Behauptung (die der Leser glauben kann oder nicht) eine bewiesene Tatsache wird. Damit erfüllt sein Einsatz nicht nur Beleg-, sondern auch Beweisfunktion.
2.8. Auch das Berufungsgericht hat dies an sich zutreffend erkannt. Seiner weiteren Beurteilung, die Identifikation der Chefredakteurin sei bereits durch die Veröffentlichung des Bildes im Artikel der Klägerin ausreichend geschehen, kann aber nicht gefolgt werden: Eine generelle Subsidiarität des (Bild‑)Zitats gegenüber einem Quellenverweis besteht nicht, weil andernfalls § 42f UrhG jeder Anwendungsbereich genommen wäre. Der Sinn eines Zitats besteht ja auch darin, dem Leser oder Betrachter, der das Original nicht oder nicht sofort zur Verfügung hat, aufwendige Recherchearbeit zu ersparen.
2.9. Damit schlägt die gebotene Interessenabwägung zugunsten der Beklagten aus. Die Berufung der Klägerin auf ihre Ausschließlichkeitsrechte verfolgt augenscheinlich nur den Zweck, eine kritische Berichterstattung über sie selbst zu verhindern.
Der Revision der Beklagten ist daher Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Unterlassungsbegehren abgewiesen wird.
III. Zur außerordentlichen Revision der Klägerin
Die Klägerin ist mit ihrer Revision auf die obige Begründung zu verweisen. Besteht kein Urheberrechtsschutz, so ist neben dem Unterlassungsanspruch auch der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung zu versagen. Die Revisionsausführungen der Klägerin werfen demgemäß keine erheblichen Rechtsfragen auf. Ihre außerordentliche Revision ist somit zurückzuweisen.
IV. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 3 ZPO.
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