OGH 4Ob361/97k

OGH4Ob361/97k9.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael P*****, vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Simon, Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die beklagten Parteien 1. V***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. V***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 18. September 1997, GZ 1 R 169/97y-9, mit dem der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 23. Mai 1997, GZ 39 Cg 16/97i-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die Beklagten haben die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist als Karikaturist bei der K***** GmbH & Co KG beschäftigt. Im Rahmen seines Dienstvertrages hat der Kläger seinem Dienstgeber ein Nutzungsrecht an seinen Karikaturen eingeräumt; alle Urheberund Verwertungsrechte verbleiben dem Kläger. Der Kläger ist verpflichtet, ausschließlich für den "Kurier" tätig zu sein.

Die Erstbeklagte ist Eigentümerin und Verlegerin der periodischen Druckschrift "News"; die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

In der Ausgabe Nr. 13/97 vom 27.3.1997 der Zeitschrift "News" erschien ein Interview mit Edith Klestil, in dem diese erklärte, einer Scheidung unter keinen Umständen zustimmen zu wollen. Die dadurch entstandene Situation hielt der Kläger im Hinblick auf die guten Aussichten des Bundespräsidenten bei einer allfälligen Wiederkandidatur in einer Karikatur fest. Die Karikatur wurde am 29.3.1997 im "Kurier" veröffentlicht:

In der Ausgabe Nr. 14/97 der Zeitschrift "News" vom 3.4.1997 befaßte sich ein Artikel mit einem "offenen Brief" von Thomas Klestil jun., den dieser nach dem Erscheinen des Interviews an seine Mutter gerichtet hatte. In diesem Artikel wurde die Karikatur des Klägers ohne dessen Zustimmung abgedruckt:

Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, die vom Kläger geschaffene, in der Ausgabe der Tageszeitung "Kurier" auf Seite 3 veröffentlichte Karikatur mit dem Titel "Weit und breit kein ernstzunehmender Gegner" und der Urheberbezeichnung "Kurier-Karikatur: M. P*****" sowie sämtliche sonstigen, vom Kläger im Rahmen seines Dienstvertrages mit der K***** GmbH & Co KG für diese geschaffenen Karikaturen ohne dessen Einwilligung zu verbreiten.

Die Karikatur sei ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Die Beklagten hätten durch die unberechtigte Veröffentlichung in die Verwertungsrechte des Klägers eingegriffen.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Sie seien der Meinung gewesen, dem Kläger mit der Veröffentlichung einen guten Dienst zu erweisen. Ob es "der Meinungsfreiheit in der aufgeklärten Kommunikationsgesellschaft" dienlich sei, "wenn sich der Kläger für einen Stellvertreter-Krieg 'einspannen'" lasse, müsse bezweifelt werden. Ihr Verhalten sei nicht rechtswidrig gewesen. Sie hätten die Karikatur im Rahmen der Berichterstattung über Tagesereignisse veröffentlicht. Die Wiedergabe der Karikatur sei ein zulässiges Bildzitat. Es wäre gleichheitswidrig, wäre nur die Wiedergabe eines Kommentars, nicht aber die einer Karikatur zulässig.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung.

Die klagegegenständliche Karikatur sei ein urheberrechtlich geschütztes Werk. § 42c UrhG stelle auf den Informationszweck ab und sei daher enger als § 44 Abs 1 UrhG. Die Beklagten hätten über die aktuelle Situation zwischen dem Bundespräsidenten und Edith Klestil auch informieren können, ohne die Karikatur abzudrucken. Die Wiedergabe der Karikatur habe nur der Illustration des Berichtes gedient.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Die Karikatur sei zwar ein Werk, das sich mit Tagesereignissen auseinandersetze, es sei aber nicht bei der Berichterstattung über Tagesereignisse öffentlich wahrnehmbar geworden. Die Beklagten hätten das Werk des Klägers zum Gegenstand ihrer Berichterstattung gemacht. Die Benutzung der Karikatur sei nicht durch den Informationszweck gerechtfertigt. Das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht auf freie Meinungsäußerung rechtfertige den Eingriff in die urheberrechtlich geschützten Rechte nicht über die im Urheberrechtsgesetz festgelegte freie Werknutzung hinaus. Für die Beklagten sei auch mit dem Hinweis auf ein angebliches Spannungsverhältnis zwischen § 42c UrhG und § 44 UrhG nichts gewonnen; § 44 Abs 1 UrhG sehe im Gegensatz zu § 42c UrhG ausdrücklich die Möglichkeit vor, daß der Urheber die Vervielfältigung verbiete. Ein Bildzitat sei üblicherweise ein Großzitat; Großzitate seien nur unter den in § 54 UrhG genannten - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen zulässig. Die deutsche Lehre und Rechtsprechung lasse Bildzitate unter bestimmten eingeschränkten Voraussetzungen zu. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil eine Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagten verweisen darauf, daß die Vorgängerbestimmung des § 42c UrhG auf Werke der Literatur eingeschränkt war. § 42a UrhG (jetzt: § 42c UrhG) habe die freie Werknutzung auf Werke der bildenden Künste und der Filmkunst erweitert, jedoch gleichzeitig davon abhängig gemacht, daß die Benutzung durch den Informationszweck gerechtfertigt sei. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, die freie Werknutzung auf die Notwendigkeit der Wahrnehmbarkeit bei Vorgängen, über die berichtet wird, einzuschränken. Das Werk, das später vervielfältigt, verbreitet, durch Rundfunk gesendet und zu öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen benutzt wird, müsse zeitlich vorher, allerdings in einem zeitlichen Zusammenhang, bei Vorgängen, über die berichtet wurde, öffentlich wahrnehmbar gewesen sein. Eine am Art 10 MRK orientierte Auslegung gebiete eine ausdehnende Auslegung des Begriffes "durch den Informationszweck gerechtfertigter Umfang". Die Wiedergabe der Karikatur sei nicht Selbstzweck, sondern diene als Beleg dafür, daß der "Kurier" (sein Karikaturist) die Situation des Ehepaares Klestil heiter sehe. § 42c UrhG sei verfassungskonform auszulegen. § 44 Abs 1 UrhG gestatte die Nutzung literarischer Werke ohne Entgeltanspruch des Urhebers; es sei sachlich nicht gerechtfertigt, wenn die freie Werknutzung einer Karikatur verboten sei. Werde die Meinung des Rekursgerichtes geteilt, so sei § 42c UrhG als verfassungswidrig anzufechten.

Die Beklagten ziehen nicht in Zweifel, daß der Kläger mit der klagegegenständlichen Karikatur ein Werk im Sinne des § 1 UrhG geschaffen hat. Sie haben die Karikatur ohne Einwilligung des Klägers vervielfältigt und verbreitet; dazu waren sie nur berechtigt, wenn sie sich zu Recht auf die freie Werknutzung nach § 42c UrhG berufen.

Nach § 42c UrhG (vor der UrhGNov 1996: § 42a UrhG) dürfen Werke, die bei Vorgängen, über die berichtet wird, öffentlich wahrnehmbar werden, zur Berichterstattung über Tagesereignisse in einem durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang vervielfältigt, verbreitet, durch Rundfunk gesendet und zu öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen benutzt werden. § 42c UrhG geht auf die Urheberrechtsgesetz-Novelle 1980 zurück. Zuvor durften nach § 49 UrhG kleine Teile von öffentlich vorgetragenen oder aufgeführten Werken der Literatur zu Filmberichten über Tagesereignisse auf Bild- und Schallträgern festgehalten werden; diese durften vervielfältigt, verbreitet und im Rahmen solcher Filmberichte zu öffentlichen Vorträgen oder Aufführungen und zu Rundfunksendungen benützt werden. Auch durften kleine Teile von öffentlich vorgetragenen oder aufgeführten Werken der Literatur im Rahmen von Funkberichten über Tagesereignisse durch Rundfunk gesendet werden. Nach § 52 Abs 2 UrhG galt diese Bestimmung für Werke der Tonkunst entsprechend.

Vor der Urheberrechtsgesetz-Novelle 1980 erfaßte die freie Werknutzung demnach nur kleine Teile eines Werkes und nicht auch Werke der bildenden Künste und der Filmkunst; die damit bestehenden Lücken wurden als unbefriedigend empfunden (EB 385 BlgNR 15. GP; abgedruckt bei Dillenz, Materialien zum österreichischen Urheberrecht 362):

"1. Die freie Werknutzung bezieht sich nur auf Werke der Literatur und der Tonkunst, nicht auch auf Werke der bildenden Künste und der Filmkunst, obwohl auch solche bei der Berichterstattung über Tagesereignisse öffentlich wahrnehmbar werden können, wie etwa ein Gemälde bei der Führung eines ausländischen Staatsoberhauptes durch eine Ausstellung oder ein Standfoto aus einem Filmwerk bei der Preisverteilung eines Filmfestivals.

2. Es ist unbefriedigend, daß nur kleine Teile eines Werkes unter die freie Werknutzung fallen, nicht auch ganze Werke, insbesondere solche geringen Umfangs. So sollte es auch zulässig sein, bei der Begrüßung eines ausländischen Staatsoberhauptes in einer ländlichen Gegend ein kurzes Gedicht wiederzugeben, das bei der Überreichung eines Blumenstraußes durch ein Kind aufgesagt wird.

3. Schließt man diese Lücken, so ist es im Interesse der Urheber in Übereinstimmung mit dem Art 10bis Abs 2 der Pariser Fassung der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst notwendig, die freie Werknutzung auf den den durch den Zweck gerechtfertigten Umfang zu beschränken. Er liegt in der Information über Tagesereignisse.

... Bei Begrenzung der freien Werknutzung durch den Informationszweck ist auch die Benützung ganzer Werke zumutbar. Steht bei der Gestaltung der Sendung im Vordergrund nicht die Information über ein Tagesereignis, sondern der Werkgenuß, dann greift die neu geschaffene freie Werknutzung nicht ein.

Der Begriff des Tagesereignisses wird - nach wie vor - nicht bestimmt. Es ist darunter ein Ereignis zu verstehen, das wegen seiner Aktualität Interesse findet...

Berichterstattung über Tagesereignisse muß immer die wirklichkeitsgetreue Schilderung einer tatsächlichen Begebenheit sein. Daher deckt diese freie Werknutzung nicht auch die Aufnahme einer Berichterstattung über Tagesereignisse in einem Spielfilm."

Nach den Erläuternden Bemerkungen sollte die neue Regelung demnach die freie Werknutzung einerseits erweitern, andererseits aber auch einschränken. Die genannten Beispiele verdeutlichen, daß die Einschränkung nicht nur im Informationszweck, sondern auch darin liegen sollte, daß das Werk "bei Vorgängen, über die berichtet wird, öffentlich wahrnehmbar" wurde, wenn dies auch, wie das Beispiel mit dem Standfoto aus dem Film bei der Preisverteilung eines Filmfestivals zeigt, nicht immer gleichzeitig mit dem Ereignis geschehen muß, über das berichtet wird. Die Berichterstattung über Tagesereignisse soll in dem durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang nicht dadurch gehindert werden, daß ein geschütztes Werk öffentlich wahrnehmbar wird. In Frage kommt naturgemäß nur die Benützung von Werken, die vor oder gleichzeitig mit dem Ereignis öffentlich wahrnehmbar wurden; es kann die Berichterstattung über das Tagesereignis nicht hindern, daß auf ein erst danach öffentlich wahrnehmbar gewordenes Werk Rücksicht genommen werden muß (s MR 1989, 212 - Arnulf Rainer [Michel M. Walter]).

"Tagesereignis" im Sinn des § 42c UrhG ist ein tatsächlicher Vorgang, der wegen seiner Aktualität Interesse findet (SZ 61/135 = ÖBl 1989, 119 - Gloria mwN). Die Rechtsprechung hat als Tagesereignis in diesem Sinn die Operettenwochen in Bad Ischl (ÖBl 1970, 132 - Der Graf von Luxemburg) und den Verkauf eines Aktienpakets (MR 1997, 93 [Michel M. Walter] = ÖBl 1997, 256 = RdW 1997, 175 - Head-Kaufvertrag), nicht aber eine bevorstehende Auktion (MR 1989, 212 - Arnulf Rainer [Michel M. Walter]) oder die Blattlinie eines Konkurrenzmediums (4 Ob 203/97z) gewertet. Die Berichterstattung selbst kann naturgemäß nicht jener Vorgang sein, über den berichtet wird; es genügt daher nicht, daß das Werk erst durch den Bericht öffentlich wahrnehmbar wird (aM Schanda, Pressefreiheit contra Urheberrecht, MR 1997, 90 [91], der seine Auffassung im wesentlichen damit begründet, daß das Urheberrecht der Pressefreiheit [in einem durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang] nicht im Wege stehen solle).

Die österreichische Rechtslage gleicht der deutschen. Nach § 50 dUrhG erfaßt die freie Werknutzung "Werke, die im Verlauf der Vorgänge, über die berichtet wird, wahrnehmbar werden". Nach der Rechtsprechung des BGH muß das Werk bei dem Ereignis, das Gegenstand der Berichterstattung ist, auch in Erscheinung treten (wie zB die Bilder einer Ausstellung bei einer Ausstellungseröffnung, nicht aber die Bilder einer Kunstsammlung, wenn die Sammlung testamentarisch vermacht wird). Es bedürfe jedoch jeweils einer Entscheidung im Einzelfall, ob sich die Wiedergabe noch im Rahmen des Berichterstattungszwecks halte; dabei sei stets zu beachten, daß das Werk als solches nicht allein Gegenstand des Tagesereignisses sein, sondern lediglich bei einem anderen Ereignis in Erscheinung treten dürfe (BGHZ 85, 1 - Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe; s auch OLG Frankfurt GRUR 1985, 380).

Die Beklagten berichten über einen offenen Brief von Thomas Klestil jun. an seine Mutter, in dem dieser deren "News"-Interview kritisiert. Die Karikatur des Klägers hat mit dem offenen Brief nichts zu tun; sie ist im Zusammenhang damit in keiner Weise öffentlich wahrnehmbar geworden. Zwischen dem offenen Brief von Thomas Klestil jun. und der Karikatur des Klägers besteht nur insofern ein Zusammenhang, als sich beide auf das Interview beziehen, das Edith Klestil der Zeitschrift "News" gegeben hat. In diesem Sinn wird die Karikatur im Bericht auch wiedergegeben; als heitere Sichtweise des "medialen Umgangs mit diesem Problem" von Edith Klestil, von dem sich ihr Sohn "ganz entschieden distanziert".

Auch die weitere Voraussetzung des § 42c UrhG, die Rechtfertigung durch den Informationszweck, ist nicht erfüllt. Über die Reaktion von Thomas Klestil jun. auf ein "News"-Interview seiner Mutter kann auch ohne Wiedergabe der Karikatur des Klägers umfassend und erschöpfend berichtet werden. Nichts anderes gilt, wenn als Gegenstand des Berichtes ganz allgemein die Ehekrise des Bundespräsidenten gesehen wird, der allerdings darüber hinaus auch noch die Tagesaktualität fehlt.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten gegen § 42c UrhG können nicht geteilt werden; für eine Anfechtung dieser Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof besteht kein Anlaß. Den Beklagten ist bewußt, daß das Grundrecht der Informationsfreiheit zum Urheberrecht als einem den Schutz des Art 5 StGG genießenden vermögenswerten Privatrechts (VfSlg 9887) in einem Spannungsverhältnis steht. Den Beklagten ist auch bewußt, daß dem Grundrecht der Meinungsfreiheit im Bereich der Urheberrechte durch das Recht der freien Werknutzung gemäß §§ 41ff UrhG Rechnung getragen wird. Sie meinen aber, daß der Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung nicht unbedingt erforderlich sei, um die Rechte des Klägers zu wahren. Die Beklagten betonen in diesem Zusammenhang, daß der Kläger seinen Honoraranspruch (nur) mit S 3.000,-- bewerte.

Die Beklagten lassen damit außer acht, daß Art 10 Abs 2 MRK Beschränkungen zum Schutz der Rechte anderer nicht nur dann zuläßt, wenn diese Rechte einen erheblichen finanziellen Wert haben. Auch "der Entfall eines Honoraranspruches von sage und schreibe S 3.000,--" reicht aus, um die Freiheit der Meinungsäußerung zu beschränken und einen Eingriff in die Verwertungsrechte des Klägers nur zu gestatten, wenn die Voraussetzungen für eine freie Werknutzung erfüllt sind.

Die Beklagten versuchen darzulegen, daß eine solche Auslegung § 42c UrhG verfassungswidrig mache, weil sie zu unsachlicher Verschiedenbehandlung von Wort- und Bildzitat führe. Die Beklagten verweisen auf § 44 UrhG, wonach einzelne in einer Zeitung oder Zeitschrift enthaltene Aufsätze über wirtschaftliche, politische oder religiöse Tagesfragen in anderen Zeitungen und Zeitschriften vervielfältigt und verbreitet werden dürfen, soweit die Vervielfältigung nicht ausdrücklich verboten wird. Diese Bestimmung soll die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen ermöglichen und damit der wirtschaftlichen, politischen und religiösen Diskussion dienen.

§ 44 UrhG regelt demnach einen völlig anderen Gegenstand als § 42c UrhG. Daß § 44 UrhG einerseits weiter (keine Beschränkung auf bei tagesaktuellen Vorgängen wahrnehmbar gewordene Werke und auf den Informationszweck) und andererseits enger ist als § 42c UrhG (Beschränkung auf einzelne in einer Zeitung oder Zeitschrift enthaltene Aufsätze über wirtschaftliche, politische oder religiöse Tagesfragen) hat sachliche Gründe: Während bei der Berichterstattung über Tagesereignisse jede Art von Werk wahrnehmbar werden kann, sind es vornehmlich schriftliche Ausführungen, in denen die wirtschaftliche, politische oder religiöse Diskussion ihren Niederschlag findet. Ob für den Abdruck eines politischen Kommentars in der Regel mehr gezahlt wird als für den einer Karikatur, kann keine Rolle spielen; daß allenfalls das "teurere" Werk frei genutzt werden kann, das "billigere" aber nicht, betrifft angesichts des grundlegend verschiedenen Gesetzeszwecks keinen Umstand, der die Differenzierung unsachlich erscheinen ließe.

Die Beklagten haben die Karikatur des Klägers auch nicht veröffentlicht, um dessen Meinung zu diskutieren oder um im politischen Meinungskampf den politischen Gegner zu zitieren, sondern sie haben damit ihren Bericht illustriert. Es kann daher offen bleiben, ob eine freie Werknutzung an Karikaturen über die Grenzen der freien Werknutzungen an Werken der bildenden Künste (§ 54 UrhG) hinaus zu bejahen ist, wie dies durch die deutsche Rechtsprechung unter bestimmten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen geschieht (s Nordemann/Vinck/Hertin, Urheberrecht8 § 51 dUrhG Rz 9 mwN).

Auch eine verfassungskonforme Auslegung der Bestimmungen über die freie Werknutzung kann demnach nicht dazu führen, daß Zeitungen urheberrechtlich geschützte Werke ohne Beschränkung nutzen können, wenn ein Zusammenhang zu einem Ereignis besteht, über das sie berichten. Der Gesetzgeber hat sowohl auf das Interesse, über Tagesereignisse ungehindert berichten zu können, als auch auf das Interesse, die in Medienberichten vertretenen politischen, wirtschaftlichen und religiösen Überzeugungen zu diskutieren, gebührend Bedacht genommen. Die Beklagten können ihren Standpunkt auch nur aufrechterhalten, indem sie auf den geringen finanziellen Wert der verletzten Rechte verweisen. Eine "finanzielle Reizschwelle" für den Eingriff in Urheberrechte ist dem geltenden Recht aber fremd.

Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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