OGH 4Ob224/00w

OGH4Ob224/00w3.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Gottfried Korn und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung, Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert im Provisorialverfahren 500.000 S), infolge Revisionsrekurses beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. Juni 2000, GZ 5 R 86/00d-9, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 2. April 2000, GZ 10 Cg 13/00t-5, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Dem Revisionsrekurs der Klägerin wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 21.375 S bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 3.562,50 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Dem Revisionsrekurs der Beklagten wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung - einschließlich des bestätigten Teils - insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Der Hauptantrag der Klägerin, zur Sicherung ihres Anspruchs gegen die Beklagte auf Unterlassung der Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten im Sinne des Urheberrechtsgesetzes der Beklagten zu gebieten, es zu unterlassen, einzelne Seiten der periodischen Druckschrift 'Neue Kronen Zeitung', insbesondere deren Titelseiten, zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten: diese Unterlassungsverpflichtung erstrecke sich insbesondere auf die Titelseiten der Ausgaben der "Neuen Kronen Zeitung" vom 2. 12. und 31. 12. 1999 sowie vom 6., 9. und 12. 1. 2000, und der Eventualantrag der Klägerin, der Beklagten zu untersagen, Lichtbilder, an denen die Herstellerrechte und/oder die ausschließlichen Werknutzungsrechte der Klägerin zustehen, zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten; diese Unterlassungsverpflichtung erstrecke sich insbesondere auf das in der Ausgabe Nr. 1-2/00 der periodischen Druckschrift "Falter" auf Seite 8 rechts oben veröffentlichte, von Franz C***** aufgenommene und das in der Ausgabe Nr. 3/00 der periodischen Druckschrift "Falter" auf Seite 18 veröffentlichte, von Chris K***** aufgenommene Foto, werden abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 14.241,60 S bestimmten Äußerungskosten (darin 2.373,60 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 39.182,40 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 6.530,40 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung "Neue Kronen Zeitung"; die Beklagte ist Medieninhaberin der Wochenzeitung "Falter-Stadtzeitung Wien".

Die Klägerin ist Lichtbildherstellerin sämtlicher Fotos, die von ihren angestellten Mitarbeitern in Erfüllung der Dienstpflichten aufgenommen werden. Freie Mitarbeiter übertragen der Klägerin das ausschließliche unbeschränkte Werknutzungsrecht an Fotos, die sie der Klägerin zur Veröffentlichung in der Zeitung übergeben.

Die Beklagte hat in der Ausgabe Nr. 1-2/00 des "Falter" und in der Ausgabe Nr. 3/2000 insgesamt 5 Original-Titelseiten der "Neuen Kronen Zeitung" in jeweils verkleinerter Form abgedruckt. Gegenstand des Artikels "Schüssels Dornen-Krone" in der Ausgabe Nr. 1-2/00 war die ablehnende Haltung der "Neuen Kronen Zeitung" zu einer Koalition zwischen ÖVP und FPÖ:

Der Artikel "Die Bilderstürmer" in der Ausgabe Nr. 3/2000 setzte sich mit der Veröffentlichung des - in der "Neuen Kronen Zeitung" nicht durch einen Augenbalken teilweise unkenntlich gemachten - Fotos eines zahlreicher Brandstiftungen verdächtigen Jugendlichen auf der Titelseite der "Neuen Kronen Zeitung" vom 12. 1. 2000 kritisch auseinander:

Das Foto des Jugendlichen hatte der bei der Klägerin angestellte Fotograf Chris K***** aufgenommen; Hersteller des auf dem Titelblatt der "Neuen Kronen Zeitung" vom 2. 12. 1999 abgedruckten Fotos war Franz C*****, ein ständiger freier Mitarbeiter der Klägerin.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten zu untersagen, einzelne Seiten der periodischen Druckschrift "Neue Kronen Zeitung", insbesondere deren Titelseiten, zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten; diese Unterlassungsverpflichtung erstrecke sich insbesondere auf die Titelseiten der Ausgaben der "Neuen Kronen Zeitung" vom 2. 12. und 31. 12. 1999 sowie vom 6., 9. und 12. 1. 2000. In eventu begehrt die Klägerin, der Beklagten zu verbieten, Lichtbilder, an denen die Herstellerrechte und/oder die ausschließlichen Werknutzungsrechte der Klägerin zustehen, zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten; diese Unterlassungsverpflichtung erstrecke sich insbesondere auf das in der Ausgabe Nr. 1-2/00 der periodischen Druckschrift "Falter" auf Seite 8 rechts oben veröffentlichte, von Franz C***** aufgenommene und das in der Ausgabe Nr. 3/00 der periodischen Druckschrift "Falter" auf Seite 18 veröffentlichte, von Chris K***** aufgenommene Foto. Die Herstellerrechte an den von ihren Angestellten aufgenommenen Fotos stünden der Klägerin schon aufgrund des Gesetzes zu. Inhaberin der Herstellerrechte an den von freien Mitarbeitern aufgenommenen Fotos sei die Klägerin kraft Rechtseinräumung, aber auch deshalb, weil durch den Abdruck ein neues Lichtbild entstehe. Die Wiedergabe der Titelseiten im "Falter" verletze die Urheberrechte der Klägerin. Zeitungen seien Sammelwerke; sie genössen urheberrechtlichen Schutz. Der Urheberrechtsschutz an Sammelwerken bestehe unabhängig davon, ob die Beiträge originell seien. Der Erfolg der "Neuen Kronen Zeitung" gehe auf den seit Jahrzehnten gleichbleibenden Aufbau, die Konzeption der Zeitung, die Systematik und die Zusammenstellung der einzelnen Beiträge durch ihren Chefredakteur und Herausgeber Hans Dichand zurück. Wesentliches Element sei eine immer gleich bleibende Gestaltung der Titelseite, die sich am Format der "Neuen Kronen Zeitung" orientiere. Die Titelseite sei das "Aushängeschild" des Sammelurheberwerks "Zeitung", in welchem die Anordnung und Auslese des Herausgebers zum Ausdruck komme. Jedenfalls sei aber die Titelseite der "Neuen Kronen Zeitung" vom 6. 1. 2000 ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Die Beklagte könne sich schon deshalb nicht auf § 42c UrhG berufen, weil sie über kein Tagesereignis berichtet habe.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Titelseiten der "Neuen Kronen Zeitung" seien kein Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Die Veröffentlichung der Lichtbilder sei zulässig gewesen, weil die Beklagte jeweils über Tagesereignisse berichtet habe. Tagesereignis sei in dem einen Fall die besondere und auffällige Haltung der "Neuen Kronen Zeitung" gegenüber einer Fortsetzung der schwarz-roten Koalition gewesen, im anderen die im Artikel kritisch beleuchtete "Rückkehr zum Medienpranger". Mit der Veröffentlichung beider Lichtbilder habe die Beklagte zulässige Bildzitate in ihre Artikel aufgenommen. Die Zulässigkeit von Bildzitaten folge aus einer analogen Anwendung der §§ 46 und 54 UrhG. Beide Artikel seien Beiträge zur politischen Meinungsbildung. Die kritische Auseinandersetzung mit der Berichterstattung der "Neuen Kronen Zeitung" mache die Wiedergabe der Titelseiten notwendig.

Das Erstgericht gab dem Hauptsicherungsantrag statt. Die "Neue Kronen Zeitung" sei ein Sammelwerk im Sinne des § 6 UrhG. Der Schutz umfasse das Layout und die Titelseite. Die Beklagte könne sich nicht auf § 42c UrhG berufen, weil sie über kein Tagesereignis berichtet habe. Eine analoge Anwendung des § 46 UrhG für Lichtbilder sei mit dem Gesetz nicht vereinbar.

Das Rekursgericht wies den Hauptsicherungsantrag ab, gab dem Eventualantrag statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Ob es sich bei Zeitungen immer um Sammelwerke handle, könne offenbleiben. Ein Zeitungs-Layout als solches sei kein Werk; durch die Abbildung der Titelseite würden auch nicht mehrere Beiträge des "Sammelwerks" "Neue Kronen Zeitung" nachgedruckt. Format und Schema seien Stilmittel, die nicht schutzfähig seien. Die Verneinung eines allgemeinen Schutzes für Titelseiten schließe den Schutz bestimmter Titelseiten nicht aus. Darauf stelle der Hauptsicherungsantrag aber nicht ab. Gegenstand des Eventualantrags seien zwei Lichtbilder, an denen der Klägerin die Schutzrechte zustehen. § 42c UrhG sei nicht anzuwenden, weil die Beklagte über kein Tagesereignis berichtet habe. Sie hätte den von ihr verfolgten Informationszweck auch erreichen können, wenn sie die Lichtbilder nicht wiedergegeben hätte. § 46 UrhG sei hier nicht analog anzuwenden; ob eine analoge Anwendung überhaupt zulässig wäre, könne offen bleiben. Selbst nach der deutschen Lehre und Rechtsprechung setze die Zulässigkeit des Bildzitats voraus, dass der Zitatzweck eine Wiedergabe des ganzen zitierten Werks notwendig mache. Überdies müsse ein Informationsinteresse an der Werkwiedergabe als solcher bestehen. Daran fehle es im vorliegenden Fall. Beide Artikel könnten ihr Anliegen auch ohne Veröffentlichung der Lichtbilder vermitteln.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichteten Revisionsrekurse beider Parteien sind zulässig, weil zur Frage einer analogen Anwendung des § 46 UrhG auf Bildzitate keine Rechtsprechung besteht; der Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht berechtigt, der Revisionsrekurs der Beklagten ist berechtigt.

Die Klägerin stützt ihren Sicherungshauptantrag auf den Schutz der "Neuen Kronen Zeitung" als Sammelwerk. Den urheberrechtlichen Schutz der Sammelwerke regelt § 6 UrhG. Danach werden Sammlungen, die infolge der Zusammenstellung einzelner Beiträge zu einem einheitlichen Ganzen eine eigentümliche geistige Schöpfung darstellen, als Sammelwerke urheberrechtlich geschützt; die an den aufgenommenen Beiträgen etwa bestehenden Urheberrechte bleiben unberührt.

Bei Sammelwerken drückt sich die für das Vorliegen eines

urheberrechtsschutzfähigen Werks notwendige Eigentümlichkeit in der

Auswahl und/oder der Anordnung der aufgenommenen Beiträge aus. Das

bloße Aneinanderreihen oder Einteilen nur nach äußeren

Gesichtspunkten genügt hiefür nicht; vielmehr ist das Sammeln und

Sichten oder Ordnen und Aufeinanderabstimmen nach einem bestimmten

Leitgedanken erforderlich. Dieses individuelle Ordnungsprinzip muss

die Sammlung von anderen Sammlungen unterscheiden (EvBl 1994/103 = MR

1994, 117 [Walter] = ÖBl 1994, 182 [Dittrich] = GRURInt 1995, 255 -

Das österreichische Recht; MR 1997, 98 [Walter] = ÖBl 1997, 301 -

Wiener Aktionismus mwN; Ciresa, Österreichisches Urheberrecht § 6 Rz 15 f mwN).

In diesem Sinn wurden Wahlzeitungen und das Urlaubsmagazin eines Reiseveranstalters als Sammelwerk gewertet. Bei den Wahlzeitungen wurde die eigentümliche geistige Schöpfung darin erblickt, dass sie nach einem Plan angelegt seien, der Wahlpropaganda dienten und ein einheitliches, das Wahlziel verfolgendes Ganzes bildeten (ÖBl 1957, 60 - Heimatruf); beim Urlaubsmagazin in der Zusammenstellung der einzelnen Beiträge zu einem einheitlichen Ganzen, das den Werbezielen des klagenden Reiseveranstalters diene (SZ 62/155 = MR 1989, 223 = ÖBl 1990, 138 - Take off).

Bei Tageszeitungen muss zwischen dem Format und Layout, die das äußere Erscheinungsbild der Zeitung prägen, und der Auswahl und Anordnung der Beiträge nach ihrem Inhalt unterschieden werden. Für das Vorliegen eines Sammelwerks sind nicht Format und Layout entscheidend, sondern es kommt darauf an, ob in der Auswahl oder Anordnung der Beiträge eine eigentümliche geistige Schöpfung zum Ausdruck kommt. Das Erfordernis der eigentümlichen geistigen Schöpfung muss in jedem Fall erfüllt sein, auch wenn an die Originalität keine hohen Anforderungen zu stellen sind, weil auch die sogenannte "Kleine Münze" urheberrechtlich geschützt ist (zum Schutz

der "Kleinen Münze" allgemein s ecolex 1991, 183 = MR 1991, 70

[Walter] - ÖBl 1991, 134 = WBl 1991, 138 = GRURInt 1991- 745 -

Stadtplan Innsbruck; zum Schutz der "Kleinen Münze" bei Sammelwerken s Nordemann/Vinck in Nordemann/Vinck/Hertin, Urheberrecht9 § 4 Rz 3).

Nach der deutschen Lehre sind Einzelhefte von Zeitungen und Zeitschriften regelmäßig Sammelwerke; die schöpferische Leistung liege in der Sichtung und Anordnung der Beiträge durch Herausgeber und Redaktion (Loewenheim in Schricker, Urheberrecht**2 § 4 Rz 12 mwN; Nordemann/Vinck aaO § 4 Rz 2). Rehbinder (Urheberrecht10 Rz 155f) spricht sich dafür aus, an die schöpferische Leistung der Auswahl und des Anordnens keine zu geringen Anforderungen zu stellen; er führt aber Zeitungen und Zeitschriften ohne jede Einschränkung als Beispiele für periodische Sammlungen an. Demgegenüber vertritt Walter (Anm zu MR 1997, 98 - Wiener Aktionismus) die Auffassung, dass eine individuelle geistige Schöpfung bei Tageszeitungen nur in Ausnahmefällen gegeben sein werde. Walters Auffassung kann sich auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung stützen, wonach das Sammelwerk ein Sammeln und Sichten nach einem bestimmten Leitgedanken voraussetzt, wie dies bei einer Tageszeitung nicht immer der Fall sein muss.

Das Urheberrecht an einem Sammelwerk wird durch den Nachdruck einzelner Beiträge verletzt, wenn dadurch die - eine eigentümliche geistige Schöpfung bildende - Auswahl oder Anordnung übernommen wird. Für die Beurteilung, ob ein Eingriff in das Urheberrecht am Sammelwerk vorliegt, ist es ohne Bedeutung, ob die Beiträge selbst Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes sind.

Ob durch den Nachdruck der Titelseiten einer Zeitung das Urheberrecht am Sammelwerk Zeitung verletzt wird und ob die "Neue Kronen Zeitung" ein Sammelwerk ist, braucht aber nicht abschließend geklärt zu werden. Der Sicherungsantrag - und zwar sowohl der Haupt- als auch der Eventualantrag - ist nämlich in jedem Fall abzuweisen, weil der Nachdruck der Titelseiten durch eine freie Werknutzung gedeckt ist:

Die Beklagte hat sich einerseits darauf berufen, über ein Tagesereignis berichtet zu haben, andererseits hat sie das Zitatrecht für sich in Anspruch genommen. Tagesereignis ist ein tagesaktueller Vorgang, der wegen seiner Aktualität Interesse erweckt (SZ 61/135 = ÖBl 1989, 119 - Gloria mwN). Dass die - kritisch beleuchtete - Berichterstattung einer anderen Zeitung kein Tagsereignis in diesem Sinn ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (ecolex 1998, 45 = MR 1997, 320 [Walter] - Semmering-Tunnel).

Die Beklagte bekämpft diese Rechtsprechung, indem sie darzulegen versucht, dass die von ihr kritisierte Berichterstattung der "Neuen Kronen Zeitung" ein Tagesereignis sei, über das der "Falter" als Wochenzeitung nur mit einer gewissen - im Bericht über den "Medienpranger" ohnehin nicht gegebenen - zeitlichen Verzögerung habe berichten können. Ihre Ausführungen sind nicht geeignet, Zweifel an der oben wiedergegebenen Rechtsprechung zu wecken:

Richtig ist, dass bei der Beurteilung der Aktualität der Zeitpunkt des Ereignisses mit der Erscheinungsweise des berichtenden Mediums in Beziehung gesetzt werden muss (so zu der durch § 50 dUrhG eingeräumten freien Werknutzung der Bild- und Tonberichterstattung über Tagesereignisse Vogel in Schricker aaO § 50 Rz 8). Berichtet daher eine Wochen- oder Monatsschrift über ein Ereignis im auf dieses Ereignis folgenden Heft, so ist die Aktualität gewahrt, auch wenn das Ereignis bereits mehrere Tage oder - bei einem Bericht in einer Monatsschrift - mehrere Wochen zurückliegt.

Die Aktualität allein reicht aber nicht aus, um eine Berichterstattung über ein Tagesereignis iSd § 42c UrhG annehmen zu können. Eine solche liegt nur vor, wenn über tatsächliche Vorgänge wirklichkeitsgetreu informiert wird. Es ist nämlich die wirklichkeitsgetreue Information über tatsächliche Vorgänge, die es rechtfertigt, bei der Berichterstattung über Tagesereignisse dem Informationsinteresse der Allgemeinheit gegenüber dem Vergütungsinteresse des Urhebers den Vorzug einzuräumen, wenn der Bericht geschützte Werke einbezieht (Vogel aaO § 50 Rz 10 mwN).

Die freie Werknutzung der Berichterstattung über Tagesereignisse soll sicherstellen, dass über aktuelle Ereignisse berichtet werden kann, ohne auf geschützte Werke Rücksicht nehmen zu müssen (EvBl 1998/95 = MR 1998, 284 [Walter] - Edith). Sie ermöglicht es aber nicht, geschützte Werke selbst zum Gegenstand der Berichterstattung zu machen; Gegenstand des wirklichkeitsgetreuen Berichts muss immer ein tatsächlicher Vorgang sein. Die Analyse der Berichterstattung eines Konkurrenzmediums ist daher aus mehreren Gründen keine Berichterstattung über ein Tagesereignis: Ihr Schwergewicht liegt nicht in der Wiedergabe eines tatsächlichen Geschehens, sondern in seiner Kommentierung (vgl Vogel aaO); ihren Gegenstand bildet nicht ein tatsächlicher Vorgang, bei dem das geschützte Werk öffentlich wahrnehmbar wird, sondern das geschützte Werk ist (als untrennbarer Bestandteil der Berichterstattung) Gegenstand der Analyse. Die angefochtene Entscheidung hält daher auch für den vorliegenden Fall zu Recht an der bisherigen Rechtsprechung fest.

Zu prüfen ist aber, ob ihr auch insoweit zu folgen ist, als sie das von der Beklagten in Anspruch genommene Zitatrecht verneint. Die Beklagte spricht sich für eine analoge Anwendung der §§ 46, 54 UrhG auf Bildzitate aus.

Die analoge Anwendung einer Gesetzesbestimmung setzt eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Dafür genügt eine "teleologische" Lücke, die dann vorliegt, wenn die - mit Hilfe der Interpretationsregeln ermittelte - ratio legis im Verein mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung einer gesetzlichen Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall fordert. Voraussetzung für die analoge Anwendung einer Norm ist demnach, dass zwar nicht der Wortlaut des Gesetzes, wohl aber die ihm zugrundeliegende Wertung auf den offenen Fall zutrifft. Bei der Ermittlung der ratio legis ist auf die Rechtsentwicklung Bedacht zu nehmen; dies kann zur Feststellung einer "nachträglichen" Gesetzeslücke führen (Bydlinski in Rummel, ABGB**2 § 7 Rz 2 mwN).

Nach Auffassung der Klägerin liegt keine Gesetzeslücke vor. Der seinerzeitige § 49 UrhG sei durch die UrhGNov 1980 auch deshalb geändert worden, weil nach der alten Rechtslage nur kleine Teile eines Werks unter die freie Werknutzung fielen und nicht auch ganze Werke. In den Erläuternden Bemerkungen seien ausdrücklich Werke der bildenden Künste, Filmwerke und Standfotos angeführt. Es liege also keine planwidrige Unvollständigkeit vor, weil der Gesetzgeber die bis 1980 gegebene absolute Unzulässigkeit der Zitierung ganzer Bilder erkannt und diese durch die Aufnahme in den neu geschaffenen § 42c UrhG auf die Zitierung im Rahmen der aktuellen Berichterstattung beschränkt habe.

Die Klägerin vermengt damit die freie Werknutzung der Berichterstattung über Tagesereignisse (früher § 49 UrhG; seit der UrhGNov 1980 § 42c UrhG) mit der freien Werknutzung durch Zitate (insbes § 46, § 54 Abs 1 Z 3a UrhG). Die in § 42c UrhG geregelte freie Werknutzung soll - wie schon ausgeführt - sicherstellen, dass die Berichterstattung über Tagesereignisse in dem durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang nicht dadurch gehindert wird, dass ein geschütztes Werk öffentlich wahrnehmbar wird (EvBl 1998/95 = MR 1998, 284 [Walter] - Edith); das Zitatrecht hingegen bestimmt, ob und in welchem Umfang ein Werk in ein anderes Werk im Interesse an freier geistiger Auseinandersetzung aufgenommen werden darf (Schricker in Schricker aaO § 51 Rz 6; Mestmäcker/Schulze, Kommentar zum deutschen Urheberrecht § 51 Anm 2; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht Rz 487 mwN). Auch das deutsche Urheberrecht räumt zwei voneinander unabhängige freie Werknutzungen ein: § 50 dUrhG regelt die freie Werknutzung der Bild- und Tonberichterstattung über Tagesereignisse; § 51 dUrhG das Zitatrecht.

Im österreichischen Urheberrechtsgesetz ist das Zitatrecht - soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung - in § 46 und in § 54 Abs 1 Z 3a UrhG geregelt. § 46 Z 1 UrhG betrifft die Vervielfältigung und Verbreitung eines Werks, in dem einzelne Stellen eines veröffentlichten Sprachwerks angeführt werden (Kleinzitat); § 46 Z 2 UrhG das wissenschaftliche Großzitat in Bezug auf einzelne Sprachwerke oder Werke der im § 2 Z 3 UrhG bezeichneten Art; § 54 Abs 1 Z 3a UrhG das wissenschaftliche Großzitat in Bezug auf einzelne erschienene Werke der bildenden Künste. Nicht geregelt ist - abgesehen vom wissenschaftlichen Großzitat - das Bildzitat, das regelmäßig sinnvollerweise nur in der Wiedergabe des ganzen Bildes bestehen kann.

Auch das deutsche Urheberrechtsgesetz lässt das - nicht auf Ausschnitte beschränkte - Bildzitat nur in wissenschaftlichen Werken zu: Nach § 51 Z 1 dUrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe zulässig, wenn in einem durch den Zweck gebotenen Umfang einzelne Werke nach dem Erscheinen in ein selbstständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden. Für andere als wissenschaftliche Werke gilt § 51 Z 2 dUrhG. Danach ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe erlaubt, wenn (nur) Stellen eines Werks nach der Veröffentlichung in einem selbstständigen Werk angeführt werden.

Dennoch ist das - nicht auf Ausschnitte beschränkte - Bildzitat nach herrschender Auffassung in Deutschland auch in anderen als wissenschaftlichen Werken zulässig. Die Rechte des Urhebers einschränkende Bestimmungen seien zwar grundsätzlich eng auszulegen; eine ausdehnende Auslegung oder analoge Anwendung sei aber nicht schlechthin unzulässig. Entscheidend sei, ob die Anwendung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck auf einen vergleichbaren Sachverhalt geboten und mit dem Grundrechtsschutz vereinbar erscheine. Für eine Ausdehnung der Urheberrechtsbeschränkung könnten insbesondere die Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit sprechen. Zwischen Urheberrecht und Kommunkationsgrundrecht bestehe eine Wechselwirkung. Das Urheberrecht sei Grundrechtsschranke; es sei aber selbst im Licht des Kommunikationsgrundrechts auszulegen. Zugleich sei jedoch auch der Grundrechtscharakter des Urheberrechts zu bedenken. Der Gesetzgeber habe im Rahmen der §§ 45 ff dUrhG die ihm obliegende Wertung und Abgrenzung in einem als abschließend gedachten System bereits vorgenommen. In Einzelheiten seien aber Korrekturen durch entsprechende Auslegung möglich. In diesem Sinn könnten gewisse Lücken des Zitatrechts durch ausdehnende Auslegung und Analogie ausgefüllt werden, so etwa durch Erstreckung des Rechts zum Kleinzitat nach § 51 Z 2 dUrhG auf das Zitat ganzer Bilder (Schricker in Schricker aaO § 51 Rz 8 f, 45). Während Schricker (aaO Rz 45) die Zulässigkeit des Bildzitats nur davon abhängig macht, dass der Zitatzweck es erfordert, das ganze Bild zum Gegenstand des Zitats zu machen, fordert Schack (aaO Rz 491) ein schutzwürdiges Informationsbedürfnis der Allgemeinheit (zust Vinck in Nordemann/Vinck/Hertin, Urheberrecht9 § 51 Rz 9; hingegen krit ders aaO Rz 7).

Auch nach österreichischer Auffassung sind die das Urheberrecht einschränkenden Bestimmungen über die freie Werknutzung als Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen (ecolex 1998, 45 = MR 1997, 320 [Walter] - Semmering-Tunnel mwN); auch hier wird erkannt, dass das Grundrecht der Informationsfreiheit zum Urheberrecht als einem den Schutz des Art 5 StGG genießenden vermögenswerten Privatrecht (VfSlg 9887) in einem Spannungsverhältnis steht. Auch in Österreich hat der Gesetzgeber diesem Spannungsverhältnis dadurch Rechnung getragen, dass er das Urheberrecht durch das Recht der freien Werknutzung gemäß §§ 41 ff UrhG eingeschränkt hat (EvBl 1998/95 = MR 1998, 284 [Walter] - Edith).

Die Regelung des Zitatrechts wird aber der Tatsache nicht gerecht, dass im Interesse der Meinungsfreiheit ein Bildzitat ebenso notwendig sein kann wie die Wiedergabe einzelner Teile eines Sprachwerks und ebenso der geistigen Auseinandersetzung dienen kann wie die Zitierung ganzer Bilder in wissenschaftlichen Werken. Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften werden in immer stärkerem Maß durch Bilder illustriert, einerseits um auf den Beitrag aufmerksam zu machen, andererseits um Botschaften besonders wirkungsvoll zu transportieren. Anders als beim Wortzitat ist beim Bildzitat ein sich auf Teile des Bildes beschränkendes Zitat (Kleinzitat) regelmäßig nicht sinnvoll. Das gilt nicht nur für wissenschaftliche Werke, bei denen der Gesetzgeber der in der Regel bestehenden Notwendigkeit, Werke der bildenden Künste und damit auch Bilder ganz und nicht nur ausschnittsweise wiederzugeben, durch die freie Werknutzung des - auch auf Lichtbilder anwendbaren (§ 74 Abs 7 UrhG) - § 54 Abs 1 Z 3a UrhG Rechnung getragen hat.

Das Gesetz ist daher unvollständig, wenn es zwar die Wiedergabe einzelner Teile eines Sprachwerks im Interesse der Meinungsfreiheit und das Großzitat im Interesse der freien geistigen Auseinandersetzung in wissenschaftlichen Werken zulässt, nicht aber das Bildzitat als Großzitat im Interesse der Meinungsfreiheit und der freien geistigen Auseinandersetzung in Zeitungen und Zeitschriften, obwohl auch diese Auseinandersetzung im Interesse der Allgemeinheit liegt. Die Unvollständigkeit ist planwidrig, weil der Gesetzgeber diesen Fall nicht bedacht hat (s EB zum Urheberrechtsgesetz 1936 in Dillenz, Materialien zum österreichischen Urheberrecht 117 f, 129 ff); sie ist daher durch Analogieschluss auszufüllen.

Die Beklagte nennt als analog anzuwendende Norm zwei Bestimmungen: § 46 Z 1 und § 54 Abs 1 Z 3a UrhG. § 46 Z 1 UrhG schränkt das Zitatrecht in zweifacher Hinsicht ein: Zitiert dürfen nur einzelne Stellen eines Sprachwerks werden; § 54 Abs 1 Z 3a UrhG hingegen nur insofern, als das Recht zum Zitat ganzer Werke der bildenden Kunst auf die Aufnahme in wissenschaftliche Werke beschränkt ist.

Für eine analoge Anwendung von § 54 Abs 1 Z 3a UrhG spricht, dass es auch bei Beiträgen in Zeitungen und Zeitschriften im Interesse an freier geistiger Auseinandersetzung notwendig sein kann, die vom Autor vertretene Auffassung durch die Zitierung vor allem von Lichtbildwerken und Lichtbildern zu belegen. Das gilt vor allem für Beiträge, die sich mit Beiträgen in anderen Zeitungen und Zeitschriften auseinandersetzen. Grund dafür ist einerseits der immer größere Anteil der mit Bildern "angereicherten" Berichte gegenüber der reinen Wortberichterstattung, so dass ein bloßes Sprachzitat im Sinne des § 46 Z 1 UrhG das Wesentliche eines Berichts oft nur unvollkommen zum Ausdruck bringen kann, und andererseits der Stellenwert der (kritischen) Auseinandersetzung der Medien untereinander, der angesichts der Entwicklung zur Informations- und Mediengesellschaft noch zunimmt.

Zu prüfen bleibt, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Zitats erfüllt sind:

Nach der Rechtsprechung muss das Zitat - auch wenn dies § 46, § 54

Abs 1 Z 3a UrhG, anders als § 51 dUrhG, nicht ausdrücklich

vorschreiben - auf einen durch den Zweck gebotenen Umfang beschränkt

werden, weil das Recht des Urhebers nicht stärker beeinträchtigt

werden darf, als es die Ausübung der im Interesse der geistigen

Kommunikation eingeräumten Zitierfreiheit erfordert, und es darf

nicht dazu führen, dass der wirtschaftliche Wert des zitierten Werks

in einer ins Gewicht fallenden Weise ausgehöhlt wird (SZ 55/110 = ÖBl

1983, 25 = Schulze 90 = UFITA 96 [1983] 355 = GRURInt 1983, 311 - Max

Merkel).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt:

Beide Artikel sind eine kritische Auseinandersetzung mit der Berichterstattung der Klägerin, wie sie vor allem in der Gestaltung der Titelblätter der "Neuen Kronen Zeitung" ihren Ausdruck findet. Um diese Kritik zu belegen und dem Leser zu ermöglichen, sich ein eigenes Bild zu machen, ist es notwendig, die Titelblätter abzudrucken. Dabei können die auf den Titelblättern abgedruckten Fotos nicht unkenntlich gemacht werden, weil sie in beiden Fällen ein wichtiger Beleg für die in den Artikeln geäußerte Kritik sind. Das gilt vor allem für das Foto des zahlreicher Brandstiftungen verdächtigen Jugendlichen. Der Abdruck des Titelblatts mit dem Foto macht die kritisierte Prangerwirkung viel deutlicher als dies die bloße Beschreibung vermöchte. Aber auch die Wiedergabe des Stoppschild-Fotos ist durch den Informationszweck gerechtfertigt. Sie zeigt, wie massiv und gleichzeitig subtil versucht wurde, unerwünschten Entwicklungen bei der Regierungsbildung gegenzusteuern. Dass der wirtschaftliche Wert der Titelblätter und insbesondere auch der Fotos durch den Nachdruck in keiner Weise ausgehöhlt wurde, ist offenkundig. Das lässt den mit der freien Werknutzung verbundenen Entfall eines Entgelts für die Urheber vertretbar erscheinen.

Erfüllt ist auch die weitere Voraussetzung, wonach das zitierende

Werk ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk sein muss (SZ 68/26 =

ARD 4686/20/95 = ecolex 1995, 498 = EvBl 1995/102 = MR 1995, 179

[Walter] = ÖBl 1996, 99 - Friedrich Heer II mwN). Beide Artikel, in

denen die Titelblätter als Beleg für die dort vertretenen Auffassungen dienen, sind eigentümliche geistige Schöpfungen und damit Sprachwerke im Sinne des § 2 Z 1 UrhG.

Die Beklagte kann sich ungeachtet dessen auf das Zitatrecht berufen, dass sie das in der Ausgabe des "Falter" 3/00 abgedruckte Titelblatt insofern verändert hat, als das Foto mit einem Augenbalken versehen wurde. Mit dieser Veränderung hat die Beklagte der Rechtsprechung Rechnung getragen, wonach die Wertungen des § 7a MedienG bei der Auslegung des § 78 UrhG zu berücksichtigen sind und demnach schutzwürdige Interessen des Betroffenen jedenfalls verletzt werden, wenn das Bild eines Jugendlichen veröffentlicht wird, der einer gerichtlich stafbaren Handlung verdächtig ist oder wegen einer solchen verurteilt wurde (SZ 70/183 = JBl 1998, 55 = MR 1997, 302 = ÖBl 1998, 88 - Ernestine K.).

Dem Revisionsrekurs der Beklagten war Folge zu geben; jener der Klägerin hatte erfolglos zu bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

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