OGH 4Ob42/12y

OGH4Ob42/12y17.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** GesmbH, *****, vertreten durch Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung (Streitwert im Sicherungsverfahren 30.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. November 2011, GZ 5 R 187/11y‑10, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 21. Juli 2011, GZ 10 Cg 72/11k‑6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0040OB00042.12Y.0417.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss wie folgt zu lauten hat:

 

„Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wird der beklagten Partei aufgetragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, die in Beilage ./D, die einen integrierten Bestandteil der einstweiligen Verfügung bildet, abgebildeten Werke (Bildausschnitt der Titelseite vom „Einspruch“ Nr 16, Januar 2011, samt Lichtbild des Hundes Fabia) der Öffentlichkeit in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.“

 

Die klagende Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen endgültig selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist Medieninhaberin der periodischen Druckschrift „Einspruch“, die in gedruckter Form (bis Jänner 2011 Nr 16) und in elektronischer Form im Internet in Österreich seit dem Jahr 2010 erscheint. Als Herausgeber des Mediums wird im Impressum DI B***** K***** (in der Folge: Autor) angegeben, der alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin ist.

Am 10. 6. 2011 veranlasste der Autor eine APA‑OTS-Aussendung unter dem Titel „Der 'Einspruch'‑Kommentar: Warum sollte die Türkei aus der EU‑Zollunion raus? Von B***** K*****“ (Beil ./3). Diese Aussendung enthält Teile eines Kommentars des Autors zum Verhältnis zwischen der Türkei und der EU und endet mit dem Hinweis: „Weiterlesen hier [Domain des Internetauftritts der Klägerin], Rückfragehinweise: Zeitschrift EINSPRUCH [Kontaktperson mit Name, Telefonnummer und Mail]“. Der gesamte Text des Kommentars war ab 11. 6. 2011 auf der Internetseite der Klägerin aufrufbar, wo neben der Überschrift auch das Titelblatt der Druckschrift „Einspruch“ Nr 16 vom Jänner 2011 (Beil ./D) verkleinert abgebildet war (Beil ./4). Teil des Kommentars, veröffentlicht in der APA‑OTS‑Aussendung und im Internet, ist ua folgender Satz: „Am 1. 1. 1996 ist die Türkei der inoffizielle 'Nigger' Europas geworden!“.

Der beklagte Verein ist Medieninhaber des elektronischen Mediums M***** und Inhaber der Domain „m*****“; er betreibt die Internetseite http://www.m*****. Ab dem 11. 6. 2011 war auf dieser Internetseite unter dem Titel „B***** K***** und der Anti-Schwarze-Rassismus“ ein als offener Brief an den Autor bezeichneter Text samt einer verkleinerten Abbildung der oberen Hälfte der Titelseite der Druckschrift „Einspruch“ Nr 16 vom Jänner 2011 aufrufbar (Beil ./H). Dieser Text erschien als Reaktion einer Journalistin des Beklagten auf den genannten Kommentar des Autors und nimmt darauf inhaltlich Bezug. Beide Streitteile befassen sich in ihren Publikationen mit dem Thema Migration. Der Autor hat das Foto seines Hundes, veröffentlicht auf der Titelseite der Druckschrift „Einspruch“ Nr 16, angefertigt und nachträglich zu der veröffentlichten Endversion bearbeitet.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, die in Beilage ./D, die einen integrierten Bestandteil der einstweiligen Verfügung bildet, abgebildeten Werke (Bildausschnitt der Titelseite vom „Einspruch“ Nr 16, Januar 2011, samt Lichtbild des Hundes Fabia) zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten. Die Veröffentlichung der genannten Werke sei ohne Einwilligung der Klägerin erfolgt, der die ausschließlichen Werknutzungsrechte an der Titelseite und dem Lichtbild aufgrund einer Vereinbarung mit dem Urheber zustünden. Urheber dieser Werke sei der Autor, der als Besitzer des Hundes das Foto angefertigt und die veröffentlichte Titelseite gestaltet habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Es liege ein zulässiges Bildzitat vor. Es zähle zu den Kernaufgaben des Beklagten, eine Berichterstattung wie jene des Autors vom 10. 6. 2011 nicht unkommentiert zu lassen. Der Beklagte habe den Satz, die Türkei sei zum „Nigger“ Europas geworden, als beleidigend für die von ihm unterstützten Migranten empfunden und beschlossen, sich mittels eines offenen Briefs mit der genannten Berichterstattung auseinanderzusetzen. Um den Lesern verständlich zu machen, auf welche Berichterstattung der offene Brief reagiere, sei das Titelblatt jenes Mediums als Belegstelle über dem offenen Brief veröffentlicht worden, auf das der auslösende Kommentar ausdrücklich Bezug genommen habe. Der Kommentar erwecke den Eindruck, er sei dem Medium der Klägerin zuzurechnen und entspreche dessen Auffassung. Mit der Wiedergabe der Titelseite dieses Mediums zusammen mit dem offenen Brief werde erkenntlich, dass sich der offene Brief mit der Berichterstattung des Autors, zugleich Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin, kritisch auseinandersetze, in der der Autor selbst darauf hinweise, es handle sich um den „Einspruch‑Kommentar“, man könne unter der angegebenen Domain weiterlesen oder sich an die genannte Druckschrift wenden. Auf der angegebenen Internetseite sei die Langfassung der APA-OTS-Aussendung zu finden und auch die Titelseite abgebildet. Der Beklagte unterstütze den Autor, eine bekannnte Persönlichkeit der türkischen Gemeinschaft in Österreich, öffentlich, etwa durch Veröffentlichung positiver Artikel auf seiner Integrationsseite in der Zeitung „Presse“ und auch auf seiner eigenen Internetseite. Für das Publikum bestehe somit eine gedankliche Verbindung zwischen den Streitteilen, weshalb eine Entgegnung der Beklagten auf die Aussendung der Klägerin, um sich von den darin enthaltenen Aussagen zu distanzieren, wichtig gewesen sei. Es liege ein zulässiges Bildzitat im Sinne der freien Werknutzung in analoger Anwendung der §§ 46, 54 Abs 1 Z 3a UrhG vor. Die vom Autor veranlasste Aussendung verwende das Wortspiel „Einspruch-Kommentar“ in ihrer Überschrift, um eine Brücke zwischen dem Autor und dem von ihm geleiteten Medium zu schlagen, und verweise auf die Möglichkeit, auf der Internetseite der Klägerin weiterlesen zu können und Rückfragen an die Zeitschrift „Einspruch“ zu richten. Das beanstandete Bildzitat erfülle unter diesen Umständen Belegfunktion, weshalb es zulässig gewesen sei, Ausschnitte der Titelseite des Mediums in der kritischen Auseinandersetzung von Meinungen zu veröffentlichen. Der wirtschaftliche Wert der Veröffentlichung sei dadurch nicht ausgehöhlt worden. Auch das Recht auf freie Meinungsäußerung gestatte, sich mit kritikwürdigen Äußerungen auseinanderzusetzen. Der offene Brief sei eine eigentümlich geistige Schöpfung und damit ein Sprachwerk im Sinn des § 2 Z 1 UrhG. Die Benutzung eines Werks zur antithematischen Verwendung sei frei. Das Unterlassungsbegehren sei zu weit gefasst, sofern es sich nicht auf das in der Veröffentlichung enthaltene Lichtbild beschränke; eine Täuschung des angesprochenen Publikums über den Autor der Veröffentlichung sei nicht entstanden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es liege ein zulässiges Bildzitat vor. Die Klägerin selbst habe den Kommentar des Autors in das APA-OTS-Netz gestellt; diese Veröffentlichung enthalte nicht nur zweimal den von der Beklagten beanstandeten Satz, sondern verweise ausdrücklich zum weiteren Nachlesen des vollständigen Textes auf die Internetseite der Klägerin und deren Druckschrift. Auf dieser Webseite sei weiters das Titelblatt der Druckschrift neben dem Kommentar abgebildet. Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Kommentar sei eine verkleinerte Veröffentlichung des Titelblatts (samt Lichtbild des Hundes) zu Belegzwecken sinnvoll und erforderlich. Auf diese Weise werde der wirtschaftliche Wert des Hundebildes, sofern ein solcher überhaupt gegeben sei, nicht ausgehöhlt. Der Beklagte dürfe im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit seiner Empörung über die Wortwahl des Autors Ausdruck verleihen und diese Ansicht mit dem Titelblatt der Druckschrift eindringlich belegen, ohne dafür einer Zustimmung der Klägerin zu bedürfen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und ‑ auf Antrag des Beklagten gemäß § 528 Abs 2a ZPO iVm § 508 Abs 3 ZPO ‑ der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die beanstandete Veröffentlichung „in rechtlicher Hinsicht auch anders beurteilt“ werden könne. Das Titelblatt der Druckschrift der Beklagten sei ein Sammelwerk im Sinne des § 6 UrhG. Beide Parteien befassten sich in ihren Veröffentlichungen mit Migrationsproblemen. Auf der Grundlage des Leitgedankens „Migration“ würden einzelne Beiträge zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefasst. Das Lichtbild des Hundes falle unter den Schutz des § 73 UrhG. Dessen ungeachtet liege ein im Interesse an freier geistiger Auseinandersetzung mit Beiträgen anderer Medien zulässiges Bildzitat vor, das die vom Autor an anderer Stelle vertretene Auffassung durch Zitierung von Lichtbildwerken und Lichtbildern belege. Es sei sinnvoll gewesen, die kritische Auseinandersetzung mit der Publikation der Klägerin mit der beanstandeten Veröffentlichung einzuleiten. Dadurch werde das Publikum zweckmäßig und unzweifelhaft darüber aufgeklärt, worauf der Beklagte reagiere. Eine nur verbale Beschreibung des Kommentars des Autors hätte einer längeren Umschreibung bedurft und der auch von der Klägerin bildlich angereicherten Berichterstattung nur unvollkommen Genüge getan. An der Rechtmäßigkeit ändere nichts, dass sich der Kommentar nicht in jener Ausgabe der Druckschrift befinde, deren Titelblatt die Beklagte veröffentlicht habe, weil die Klägerin selbst gerade dieses Titelblatt in einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Text des Autors gestellt habe. Der Beklagte habe die Wortwahl des Autors in dessen Kommentar im Rahmen der freien Meinungsäußerung kritisieren dürfen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Der Kläger macht geltend, eine Urheberrechtsverletzung sei nur dann unter Berufung auf Art 10 EMRK gerechtfertigt, wenn ohne Nutzung des geschützten Werks eine freie Meinungsäußerung praktisch unmöglich wäre. Das Rekursgericht habe es hingegen für ausreichend erachtet, wenn der Urheberrechtseingriff (bloß) zweckmäßig sei. Damit weiche das Rekursgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung, insbesondere der Entscheidung 4 Ob 224/00w, ab. Auch sei der Auffassung des Rekursgerichts zu widersprechen, es bestehe ein Zusammenhang zwischen dem vom Beklagten veröffentlichten Titelblatt, der Veröffentlichung des offenen Briefes und dem darin kritisierten Kommentar des Autors; damit sei die Veröffentlichung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Zitierfreiheit zulässig.

1. Vorauszuschicken ist, dass die Parteien die Werkqualität von Titelblatt und Lichtbild des Hundes zutreffend nicht in Frage stellen. Es bleibt damit zu prüfen, ob die Veröffentlichung dieser Werke (Werkteile) eine freie Werknutzung im Sinne eines Bildzitats ist oder durch Art 10 EMRK gerechtfertigt ist.

2.1. § 54 Abs 1 Z 3a UrhG ist auf das Bildzitat in Zeitungen und Zeitschriften analog anzuwenden. Die Zitierung ganzer Bilder ist im Interesse der geistigen Auseinandersetzung demnach zulässig, wenn sie durch den Zitatzweck geboten ist und der wirtschaftliche Wert des zitierten Werks (Lichtbilds) nicht in einer ins Gewicht fallenden Weise ausgehöhlt wird (RIS-Justiz RS0114102).

2.2. Für die Zulässigkeit der Veröffentlichung von Lichtbildern als Bildzitat ist somit Voraussetzung, dass das in den Berichten jeweils wiedergegebene Bild Zitat- und Belegfunktion hatte und nicht nur dazu diente, die Berichterstattung zu illustrieren, um so die Aufmerksamkeit der Leser auf den Bericht zu lenken (4 Ob 92/08w mwN). Für die Veröffentlichung anderer geschützter Werke gilt dies gleichermaßen.

2.3. Die Vorinstanzen haben dem Umstand zu wenig Gewicht beigemessen, dass der Kommentar, der die beanstandete Veröffentlichung des offenen Briefes ausgelöst hat, nicht im Printmedium der Klägerin erschienen ist, dessen Titelblatt die Beklagte verkleinert und in einem Teil veröffentlicht hat, sondern in deren online-Medium.

2.4. Der einzige Zusammenhang zwischen kritisiertem Kommentar, offenem Brief und beanstandeter Titelblattveröffentlichung besteht darin, dass neben dem Kommentar vom Juni 2011 das Titelblatt einer (beliebigen) Ausgabe des Printmediums der Klägerin vom Jänner 2011 abgebildet war, und dass Print- und online-Medium aus dem selben Haus stammen. Unter diesen Umständen diente die Abbildung des Titelblatts neben dem Kommentar allein der Eigenwerbung der Klägerin für ihr Printmedium oder (aufgrund des auffälligen Hundefotos) als Blickfang, ohne zum besseren inhaltlichen Verständnis des Kommentars beizutragen.

2.5. Damit kann aber keine Rede davon sein, dass die beanstandete Veröffentlichung Belegfunktion erfüllt hätte oder für das inhaltliche Verständnis der Kritik der Beklagten unerlässlich gewesen wäre. Als Quellenangabe für den kritisierten Kommentar hätte die Nennung der Domain des Internetauftritts der Klägerin genügt, allenfalls auch in Verbindung mit einem Hinweis darauf, welche Funktionen der Autor beim Rechtsträger des Printmediums ausübt. Gemessen an diesen verbalen Informationen besitzt die Abbildung des Titelblatts einer beliebigen Ausgabe des Printmediums der Klägerin keinen zusätzlichen Informationsgehalt und trägt zum Verständnis der Kritik beim Publikum nichts bei.

2.6. Damit unterscheidet sich der Sachverhalt im Anlassfall entscheidend von jenen Sachverhalten, die der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung zum zulässigen Bildzitat zu Grunde liegen. Kritisiert ein Medium die Berichterstattung und optische Aufmachung eines anderen Mediums als publizistisch und ethisch fragwürdig (4 Ob 224/00w ‑ Schüssels Dornenkrone), können optische Belege in Form der Abbildung einzelner Seiten des kritisierten Mediums dazu beitragen, die verbale Kritik für das Publikum zu verdeutlichen und zu untermauern; in einem solchen Fall kann sich das Publikum erst durch die Abbildung der kritisierten Titelblätter selbst ein Bild machen.

Im Anlassfall kritisiert der offene Brief der Beklagten hingegen ausschließlich die im Kommentar verwendete Wortwahl. Diese Kritik bedarf keiner Abbildung einer Titelseite des Printmediums der Klägerin, um für das Publikum verständlich zu sein. Die beanstandete Veröffentlichung erfüllt damit die strengen Voraussetzungen nicht, unter denen ein Bildzitat als Großzitat im Interesse der freien geistigen Auseinandersetzung in Zeitungen und Zeitschriften den Eingriff in fremde Urheberrechte rechtfertigt.

3.1. Die Beklagte hat sich auch unter dem Aspekt der Meinungsfreiheit auf das Zitatrecht berufen.

3.2. Der Senat vertritt dazu in ständiger jüngerer Rechtsprechung, dass dem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch das durch Art 10 EMRK geschützte Recht der freien Meinungsäußerung entgegenstehen kann. Ob dies der Fall ist, ist durch eine Abwägung der vom Urheber oder seinem Werknutzungsberechtigten verfolgten Interessen mit dem Recht der freien Meinungsäußerung zu beurteilen (RIS-Justiz RS0115377). Diese Interessenabwägung ist auch nach der Rechtsprechung des EGMR geboten (zuletzt ausführlich im Zusammenhang mit dem Recht auf das eigene Bild: EGMR, Urteil vom 7. 2. 2012, 40660/08, 60641/08 = K&R 2012, 179 ‑ von Hannover II).

3.3. Diese Rechtfertigung setzt insbesondere voraus, dass das Grundrecht ohne den Eingriff nicht oder nur unzulänglich ausgeübt werden kann (4 Ob 66/10z ‑ Lieblingshauptfrau mwN). Dies wurde in der Rechtsprechung bejaht, wenn sich der Beklagte inhaltlich mit jenem Werk auseinandergesetzt hatte, dessen Vervielfältigung der Urheber beanstandete (4 Ob 224/00w ‑ Schüssels Dornenkrone; 4 Ob 127/01g - Medienprofessor; 4 Ob 66/10z - Lieblingshauptfrau). Hingegen wurde die Rechtfertigung des Eingriffs verneint, wenn das Foto nach dem Inhalt des Berichts nur dazu diente, diesen zu illustrieren, und daher ‑ anders als in der erstgenannten Fallgruppe ‑ keine Zitat- oder Belegfunktion hatte (4 Ob 105/03z = MR 2003, 317 [M. Walter] - Foto des Mordopfers; 4 Ob 195/06i - unsachliche Berichterstattung; zuletzt 4 Ob 172/10z).

3.4. Dass eine für das Publikum verständliche Auseinandersetzung der Beklagten mit dem kritisierten Kommentar durch Beschränkung auf das verbale Instrument des offenen Briefs und damit auch ohne Eingriff in das Urheber- und Leistungsschutzrecht der Klägerin möglich gewesen wäre, wurde schon dargelegt; auf die Ausführungen zu Punkt 2.6. ist zu verweisen. Der Rechtfertigungsgrund des Art 10 EMRK ist damit nicht gegeben. Der Sicherungsantrag ist somit berechtigt.

4.1. Das Gericht darf dem Spruch eine klare und deutliche, auch vom Begehren abweichende Fassung geben, sofern diese in den Behauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und sich im Wesentlichen mit seinem Begehren deckt (RIS-Justiz RS0039357, RS0041254).

4.2. Bei der Neufassung des Unterlassungsgebots im Rahmen des vom Kläger Gewollten und damit innerhalb der von § 405 ZPO gezogenen Grenzen (4 Ob 32/03i) war zu berücksichtigen, dass bei Urheberrechtsverletzungen in erster Linie auf jenes Verwertungsrecht abzustellen ist, das durch die konkrete Verletzungshandlung berührt wird (4 Ob 88/10k). Dies ist hier das Verwertungsrecht des § 18a UrhG, gegen das verstößt, wer unbefugt Sprachwerke, Lichtbilder oder Filmwerke in einen Internetauftritt zum interaktiven Abruf eingliedert (4 Ob 178/06i = MR 2007, 84 ‑ St Stephan; RIS‑Justiz RS0121495).

5. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

 

 

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