Spruch:
1. Die Revisionsbeantwortung des Klägers wird zurückgewiesen.
2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist eine in der Rechtsform eines Vereins organisierte Vereinigung der österreichischen Berufsfotografen. Sein Zweck ist es, den Vereinsmitgliedern Rechtsschutz zu gewähren.
Die Beklagte ist Medieninhaberin der periodischen Druckschrift "Kronen Zeitung", deren tägliche Auflage mehr als 500.000 Stück beträgt. Auf dem Titelblatt der Wiener Regionalausgabe der "Kronen Zeitung" vom 6. 4. 2000 und auf Seite 13 der Ausgabe vom 7. 4. 2000 wurde das Lichtbild eines Kindes wiedergegeben. Auf dem Titelblatt war das Foto mit "Mädchen (8) im Schlaf ermordet", auf Seite 13 mit "Mann gestand im Spital, Frau und Stieftochter getötet zu haben: 'Ich habe nicht gewollt, dass die Kleine alleine zurückbleibt...'" überschrieben; auf Seite 13 war das Foto noch mit dem Untertitel "Im Bett getötet: Malwina (8)" versehen. Eines der Fotos war in Farbe, das andere in Schwarz-Weiß. Neben dem Lichtbild in der Ausgabe vom 6. 4. 2000 findet sich der Vermerk "Foto: Andi S*****".
Das Foto war vom Fotografen Heinz-Peter L***** aufgenommen worden. Heinz-Peter L***** wurde in der Zeitung der Beklagten weder als Hersteller noch als Inhaber sonstiger Urheberrechte genannt.
Andi S***** ist als Pressefotograf für die Beklagte tätig. Er hat das von Heinz-Peter L***** aufgenommene Passbild "abfotografiert". Auf der Vorderseite des Fotos fand sich kein Hinweis auf den Fotografen. Das Passbild war im Reisepass des Kindes eingeschweißt, den die Polizei am Tatort den Pressefotografen überlassen hatte. In diesem Zeitpunkt war der Täter bereits bekannt. Es steht nicht fest, dass die Polizei den Pass den Pressefotografen mit dem Ersuchen überlassen hätte, dabei zu helfen, dass die Bevölkerung Hinweise auf die Tat geben könne.
In dem mit dem Foto des Kindes illustrierten Bericht wurde die Bevölkerung weder ausdrücklich noch sinngemäß um Mithilfe bei der Klärung des Verbrechens ersucht. In der Ausgabe vom 6. 4. 2000 wurde von einem gegen einen 40-jährigen Geschäftsmann bestehenden Verdacht berichtet; in der Ausgabe vom 7. 4. 2000 wurde das Geständnis des mutmaßlichen Täters erwähnt.
Heinz-Peter L***** hat seine Rechte als Hersteller des Passfotos dem Kläger zur treuhändigen Wahrnehmung im eigenen Namen übertragen. Mit Schreiben vom 8. 4. 2000 sandte Heinz-Peter L***** der Beklagten eine Rechnung über 19.540 S. Dieser Betrag setzte sich aus 2.880 S als Honorar für eine Bildveröffentlichung als Aufmacher, für zwei Bildveröffentlichungen einspaltig à 1.800 S, einem Aufschlag von 100 % für die Veröffentlichung ohne Zustimmung und einem weiteren Aufschlag von 100 % für die Veröffentlichung ohne Quellenangabe. Dazu kamen 50 S an Kosten für die Zusendung eines weiteren Abzugs als Nachweis der Urheberschaft und 50 S für Porto und Versand. In ihrem Antwortschreiben erklärte die Beklagte, keine weiteren Veröffentlichungen ohne Zustimmung des Herstellers vornehmen zu wollen. Sie bot ein Entgelt von 3.000 S zuzüglich Umsatzsteuer an, lehnte aber alle darüber hinausgehenden Ansprüche ab.
Mit Brief vom 29. 5. 2000 forderte der Klagevertreter die Beklagte auf, binnen einer Woche in einer Ausgabe der "Kronen Zeitung" eine Mitteilung in der Größe des Lichtbilds einzuschalten. Darin solle darauf hingewiesen werden, dass Heinz-Peter L***** Hersteller des Lichtbilds sei und ihm das Copyright am Bild zukomme. Darüber hinaus forderte der Klagevertreter die Beklagte auf, dem Fotografen ein Entgelt von 19.540 S zu zahlen.
Nach der "Unverbindlichen Verbandsempfehlung nach §§ 31 ff KartellG", herausgegeben von der Bundesinnung der Fotografen für Bildhonorare 1999 (Unverbindliche Veröffentlichungshonorare im Fotografengewerbe in Österreich) werden für die Benutzung eines Lichtbilds in einer Tageszeitung mit einer Auflage von über 500.000 Stück bei Seitenaufmachern durchschnittlich 2.400 S an Honorar, bei einspaltigen Fotos durchschnittlich 1.500 S, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer, verrechnet. Österreichische Tageszeitungen zahlen im Allgemeinen für ein Bild in Art und Größe wie das Bild in der Ausgabe vom 7. 4. 2000 500 S, für ein Bild wie das auf dem Titelblatt der Ausgabe vom 6. 4. 2000 zwischen 2.000 S und 3.000 S. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Bild eines Passfotografen oder eines Werbefotografen handelt.
Wird ein von einem Passfotografen aufgenommenes Bild für einen anderen Zweck als für einen Pass oder einen ähnlichen Zweck verwendet, so stellt der Passfotograf üblicherweise das ortsübliche Veröffentlichungshonorar oder Nutzungshonorar in Rechnung. In einem Fall wie dem vorliegenden ist ein Honorar üblich. Üblich ist es auch, bei Nichtnennung des Fotografen einen Zuschlag zu verlangen.
Die Beklagte zahlt ihren freiberuflichen Mitarbeitern für bestellte Fotos in vergleichbaren Fällen 300 S bis höchstens 500 S, wenn das Foto so wie in der Ausgabe vom 7. 4. 2000 veröffentlicht wird; bei Veröffentlichungen wie in der Ausgabe vom 6. 4. 200 zahlt sie 1.000 S bis 1.500 S; für beide Bilder insgesamt 1.500 S bis 2.000 S. Für die Titelseite oder für ein Farbbild erhält der Fotograf einen Zuschlag von 50 bis 100 %. Mit diesen Beträgen ist auch der Aufwand des Fotografen abgegolten. Wenn der Fotograf, wie im vorliegenden Fall, keinen zusätzlichen Aufwand hatte, zahlt die Beklagte weniger.
Der Kläger begehrt 19.540 S (= 1.420,03 EUR) sA. Er begehrt weiters, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, Lichtbilder, zeigend Personen, an denen dem Fotografen Heinz-Peter L***** oder dem Kläger die Urheber- und/oder Leistungsschutzrechte zukommen, ohne Zustimmung des Klägers oder des Fotografen Heinz-Peter L***** und ohne Nennung des Herstellers zu verbreiten, und ihn zu ermächtigen, Kopf und klagestattgebenden Spruch des Urteils in der Wiener Regionalausgabe der "Kronen Zeitung" auf Kosten der Beklagten zu veröffentlichen. Die Beklagte habe mit der Verwendung des Bildes in die Rechte des Fotografen eingegriffen. Sie habe derartige Pflichtverletzungen zu unterlassen und den Vermögensschaden des Fotografen zu ersetzen.
Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei nicht aktiv legitimiert. Die Veröffentlichung des Bildes sei nicht rechtswidrig. Sie sei als Berichterstattung über ein Tagesereignis zulässig. Das Bild sei auf amtliche Veranlassung hin veröffentlicht worden. Die Veröffentlichung sei damit im Interesse der Strafrechtspflege und öffentlichen Sicherheit gelegen gewesen. Sie habe es der Bevölkerung ermöglicht, an der Aufklärung des Verbrechens mitzuwirken. Das durch Art 10 EMRK geschützte Interesse an der Veröffentlichung des Bildes wiege stärker als das Interesse des Bildherstellers an der Unterlassung. Die Beklagte treffe kein Verschulden. Sie habe den Fotografen nicht gekannt und auch nicht kennen können. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Die Beklagte sei nicht daran interessiert, das Foto wieder zu veröffentlichen. Die Verwendung des Passfotos sei mit dem ursprünglichen Honorar mit abgegolten worden. Das Unterlassungsbegehren sei zu weit gefasst.
Das Erstgericht sprach dem Kläger 436,04 EUR sA zu, gab dem Unterlassungsbegehren und - mit Ausnahme der Veröffentlichung des Ausspruchs über das Zahlungsbegehren und der Kostenentscheidung - dem Veröffentlichungsbegehren statt und wies das Mehrbegehren ab. Die Herstellung von Bild-vom-Bild-Kopien sei als Vervielfältigung rechtswidrig, wenn sie - wie hier - ohne Zustimmung des Urhebers erfolge. Es sei durchaus üblich, Passfotos von einem Fotografen anfertigen zu lassen. Die Beklagte habe daher damit rechnen müssen, dass das Foto von einem Fotografen angefertigt wurde. Sie könne sich auch nicht auf die freie Werknutzung des § 42c UrhG berufen. Das Bild sei nicht im Zuge der Berichterstattung über einen Mord öffentlich wahrnehmbar geworden, sondern es sei zu Illustrationszwecken verwendet worden. Ein Behördenersuchen um Veröffentlichung sei nicht festgestellt worden. Es könnte aber die Veröffentlichung ohnehin nicht rechtfertigen, weil die Bevölkerung nicht um Mithilfe gebeten worden sei. Die Beklagte habe das Bild auch nicht im Rahmen des freien Bildzitats verwendet. Die Beklagte habe sich nicht kritisch mit der Darstellung des ermordeten Kindes auseinandergesetzt. Es sei nicht im Sinne der Meinungsfreiheit, wenn das Passfoto des Mädchens dazu benutzt werde, um einen Artikel zu illustrieren, da der Artikel auch ohne das Lichtbild verständlich und vollständig sei. Es sei daher nicht notwendig, im Interesse einer freien geistigen Auseinandersetzung dem Artikel ein Bildzitat beizufügen. Im Beitrag gehe es auch nicht darum, wie das Mädchen ausgesehen habe, sondern darum, dass es ermordet worden sei. Die Beklagte könne sich auch nicht auf eine schlüssige Genehmigung der Verwendung berufen. Eine allfällige Genehmigung wirke nur gegenüber dem Besteller oder allenfalls dem Abgebildeten, nicht aber auch gegenüber einem Dritten. Wiederholungsgefahr bestehe schon deshalb, weil die Beklagte sich darauf berufe, zur Veröffentlichung des Bildes berechtigt zu sein. Das Veröffentlichungsbegehren sei - ausgenommen die Veröffentlichung des Spruchs über das Zahlungsbegehren und der Kostenentscheidung - berechtigt. Dem Fotografen stehe ein angemessenes Entgelt zu. Angemessen sei ein Entgelt von 3.000 S. Der Kläger mache darüber hinaus einen Vermögensschaden geltend. Gemäß § 87 Abs 3 UrhG stünden ihm somit 6.000 S zu. Damit seien auch die Aufwendungen für Porto, Versand und Belegfoto abgegolten. Für die unterlassene Herstellerbezeichnung stehe weder eine angemessenes Entgelt noch ein Schadenersatzanspruch zu.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und - aufgrund eines Antrags nach § 508 ZPO - dass die ordentliche Revision zulässig sei. Aus den Entscheidungen zu Art 10 EMRK sei für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen. Das durch Art 10 EMRK geschützte Recht der freien Meinungsäußerung könne zwar dem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch entgegenstehen; die Beklagte setze sich aber mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht auseinander.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit und Unentgeltlichkeit der Nachnutzung eines Passfotos in einem Mordfall besteht; die Revision ist aber nicht berechtigt.
1. Zur Revisionsbeantwortung des Klägers
Der Kläger hat die Revisionsbeantwortung - entgegen § 507a Abs 3 Z 1 ZPO - nicht beim Berufungsgericht, sondern beim Erstgericht eingebracht. Das Erstgericht hat sie erst am 21. 5. 2003 unmittelbar an den Obersten Gerichtshof übersandt; beim Obersten Gerichtshof ist die Revisionsbeantwortung am 23. 5. 2003 und damit lange nach Ablauf der vierwöchigen Frist des § 507a Abs 1 ZPO (Fristbeginn gemäß § 507a Abs 2 Z 2 ZPO mit Zustellung der Mitteilung, dass dem Revisionsgegner die Beantwortung der Revision freigestellt werde, am 19. 3. 2003) eingelangt. Die Revisionsbeantwortung war daher als verspätet zurückzuweisen.
2. Zur Revision der Beklagten
Die Beklagte stützt ihre Einwendung, das Passfoto des Mordopfers ohne Einwilligung des Fotografen und damit unentgeltlich in ihrer Zeitung zur Illustration des Berichts über den Mord veröffentlichen zu dürfen, auf Art 10 EMRK. Nach Art 10 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung; Einschränkungen sind nur durch Gesetz und nur soweit zulässig, als sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse (ua) der Rechte anderer unentbehrlich sind (Art 10 Abs 2 EMRK). Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung erfasst nicht nur Werturteile, sondern auch Tatsachenaussagen. Geschützt ist daher die Übermittlung von Informationen, welchen Inhalts auch immer (H. Mayer, B-VG², 567 mwN). Damit kann auch die Veröffentlichung eines Fotos durch das Grundrecht geschützt sein.
Während die ältere Rechtsprechung die Rechtfertigung eines Eingriffs in die urheberrechtlich geschützten Rechte durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung abgelehnt hat (4 Ob 2363/96w = SZ 69/283 = ÖBl 1997, 256 - Head-Kaufvertrag mwN), bezieht die neuere Rechtsprechung das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in eine Interessenabwägung ein und lässt unter bestimmten Voraussetzungen einen Eingriff in die Rechte des Urhebers zu.
Eingeleitet wurde diese Rechtsprechung mit der Entscheidung 4 Ob 224/00w (= MR 2000, 373 [Walter] - Schüssels Dornenkrone). Ausgangspunkt war dabei, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit zum Urheberrecht als einem den Schutz des Art 5 StGG genießenden vermögenswerten Privatrecht in einem Spannungsverhältnis steht, dem der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen hat, dass er das Urheberrecht durch das Recht der freien Werknutzung gemäß §§ 41ff UrhG eingeschränkt hat. Die Regelung des Zitatrechts werde aber der Tatsache nicht gerecht, dass im Interesse der Meinungsfreiheit ein Bildzitat ebenso notwendig sein könne wie die Wiedergabe einzelner Teile eines Sprachwerks und ebenso der geistigen Auseinandersetzung dienen könne wie die Zitierung ganzer Bilder in wissenschaftlichen Werken. Das Gesetz sei daher unvollständig, wenn es zwar die Wiedergabe einzelner Teile eines Sprachwerks im Interesse der Meinungsfreiheit und das Großzitat im Interesse der freien geistigen Auseinandersetzung in wissenschaftlichen Werken zulasse, nicht aber das Bildzitat als Großzitat im Interesse der Meinungsfreiheit und der freien geistigen Auseinandersetzung in Zeitungen und Zeitschriften, obwohl auch diese Auseinandersetzung im Interesse der Allgemeinheit liege. Die planwidrige Lücke sei durch analoge Anwendung des § 54 Abs 1 Z 3a UrhG zu schließen, weil es auch bei Beiträgen in Zeitungen und Zeitschriften im Interesse an freier geistiger Auseinandersetzung notwendig sein könne, die vom Autor vertretene Auffassung durch die Zitierung vor allem von Lichtbildwerken und Lichtbildern zu belegen.
Fortgeschrieben und vertieft wurde diese Rechtsprechung durch die Entscheidung 4 Ob 127/01g (= MR 2001, 304 [Swoboda/Walter] - Medienprofessor). Die Entscheidung bekräftigt, dass einem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch das durch Art 10 EMRK geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung entgegenstehen kann. Die Wiedergabe von 16 - den Beklagten scharf kritisierenden und nicht nur als Geschäftsführer eines Unternehmens, sondern auch als Wissenschaftler dubios erscheinen lassenden - Artikeln der klagenden Zeitung samt den sie illustrierenden Lichtbildern auf der Website des Beklagten komme einem Zitat nahe, ohne jedoch den Tatbestand des § 46 Z 2 und des § 54 Abs 1 Z 3a UrhG zur Gänze zu erfüllen. § 46 Z 2 UrhG erlaube die Aufnahme einzelner Sprachwerke in einem durch den Zweck gerechtfertigten Umfang in ein die Hauptsache bildendes wissenschaftliches Werk; § 54 Abs 1 Z 3a UrhG enthalte dieselbe Regelung für Werke der bildenden Künste und auch für Lichtbilder. Das fehlende Tatbestandserfordernis der Aufnahme in ein wissenschaftliches Werk werde im zu entscheidenden Fall dadurch ersetzt, dass das vom Beklagten mit der Aufnahme der Artikel in seine Homepage ausgeübte Recht der freien Meinungsäußerung weit stärker wiege als die Interessen der Klägerin. Die Klägerin werde durch die Aufnahme der Artikel in ihren wirtschaftlichen Interessen nicht berührt. Ihre Berufung auf das urheber- und leistungsschutzrechtliche Ausschließungsrecht könne nur den Zweck verfolgen, eine Auseinandersetzung mit der durch die Artikelserie dokumentierten Medienkampagne zu verhindern. Dieser Zweck könne eine Einschränkung der Meinungsfreiheit durch das Urheber- und Leistungsschutzrecht in einer demokratischen Gesellschaft nicht rechtfertigen.
In der Entscheidung 4 Ob 77/02f (= MR 2002, 387 - Geleitwort) hat der erkennende Senat klargestellt, dass die Verletzung der Urheberrechte der einzige Weg sein muss, um das Grundrecht ausüben zu können. Könnte die Einwilligung des Urhebers gegen Zahlung eines (angemessenen) Entgelts erreicht werden, so sei eine Berufung auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung von vornherein ausgeschlossen.
Diese Rechtsprechung lässt sich dahin zusammenfassen, dass aufgrund einer Interessenabwägung zu entscheiden ist, ob dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung ein Vorrang vor Urheber- und Leistungsschutzrechten zukommt. Dem Interesse des Urhebers, über die Verwendung seines Werks zu bestimmen und diese nur gegen Entgelt zu gestatten, steht das Interesse desjenigen gegenüber, der durch Verwendung des Werks Tatsachen mitteilen oder Meinungen äußern will. Ist der Urheber bereit, die Nutzung seines Werks gegen Entgelt zu gestatten, so kann das Grundrecht der freien Meinungsäußerung einen Eingriff in Urheber- oder Leistungsschutzrechte von vornherein nicht rechtfertigen, weil eine Einschränkung des Grundrechts durch das Urheberrecht als gesetzlich geschütztes Recht im Sinne des Art 10 Abs 2 EMRK insoweit jedenfalls gerechtfertigt ist. Grundvoraussetzung jeder Rechtfertigung eines Eingriffs in Urheber- oder Leistungsschutzrechte durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung ist damit, dass die wirtschaftlichen Interessen des Urhebers nicht berührt werden und das Grundrecht ohne Eingriff in das Urheber- oder Leistungsschutzrecht nicht ausgeübt werden kann.
In den den Entscheidungen 4 Ob 224/00w und 4 Ob 127/01g zugrunde liegenden Fällen war diese Voraussetzung erfüllt. Die wirtschaftlichen Interessen der Berechtigten wurden nicht berührt und ihre Einwilligung wäre auch nicht zu erreichen gewesen, weil das Werk dazu verwendet wurde, um die Berechtigten zu kritisieren. Der Eingriff in ihre Rechte war daher der einzige Weg, um die durch Art 10 EMRK geschützte Kritik üben zu können.
Wird das Werk - wie im vorliegenden Fall - nicht dazu verwendet, um den Rechteinhaber zu kritisieren, so besteht dieser Rechtfertigungsgrund nicht, ob nun - wie in der Regel - der Urheber (Leistungsschutzberechtigte) bereit wäre, die Verwendung seines Werks (seiner Leistung) gegen Entgelt zu gestatten.
Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung vermag den Eingriff aber auch dann nicht zu rechtfertigen, wenn der Berechtigte die Nutzung seines Werks auch gegen (angemessenes) Entgelt nicht gestattet, oder wenn er dem Nutzer nicht bekannt ist und seine Identität in der kurzen Zeit, die für eine Veröffentlichung bei Wahrung der Aktualität zur Verfügung steht, nicht festgestellt werden kann (aM Swoboda, Fotorechte im Wandel der Zeit[-ung], ÖJZ 2002, 636 [639], der darauf abstellt, ob der Hersteller bekannt oder unbekannt ist). Auch in diesem Fall schließt die nach Art 10 Abs 2 EMRK zulässige Einschränkung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung durch das Ausschließungsrecht des Urhebers eine Rechtfertigung des Eingriffs durch das Grundrecht aus:
Dem Interesse des Fotografen, die Nutzung des von ihm aufgenommenen Lichtbilds an seine Zustimmung zu binden (Ausschließungsrecht), steht das Interesse der Zeitung gegenüber, mit dem Bild einen Bericht über einen Mord zu illustrieren. Anders als bei der - den Gegenstand der Verfahren 4 Ob 224/00w und 4 Ob 127/01g bildenden - Verwendung fremder Werke gleich einem Zitat hat die Veröffentlichung des Bildes in einem Fall wie dem vorliegenden keine Belegfunktion; sie dient (nur) der Information. Das Interesse, über den Kriminalfall nicht nur durch einen Wortbericht zu informieren, sondern die Aufmerksamkeit der Leser durch ein Bild des Mordopfers auf den Bericht zu lenken, wiegt nicht schwer genug, um einen Eingriff in die Rechte des Fotografen zu rechtfertigen.
Dass der Fotograf das Entgelt für die Passfotos erhalten hat, nimmt seinem finanziellen Interesse nicht die Schutzwürdigkeit:
Die Beklagte hat die Fotos mit der Veröffentlichung in ihrer Zeitung auf eine Art verwendet, die durch das Entgelt für die Passfotos nicht abgegolten ist und bei der, anders als beim Abdruck von Zeitungsseiten in einem kritischen Bericht über diese Zeitung (4 Ob 224/00w) oder bei der Aufnahme von Zeitungsseiten in eine Website als Kritik an der Berichterstattung dieser Zeitung (4 Ob 127/01g), eine Honorierung auch üblich ist. Die Verwendung der Fotos berührt damit die wirtschaftlichen Interessen beider Teile; dem Fotografen entgeht das Entgelt, das sich die Beklagte ersparen will.
Das schließt eine Rechtfertigung des Eingriffs in die Rechte des Fotografen durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung jedenfalls dann aus, wenn das Foto - wie hier - nach dem Inhalt des Berichts nur dazu dient, diesen zu illustrieren. Es erübrigt sich daher, auf die Ausführungen der Beklagten weiter einzugehen, wonach die Polizei den Pass des Mordopfers den Pressefotografen zur Verfügung gestellt hat.
Die Revision musste erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.
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