European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124633
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurswird nicht Folge gegeben.
D* ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.478,68 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 579,78 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der erstbeklagten Bank wurde (als führender Betreibender) die Zwangsversteigerung zweier Wohnungseigentums-(WE-)Objekte bewilligt (39 E 12/18y des Erstgerichts) und in der Folge auch ein Beitritt; Verpflichteter ist der Zweitbeklagte. Es folgten Beitritte durch vier weitere Betreibende, darunter der hier als Nebenintervenient auf Seiten der Beklagten beigetretene Rechtsanwalt (= Revisionsrekurswerber, im Weiteren kurz: NI).
Am 17. April 2018 erhob die Klägerin die vorliegende Exszindierungsklage, die sich gegen die führende betreibende Gläubigerin als Erstbeklagte und gegen den Verpflichteten als Zweitbeklagten richtet. Darin sind mit dem Begehren auf Erklärung der Unzulässigkeit der Exekution folgende gegen den Zweitbeklagten gerichtete (Haupt- und Eventual-)Feststellungsbegehren verbunden: Es möge festgestellt werden, dass die in Exekution gezogenen Liegenschaftsanteile im Eigentum der Klägerin stehen und der Zweitbeklagte verpflichtet sei, diese an die Klägerin herauszugeben. Die Klägerin stützt sich dabei auf ihr (außerbücherliches) Eigentum. Sie habe den Erwerb der Liegenschaftsanteile finanziert und mit dem Zweitbeklagten vereinbart, dass dieser (als Treuhänder) die Anteile über ihr jederzeitiges Verlangen an sie zu übertragen habe. Der Zweitbeklagte bestreite nun ihr Eigentumsrecht. Nach einem weiteren Feststellungsbegehren gegen beide Beklagten soll ausgesprochen werden, dass die Zwangsversteigerung unzulässig sei, weil die beiden WE-Objekte zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Klägerin und ihres mj Sohnes dienen.
In der Folge erhob die Klägerin im Wesentlichen idente Klagen gegen alle weiteren dem Zwangsversteigerungsverfahren beigetretenen Gläubiger als Erstbeklagte (also auch gegen den NI) und jeweils auch gegen den Verpflichteten als Zweitbeklagten (39 C 2/18x, 39 C 3/18v [Erstbeklagter = NI], 39 C 4/18s und 39 C 5/18p des Erstgerichts). Alle weiteren Klagen gegen den Verpflichteten wurden jedoch wegen bloß einfacher Streitgenossenschaft und Streitanhängigkeit zurückgewiesen (vgl 3 Ob 195/18z).
Im vorliegenden Exszindierungsprozess (im Weiteren: Hauptprozess) erklärte der NI seinen Beitritt als Nebenintervenient auf Seiten der Beklagten.
Die Klägerin sprach sich gegen die Zulassung aus, weil der NI weder ein tatsächliches noch ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer der beiden Beklagten habe.
Das Erstgericht wies den Antrag der Klägerin, den Beitritt zurückzuweisen, ab. Zwar bestehe keine formelle Bindung, aber bei erfolgreicher Klage würde das zugunsten der führenden betreibenden Partei eingeleitete Zwangsversteigerungsverfahren eingestellt, womit ein Berühren der Rechtssphäre vorliege. Überdies sei in beiden Verfahren durch denselben Richter ein über weiteste Strecken identisches Beweisverfahren durchzuführen. Demgemäß würde sich ungeachtet fehlender Bindung die Rechtslage für den NI abhängig von der Bejahung oder Verneinung dieser Frage in diesem Verfahren im Folgeprozess verbessern oder verschlechtern.
Das von der Klägerin angerufene Rekursgericht gab ihrem Rekurs Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass dem Antrag auf Nichtzulassung des Beitritts stattgegeben wurde. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
Eine Bindungswirkung des gegenständlichen Verfahrens für das (Parallel-)Verfahren zu 39 C 3/18v (des dort erstbeklagten NI) bestehe nicht. Der gegenständliche Prozess wirke sich nicht auf die Rechtslage des NI im anderen Verfahren aus. Die beiden Verfahren stünden nicht im Verhältnis von Vor- und Folgeprozess, sondern seien Parallelverfahren, bedingt dadurch, dass der Exszindierungswerber, dessen Recht durch mehrere Exekutionen berührt werde (Bewilligung der Zwangsversteigerung und Beitritte) gegen jede dieser Exekutionen eine eigene Exszindierungsklage erheben müsse. Dass die beiden Verfahren vom selben Richter geführt würden und das Beweisverfahren weitgehend identisch sein werde, weshalb die Beweisergebnisse des ersten für das zweite Verfahren von Interesse seien, begründe bloß ein wirtschaftliches Interesse.
Mit außerordentlichem Revisionsrekurs strebt der NI die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses an.
Werde der vorliegenden Klage stattgegeben (und zwar insbesondere jener gegen den Verpflichteten) habe das Urteil zwar keine Rechtskraft- und Bindungswirkung gegen den NI, weil eine Feststellungsklage vorliege; allerdings würde dieses Urteil dazu führen, dass die gegenständliche Liegenschaft nicht mehr als Teil des Vermögens des Verpflichteten anzusehen wäre und daher nicht mehr wegen seiner Schulden in Exekution gezogen werden könnte. Eine Einstellung des Exekutionsverfahrens der Erstbeklagten würde sich zwangsläufig auf die Rechtsposition des NI im Zwangsversteigerungsverfahren auswirken; er würde beispielsweise Erstbetreibender werden, müsste Kostenvorschüsse bezahlen etc. Umgekehrt bewirke eine Abweisung der Klage, dass die Immobilien versteigert würden und der NI die Ergebnisse der Meistbotsverteilung abwarten könnte. Da eine Sache nur einmal versteigert werden könne, wirke sich das Ergebnis einer dieser entgegenwirkenden Klage jedenfalls auf die Rechtsposition der anderen Gläubiger, die ebenfalls auf die Sache Exekution führen, aus. Würde sie abgewiesen, „so folgt gleichsam automatisch auch die Klagsabweisung im Verfahren des NI“. Gerade im vorliegenden Fall von fünf parallel geführten Klagen, wodurch zusätzlicher unnötiger Kostenaufwand generiert werde, müsse die Nebenintervention zulässig sein, damit sich der Verfahrensaufwand insgesamt in Grenzen halte. Daher erweise sich die Nebenintervention im vorliegenden Verfahren als sinnvolle, die Rechtsposition des NI verbessernde Maßnahme.
Die Klägerin bestreitet in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung die Zulässigkeit des Rechtsmittels und tritt diesem auch inhaltlich entgegen.
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.1. Ein rechtliches Interesse hat ein Nebenintervenient dann, wenn sich die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privat- oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig auswirkt. Das rechtliche Interesse muss allerdings ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über ein bloß wirtschaftliches Interesse hinausgeht (RIS-Justiz RS0035724). Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des NI berührt (RIS-Justiz RS0035638). Im Allgemeinen wird ein rechtliches Interesse daher gegeben sein, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RIS-Justiz RS0035724 [T3]). Das bloße Interesse an einer bestimmten Beweislage und an der Lösung von Rechtsfragen in einem Musterprozess berührt aber nur wirtschaftliche Interessen und rechtfertigt daher eine Nebenintervention nicht (7 Ob 725/80 = SZ 53/168; 2 Ob 12/09t; 3 Ob 73/10x; 3 Ob 211/10s; RIS-Justiz RS0035565; Schneider in Fasching/Konecny³ § 17 ZPO Rz 6 [aufgrund gleich zu lösender Rechtsfragen und gleicher Beweislage]).
1.2. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist klarzustellen, dass die Nebenintervention dann zurückzuweisen ist, wenn schon aus den vorgebrachten Tatsachen kein rechtliches Interesse zu erkennen ist (RIS‑Justiz RS0035638 [T6]). In diesem Sinn hat der Beitretende sein rechtliches Interesse iSd § 18 Abs 1 ZPO zu spezifizieren, insbesondere auch dahingehend, dass es am Obsiegen derjenigen Prozesspartei besteht, auf deren Seite der NI beitritt (3 Ob 211/10s; RIS-Justiz RS0035678). Die Zulässigkeit der Nebenintervention darf nicht aus anderen als den von der Nebenintervenientin zum Beitritt vorgebrachten Tatsachen abgeleitet werden (RIS‑Justiz RS0035678 [T1]). Soweit über die Erklärung des NI hinausgehende Tatsachen und Rechtsüberlegungen der Entscheidung zugrundelegt werden, ist dies nicht zulässig (7 Ob 20/07b = RIS-Justiz RS0035678 [T3]).
2. Grundlage der hier vorzunehmenden Prüfung ist daher allein die beim Beitritt gegebene Begründung des Interventionsinteresses des NI.
2.1. Er verwies dazu zunächst auf die auch gegen ihn erhobenen Exszindierungsklagen und deren idente Begründung. Die Ergebnisse des Hauptprozesses hätten unmittelbare rechtliche Auswirkungen auf den gegen ihn geführten Exszindierungsprozess, weil dann, wenn ein klageabweisendes Urteil ergehen würde, „dies auch unmittelbare rechtliche Reflexwirkungen“auf „sein“ Verfahren hätte. Werde nämlich die Klage abgewiesen, „dann muss auch ihre gegen den Nebenintervenienten gerichtete Klage nach § 37 EO aus den gleichen Gründen scheitern“.
Für die Tatbestands- oder Reflexwirkung eines Urteils ist charakteristisch, dass es sich dabei um eine Wirkung des Urteils handelt, die eintritt, ohne vom Urteil intendiert, also angestrebt zu sein. Das Urteil hat eine rein materielle Wirkung in dem Sinne, dass die Existenz des Urteils eine Tatsache wie jede andere ist und daher zur Voraussetzung eines Tatbestands gemacht werden kann, bei dessen Verwirklichung bestimmte Rechtsfolgen eintreten (6 Ob 170/08f = RIS-Justiz RS0107340 [T9]). Es handelt sich weder um eine Beweiswirkung noch um eine Folgewirkung der materiellen Rechtskraft (RIS-Justiz RS0041370).
Wieso die Tatsache eines (klageabweisenden) Urteils im Hauptprozess Bestandteil des im Exszindierungsprozess des NI zur prüfenden Tatbestands sein sollte, ist nicht erkennbar und wird von ihm auch nicht ansatzweise darzustellen versucht.
2.2. Weiters berief sich der NI auf sein rechtliches Interesse an einem Obsiegen (vor allem) des Zweitbeklagten im Hauptprozess, „weil die Rechtskraftwirkungen des Urteils auch auf das Verfahren 39 C 3/18v ausstrahlen werden“.
Schon mangels Parteienidentität im gegen den Revisionsrekurswerber geführten Parallelprozess ist aber eine Rechtskraftwirkung des Urteils im vorliegenden Hauptprozess auf den Parallelprozess auszuschließen (RIS-Justiz RS0108828; RS0041340), was er nunmehr ohnehin in seinem Revisionsrekurs zugesteht.
3. Damit erweist sich die Begründung des Revisionsrekurswerbers für sein Interventionsinteresse in seinem (allein maßgeblichen) Beitrittsschriftsatz als unschlüssig. Schon daraus ergibt sich die Berechtigung des Zurückweisungsantrags der Klägerin, ohne dass es der weitergehenden Überlegungen des Rekursgerichts und einer näheren Auseinandersetzung mit den (neuen) Argumenten des Revisionsrekurses bedurft hätte. Das vom Rekursgericht erzielte Ergebnis ist somit zutreffend, weshalb der Revisionsrekurs nicht erfolgreich sein kann.
4. Da der im Zwischenstreit über seine Zulassung Unterlegene kostenersatzpflichtig ist (RIS-Justiz RS0035436), hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung. Das Kostenverzeichnis ist aber um den zu Unrecht begehrten Streitgenossenzuschlag (im vorliegenden Zwischenstreit stehen sich ja nur die Klägerin und der NI gegenüber [10 Ob 2403/96x = RIS-Justiz RS0106174]) zu kürzen.
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