OGH 2Ob69/18p

OGH2Ob69/18p26.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** M*****, gegen die beklagte Partei Ing. F***** K*****, vertreten durch Dr. Georg Zwolanek, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.556,88 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2018, GZ 1 R 177/17f‑67, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 20. Oktober 2017, GZ 8 Cg 26/13i‑63, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00069.18P.0226.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Beklagte, der im Jahr 2009 für vier Monate als Fährmann für einen Donau-Fährbetrieb arbeitete, wurde von einem anderen Fährunternehmen wegen unlauteren Wettbewerbs auf Unterlassung geklagt. Ein Repräsentant seines Arbeitgebers teilte ihm daraufhin mit, dass das Unternehmen bereits einen Rechtsanwalt habe, weil es schon vorher Wettbewerbsstreitigkeiten in diesem Zusammenhang gegeben habe. Tatsächlich lag gegen die Arbeitgeberin bereits ein rechtskräftiges Unterlassungsgebot vor, aufgrund dessen seitens der Berechtigten bei jedem Verstoß Exekution geführt wurde. Der Repräsentant des Arbeitgebers des Beklagten kontaktierte daraufhin den besagten Rechtsanwalt, einen Kanzleikollegen des Klägers, der diese Angelegenheiten als dessen Substitut bearbeitete, und übermittelte ihm die Klage. Der Rechtsanwalt kommunizierte in der Folge mit dem Beklagten schriftlich und telefonisch, weil dieser damals im Ausland arbeitete. Der Beklagte beantwortete die Schreiben des Rechtsanwalts nicht. Dieser traf den Beklagten zur Vorbereitung einer Verhandlung einmal persönlich und nahm anschließend mit ihm und dem Repräsentanten der Arbeitgeberin des Beklagten an der Verhandlung teil. In wessen Auftrag der Rechtsanwalt tätig werden solle und wer die anfallenden Kosten im Falle des Prozesstverlusts tragen werde, wurde zwischen den beteiligten Personen nicht besprochen. Der Beklagte erteilte auch zu keinem Zeitpunkt eine schriftliche Vollmacht. Am 23. 10. 2010 erging ein stattgebendes Urteil gegen den Beklagten, das unbekämpft in Rechtskraft erwuchs.

Der Kläger begehrt den Klagsbetrag als Honorar für die Vertretung des Beklagten.

Der Beklagte wandte ein, nicht er, sondern sein ehemaliger Arbeitgeber habe den Kläger beauftragt.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab. Der Beklagte habe dem Kläger zwar schlüssig Prozessvollmacht erteilt. Davon zu trennen sei aber die Frage, ob der Beklagte auch einen Auftrag erteilt habe, aus dem die Pflicht zur Honorarzahlung folge. Der Nachweis eines konkludent zustandegekommenen Auftragsvertrags sei dem Kläger nicht gelungen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Honorierung anwaltlicher Leistungen in einem Fall, in dem einem Rechtsanwalt zwar Prozessvollmacht aber kein Mandat erteilt worden sei, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist – entgegen dem den Oberste Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

1. Das Rechtsverhältnis eines Rechtsanwalts mit seinem Klienten hat in der Regel – so auch hier – die entgeltliche Besorgung von Geschäften in Vertretung des Klienten zum Gegenstand (1 Ob 28/02b; 8 Ob 91/08b; 10 Ob 50/14x; RIS‑Justiz RS0038942) und besteht daher regelmäßig aus einem mit einer Vollmacht gekoppelten Auftrag, auch wenn diese Rechtsinstitute im 22. Hauptstück des ABGB gemeinsam als „Bevollmächtigungsvertrag“ geregelt werden (RIS‑Justiz RS0038942 [T6], RS0019392; Apathy in Schwimann/Kodek 4 § 1002 Rz 1).

2. Die Regeln des ABGB über den Bevollmächtigungvertrag werden im Bereich der Rechtsbeziehungen der Rechtsanwälte zu ihren Klienten von den Bestimmungen der RAO überlagert und kommen nur hilfsweise zur Anwendung (vgl RIS‑Justiz RS0038703). Auch die RAO unterscheidet aber zwischen Auftrag (vgl etwa § 11 Abs 1 RAO) und Bevollmächtigung (zB § 8 Abs 1 RAO). Es ist daher denkbar, dass einem Rechtsanwalt eine Vollmacht ohne Auftrag erteilt wird (vgl 1 Ob 28/02b). Umgekehrt ist die Einräumung einer Vollmacht keine Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrags zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber (4 Ob 607/89).

3. Dagegen sprechen weder Besonderheiten des Rechtsinstituts der Prozessvollmacht, noch solche des anwaltlichen Standes‑ oder Sondervertragsrechts:

3.1 Letztere regeln nicht die zivilrechtliche Rechtsbeziehung zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten ( Engelhart in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 9 [2015] Vorbemerkungen RL‑BA 1977 Rz 9). Gerade die im Rechtsmittel zitierte Bestimmung des § 11 RL‑BA 1977, wonach der Rechtsanwalt Auftrag und Vollmacht in der Regel nur von demjenigen annehmen darf, dessen Interessen ihm anvertraut werden (nunmehr § 7 RL‑BA 2015), zeigt aber deutlich, dass der Vertretungsauftrag nach den – hier allein relevanten – zivilrechtlichen Grundsätzen nicht nur vom Mandanten, sondern auch von dritter Seite erteilt werden kann (idS Engelhart , RAO 9 § 11 RL‑BA 1977 Rz 3, der ausdrücklich das Beispiel der Auftragserteilung durch den Unternehmer zu Gunsten eines Arbeitnehmers nennt).

3.2 Warum diese Erwägungen nicht auch für die Erteilung einer Prozessvollmacht gelten sollten, ist nicht ersichtlich und wird in der Revision nicht aufgezeigt. Der Entscheidung 1 Ob 28/02b lässt sich Gegenteiliges jedenfalls nicht entnehmen.

4. Gegenüber dem Anwalt ist derjenige zur Zahlung des Honorars verpflichtet, der ihn beauftragt hat (vgl RIS‑Justiz RS0038392 [T1]), und zwar auch dann, wenn der Rechtsanwalt zwar nicht im Vollmachtsnamen, aber im Auftrag eines am Prozess nicht beteiligten, doch am Prozessausgang interessierten Dritten einschreitet (RIS‑Justiz RS0017400). Ob daneben auch den Vertretenen eine Pflicht zur Honorarzahlung trifft, hängt davon ab, ob auch dieser den Rechtsanwalt beauftragt hat. So wurde etwa in den Entscheidungen 8 Ob 63/65 EvBl 1965/341 und 4 Ob 73/66 SZ 39/211 jeweils angenommen, dass sowohl der Vertretene als auch der interessierte Dritte den Rechtsanwalt beauftragt hatten und deswegen beide solidarisch für dessen Honorar haften. In der Entscheidung 5 Ob 14/13i wurde offen gelassen, ob nur die Dritte oder auch die unmittelbar Vertretene einen Auftrag erteilt hatte.

5. Soweit sich der Revisionswerber auf die Entscheidung 1 Ob 534/78 SZ 51/27 beruft, kommt eine konkludente Erteilung eines Auftrags zwar grundsätzlich in Frage (1 Ob 240/68 EvBl 1969/198), diese hängt aber von den strengen Voraussetzungen des § 863 ABGB ab. Es darf daher kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt (RIS‑Justiz RS0014150).

Ob eine solche schlüssige Beauftragung des Klägers durch den Beklagten erfolgte, ist eine Frage des Einzelfalls und bildet – den Fall einer (hier nicht vorliegenden) unvertretbaren Fehlbeurteilung ausgenommen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0109021 [T5]). Die Einschätzung des Berufungsgerichts, der Kläger habe die Inanspruchnahme seiner Leistungen durch den Beklagten angesichts der parallel dazu mit dem Arbeitgeber des Klägers bestehenden Absprachen und Vertretungen gerade nicht ohne jeden vernünftigen Zweifel dahin verstehen dürfen, dass der Beklagte den Kläger mit seiner Vertretung beauftragen wollte, begegnet insoweit keinen Bedenken.

6. Da keine erhebliche Rechtsfrage zu lösen ist, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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