OGH 2Ob143/18w

OGH2Ob143/18w30.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** P*****, vertreten durch Mag. Petra Lamprecht, Rechtsanwältin in Zell am Ziller, gegen die beklagten Parteien 1. Verlassenschaft nach A***** F*****, zuletzt wohnhaft in ***** und 2. W***** AG *****, beide vertreten durch Tramposch & Partner Rechtsanwälte KG in Innsbruck, wegen 328.093,02 EUR sA, Feststellung und Rente (Gesamtstreitwert 356.230,18 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2017, GZ 1 R 150/17v‑76, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 16. August 2017, GZ 10 Cg 115/14y‑72, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00143.18W.1030.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.984,70 EUR (darin enthalten 330,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger wurde am 30. 9. 2012 beim Absturz eines zweimotorigen Propeller-Flugzeugs der Type Cessna 414 A schwer verletzt. Die Erstbeklagte ist die Verlassenschaft nach dem bei dem Absturz getöteten Piloten und Halter des Flugzeugs, die Zweitbeklagte ist dessen Haftpflichtversicherer.

Der Kläger war gemeinsam mit sechs Freunden auf dem Weg von I***** nach V***** in S*****, als die Maschine acht Minuten nach dem Start in I***** infolge von Fehlleistungen des Piloten abstürzte. Neben dem Piloten kamen fünf der sieben Flugzeugpassagiere ums Leben. Der Kläger erlitt durch den Flugzeugabsturz ein lebensbedrohliches Polytrauma mit instabilem Thorax, beidseitige Rippenserienfrakturen, einen beidseitigen Pneumothorax und eine beidseitige Lungenkontusion, ein Pneumopericard, eine Zwerchfellruptur mit Pneumoperitoneum, Brüche des zwölften Brust- und ersten Lendenwirbels, einen Nasenbeinbruch, einen offenen Unterschenkeltrümmerbruch dritten Grades sowie einen linksseitigen proximalen Wadenbeinbruch mit einer Kniegelenksquetschung und Weichteilschäden. Durch das im Zuge des Unfalls erlittene Polytrauma entstanden ein Taubheitsgefühl im Brustbereich, Narben am Brustkorb, eine Gefühlsstörung im Bereich der hautgedeckten Zonen an den Extremitäten, eine veränderte Form des rechten Unterschenkels, Hautentnahmestellen am linken Oberschenkel sowie defekte Zonen in der linken oberen Unterschenkelregion sowie rechts am Unterschenkel an mehreren Regionen. Seit der unfallbedingten Bandscheibenoperation besteht ein Taubheitsgefühl am vierten und fünften Finger links. Auch ist die Kraft des linken Armes etwas geringer als die des rechten. Weiters erlitt der Kläger durch den Unfall eine posttraumatische Belastungsstörung, die in eine längere chronische depressive Reaktion überging und bei den zukünftig zu erwartenden unfallskausalen Beeinträchtigungen des Klägers im Vordergrund steht.

Der Kläger hatte dadurch bis 3. 6. 2015 aus unfallchirurgischer Sicht 42 Tage schwere, 84 Tage mittlere und 112 Tage leichte, sowie ab 3. 6. 2015 jährlich 7 Tage leichte Schmerzen zu erleiden. Aus psychiatrischer Sicht hatte er bis 3. 6. 2015 zusätzlich 10 Tage schwere, 21 Tage mittlere und 83 Tage leichte Schmerzen zu erdulden. Ab dem 3. 6. 2015 kommen pro Jahr auf eine Lebenszeit von 20 Jahren noch 76 Tage mittlere und 228 Tage leichte Schmerzen hinzu.

Der Kläger begehrt – soweit für das Revisionverfahren von Interesse – Schmerzengeld in Höhe von zuletzt 147.960 EUR abzüglich einer Zahlung von 45.000 EUR, daher weitere 102.960 EUR.

Das Erstgericht sprach ihm diesen Betrag zu.

Das Berufungsgericht erachtete einen Schmerzengeldbetrag von insgesamt 120.000 EUR für angemessen und sprach dem Kläger daher unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlung 75.000 EUR zu. Die Revision wurde mangels Rechtsprechung zur Frage der Schmerzengeldbemessung bei deutlich überwiegenden psychischen Schmerzen zugelassen.

Der Kläger beharrt in seiner Revision auf der Angemessenheit des von ihm begehrten Schmerzengeldes.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – nicht zulässig. Weder in der Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine für die Entscheidung relevante, erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan:

1. Beim Schmerzengeld handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine Globalentschädigung. Bei der Ausmessung kann das Begehren nicht in einzelne, bestimmten Verletzungen bzw Folgeerscheinungen zuzuordnende Teilbeträge zerlegt werden (zuletzt 2 Ob 218/17y; RIS-Justiz RS0031191). Auch eine ziffernmäßig getrennte Bemessung bei seelischen und körperlichen Schmerzen kommt nicht in Betracht (2 Ob 186/03x). Es ist vielmehr der Gesamtkomplex der Schmerzempfindung unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, die Schwere der Verletzung und das Maß der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0031040).

2. Im Rahmen der Globalbemessung des Schmerzengelds sind auch Sorgen des Verletzten um spätere Komplikationen, das Bewusstsein eines Dauerschadens und die damit verbundene seelische Belastung, mögliche Beziehungsprobleme sowie entgangene und künftig entgehende Lebensfreude zu berücksichtigen (vgl 2 Ob 261/04b; 2 Ob 101/05z; 2 Ob 166/07m; 2 Ob 218/17y; RIS-Justiz RS0031054; Danzl in Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller , Schmerzengeld 10 154 ff). Dies gilt auch für die psychische Beeinträchtigung aufgrund der erduldeten Todesangst (vgl 2 Ob 175/14w) und gleichermaßen für die psychischen Folgen des miterlebten Todes von Freunden.

3. Dass hier nach den Verfahrensergebnissen bei den zu berücksichtigenden künftigen Schmerzperioden die psychischen deutlich überwiegen, hat daher keine spezifische Auswirkung auf die Bemessung des Schmerzengeldes als Globalbetrag.

Angesichts der vom erkennenden Senat in den letzten Jahren zuerkannten Schmerzengeldbeträge bei mit erheblichen körperlichen Verletzungen einhergehenden depressiven Reaktionen (2 Ob 218/17y; 2 Ob 175/14w [dort erhebliche Erhöhung wegen zeitlich unbegrenzter Todesangst]) hält sich der vom Berufungsgericht hier zuerkannte Betrag auch im zu beurteilenden Einzelfall (RIS‑Justiz RS0031075) im Ermessensspielraum und ist nicht zu beanstanden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben, diente ihr Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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