OGH 2Ob166/07m

OGH2Ob166/07m27.9.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfons K*****, vertreten durch Purkarthofer & Niernberger Rechtsanwälte OEG in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. V***** GmbH, *****, und 2. W***** AG *****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 99.168,67 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 27. Juni 2007, GZ 5 R 67/07y-37, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 6. Februar 2007, GZ 50 Cg 71/05d-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass diese unter Einschluss der rechtskräftigen Teile zu lauten haben:

„Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei EUR 21.571,-- samt 4 % Zinsen aus EUR 20.000,-- vom 20. 12. 2002 bis 10. 11. 2005, aus EUR 17.000,-- vom 12. 11. 2005 bis 27. 8. 2006 und aus EUR 21.571,-- seit 28. 8. 2006 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das auf die Zahlung weiterer EUR 77.597,67 lautende Mehrbegehren wird ebenso wie das Zinsenmehrbegehren abgewiesen."

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 5.473,90 (darin EUR 721,31 USt und EUR 1.146,04 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 2.371,98 (darin EUR 91,88 USt und EUR 1.820,68 Barauslagen) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der 1968 geborene Kläger wurde am 27. 6. 2002 bei einem vom Lenker eines von der erstbeklagten Partei gehaltenen und bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten LKWs allein verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt. Die Haftung der beklagten Parteien für die Unfallsfolgen steht dem Grunde nach außer Streit.

Der Kläger begehrte zuletzt von den beklagten Parteien Zahlung von EUR 99.168,67 sA. Er bezifferte seinen Schmerzengeldanspruch mit (ungekürzt) EUR 116.325,--, wovon die beklagten Parteien bisher EUR 12.000,-- bezahlt und weitere EUR 8.000,-- anerkannt hätten; es hafte daher ein Betrag von EUR 96.325,-- aus. Des weiteren umfasste das Klagebegehren Selbstbehalte, restliche Fahrt- und Besuchskosten sowie die Kosten einer Haushaltshilfe.

Die beklagten Parteien bestritten insbesondere die Schmerzengeldforderung als weit überhöht. Angemessen sei lediglich ein Schmerzengeld von EUR 20.000,--, welches bereits bezahlt bzw anerkannt worden sei.

Das Erstgericht, das in der mündlichen Streitverhandlung vom 5. 9. 2006 auf Antrag des Klägers ein Teilanerkenntnisurteil erlassen hatte, gab dem restlichen Klagebegehren mit EUR 41.571,-- sA statt und wies das auf EUR 57.597,67 lautende Mehrbegehren sowie ein Zinsenmehrbegehren ab. Dabei ging es von den nachstehenden, für das Revisionsverfahren noch bedeutsamen Feststellungen aus:

Der Kläger erlitt bei dem Unfall einen drittgradigen offenen Bruch des rechten Unterarmes mit Schädigung aller drei die rechte obere Extremität versorgenden Nerven, eine Schädelprellung mit einer kleinen Rissquetschwunde an der Stirn und eine Prellung des linken Kniegelenkes. Die primäre Wundversorgung erfolgte während eines stationären Aufenthaltes in einem Unfallkrankenhaus vom 27. 6. bis 19. 7. 2002 durch Fremdkörperentfernung, Verplattung beider Unterarmknochen, Muskelnähte und Deckung eines handflächengroßen Hautdefektes mit Kunsthaut. Am 29. 6. 2002 erfolgte eine „Second-Look-Operation", Lavage und neuerliche Kunsthautdeckung sowie am 1. 7. 2002 der Wundverschluss mittels Spalthaut und Vakuumversiegelungstechnik. Der Wundverlauf gestaltete sich der Art und Schwere der Verletzung angemessen, Wundkomplikationen traten nicht auf. Eine etwa zwei Wochen nach dem Unfall durchgeführte neurologische Untersuchung einschließlich elektrophysiologischer Prüfung ergab weitgehende Defizite sensibler und motorischer Art an der rechten Hand.

Vom 30. 7. bis 3. 12. 2002 erfolgte die Rehabilitation, die vom 12. bis 14. 9. 2002 zur Durchführung einer Stoßwellentherapie wegen verzögerter Bruchheilung der Unterarmknochen unterbrochen wurde. Der weitere Verlauf der Frakturheilung gestaltete sich komplikationslos, es kam zu einer knöchernen Konsolidierung bei stabiler Implantatlage. Wegen Hyperhidrosis der rechten Hand erfolgten mehrere Botox-Infiltrationen, welche zumindest temporär eine Besserung brachten. Im Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums ist vermerkt, dass ein endgradiges Beuge- und Streckdefizit des Ellenbogens sowie ein Beugedefizit des Daumens, des Ring- und Mittelfingers bestünden. Subjektiv klagte der Kläger aber über Missempfindungen und Schmerzen im Bereich der verletzten Region; neurologisch wurde noch ein Sensibilitätsausfall im Versorgungsbereich des Nervus medianus und radialis beobachtet. Bei der letzten neurologisch-psychiatrischen fachärztlichen Begutachtung am 21. 10. 2004 war eine Restschädigung des Nervus radialis, ulnaris und medianus an der rechten oberen Extremität dokumentiert, die sich in erster Linie in einer Sensibilitätsstörung auswirkt. Weiters besteht eine mäßige Kraftminderung mit Schwäche, wobei hier die schmerzbedingte Schonung mitverantwortlich ist. Obwohl der Wundverlauf komplikationslos war, eine Infektion nicht eingetreten ist und es zu einer knöchernen Konsolidierung in achsengerechter Stellung bei stabiler Implantatlage gekommen ist, resultiert durch die begleitende Schädigung der Weichteile, insbesondere der Muskel und Nerven eine deutliche Funktionsminderung des gesamten rechten Armes. Der Kläger kann weder grob- noch feinmotorische Tätigkeiten mit dem rechten Arm ausreichend sicher durchführen, wobei die Funktionseinschränkung aus medizinischer Sicht objektiv in diesem Ausmaß nicht restlos erklärbar ist. Durch die deutliche Atrophie der gesamten Muskulatur des rechten Armes ist aber objektiv dokumentiert, dass der Kläger den rechten Arm massiv schont. Bis zum 9. 11. 2005 (Befundaufnahme durch den Sachverständigen) ergab sich komprimiert auf den 24-Stunden-Tag folgender Schmerzkatalog:

Starke Schmerzen 6 Tage; mittelstarke Schmerzen 27 Tage; leichte Schmerzen 189 Tage. Es muss auch für die Zukunft mit körperlichen Schmerzen gerechnet werden. Hiebei ist zu berücksichtigen, dass durch die Schonhaltung des rechten Armes und durch die Funktionsminderung belastungsabhängige Schmerzen und Schmerzen bei körperlicher Arbeit nur im geringeren Umfang anzunehmen sind, eine gewisse Adaption und Gewöhnung eintritt und altersbedingte Beschwerden zunehmen werden. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten fünf Jahren täglich zwei bis drei Stunden, in den darauf folgenden weiteren fünf Jahren täglich ein bis zwei Stunden und in den Jahren danach täglich eine Stunde leichte Schmerzen auftreten werden.

Auf Grund der Schwere der Verletzung, der langen stationären Behandlung, der Notwendigkeit der Rehabilitation und des unsicheren Ausganges ist für den Unfall eine über das normale Maß hinausgehende psychische Alteration anzunehmen. Nachstehende Dauerfolgen sind eingetreten: Funktionell nicht behindernde Narben; Implantate;

Bewegungseinschränkung im Bereich des Ellenbogens bei der Unterarmdrehung des Handgelenkes sowie der Fingerbeweglichkeit;

Restschädigung der Nervus radialis, ulnaris und medianus an der rechten oberen Extremität, welche sich in erster Linie in einer Sensibilitätsstörung auswirkt; mäßige Kraftminderung mit Schwäche, wobei die schmerzbedingte Schonung mitverantwortlich ist; deutliche Atrophie der gesamten Muskulatur des rechten Armes; Bewegungseinschränkung sämtlicher Finger, insbesondere des Daumens mit Einschränkung der Grob- und Feingriffarten; der Faustschluss ist inkomplett; Hyperhidrosis der rechten Hand von wechselnder Intensität; Verspannungen und endgradige Bewegungseinschränkung der Schulter, bedingt durch die Schonhaltung und Schmerzen im rechten Arm, als sogenanntes Schulter-Arm-Syndrom. Weitere Spätfolgen sind nicht mit Sicherheit auszuschließen.

Der Kläger kann mit dem rechten Arm nur noch leichte Tätigkeiten verrichten, feinmotorische Arbeiten sind ihm nicht mehr möglich. Er kann mit der rechten Hand nicht mehr richtig schreiben; aus diesem Grund lernte er bereits auf die linke Hand um. Der Daumen, der Zeigefinger und der Mittelfinger seiner rechten Hand sind gefühllos. Der Kläger hat noch immer Schlafprobleme und nimmt gegen die vorhandenen Schmerzen Medikamente zum Einschlafen. Nach wie vor bekommt er Injektionen verabreicht, die der Verspannung im Schulter- und Halsbereich entgegenwirken sollen. Wenn der Kläger unter Zuhilfenahme der rechten Hand Arbeiten verrichtet, bekommt er Muskelkrämpfe. Auf Grund dieser Beeinträchtigungen kann der Kläger nicht mehr Motorrad fahren, Fahrradfahren ist nur einhändig möglich. Auch Autofahren ist mit Einschränkungen möglich, wenn er mit dem Handballen schaltet und lenkt. Gartenarbeiten kann der Kläger in einem größeren Ausmaß nicht mehr verrichten.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht ein Schmerzengeld von EUR 60.000,-- als angemessen. Abzüglich der bereits bezahlten (EUR 12.000,--) und anerkannten (EUR 8.000,--) Beträge verbleibe eine berechtigte Schmerzengeldforderung von EUR 40.000,--. Außerdem stünden dem Kläger die begehrten Kosten für Haushaltshilfe und ein Teil der restlichen Fahrt- und Besuchskosten zu.

Dieses Urteil erwuchs zunächst im Umfang eines Zuspruches von EUR 1.571,-- sA und in seinem abweisenden Teil in Rechtskraft. Das von den beklagten Parteien hinsichtlich des zugesprochenen Schmerzengeldes angerufene Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es vertrat die Ansicht, das mit EUR 60.000,-- ausgemittelte Schmerzengeld sei nicht überhöht. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 2 Ob 261/04b im Falle eines 47 jährigen Mannes, der einen verschobenen Bruch des äußeren Schienbeinkopfes erlitten habe, bei viermonatigem Krankenstand, 25 % Minderung der Erwerbsfähigkeit und zufolge Kniegelenksinstabilität und posttraumatischer Gonarthrose wahrscheinlich nicht mehr möglicher Ausübung diverser Sportarten, ein Schmerzengeld von EUR 35.800,-- als gerechtfertigt angesehen. Im Vergleich dazu seien die Folgen der Verletzung des Klägers wesentlich gravierender. Einerseits sei er jünger, sodass er die Dauerschmerzen nach der zu unterstellenden Lebenserwartung länger zu ertragen haben werde, andererseits habe die Rehabilitation länger, nämlich etwas mehr als fünf Monate gedauert. Der Kläger werde ferner nicht nur bei der Ausübung diverser Sportarten, sondern ganz massiv im täglichen Leben - die verletzte Hand sei seine „Schreibhand" gewesen - mit den Verletzungsfolgen konfrontiert. Infolge des Ausfalles der Feinmotorik sei er fast als einarmig anzusehen. Schließlich unterscheide sich auch der in der Entscheidung 2 Ob 241/05p beurteilte Sachverhalt vom vorliegenden Fall, seien doch hier die bis zum Lebensende zu erwartenden Schmerzen des Klägers erheblich höher eingeschätzt worden. Da die Ausmessung des Schmerzengeldes von den Umständen des Einzelfalles abhängig gewesen sei, bestehe keine Veranlassung zur Zulassung der ordentlichen Revision.

Gegen dieses Urteil, soweit darin ein EUR 10.000,-- übersteigender Schmerzengeldzuspruch bestätigt wurde, richtet sich die außerordentliche Revision der (insgesamt somit nunmehr ein Schmerzengeld von EUR 30.000,-- zugestehenden) beklagten Parteien mit dem Antrag, es im klagsabweisenden Sinne abzuändern. Der Kläger beantragte in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel der beklagten Parteien nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagten Parteien zeigen zutreffend auf, dass dem Berufungsgericht eine erhebliche Fehlbemessung des Schmerzengeldes unterlaufen ist, weshalb die Revision - abweichend vom Regelfall (RIS-Justiz RS0042887) - zur Vermeidung einer gravierenden Ungleichbehandlung durch die Rechtsprechung und damit letztlich aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit ausnahmsweise zulässig ist (Danzl in Danzl/Gutierréz-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 226f). Die Revision ist auch teilweise berechtigt.

Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und die Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzungen und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes abgelten, die durch Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entgangenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen. Das Schmerzengeld ist nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat und voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, grundsätzlich global festzusetzen (2 Ob 61/02p = ZVR 2004/43; 2 Ob 261/04b = ZVR 2005/118; 7 Ob 29/05y; 2 Ob 78/05t; 2 Ob 101/05z; RIS-Justiz RS0031040, RS0031307; Danzl aaO 66 ff und 170 mwN). In die Globalbemessung des Schmerzengeldes sind demnach neben den bereits erlittenen Schmerzen auch künftige, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartende körperliche und seelische Schmerzen einzubeziehen (2 Ob 261/04b; 2 Ob 78/05t; 2 Ob 101/05z; RIS-Justiz RS0031307 [T4]). Unter diesem Gesichtspunkt kann etwa auch das Bewusstsein eines die gewohnte Lebensgestaltung nachhaltig beeinflussenden Dauerschadens und die damit verbundene seelische Belastung bei der Bemessung des Schmerzengeldes in Betracht zu ziehen sein (Danzl aaO 119). Wenngleich bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalles Bedacht zu nehmen ist, ist doch zur Vermeidung von Ungleichheiten auch ein objektiver Maßstab anzulegen, wobei der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen nicht gesprengt werden darf (2 Ob 237/01v = SZ 2002/50; 2 Ob 261/04b; RIS-Justiz RS0031075). Tendenziell erscheint es dabei geboten, das Schmerzengeld nicht zu knapp zu bemessen (2 Ob 237/01v uva).

Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 2 Ob 241/05p das einem im Zeitpunkt des Unfalles (13. 11. 1997) 47-jährigen Kläger, der am linken Arm schwer verletzt worden war, von den Vorinstanzen zugesprochene Schmerzengeld von EUR 100.000,-- auf EUR 30.000,-- reduziert. Der Geschädigte hatte einen offenen Oberarmschaftbruch, einen offenen Verrenkungsbruch des linken Ellenbogengelenkes mit Defektbruch des radialen unteren Oberarmendes mit Weichteildefekt und knöcherner Kapselbandverletzung, einen offenen Bruch des körpernahen Ellenendes mit Verrenkung des Speichenköpfchens, einen Speichenschaftbruch mit Abbruch des Griffelfortsatzes der Elle am Handgelenk, einen Bruch des vierten und fünften Mittelhandknochens sowie eine inkomplette passagere Radialisparese erlitten und befand sich insgesamt fünfmal für eine jeweilige Dauer zwischen 8 und 14 Tagen zum Zwecke einer Operation mit Spongioseplastik sowie später weitere dreimal für jeweils drei bis vier Tage im Krankenhaus. Er hatte bis zu einem bestimmten Stichtag - gerafft - 28 Tage starke, 87 Tage mittlere und 209 Tage leichte Schmerzen und aus Anlass der operativen Entfernung der Platte weitere Schmerzen zu erdulden gehabt, wobei bei komplikationslosem Verlauf bis zu seinem Lebensende jährlich weitere zwei Tage mittlere und zehn Tage leichte Schmerzen zu erwarten gewesen sind.

Jüngst wurde in der Entscheidung 2 Ob 147/06s im Rahmen der Zurückweisung einer ordentlichen Revision im Falle einer 76-jährigen Klägerin, die nach der Attacke eines Hundes zu Sturz gekommen war und einen Bruch des linken Oberschenkelhalses und des linken Oberarmes erlitten hatte, seither an einer bleibenden Einschränkung der körperlichen Mobilität und an den Folgen eines unfallbedingten schweren psychischen Schocks leidet, sodass sie nunmehr der ständigen Erreichbarkeit von Hilfe rund um die Uhr bedarf, die Bemessung des Schmerzengeldes durch die Vorinstanzen in Höhe von EUR 31.000,-- (statt der begehrten EUR 90.000,--) gebilligt.

Den Entscheidungen 2 Ob 61/02p, 2 Ob 261/04b und 7 Ob 29/05y lagen jeweils schwere Verletzungen unterer Extremitäten mit annähernd vergleichbaren Schmerzperioden und lebenslangen Beeinträchtigungen als Dauerfolge zugrunde, für die Schmerzengeld von EUR 30.000,--, EUR 35.800,-- und EUR 38.000,-- als angemessen erachtet wurde. Diese Rechtsprechung, insbesondere aber die Entscheidung 2 Ob 241/05p ermöglicht eine vergleichende Betrachtung mit dem vorliegenden Fall. Die beim Kläger zu berücksichtigenden konkreten Umstände (geringeres Lebensalter; Verletzung der „Schreibhand"; weitestgehender Ausfall der Feinmotorik; überdurchschnittliche psychische Alteration; höheres Ausmaß an künftig zu erwartenden Schmerzen) rechtfertigen zwar ein höheres Schmerzengeld, als es dem damaligen Geschädigten zugebilligt wurde, nicht aber den Zuspruch des Doppelten. Im Lichte der zitierten Rechtsprechung ist vielmehr ein Schmerzengeld von EUR 40.000,-- angemessen.

In teilweiser Stattgebung der Revision war daher das angefochtene Urteil wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 43 Abs 1 und 2 erster und zweiter Fall, 50 ZPO.

Bei der neu zu fassenden Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz war davon auszugehen, dass der Kläger im ersten, bis zur Ausdehnung des Klagebegehrens mit dem Schriftsatz vom 26. 6. 2006 währenden Verfahrensabschnitt zur Gänze obsiegte, und ihm auch für die beiden folgenden Abschnitte voller Kostenersatz auf Basis der unter Berücksichtigung der Teilanerkenntnisse der beklagten Parteien ermittelten fiktiven Streitwerte von EUR 31.222,70 bzw - hinsichtlich der Tagsatzung vom 28. 8. 2006 - von EUR 21.571,-- voller Kostenersatz gebührt. Der in den zweiten Abschnitt fallende Schriftsatz vom 26. 6. 2006 ist allerdings nur nach TP 2 RATG zu honorieren. Im vierten, aus der Tagsatzung vom 5. 9. 2006 bestehenden Verfahrensabschnitt, in welchem der Kläger das Schmerzengeldbegehren auf (ungekürzt) EUR 116.325,-- ausgedehnt hatte, kommt die Anwendung des § 43 Abs 2 zweiter Fall ZPO aber nicht mehr in Betracht. Da bei der Beurteilung dieser Frage von der Gesamtforderung auszugehen ist (2 Ob 261/04b = EvBl 2005/143; Fucik in Rechberger ZPO3 § 43 Rz 11 mwN), begehrte der Kläger in diesem Verfahrensstadium fast das Dreifache des angemessenen Betrages. Eine Überklagung in dieser Größenordnung muss aber als erkennbare und offenbare Überforderung beurteilt werden (vgl 2 Ob 78/05t; 4 Ob 121/05f; je mwN), sodass § 43 Abs 1 ZPO zur Anwendung gelangt. Der Kläger ist in diesem Abschnitt lediglich mit 22 % der maßgeblichen Bemessungsgrundlage von EUR 99.168,67 (die durch Teilanerkenntnisurteil erledigten Beträge waren gemäß § 12 Abs 3 RATG nicht mehr einzubeziehen) durchgedrungen, woraus sich eine Kostenersatzpflicht des Klägers im Ausmaß von 56 % ergibt. Die infolge der Ausdehnung des Klagebegehrens zu entrichtende Pauschalgebühr diente nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und war in die Kostenbemessung nicht einzubeziehen. Nach Saldierung der wechselseitigen Ersatzansprüche verbleibt ein Überhang von EUR 5.473,90 zu Gunsten des Klägers.

Im Verfahren zweiter Instanz sind die beklagten Parteien mit 50 % ihres Berufungsinteresses durchgedrungen, sodass ihnen der entsprechende Anteil an der Pauschalgebühr zu ersetzen ist; im Übrigen sind die Kosten gegeneinander aufzuheben. In dritter Instanz haben die beklagten Parteien zu zwei Drittel obsiegt, weshalb ihnen der Ersatz der anteiligen Pauschalgebühr und eines Drittels ihrer weiteren Kosten gebührt.

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