European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0170OS00012.18W.0911.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. ***** mehrerer Verbrechen (richtig [RIS‑Justiz RS0121981]: eines Verbrechens) des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er (zu Punkt I/C) in ***** als Richter des Bezirksgerichts, mithin als Beamter im strafrechtlichen Sinn, am 23. April, am 5. Mai und am 16. Juli 2015 mit dem Vorsatz, dadurch den jeweiligen Angeklagten „und die Staatsanwaltschaft ***** als Verfahrensbeteiligte sowie die Republik Österreich an ihrem Recht auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK unter Beteiligung des Angeklagten und auf eine unmittelbare gerichtliche Beweisaufnahme in einer mündlichen Hauptverhandlung (vgl Art 90 Abs 1 B-VG)“ zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er in drei (im angefochtenen Urteil näher bezeichneten) Verfahren des Bezirksgerichts „ohne die in § 427 StPO vorgesehenen Voraussetzungen in Abwesenheit des Angeklagten verhandelte“ und Zeugenaussagen unter Verletzung der Bestimmung des § 252 Abs 1 StPO verlas.
Von der weiteren Anklage sprach das Erstgericht den Angeklagten frei, nämlich von den Vorwürfen, er habe
I/ als Richter des Bezirksgerichts, mithin als Beamter im strafrechtlichen Sinn, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, in mehreren (im angefochtenen Urteil näher bezeichneten) Verfahren wissentlich missbraucht, und zwar
A/ am 27. Oktober und am 9. April 2015 in zwei Verfahren mit dem Vorsatz, dadurch „die Verfahrensbeteiligten, nämlich die Staatsanwaltschaft“, den jeweiligen Angeklagten und einen Zeugen an deren „Recht auf Übersetzungsleistung durch einen Dolmetscher (ua § 56 Abs 1 iVm § 126 Abs 1 StPO) sowie die Republik Österreich an ihrem Recht auf Verhandlungsführung in der gesetzlich normierten Verhandlungssprache (Art 8 B-VG)“ zu schädigen, indem er von der Staatsanwaltschaft gestellte Anträge auf Zuziehung von gerichtlich beeideten Dolmetschern zur Hauptverhandlung abgewiesen und die Übersetzungen selbst vorgenommen habe;
B/ zwischen 13. und 14. Jänner 2016 mit dem Vorsatz, dadurch den Angeklagten und die Staatsanwaltschaft sowie die Republik Österreich an ihrem „Recht auf Übereinstimmung der schriftlichen Urteilsausfertigung mit dem in der Hauptverhandlung mündlich verkündeten Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 und 2 StPO iVm § 270 Abs 2 Z 4 StPO) zu schädigen“, indem er das Urteil in der Hauptverhandlung am 12. Jänner 2016 mündlich verkündet habe, ohne die verhängte Strafe als Zusatzstrafe (§§ 31, 40 StGB) auszusprechen und erst nach Einlangen der Berufungsanmeldung der Staatsanwaltschaft ***** den Protokolls- und Urteilsvermerk nachträglich abgeändert habe, sodass sich aus dem abgeänderten Hauptverhandlungsprotokoll und der schriftlichen Urteilsausfertigung der Ausspruch von der ursprünglich mündlich verkündeten Strafe als Zusatzstrafe (§§ 31, 40 StGB) ergeben hätte sollen;
D/ mit dem Vorsatz, dadurch den Angeklagten und die Staatsanwaltschaft als Verfahrensbeteiligte „sowie die Republik Österreich an ihrem Recht auf Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen durch das Rechtsmittelgericht zu schädigen“, indem er am 20. Jänner und am 1. Dezember 2011, am 16. Februar 2012 und am 6. März 2014 Beschlüsse gefasst habe, ohne diese schriftlich auszufertigen und zu begründen (§ 86 Abs 1 StPO) und folglich auch ohne diese an die zur Beschwerde Berechtigten (§ 86 Abs 2 iVm § 87 StPO) zuzustellen;
E/ am 7. Oktober 2014 mit dem Vorsatz, dadurch das Tatopfer an seinem Recht „auf effiziente Untersuchung an ihm begangener Straftaten, wie überhaupt die Privatbeteiligte“, die „Staatsanwaltschaft“ wie auch die Republik Österreich an ihrem „Recht auf Aufklärung und Verfolgung von Straftaten bzw auf Strafverfolgung schlechthin“ zu schädigen, indem er aus Voreingenommenheit und trotz der damals noch ungeklärten Schuldfrage einem Zeugen nahe gelegt habe, das Opfer dazu zu bewegen, im „Austausch für ein Eis oder einen Glühwein – möglicherweise auch gegen Zahlung von EUR 50,--“ durch den (im dortigen Verfahren) Angeklagten die gemäß § 218 Abs 3 StGB erteilte Ermächtigung zur Strafverfolgung zurückzuziehen;
II/ am 2. Februar 2016 „unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit“ (vgl dazu aber RIS‑Justiz RS0111831) Aktenstücke, über die er nicht allein habe verfügen dürfen, unterdrückt, indem er diese aus Gerichtsakten des Bezirksgerichts entfernt und in einem Papierkorb habe entsorgen lassen, nämlich
a/ Urkunden, und zwar einen Anordnungs- und Bewilligungsbogen, zwei einjournalisierte ZMR‑Auskünfte samt Ladungsverfügung und vier Zustellnachweise, wobei er mit dem Vorsatz gehandelt habe zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes oder einer Tatsache, nämlich zum Beweis der im Strafverfahren getroffenen Verfügungen, Anordnungen, Auskunftseinholungen, Ladungen und Zustellungen gebraucht würden;
b/ Beweismittel, die zur Verwendung in einem gerichtlichen Verfahren bestimmt gewesen seien, und zwar zwei Postfehlberichte, wobei er mit dem Vorsatz gehandelt habe zu verhindern, dass diese im Verfahren zum Beweis über den Nichterfolg von Zustellversuchen gebraucht würden.
Die gegen den Schuldspruch gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten stützt sich auf die Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Freispruch aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a, überdies macht sie Nichterledigung der Anklage nach Z 7 des § 281 Abs 1 StPO geltend. Beide verfehlen ihr Ziel.
Das Erstgericht legte dem Schuldspruch folgende Urteilsannahmen zugrunde:
Zum AZ 11 Os 43/14d erkannte der Oberste Gerichtshof, dass Dr. *****, indem er in einer in Abwesenheit des dort Angeklagten durchgeführten Hauptverhandlung durch Verlesung eines Protokolls über die Vernehmung eines Zeugen im Ermittlungsverfahren das Gesetz (in § 252 Abs 1 StPO iVm § 458 zweiter Satz StPO) verletzt hatte. Das von Dr. ***** gefällte Urteil hob der Oberste Gerichtshof nach § 292 letzter Satz StPO auf, weil ein Nachteil dieser Gesetzesverletzung für den Angeklagten nicht auszuschließen war. Dr. ***** las die oberstgerichtliche Entscheidung, die ihm mit dem Akt zugestellt wurde. Ungeachtet dessen verlas er in drei weiteren Strafverfahren in der – in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführten – Hauptverhandlung jeweils „die Anzeige“ (gemeint offenbar: Berichte der Kriminalpolizei [§ 100 StPO]) mitsamt den Protokollen über die Vernehmung von Zeugen im Ermittlungsverfahren. Die in diesen Verfahren gefällten Schuldsprüche stützte Dr. ***** nach den Entscheidungsgründen auch auf die „Erhebungen der Polizei“, unter anderem die in der Hauptverhandlung verlesenen (belastenden) Zeugenaussagen.
Zur subjektiven Tatseite bejahten die Tatrichter Wissentlichkeit in Bezug auf den Befugnismissbrauch, welcher in der Durchführung der Hauptverhandlungen in Abwesenheit des Angeklagten „ohne die in § 427 StPO vorgesehenen Voraussetzungen“ und in der Verlesung der Zeugenaussagen unter Verletzung des § 252 Abs 1 StPO bestanden habe. Der Beschwerdeführer habe dabei (unter anderem) mit dem Vorsatz gehandelt, den jeweiligen Angeklagten an dessen Recht auf ein faires Verfahren nach Art 6 MRK zu schädigen.
Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite stützte das Erstgericht auf die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe die genannte oberstgerichtliche Entscheidung „sicherlich gelesen“ und auf die (für glaubwürdig befundene) Aussage des Zeugen Egon L*****, er habe in der Hauptverhandlung als Anklagevertreter auf die Unzulässigkeit dieser Verlesungen hingewiesen und dabei die einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen vorgelegt, worauf der Beschwerdeführer lediglich mit dem Ausspruch „l’état c‘est moi“ und weiterer Verlesung reagiert habe.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Urteil enthalte keine Sachverhaltsgrundlage für die Annahme, schon das Verhandeln in Abwesenheit der dortigen Angeklagten sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 427 Abs 1 StPO befugnismissbräuchlich gewesen, trifft zwar zu. Der Beschwerdeführer legt aber nicht dar, weshalb dies mit Blick auf den weiteren Vorwurf des Befugnisfehlgebrauchs durch Verlesung von Zeugenaussagen entgegen § 252 Abs 1 StPO entscheidend sein soll.
Welcher weiteren Feststellungen es zum Schädigungsvorsatz bedurft hätte (vgl US 16 f), wird nicht dargelegt.
Dass Missbrauch der Amtsgewalt bei Verletzungen von Verfahrensvorschriften nur dann in Betracht komme, wenn der Schädigungsvorsatz darauf gerichtet sei, „damit eine unrichtige Entscheidung“ herbeizuführen, wozu das Erstgericht keine Feststellungen getroffen habe, wird ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz behauptet (RIS‑Justiz RS0116565). Weshalb andernfalls „jeder Strafrichter, dessen Urteil im Wege einer Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung wegen Nichtigkeit erfolgreich angefochten wird“, dem „Risiko des Vorwurfs eines amtsmissbräuchlichen Vorgehens ausgesetzt sei“, erklärt der – die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen vernachlässigende – Beschwerdeführer nicht. Im Übrigen haben die Tatrichter mit der Formulierung, der Schädigungsvorsatz habe sich auf die Verletzung des jeweiligen Angeklagten an dessen Recht auf ein faires Verfahren nach Art 6 MRK (vgl dazu insbesondere die Garantie des Art 6 Abs 3 lit d MRK, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen) bezogen (US 17), hinreichend deutlich den Schutzzweck der verletzten Vorschrift (§ 252 Abs 1 StPO) angesprochen (vgl RIS-Justiz RS0117788 [T3]).
Bleibt anzumerken, dass – der Ansicht des Erstgerichts zuwider – der Staat, dessen Interessen im Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft vertreten werden, zwar ein faires Verfahren nach Art 6 MRK zu gewährleisten hat (vgl Art 1 MRK), ihm selbst ein dahingehendes Recht, das Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes sein könnte, aber nicht zukommt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Zur Mängelrüge (Z 5) ist vorweg klarzustellen, dass es unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken begegnet, dass das Erstgericht der Verantwortung des Angeklagten teilweise Glauben schenkte und sie insoweit – insbesondere mit Blick auf die subjektive Tatseite als nicht widerlegbar – seinen Feststellungen zugrunde legte, ihm im Zusammenhang mit dem Schuldspruch jedoch nicht folgte (RIS-Justiz RS0098372).
Zu Punkt I/A des Freispruchs verneinten die Tatrichter Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs, weil der Angeklagte „va die Bestimmung des § 82 Geo im Hinterkopf“ gehabt habe (US 6) und es „als legitim ansah, selbst Verhandlungen in englischer Sprache durchzuführen“. Dass in den Protokollen zu den gegenständlichen Hauptverhandlungen bloß auf § 126 StPO, nicht auch auf § 82 Geo Bezug genommen wurde, hat das Erstgericht ohnehin festgestellt (US 8 f), weshalb der Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) schon mangels eines entgegenstehenden Beweisergebnisses (vgl RIS‑Justiz RS0098646 [T8]) ins Leere geht. Im Übrigen berief sich der Angeklagte in seiner Verantwortung auf § 82 Geo und auf „diesen Paragraphen, wonach früher Sachverständige und Dolmetscher genannt waren und es hieß, dass es nicht notwendig ist, wenn das Gericht über diese Kenntnis verfügt“ (ON 66 S 6 f iVm ON 28 S 8; vgl den von der Beschwerdeführerin übersehenen § 163 StPO idF vor BGBl I 2004/19). Die Kritik, „die entsprechenden Antworten“ (des Angeklagten) seien „in der Beweiswürdigung des Urteils jedoch weitestgehend“ ausgespart worden (vgl hingegen US 23 ff), trifft daher nicht zu. Das weitere zu diesem Punkt des Freispruchs erstattete Vorbringen erschöpft sich darin, aus dem ohnehin festgestellten objektiven Geschehensablauf für den Angeklagten nachteilige Schlüsse nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung zu ziehen.
Zu Punkt I/B des Freispruchs stellte das Erstgericht fest, der Angeklagte habe bei der Urteilsverkündung zunächst übersehen, dass die ausgesprochene Strafe als Zusatzstrafe unter Bedachtnahme auf eine frühere Verurteilung auszusprechen gewesen wäre. Noch während der Verkündung der Entscheidungsgründe habe er den Irrtum bemerkt und den unterlassenen Ausspruch nachgeholt. Der vom Schriftführer konzipierte Protokolls- und Urteilsvermerk (§ 270 Abs 4 und § 271 Abs 1a StPO) habe keinen Hinweis auf die Verhängung der Strafe als Zusatzstrafe enthalten, was der Angeklagte nach Einlangen der Berufung der Staatsanwaltschaft bei Ausfertigung von Protokoll und Urteil korrigiert habe (US 11).
Was an der Verwendung des Wortes „Verkündungsfehler“ und der weiteren Annahme, der Angeklagte habe die Auslassung noch während der mündlichen Urteilsbegründung berichtigt (US 25), undeutlich und widersprüchlich (Z 5 erster und dritter Fall) sei, vermag die Mängelrüge nicht darzulegen. Im Übrigen ist der vom Erstgericht aus diesem Sachverhalt gezogene rechtliche Schluss, ein Befugnisfehlgebrauch sei schon auf objektiver Ebene zu verneinen, zutreffend. Denn eine (wie hier) Nachholung von Auslassungen während der Urteilsverkündung ist auch im bezirksgerichtlichen Verfahren zulässig ( Danek , WK‑StPO § 268 Rz 11; dem steht der Rechtssatz, demzufolge das „richtig und vollständig verkündete Urteil“ nur mehr im Rechtsmittelweg geändert werden könne [RIS‑Justiz RS0098239], nicht entgegen). Demnach gaben Hauptverhandlungsprotokoll und schriftliche Urteilsausfertigung in der vom Angeklagten unterfertigten Fassung das tatsächlich Vorgefallene richtig wieder. Bleibt anzumerken, dass der vom Angeklagten noch nicht unterfertigte Protokolls- und Urteilsvermerk (US 25) bloß einen rechtlich bedeutungslosen Entwurf darstellte ( Danek , WK-StPO § 270 Rz 2 und § 271 Rz 38), sodass die Beschwerdeausführungen zur Zulässigkeit einer „Abänderung“ dieses Entwurfs dahinstehen können.
Zu den Punkten I/D und E des Freispruchs verneinten die Tatrichter das Vorliegen der subjektiven Tatseite. Dass sie die Verantwortung des Angeklagten insoweit unter Berücksichtigung des objektiven Tatgeschehens für plausibel und nicht widerlegbar hielten (US 27 ff), begegnet – der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider, die sich im Ergebnis in bloßer Beweiswürdigungskritik erschöpft – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken.
Zum „aus prozessualer Vorsicht“ aus Z 7 erstatteten Vorbringen, das Erstgericht habe ein weiteres Verfahren, in welchem laut Anklage eine Zeugenaussage zu Unrecht in Abwesenheit des dort Angeklagten verlesen worden sei, weder im Schuldspruch noch im Freispruch angeführt, genügt der Hinweis, dass die Tatrichter durch Verneinung der Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs in den Entscheidungsgründen (US 11 ff iVm US 26 und 32) unmissverständlich einen Freispruch zum Ausdruck brachten und solcherart die Anklage erledigten (RIS‑Justiz RS0116266 [T9, T10]; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 266 und 503). Sie stützten ihre dazu getroffene Feststellung auf die Überlegung, dass dem Angeklagten bis zur Kenntnisnahme der dieses Verfahren betreffenden oberstgerichtlichen Entscheidung (11 Os 43/14d) ein Wissen um die Unzulässigkeit der von ihm mehrfach eingehaltenen Vorgangsweise im Zweifel nicht nachzuweisen sei.
Da es der zu Punkt I des Freispruchs ausgeführten Beschwerde nicht gelingt, einen Begründungsmangel im Zusammenhang mit den (einem Schuldspruch wegen Missbrauchs der Amtsgewalt entgegenstehenden) Negativfeststellungen zur subjektiven Tatseite aufzuzeigen, erübrigt sich eine Erörterung der Rechtsrüge (Z 9 lit a), soweit diese – zudem ohne Aufzeigen konkreter Verfahrensergebnisse – Feststellungen zur Wissentlichkeit in Bezug auf den jeweiligen Befugnismissbrauch fordert.
Soweit die weitere Rechtsrüge zu diesem Punkt das Fehlen von Feststellungen zur Vorwerfbarkeit des Rechtsirrtums des Angeklagten moniert, legt sie nicht dar, weshalb es darauf beim hier vom Erstgericht bejahten Irrtum über ein normatives Tatbestandsmerkmal (nämlich die Grenzen eingeräumter Befugnis) ankommen soll (RIS‑Justiz RS0088950 [T3]).
Indem die Rechtsrüge zu Punkt II des Freispruchs (entgegen der insoweit auf Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und der Beweismittelunterdrückung nach § 295 Abs 1 StGB gerichteten Anklage) Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 302 Abs 1 StGB begehrt, übergeht sie die – aus Z 5 unbekämpften – gegenteiligen Feststellungen (RIS‑Justiz RS0099810), der Angeklagte habe sich befugt gesehen, die Aktenstücke (nachdem er die dort dokumentierten Umstände in den Hauptverhandlungsprotokollen festgehalten habe) „zu entsorgen“ (US 22).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Zu amtswegiger Wahrnehmung des verfehlten (vgl RIS‑Justiz RS0121981) Schuldspruchs wegen mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst. Die fehlerhafte Subsumtion stellt per se keinen Nachteil dar. Dass das Erstgericht „das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen sowie die dreifache Verwirklichung des § 302 Abs 1 StGB“ aggravierend wertete (US 32), betrifft bloß das Gewicht des – zufolge Tatwiederholung – ohnehin gegebenen Erschwerungsgrundes nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB (vgl 17 Os 17/15a; 14 Os 22/18v; 13 Os 149/07x; RIS‑Justiz RS0116878, RS0096654; Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 22 ff). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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