OGH 11Os43/14d

OGH11Os43/14d17.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Slobodan C***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB, AZ 10 U 77/13p des Bezirksgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen einen Vorgang in diesem Verfahren erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalprokurators Dr. Pleischl zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107992

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Slobodan C*****, AZ 10 U 77/13p des Bezirksgerichts Innsbruck, verletzt die in der Hauptverhandlung vom 12. November 2013 vorgenommene Verlesung des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Oliver N***** im Ermittlungsverfahren § 252 Abs 1 StPO iVm § 458 zweiter Satz StPO.

Das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 12. November 2013, GZ 10 U 77/13p-12, sowie der gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 4, Abs 6 StPO gefasste Beschluss werden aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht verwiesen.

Mit ihrer Berufung und ihrer Beschwerde wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Slobodan C***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 12. November 2013, GZ 10 U 77/13p-12, in seiner Abwesenheit des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Mit einem gemäß § 494a Abs 4, Abs 6 StPO gefassten Beschluss wurde die Probezeit einer bedingten Strafnachsicht ‑ von deren Widerruf gemäß Abs 1 Z 2 leg cit das Bezirksgericht absah ‑ auf fünf Jahre verlängert.

In der Hauptverhandlung, zu der sich weder der Angeklagte noch der Zeuge Oliver N***** eingefunden hatten, wurde „die Anzeige ON 2“ ‑ und damit auch das darin enthaltene Protokoll über die Vernehmung des genannten Zeugen im Ermittlungsverfahren (ON 2 S 15 ff) ‑ ohne Bezugnahme auf eine bestimmte Gesetzesstelle verlesen (ON 10 S 2).

Über die von der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil erhobene Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe sowie deren gegen den genannten Beschluss erhobene Beschwerde (ON 13) wurde noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Die in der Hauptverhandlung vorgenommene Verlesung (auch) des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Oliver N***** im Ermittlungsverfahren steht ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt ‑ mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Protokolle über die Vernehmung von Zeugen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nur in den in § 252 Abs 1 StPO (hier iVm § 458 zweiter Satz StPO) normierten Ausnahmefällen verlesen werden. Die Verlesung der zuvor bezeichneten Angaben des genannten Zeugen in der Hauptverhandlung war mangels Vorliegens eines der hiefür maßgeblichen Ausnahmetatbestände des § 252 Abs 1 StPO nicht zulässig. Denn aus dem Fernbleiben des Angeklagten von der Hauptverhandlung kann dessen Einverständnis im Sinn der Z 4 leg cit nicht abgeleitet werden (RIS‑Justiz RS0117012).

Ein aus dieser Gesetzesverletzung resultierender Nachteil für den Angeklagten kann nicht ausgeschlossen werden (§ 292 letzter Satz StPO). Der Oberste Gerichtshof sah sich in Ausübung des ihm durch die genannte Gesetzesstelle eingeräumten Ermessens zu dem aus dem Spruch ersichtlichen Vorgehen veranlasst.

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