OGH 5Ob229/17p

OGH5Ob229/17p15.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. U* GmbH, FN *, 2. P* P*, 3. A* P*, 4. Mag. M* D*, 5. DI A* W*, 6. J* R*, 7. C* B*, 8. I* O*, 9. N* M*, 10. E* K*, 11. E* W*, 12. G* W*, 13. DI A* W*, 14. R* R*, 15. Dr. A* R*, alle vertreten durch Mag. Rainer Waldhör, Notar in Ottensheim, wegen Berichtigung der Miteigentumsanteile ob der Liegenschaft EZ * Grundbuch *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Oktober 2017, AZ 47 R 262/17b, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 14. Juni 2017, TZ 937/2017, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122064

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die Antragsteller sind die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * Grundbuch *. Sie begehrten aufgrund der Zustimmungserklärung vom 6. 12. 2016, der Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 19. 8. 2016, des Gutachtens zur Neufestsetzung der Jahresmietwerte 1914 vom 27. 4. 2015, der Vollmacht vom 16. 11. 2016, der Zustimmungserklärungen der U* AG vom 3. 3. 2017, der R* AG vom 13. 1. 2017, der B* AG vom 5. 1. 2017 und der K* AG vom 10. 1. 2017 die Berichtigung der Miteigentumsanteile zu B‑LNr 1, 3, 5 bis 9, 12 bis 17 und 22 bis 25.

Die von den Antragstellern (teils durch einen Machthaber) beglaubigt unterfertigte Zustimmungserklärung vom 6. 12. 2016 lautet wie folgt: „Die gefertigten Wohnungseigentümer und Buchberechtigten der Liegenschaft EZ * Grundbuch * erklären sich mit dem gegenständlichen Sachverständigengutachten des DI Dr. M* W* vom 27. 4. 2015 einverstanden und stimmen einer Änderung der Miteigentumsanteile und Nutzwerte gemäß § 9 Abs 3, 1. und 3. Satz WEG entsprechend der Entscheidung der Wiener Schlichtungsstelle vom 19. 8. 2016 ausdrücklich zu.“

Die beglaubigt unterfertigten Zustimmungs-erklärungen der vier Hypothekargläubiger lauten jeweils wie folgt:

„Ob der Liegenschaft EZ *, Grundbuch *, stimmt die Buchberechtigte [...] einer Änderung der Miteigentumsanteile und Nutzwerte gemäß § 9 Abs 3, 1. und 3. Satz WEG entsprechend der Entscheidung der Wiener Schlichtungsstelle vom 19. 8. 2016, MA 50‑Schli‑II/582306‑2015, samt angeschlossenem Sachverständigengutachten des DI Dr. M* W* vom 27. 4. 2015 ausdrücklich zu.“

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Das Gutachten sowie darauf basierend die Entscheidung der Schlichtungsstelle seien hinsichtlich des Objekts Abstellraum + WC Top IV im Hinblick auf einen Rechenfehler (Mietwert/m² von 9,20 statt 9,14) falsch. Es fehle auch die Rechtskraftbestätigung der Entscheidung der Schlichtungsstelle. Der Vergleich des Gutachtens der Mietwerte vom 7. 12. 2007, das den derzeitigen Grundbuchsstand wiedergebe, mit dem nun vorliegenden Gutachten ergebe, dass offenbar auch allgemeine Anteile in das Eigentum des Eigentümers der Wohnung Top 11 übertragen würden. Eine bloße Zustimmungserklärung der Wohnungseigentümer reiche für eine Anteilsberichtigung nicht aus. Eine Berichtigung gemäß § 136 Abs 1 GBG sei nicht möglich, vielmehr sei § 10 Abs 4 WEG 2002 anzuwenden. Es bedürfe daher einer grundbuchsfähigen Urkunde, in der Anteile übertragen und übernommen würden, samt Rechtsgrund, Aufsandungserklärung und einer aussagekräftigen Tabelle. Es fehlten zudem die Vollmachten für den Antragstellervertreter, der die Zustimmungserklärung als Machthaber unterschrieben habe. Die Zustimmungserklärungen der Buchberechtigten seien nicht ausreichend, weil nicht ersichtlich sei, bei welchem Pfandrecht sich die Liegenschaftsanteile änderten. In den Zustimmungserklärungen der Buchberechtigten sei ein falscher Paragraph angeführt, das darin genannte Sachverständigengutachten sei diesen nicht angeschlossen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Die Entscheidung der Schlichtungsstelle könne zwar mit einem Rechtsmittel nicht angefochten werden, es könne aber nach Entscheidung der Schlichtungsstelle das Gericht angerufen werden. Auch ein Bescheid über die Nutzwertfestsetzung erwachse daher in Rechtskraft. Auf die bloße Nutzwertneufestsetzung durch die Entscheidung der Schlichtungsstelle komme es im vorliegenden Fall aber nicht an. Die Nutzwert‑(neu‑)festsetzung bilde nämlich lediglich die Grundlage für eine daran anschließende, jedenfalls erforderliche Änderung der Mindestanteile. Selbst eine rechtskräftige Entscheidung der Schlichtungsstelle ersetze somit die gemäß § 10 Abs 3 Satz 3 WEG im Fall des Überschreitens der Bagatellegrenze von 10 % erforderliche Zustimmung aller Miteigentümer – unabhängig von einer allfälligen Parteistellung im Nutzwert-(neu‑)festsetzungsverfahren – nicht. Das Vorbringen der Antragsteller zum Objekt Abstellraum + WC Top IV, wonach entgegen der Annahme des Erstgerichts nicht allgemeine Anteile in das Eigentum des Eigentümers der Top 11 übertragen würden, sondern sich lediglich die Nutzfläche durch einen Galerieeinzug erhöht habe, verstoße gegen das Neuerungsverbot und sei demnach unbeachtlich. Werde ein Miteigentumsanteil durch die Berichtigung – wie hier bei zwei Objekten – um mehr als 10 % geändert, so sei gemäß § 10 Abs 3 WEG 2002 die Berichtigung nur mit Zustimmung aller Miteigentümer und derjenigen Buchberechtigten zulässig, die Rechte an einem Miteigentumsanteil haben, der durch die Berichtigung kleiner werde. Lägen – wie hier zufolge Änderung zweier Objekte um mehr als 10 % – die Voraussetzungen des § 10 Abs 3 WEG nicht vor und sei deshalb eine Berichtigung in sinngemäßer Anwendung des § 136 Abs 1 GBG nicht zulässig, so hätten die Miteigentümer gemäß § 10 Abs 4 1. Satz WEG zur Änderung der Miteigentumsanteile entsprechend einer einvernehmlichen Nutzwertfestsetzung gegenseitig Miteigentumsanteile in einem solchen Ausmaß zu übernehmen und zu übertragen, dass jedem Wohnungseigentümer der nun für sein Wohnungseigentumsobjekt erforderliche Mindestanteil zukomme. Der vorliegende Fall sei also nach § 10 Abs 4 WEG 2002 idF der Novelle 2012 zu beurteilen. Zur Änderung der Miteigentumsanteile nach § 10 Abs 4 1. bis 3. Satz WEG 2002 (idF WRN 2006) bedürfe es einer grundbuchsfähigen Urkunde, in der insbesondere einzelne Miteigentümer bestimmte Miteigentumsanteile an bestimmte andere Miteigentümer übertragen, entsprechende Aufsandungserklärungen vorliegen und ein Rechtsgrund angegeben werde. Auf eine derartige Eintragungsgrundlage hätten sich die Antragsteller in ihrem Grundbuchsgesuch weder berufen noch sei eine solche Urkunde vorgelegt worden. Die Zustimmungserklärung vom 6. 12. 2016 genüge diesen Anforderungen nicht. Unabhängig davon, ob man einen Verweis auf eine gesetzliche Grundlage für erforderlich halte und ob ein bloßer Tippfehler vorliege, müsse sich aus der grundbuchsfähigen Urkunde jedenfalls der Rechtsgrund für die Änderung der Anteile ergeben. Es bedürfe einer Erklärung, dass Anteile übertragen und übernommen werden, somit einer diesbezüglichen Vereinbarung samt einer Aufsandungserklärung und einer aussagekräftigen Tabelle. Selbst wenn man die Zustimmungserklärung im Zusammenhalt mit dem Nutzwertgutachten und der Entscheidung der Schlichtungsstelle sehe, fehlten diese Voraussetzungen. Diese Zustimmungserklärung sei für mehrere Wohnungseigentümer vom Antragstellervertreter als deren Machthaber beglaubigt unterfertigt worden. Die Antragsteller brächten nun im Rekurs vor, dessen Vollmacht sei im Kaufvertrag vom 12. 7. 2007 enthalten, der zu TZ 625/2008 auch bei Gericht erliege. Da in der Zustimmungserklärung auf die Machthaberschaft hingewiesen worden und davon auszugehen sei, dass bei Beiziehung eines Professionisten eine solche Vollmacht vorliege, liege ein verbesserungsfähiger Mangel gemäß § 82a Abs 2 GBG vor. Das Grundbuchsgericht könne bei seiner Entscheidung aber neben dem Buchstand, dem Gesuchsantrag und den ihm vorgelegten Urkunden nur gerichtsbekannte Tatsachen berücksichtigen. Die Gerichtskundigkeit erfordere, dass der Richter bzw. Rechtspfleger die Tatsache kenne, ohne erst in bestimmte Unterlagen Einsicht nehmen zu müssen; es reiche auch nicht aus, wenn Tatsachen ohne weiteres aus den Akten desselben Gerichts zu ersehen seien. Eine Gerichtskundigkeit hinsichtlich des Kaufvertrags vom 12. 7. 2007 liege daher nicht vor. Die Antragsteller hätten sich in ihrem Grundbuchsantrag nicht auf den Kaufvertrag vom 12. 7. 2007 und die darin befindliche Vollmacht berufen, sodass ein Inhaltsmangel und kein verbesserbares Formgebrechen vorgelegen sei. Die im Kaufvertrag vom 12. 7. 2007, der mit dem Rekurs erstmals vorgelegt worden sei, enthaltene Vollmacht und die Frage, ob damit eine Verbesserung im Sinne des § 82a Abs 5 GBG erfolgt seien, sei daher nicht zu prüfen. Eine ausreichende Zustimmungserklärung der Buchberechtigten liege nur dann vor, wenn sich aus dieser eindeutig ergebe, hinsichtlich welchen Haftungsobjekts die Zustimmung erteilt worden sei. Im vorliegenden Fall fänden sich in den Zustimmungserklärungen weder eine Bezeichnung der konkreten Anteile, auf denen die Höchstbetragshypotheken lasteten, noch eine Anführung der C‑LNr. Zutreffend habe das Erstgericht auch darauf hingewiesen, dass das Sachverständigengutachten den Zustimmungserklärungen nicht angeschlossen gewesen sei, obwohl in den Zustimmungserklärungen nicht bloß auf das Sachverständigengutachten Bezug genommen, sondern ausdrücklich ausgeführt worden sei, dass dieses den Zustimmungserklärungen angeschlossen sei.

Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern und die Miteigentumsanteile antragsgemäß zu berichtigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zur Klarstellung der vom Rekursgericht zu Unrecht verneinten Anwendbarkeit des § 10 Abs 3 WEG 2002 zulässig; im Ergebnis ist er aber nicht berechtigt.

1.1. Wohnungseigentum wird gemäß § 5 Abs 3 WEG 2002 grundsätzlich durch die Einverleibung in das Grundbuch erworben. Daher bedarf auch jede Änderung von Anteilen (§ 2 Abs 9 WEG 2002) zur wohnungseigentums-rechtlichen Wirksamkeit der grundbücherlichen Durchführung. Die Nutzwertneufestsetzung allein bewirkt keine unmittelbare Eigentumsveränderung, insbesondere keine Änderung der Anteilsverhältnisse der Mit- und Wohnungseigentümer; sie bildet vielmehr (nur) die Grundlage für eine nachfolgende Änderung der Mindestanteile (5 Ob 147/17d; RIS‑Justiz RS0106054 [T8, T9], RS0106055 [T5, T6], RS0118638 [T1]).

1.2. Die Nutzwerte sind bei Vorliegen einer der in § 9 Abs 2 WEG 2002 nicht abschließend aufgezählten Tatbestände auf Antrag vom Gericht abweichend vom Nutzwertgutachten neu festzusetzen. Das gilt auch für eine gerichtliche Neufestsetzung der Nutzwerte abweichend von einer bereits früher ergangenen Nutzwertfestsetzung durch das Gericht (§ 9 Abs 2 und 3 WEG 2002). Die Nutzwerte können aber auch ohne gerichtliche Entscheidung abweichend vom Nutzwertgutachten oder von einer gerichtlichen Nutzwertfestsetzung festgesetzt werden, indem ein neues Nutzwertgutachten eingeholt wird und sämtliche Wohnungseigentümer den Ergebnissen dieses Gutachtens öffentlich beglaubigt schriftlich zustimmen (§ 9 Abs 6 WEG 2002). Dieses Einvernehmen aller kann dem Grundbuchsgericht beispielsweise durch eine separate, grundbuchsfähige Urkunde nachgewiesen werden (Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, WEG4 § 9 WEG Rz 65).

1.3. Im hier zu beurteilenden Fall wurde bereits vor dem 1. 9. 1975 Wohnungseigentum begründet. Daraus folgt, dass die mit der beantragten Neufestsetzung der Jahresmietwerte (Neuparifizierung) zusammenhängenden materiell-rechtlichen Fragen nach dem WEG 1948 zu beurteilen sind (5 Ob 18/14d; 5 Ob 225/14w; RIS‑Justiz RS0048303).

1.4. Zur Erleichterung der Änderung von Mindestanteilen normiert § 10 Abs 3 WEG 2002 unter bestimmten restriktiven Bedingungen die Möglichkeit, Anteilsverschiebungen im Grundbuch durch bloße Berichtigung vorzunehmen. Sollen die Miteigentumsanteile aufgrund einer gerichtlichen (§ 9 Abs 2 und 3 WEG 2002) oder einvernehmlichen (§ 9 Abs 6 WEG 2002) Nutzwertfestsetzung geändert werden, so kann dies bei bereits einverleibtem Wohnungseigentum durch Berichtigung in sinngemäßer Anwendung des § 136 Abs 1 GBG 1955 geschehen. Wenn die Berichtigung bei keinem der Miteigentumsanteile zu einer Änderung von mehr als 10 vH führt, ist sie auf Antrag auch nur eines der von der Änderung betroffenen Miteigentümer vorzunehmen; einer Zustimmung der übrigen Miteigentümer oder Buchberechtigten bedarf es in diesem Fall nicht. Wird hingegen ein Miteigentumsanteil durch die Berichtigung um mehr als 10 vH geändert, so ist die Berichtigung nur mit Zustimmung aller Miteigentümer und derjenigen Buchberechtigten zulässig, die Rechte an einem Miteigentumsanteil haben, der durch die Berichtigung kleiner wird. Bücherliche Rechte, die auf den Miteigentumsanteilen lasten, beziehen sich ohne weiteres auf die berichtigten Miteigentumsanteile.

1.5. Liegen die im § 10 Abs 3 WEG 2002 genannten Voraussetzungen einer bloßen Berichtigung nicht vor, so haben die Miteigentümer zur Änderung der Miteigentumsanteile entsprechend einer gerichtlichen oder einvernehmlichen Nutzwertfestsetzung gegenseitig Miteigentumsanteile in einem solchen Ausmaß zu übernehmen und zu übertragen, dass jedem Wohnungseigentümer der nun für sein Wohnungseigentumsobjekt erforderliche Mindestanteil zukommt (§ 10 Abs 4 WEG 2002). Der Gesetzgeber hat dabei für die grundbücherliche Durchführung der sich aus der Neufestsetzung der Nutzwerte ergebenden Rechtsänderungen grundsätzlich privatrechtliche Übereignungsakte vorgesehen und schafft in § 10 Abs 4 WEG 2002 (lediglich) die gesetzliche Grundlage für die Möglichkeit der Durchsetzung der sich aus der Neufestsetzung der Nutzwerte ergebenden Übertragungsansprüche, wenn mangels Einvernehmens der betroffenen Wohnungseigentümer die entsprechenden Vereinbarungen nicht zu erzielen sind (5 Ob 147/17d mwN; RIS‑Justiz RS0106055). Zur Änderung der Miteigentumsanteile nach dem Übertragungsmechanismus des § 10 Abs 4 WEG 2002 bedarf es daher einer grundbuchsfähigen Urkunde, in der einzelne Miteigentümer unter Angabe eines Rechtsgrundes bestimmte Miteigentumsanteile an bestimmte andere Miteigentümer übertragen und entsprechende Aufsandungserklärungen abgeben (5 Ob 147/17d; RIS‑Justiz RS0123506). Mangels privatrechtlicher Übereignungsakte muss der sich aus der Neufestsetzung der Nutzwerte ergebende Übertragungs-anspruch im Rechtsweg durchgesetzt werden (5 Ob 139/17i; RIS‑Justiz RS0106055).

1.6. § 10 Abs 3 und 4 WEG idF der WRN 2006 ist nach der Übergangsbestimmung des § 58 Abs 4 WEG 2002 idF der WRN 2006, BGBl I Nr 124/2006, anzuwenden, wenn im Fall einer gerichtlichen Nutzwertfestsetzung das darüber geführte Verfahren nach dem 30. 9. 2006 geendet hat oder im Fall einer einvernehmlichen Nutzwertfestsetzung das neue Gutachten nach dem 30. 9. 2006 erstattet wurde (5 Ob 70/08t).

2.1. Gegenstand dieses Verfahrens ist das (ausdrücklich) auf § 10 Abs 3 1. und 3. Satz WEG 2002 gestützte Begehren sämtlicher Wohnungseigentümer, über deren Antrag mit Zustimmung der Buchberechtigten die Änderung der Miteigentumsanteile grundbücherlich durch Berichtigung nach § 136 Abs 1 GBG durchzuführen; dies entsprechend der inhaltlich übereinstimmenden Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 19. 8. 2016 und des Gutachtens zur Neufestsetzung der Jahresmietwerte 1914 vom 27. 4. 2015. In einer gesonderten Urkunde erklärten sich sämtliche Wohnungseigentümer mit diesem Sachverständigengutachten einverstanden und sie stimmten einer Änderung der Miteigentumsanteile und Nutzwerte entsprechend der Entscheidung der Wiener Schlichtungsstelle vom 19. 8. 2016 ausdrücklich zu.

2.2. Die Antragsteller stützen ihren Antrag demnach nicht allein auf eine gerichtliche Nutzwertfestsetzung iSd § 9 Abs 2 und 3 WEG 2002, sondern jedenfalls auch auf das neue Parifizierungsgutachten selbst, dem die Entscheidung der Schlichtungsstelle inhaltlich entspricht. Den Ergebnissen dieses Gutachtens haben auch sämtliche Wohnungseigentümer iSd § 9 Abs 6 WEG 2002 öffentlich beglaubigt schriftlich zugestimmt; schon dieses ist damit eine ausreichende Grundlage für die begehrte Änderung der Mindestanteile nach § 10 Abs 3 1. und 3. Satz WEG 2002. Dass die Bestätigung der Rechtskraft der Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 19. 8. 2016 nicht schon mit dem Antrag, sondern erst im Rekursverfahren vorgelegt wurde, steht daher der Bewilligung des Grundbuchsgesuchs jedenfalls nicht entgegen.

2.3. Das Grundbuchsgericht kann nach § 94 Abs 1 Z 3 GBG eine Eintragung nur dann bewilligen, wenn die Grundbuchsurkunde nicht nur formal unbedenklich ist, sondern auch in der materiell‑rechtlichen Frage keine Zweifel aufkommen lässt (RIS‑Justiz RS0060878). Bedenken an der Richtigkeit des Gutachtens über die Neufestsetzung der Jahresmietwerte 1914 hindern dessen begehrte Umsetzung nur, wenn sich diese auf Verstöße gegen zwingende Grundsätze der Parifizierung beziehen. Als solche Verstöße gegen zwingende Grundsätze der Parifizierung bzw Nutzwertberechnung hat die Rechtsprechung beispielsweise das Übergehen wohnungseigentumstauglicher Objekte, die Zuweisung eines Nutzwerts für allgemeine Teile der Liegenschaft, die Schaffung eines neuen Wohnungseigentumsobjekts „ohne Nutzwert“ oder die falsche Einordnung in eine der drei wohnungseigentumsrechtlichen Kategorien (Wohnungseigentumsobjekte, Zubehör und allgemeine Teile der Liegenschaft) qualifiziert (5 Ob 225/14w mwN; RIS‑Justiz RS0117710). Bloße Lese-, Mess- und/oder Rechenfehler oder Bewertungsfragen fallen hingegen nicht darunter, insbesondere nicht das Abweichen von veröffentlichten Empfehlungen für Zu- und Abschläge beim Nutzwertgutachten (5 Ob 225/14w). Der hier vom Erstgericht monierte Rechenfehler im Parifizierungsgutachten ist als einzelner Rechenfehler mit zu vernachlässigenden Konsequenzen (Mietwert/m² für den Abstellraum + WC eines Objekts mit 9,20 statt 9,14) kein Verstoß gegen die zwingenden Grundsätze der Ermittlung der Jahresmietwerte 1914 nach dem WEG 1948. Auch die vom Erstgericht konstatierte Einbeziehung allgemeiner Teile findet in den Urkunden keine Deckung und beruht auf der Fehlinterpretation der Nutzflächenvergrößerung, die mit der im Sachverständigengutachten ohnedies beschriebenen Errichtung einer Galerie verbunden ist.

3.1.  Durch die begehrte Berichtigung sollen sich zwei Miteigentumsanteile um mehr als 10 % ändern. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts ist in so einem Fall eine Berichtigung in sinngemäßer Anwendung des § 136 Abs 1 GBG nicht unzulässig und dieser Fall ist nicht schon allein deshalb jedenfalls nach § 10 Abs 4 WEG 2002 idF der Novelle 2012 zu beurteilen. Die Berichtigung gemäß § 10 Abs 3 3. Satz WEG 2002 ist in diesem Fall (nur) zulässig, wenn alle Miteigentümer und diejenigen Buchberechtigten zustimmen, die Rechte an einem Miteigentumsanteil haben, der durch die Berichtigung kleiner wird. Es bedarf also zwar der Zustimmung aller Miteigentümer und der von der Verkleinerung eines Mindestanteils betroffenen Buchberechtigten, es bedarf aber keiner grundbuchsfähigen Urkunde, in der Anteile übertragen und übernommen würden, samt Rechtsgrund, keiner Aufsandungserklärung und keiner aussagekräftigen Tabelle.

3.2. Die für diesen Anwendungsfall einer vereinfachten Berichtigung in sinngemäßer Anwendung des § 136 Abs 1 GBG erforderlichen Zustimmungserklärungen auch der Buchberechtigten haben die Antragsteller vorgelegt. Das Erstgericht sah diese allerdings nicht als ausreichend an, weil daraus nicht ersichtlich sei, bei welchem Pfandrecht sich die Liegenschaftsanteile änderten. Zudem sei das Sachverständigengutachten den Zustimmungserklärungen entgegen den darin enthaltenen Angaben nicht tatsächlich angeschlossen und es sei ein falscher Paragraph genannt.

3.3. Diese Umstände rechtfertigen jedoch keine Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 3 GBG. Unter Zugrundelegung der Zielsetzung der GB‑Nov 2012 BGBl I 2012/30, nämlich eine Erleichterung der Berichtigung von Miteigentumsanteilen im Wohnungseigentumsrecht zu ermöglichen (vgl ErläutRV 1675 BlgNR 24. GP  1), sind an eine solche Zustimmungserklärung keine zu strengen spezifischen Inhaltserfordernisse zu knüpfen. Maßgeblich ist vielmehr, dass sich aus ihr die in § 10 Abs 3 WEG 2002 geforderte Zustimmung zur Berichtigung der Miteigentumsanteile zweifelsfrei ergibt. Unklarheiten und sogar Widersprüche in der Urkunde schaden daher nicht, wenn sich trotz dieser Mängel aus dem Zusammenhalt ihr Inhalt eindeutig ermitteln lässt (vgl 5 Ob 130/07i; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht² § 94 GBG Rz 89/1). Daher ist hier nicht nur der evidente Schreibfehler bei der Paragraphenbezeichnung in dem (gar nicht notwendigen) Zitat der Rechtsgrundlage für die Zustimmungserklärung unschädlich (vgl 5 Ob 138/12y). Der Inhalt der hier zu beurteilenden Zustimmungserklärungen der Hypothekargläubiger ist vor allem auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf den betroffenen Mindestanteil und die darauf lastende Hypothek und ohne eine über den Verweis auf die Entscheidung der Schlichtungsstelle und das Sachverständigengutachten hinausgehende Konkretisierung der Berichtigung eindeutig.

4.1. Die Vorinstanzen sahen einen Abweisungsgrund auch darin, dass für den Antragstellervertreter, der als Machthaber einiger Wohnungseigentümer die Zustimmungserklärung unterschrieben hat, die notwendigen Vollmachten fehlten.

4.2. Das Grundbuchsgericht darf ein Grundbuchsgesuch nach § 94 Abs 1 Z 2 WEG nicht bewilligen, wenn begründete Bedenken gegen Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht desjenigen besteht, der eine Vertragsurkunde im Vollmachtsnamen eines Vertragspartners unterfertigt hat (RIS‑Justiz RS0060604). Stammt die Erklärung, durch die grundbücherliche Rechte beschränkt, belastet, aufgegeben oder auf eine andere Person übertragen werden sollen, nicht vom Berechtigten, sondern von einem dazu Bevollmächtigten, gehört die Vollmacht selbst zu den Eintragungsgrundlagen. Soll die Einverleibung aufgrund einer Privaturkunde erfolgen, muss die Unterschrift des Vollmachtgebers nach § 31 Abs 1 GBG auf der Vollmacht selbst gerichtlich oder notariell beglaubigt werden (5 Ob 96/15a; 5 Ob 261/15s; RIS‑Justiz RS0106107; Weigand in Kodek, Grundbuchsrecht² § 31 GBG Rz 63). Für Einverleibungen gegen einen Machtgeber sieht § 31 Abs 6 zusätzlich besondere Anforderungen vor (vgl Weigand aaO § 31 GBG Rz 64f).

4.3. Diese in § 31 GBG geregelte (materielle) Verfügungsvollmacht ist von der Einschreitervollmacht zu unterscheiden. Der erleichterte Vollmachtsnachweis nach § 30 Abs 2 ZPO und § 8 Abs 1 Satz 1 RAO im Grundbuchsverfahren gilt nur für die Einschreitervollmacht, nicht auch für die im § 31 GBG geregelte Verfügungsvollmacht (RIS‑Justiz RS0035804 [T10]; vgl auch RS0122969) und (daher) nicht für die Bevollmächtigung zur Abgabe von materiell‑rechtlich erforderlichen Erklärungen (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 77 GBG Rz 55).

4.4. Die Antragsteller verwiesen erstmals im Rekursverfahren darauf, dass die Vollmacht des Machthabers zur Unterfertigung der Zustimmung zur Anteilsberichtigung im Kaufvertrag vom 12. 7. 2007 enthalten sei, der zu TZ 625/2008 bei Gericht erliege. Bereits das Rekursgericht hat dem zutreffend entgegnet, dass das Grundbuchsgericht bei seiner Entscheidung neben dem Buchstand, dem Gesuchsantrag und den ihm vorgelegten Urkunden nur gerichtsbekannte Tatsachen berücksichtigen kann, der Kaufvertrag vom 12. 7. 2007 aber keine offenkundige Tatsache im Sinne dieser Rechtsprechung ist (vgl RIS‑Justiz RS0040040).

4.5. Das von den Antragstellern bereits im Rekursverfahren gerügte rechtsirrige Unterlassen eines Verbesserungsauftrags begründet zwar grundsätzlich einen Verfahrensfehler. Verfahrensfehler des Erstgerichts, die einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens bilden könnten, deren Vorliegen das Rekursgericht aber – wie hier – verneint hat, können nicht mehr mit Revisionsrekurs geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0050037; RS0043919; RS0030748). Das gilt insbesondere auch für einen im erstinstanzlichen Grundbuchsverfahren unterlassenen Verbesserungsauftrag nach § 82a GBG (5 Ob 15/11h; 5 Ob 165/11t; 5 Ob 166/11i).

4.6. Mangels Nachweises des Bestehens (und des Umfangs) der Vertretungsmacht des Antragstellervertreters, der als Machthaber einiger Wohnungseigentümer im Vollmachtsnamen die dafür erforderliche Zustimmungserklärung unterschrieben hat, sind die Voraussetzungen für die vereinfachte Berichtigung gemäß § 10 Abs 3 WEG 2002 in sinngemäßer Anwendung des § 136 Abs 1 GBG hier daher nicht gegeben. Dem Revisionsrekurs kommt damit im Ergebnis keine Berechtigung zu.

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