OGH 5Ob225/14w

OGH5Ob225/14w24.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin S*****, vertreten durch Dr. Harald Friedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. MR D*****, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer, Dr. Friedrich Petri, Rechtsanwälte in Wien, 2. T*****, wegen Neufestsetzung der Jahresmietwerte (§ 52 Abs 1 Z 1 WEG 2002) über den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. August 2014, GZ 39 R 134/14s-16, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 25. Februar 2014, GZ 12 Msch 16/13a-11, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00225.14W.0324.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Miteigentümer der Liegenschaft EZ 476 GB ***** mit der Liegenschaftsadresse ***** Wien. An dieser Liegenschaft ist seit 1952 Wohnungseigentum nach dem WEG 1948 begründet.

Die Antragstellerin begehrt die Neufestsetzung der Jahresmietwerte nach § 2 WEG 1948, weil deren Festsetzung aufgrund des Bescheids der Schlichtungsstelle zu Schli 156/51 durch die Entscheidung der Mietkommission zu 83 Msch 2/52 gegen zwingende Grundsätze der Ermittlung der Jahresmietwerte verstoße. Aus § 5 Abs 2 WEG 1948 gehe hervor, dass die Jahresmietwerte und die ihnen entsprechenden Nutzungswerte aufgrund von behördlich bewilligten (Bau‑)Plänen oder zumindest nach den tatsächlichen Verhältnissen in natura festzusetzen seien. Weder das eine noch das andere könne im konkreten Fall Grundlage der Festsetzung der Jahresmietwerte gewesen sein. Dies zeige sich am deutlichsten bei der Bewertung der im Wohnungseigentum der Antragstellerin stehenden Wohnung W 5. Deren Jahresmietwert habe die Mietkommission mit 1.420 Kronen festgesetzt. Aus dem Bescheid der Schlichtungsstelle zur GZ Schli 156/51 gehe hervor, dass diesem Jahresmietwert für die Wohnung W 5 eine Fläche von 107,10 m² zugrunde gelegt worden sei. Diese Fläche weiche eklatant von der tatsächlichen Wohnfläche ab und habe auch keine Entsprechung im Bauplan Nr 1147, auf den die Mietkommission in ihrer Entscheidung verwiesen habe und der die Grundlage der Festsetzung gewesen sein solle. In diesem Plan Nr 1147 habe die Wohnung W 5 lediglich eine Fläche von 79,17 m². Vermutlich sei der Wohnung W 5 das angrenzende Zimmer der Wohnung W 6 mit 18,8 m² zugeschlagen und auch sonst die eine oder andere Fläche entgegen dem Plan Nr 1147 dazu gezählt worden. Im Übrigen stimme die Flächenaufstellung aus dem Bescheid der Schlichtungsstelle bei keiner Wohnung mit dem Plan Nr 1147 überein. Dieser Plan sei jedoch, wie sich aus der Begründung unzweifelhaft ergebe, Grundlage der Entscheidung der Mietkommission gewesen. Der darin liegende Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Ermittlung der Jahresmietwerte könne unbefristet und ohne Bagatellgrenze angefochten werden. Eine zeitliche Beschränkung eines Antrags auf Neufestsetzung der Jahresmietwerte bestehe in diesem Fall also nicht. Außerdem liege ein Fall des ‑ gemäß § 55 WEG 2002 iVm § 29 Abs 1 WEG 1975 sinngemäß anzuwendenden ‑ § 3 Abs 2 Z 2 WEG 1975 vor; auch dieser auf Änderungen im Bestand räumlich unmittelbar aneinandergrenzender Wohnungen beruhende Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte (hier Jahresmietwerte) sei unbefristet.

Die Erstantragsgegnerin bestritt und wandte im Wesentlichen ein, dass der Antrag verfristet sei. Eine Neufestsetzung der Jahresmietwerte sei nur dann unbefristet möglich, wenn die Festsetzung gegen „zwingende Grundsätze“ der Parifizierung verstoße. Die ursprüngliche Mietwertberechnung möge hier zwar mit gewissen Fehlern behaftet sein, die allenfalls vorliegenden Fehlbewertungen und schlichten Berechnungsfehler würden aber keinen solchen Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Parifizierung darstellen. Es liege mangels realer Änderungen im Bestand räumlich unmittelbar aneinandergrenzender Wohnungen auch kein Fall des § 3 Abs 2 Z 2 WEG 1975 vor.

Der Zweitantragsgegner hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Neufestsetzung der Jahresmietwerte ab. Es ging dabei von nachstehendem ‑ gerafft dargestellten ‑ Sachverhalt aus:

Das im Krieg beschädigte Haus ***** Wien, wurde aufgrund der Baubewilligung vom 07. 05. 1951 im Jahr 1951 wiedererrichtet. Die Bewilligung erfolgte aufgrund der Baupläne Nr 1147 vom Februar 1951. Mit Bescheid vom 02. 06. 1951 stellte die Schlichtungsstelle beim Magistratischen Bezirksamt für den 13/14 Bezirk für die Liegenschaft einen Gesamtjahresfriedenszins im Betrag von 8.550 Kronen fest. In der Begründung führte sie dazu aus, dass die Mietwertberechnung für die einzelnen Objekte aufgrund der vorgelegten Pläne und Flächenberechnungen durchgeführt worden sei. Von diesem Gesamtjahresfriedenszins entfielen 1.420 Kronen auf die Wohnung W 5 und 610 Kronen auf die Wohnung W 6. Die Schlichtungsstelle ging dabei davon aus, dass die Grundfläche der Wohnung W 5 107,10 m², jene der Wohnung W 6 43,69 m² beträgt. Diese der Berechnung zugrunde gelegten Flächen stimmen nicht mit dem Plan der Wohnung W 5 laut Bauplan überein, die Wohnung W 5 weist seit Wiedererrichtung des Hauses auch nicht ‑ wie in der im Schlichtungsstellenakt enthaltenen Flächenberechnungsaufstellung ausgewiesen ‑ vier, sondern drei Zimmer auf. Mit Entscheidung vom 21. 01. 1952 setzte die Mietkommission für den 10. bis 15. Bezirk die Jahresmietwerte für das gesamte Haus mit insgesamt 8.850 Kronen und für die Wohnung W 5 einen Jahresmietwert von 1.420 Kronen fest. In der Begründung verweist die Entscheidung darauf, dass sich die Jahresmietwerte aus der Berechnung der Magistratsabteilung 40 vom 02. 06. 1951 ergeben würden.

 

Diese Feststellungen ergaben sich für das Erstgericht aus den bereits im Verfahren vor der Schlichtungsstelle vorgelegten und beigeschafften Urkunden. Wie die Magistratsabteilung 40 die Fläche der Wohnung W 5 von 107,10 m² errechnet habe, sei aus der Flächenberechnungsaufstellung („auf Seite 26 des Schlichtungsstellenaktes“) ersichtlich. Dabei falle auf, dass in der Flächenaufstellung der Magistratsabteilung 40 ein weiteres Zimmer aufscheine, das laut Plan in der Top Nr 5 nicht vorhanden sei. Auch die im Plan angegebenen Flächen der einzelnen Räume würden ebenfalls nicht exakt mit jenen Flächen übereinstimmen, die die Magistratsabteilung 40 zur Berechnung der Nutzfläche herangezogen habe.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass die Rechtsprechung im Fall der Wohnungseigentumsbegründung nach dem WEG 1948 unter Berufung auf die einschlägigen Übergangsbestimmungen nicht nur sämtliche der in § 3 Abs 2 WEG 1975 angeführt gewesenen Umstände sondern auch Verstöße gegen zwingende Grundlagen der Nutzwertberechnung als Gründe für eine Mietwertneufestsetzung anerkannt habe. Verstöße gegen zwingende Grundsätze der Parifizierung oder Nutzwertberechnung könnten zwar unbefristet auf Antrag eines Miteigentümers oder Wohnungseigentumsbewerbers releviert werden. Ein solcher Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung liege hier allerdings nicht vor. Die Magistratsabteilung 40, die im Jahr 1951 die Jahresmietwertberechnung durchgeführt habe, habe dieser Berechnung offenkundig eine falsche Nutzflächenaufstellung zugrunde gelegt, die ein Zimmer mehr umfasse, als tatsächlich baulich in der Top Nr 5 vorhanden sei. Damit sei allerdings nicht gegen zwingende Grundsätze der Ermittlung der Jahresmietwerte verstoßen worden, sondern ein bloßer Berechnungsfehler unterlaufen. Es liege hier auch kein Fall des § 3 Abs 2 Z 2 WEG 1975 vor, weil keine Änderungen im Bestand räumlich unmittelbar aneinandergrenzender Wohnungen erfolgt sei. Die Antragstellerin habe nicht behauptet, dass nach Errichtung des Hauses ***** ein Raum, der räumlich zuvor mit der Wohnung Top Nr 5 verbunden gewesen sei, nachträglich der nebenliegenden Wohnung zugeschlagen worden sei. Vielmehr habe die Antragstellerin behauptet, dass irrtümlich bei der Berechnung der Jahresmietwerte ein Raum, der tatsächlich nach den Bauplänen der Wohnung Top Nr 6 zuzuordnen sei, rechnerisch der Wohnung Top Nr 5 zugeschlagen worden sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge, hob den angefochtenen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Rekurswerberin erblicke eine Nichtigkeit darin, dass das Erstgericht eine Entscheidung in der Sache ohne eine mündliche Verhandlung gefällt und Beweise sowie Beweisergebnisse verwertet habe, ohne ihr die Gelegenheit geboten zu haben, sich zu den Beweisen oder deren Ergebnissen zu äußern. Tatsächlich nehme die angefochtene Entscheidung auf eine Flächenberechnung Bezug, die den Parteien des Verfahrens nicht bekannt sein habe können, weil diese Beilage zu einer Stellungnahme der Magistratsabteilung 25 vom 12. 4. 2013 anders als die Stellungnahme selbst dem Antragstellervertreter offensichtlich nicht übermittelt worden sei. Nehme das Gericht Beweise auf, von denen die Parteien keine Kenntnis haben, begründe das zwar keine Nichtigkeit, aber eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Durch die Verwertung von Urkunden, die den Parteien bis zur Entscheidung unbekannt waren, werde deren rechtliches Gehör verletzt. Auf die Möglichkeit, Akteneinsicht zu nehmen, komme es hier an, da die Parteien vor der Entscheidung nicht wissen könnten, ob sich im Akt Urkunden befinden, die ihnen nicht bekannt sind. Schon aus diesem Grunde erweise sich eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung als unvermeidlich. Aus diesem Grunde müsse auch auf die von der Rekurswerberin relevierte Aktenwidrigkeit und auf die Beweisrüge nicht eingegangen werden. Allerdings sei die unter diesen beiden Berufungsgründen bekämpfte Feststellung, „es unterlief ein bloßer Berechnungsfehler“ ohnedies nicht der Tatsachenebene zuzuordnen, sondern der rechtlichen Beurteilung.

Aus Anlass der ordnungsgemäß ausgeführten Rechtsrüge sei eine umfassende rechtliche Beurteilung vorzunehmen. Das Vorliegen des Neufestsetzungstatbestands nach § 3 Abs 2 Z 2 WEG 1975 habe schon das Erstgericht mit zutreffender Begründung verneint. Dieser würde schon nach dem eindeutigen Wortlaut eine Nutzwertfestsetzung vor den Änderungen im Bestand räumlich unmittelbar aneinandergrenzender Wohnungen voraussetzen. Der von der Antragstellerin gezogene, die Neufestsetzung auch im Fall einer schon vor erstmaliger Eintragung des Wohnungseigentums erfolgten Änderung rechtfertigende Größenschluss sei daher nicht zulässig. Nach der nunmehr in § 9 Abs 2 Z 1 iVm Abs 3 WEG 2002 gesetzlich positivierten Rechtsprechung habe aber das nachträgliche Hervorkommen des wahren Sachverhalts, der dem Gericht (der Schlichtungsstelle) bei der erstmaligen Nutzwertfestsetzung verborgen geblieben sei, zur Antragstellung nach § 3 Abs 2 WEG 1975 berechtigt. Die Anwendungsfälle einer solchen Korrektur seien allerdings auf Verstöße gegen zwingende Grundsätze der Parifizierung beschränkt geblieben. Ein solcher Antrag könne unbefristet und ohne Bagatellgrenze geltend gemacht werden. Ausgehend von den Fällen, in welchen die Judikatur bisher einen Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Parifizierung bejaht habe, könne es nicht unbeachtlich sein, wenn es - wie hier - bei der Festsetzung der Mietwerte insofern zu einem Fehler gekommen sei, als ein Zimmer zur falschen Wohnung gezählt worden sei. Denn auch bei der Berechnung der Jahresmietwerte spiele die Wohnnutzfläche eine Rolle. Das ergebe sich aus einem Umkehrschluss aus der Bestimmung des § 12 Abs 6 MG, wonach ein Antrag, womit die Überprüfung der Zulässigkeit eines Mietzinses lediglich wegen der Höhe des für die Berechnung des gesetzlichen Mietzinses maßgebenden Jahresmietzinses begehrt werde, nur gestellt werden könne, wenn der Mietgegenstand in seinem Bestande geändert werde. Eine Bestandsänderung liege nur bei Vergrößerung oder Verkleinerung des Objektes vor. Die falsche Zuordnung eines Zimmers sei daher kein „Bewertungsfehler“, es handle sich bei einer solchen Konstellation vielmehr um einen gravierenden Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Parifizierung, sei es nun auf Basis des WEG 1948, des WEG 1975 oder des WEG 2002. Das Erstgericht werde daher im weiteren Verfahren konkretere Feststellungen zu den Wohnungen Top Nr 5 und Top Nr 6 zu treffen haben. Sollte ein Zimmer tatsächlich anstelle der Wohnung Top Nr 6 der Wohnung Top Nr 5 zugeordnet worden sein, werde dieser gravierende Verstoß gegen die Festsetzung der Jahresmietwerte zu korrigieren sein.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs gemäß den §§ 62 Abs 1 und 64 Abs 1 AußStrG zulässig sei, weil sich der Oberste Gerichtshof bislang noch nicht mit der Frage beschäftigt habe, ob die Zuordnung eines Zimmers zur falschen Wohnung bei neun Wohnungseigentumsobjekten einen Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwert- (hier: Jahresmietwert-)Festsetzung darstellt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben und den Sachbeschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung,den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, diesem jedenfalls aber keine Folge zu geben.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Das Rekursgericht begründet die Aufhebung des angefochtenen Sachbeschlusses mit dem Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels (§ 57 Z 4 AußStrG) und dem Bestehen von Feststellungsmängeln (§ 57 Z 5 AußStrG). Der vom Rekursgericht bejahte Verfahrensmangel wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs der Parteien trägt ‑ wie unten zu 2. zu zeigen sein wird ‑ dessen Entscheidung allerdings nicht. Damit sind jene materiell-rechtlichen Fragen, die den vom Rekursgericht konstatierten Feststellungsmängeln zugrunde liegen, für dessen Aufhebungsbeschluss präjudiziell. Diesen Fragen kommt aus den schon vom Rekursgericht angeführten Gründen im Sinne des § 62 AußStrG erhebliche Bedeutung zu.

2. Die Revisionsrekurswerberin macht als Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens geltend, dass das Rekursgericht infolge unrichtiger Anwendung von Prozessgesetzen zu Unrecht die Verletzung des rechtlichen Gehörs der Parteien angenommen habe.

2.1 Nach § 15 AußStrG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Gegenstand, über den das Gericht das Verfahren von Amts wegen eingeleitet hat, den Anträgen und Vorbringen der anderen Parteien und dem Inhalt der Erhebungen Kenntnis zu erhalten und dazu Stellung zu nehmen.

Das rechtliche Gehör im Sinn dieser Bestimmung wird dabei nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei die Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wird, sondern auch dann, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Das Gericht hat daher den Parteien Verfahrensvorgänge, die erkennbar für sie wesentliche Tatsachen betreffen, bekanntzugeben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen. Eine Beweisaufnahme ohne Zuziehung der Parteien führt dabei noch nicht zur Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es genügt, dass sich eine Partei zu den Tatsachen und Beweisergebnissen vor der Entscheidung äußern kann (RIS-Justiz RS0074920, RS0005915). Nach ständiger Rechtsprechung erfordert der Grundsatz des Parteiengehörs im Außerstreitverfahren, dass der Partei ein Weg eröffnet wird, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt vorbringen kann. Das rechtliche Gehör ist daher auch dann gewahrt, wenn sich die Partei nur schriftlich äußern konnte oder geäußert hat (RIS-Justiz RS0006048, RS0006036).

2.2 Das Erstgericht legte seinen Feststellungen ausdrücklich eine Flächenberechnung zugrunde, die zwar im Akt der Schlichtungsstelle als Beilage einer im Verfahren vor der Schlichtungsstelle eingeholten Stellungnahme der Magistratsabteilung 25 vom 12. 4. 2013 erliegt, den Parteien nach der Aktenlage aber niemals zugestellt wurde. Das Erstgericht hat damit Urkunden verwertet, die den Parteien bis zur Entscheidung unbekannt waren. Diesen Umstand qualifiziert das Rekursgericht grundsätzlich zu Recht als Verletzung des rechtlichen Gehörs. Anders als offenbar in den Entscheidungen 5 Ob 187/07x (RIS-Justiz RS0120213 [T7]) und 8 Ob 159/08b (RIS-Justiz RS0120213) hat hier nicht nur keine der ZPO entsprechende Erörterung von Urkunden stattgefunden, die vom Erstgericht verwertete Urkunde wurde den Parteien nicht einmal zur Kenntnis gebracht.

2.3 Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts zwingt hier die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs aber nicht jedenfalls zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist im außerstreitigen Verfahren vielmehr nur dann wahrzunehmen, wenn die Gehörverletzung Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung haben konnte (RIS-Justiz RS0120213 [T11, T16, T17, T20]). Gemäß § 5  Abs 1 und 3 AußStrG ist vor der Entscheidung auf Aufhebung und Zurückverweisung der Außerstreitsache an eine Vorinstanz zu prüfen, ob nicht eine Bestätigung selbst aufgrund der Angaben im Rechtsmittelverfahren oder eine Abänderung ohne weitere Erhebungen möglich ist. Um diese Prüfung vornehmen zu können, muss daher von einem Rechtsmittelwerber, der die Verletzung seines rechtlichen Gehörs geltend macht, gefordert werden, dass er seine Rüge durch Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes entsprechend konkretisiert (RIS-Justiz RS0123872, RS0120213 [T15]). Bloß abstrakte Erwägungen reichen nicht aus (RIS-Justiz RS0120213 [T23], RS0123872 [T3]). Um einen erheblichen Verfahrensverstoß durch Verletzung des rechtlichen Gehörs wirksam geltend zu machen, hätte die Rekurswerberin daher in ihrem Rekurs die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen und darzulegen gehabt, welches konkrete (zusätzliche) Vorbringen sie erstattet und/oder welche konkreten (weiteren) Beweismittel sie angeboten hätte, wäre ihr die vom Gericht verwertete Flächenberechnung im Verfahren erster Instanz zur Kenntnis gebracht worden (vgl RIS-Justiz RS0120213 [T9, T14, T21]). Das Rekursvorbringen der Antragstellerin zur Wesentlichkeit des Verfahrensmangels erschöpft sich jedoch in der Behauptung, dass sie aufzeigen hätte können, dass kein Berechnungsfehler vorliege und daher das Erstgericht zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können. Damit stellt sie die geforderte Relevanz der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht ausreichend dar; der Verfahrensmangel bleibt in diesem Sinn abstrakt und rechtfertigt die Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichts daher nicht.

3. Das Rekursgericht bejahte die zeitlich unbegrenzte Zulässigkeit des Antrags auf Neufestsetzung der Jahresmietwerte, weil die (behauptete) falsche Zuordnung eines Zimmers einen Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwert- (hier: Jahresmietwert-)Festsetzung darstelle. Das Erstgericht habe aber ‑ ausgehend von seiner gegenteiligen Rechtsmeinung ‑ keine zur abschließenden Beurteilung ausreichenden Feststellungen zu den beiden betroffenen Wohnungen getroffen.

3.1 An der Liegenschaft wurde Wohnungseigentum nach dem WEG 1948 begründet. Die Neufestsetzung der Jahresmietwerte der auf dieser Liegenschaft vorhandenen Wohnungseigentumsobjekte hat daher gemäß § 29Abs 1Z 1WEG 1975 iVm § 55Satz 2WEG 2002 nach § 2 WEG 1948 in sinngemäßer Anwendung (ua) des § 3 Abs 2 WEG 1975 zu erfolgen (RIS-Justiz RS0048303).

3.2 Die Gründe für eine Neufestsetzung der Nutzwerte waren in § 3 Abs 2 WEG 1975 nicht taxativ aufgezählt (RIS-Justiz RS0083159). Die Neufestsetzung konnte daher nicht nur bei einer Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts, sondern auch bei nachträglichem Hervorkommen der wahren Sach- und Rechtslage beantragt werden. Die Anwendungsfälle einer solchen Korrektur beschränkten sich allerdings auf Verstöße gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung (RIS‑Justiz RS0083159 [T8], RS0083169 [T3, T4, T6]). Mit § 9 Abs 2  Z 1 WEG 2002 wurde diese bereits zum WEG 1975 entwickelte Praxis erstmals ausdrücklich im Gesetz festgeschrieben (RIS-Justiz RS0083159 [T14]; RS0083169 [T7, T8]). In dem Fall eines Verstoßes gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung konnte (und kann) die Neufestsetzung ohne zeitliche Begrenzung und ohne Bagatellgrenze geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0083159 [T15], RS0083169 [T7, T9], RS0107277 [T3], RS0117708 [T2]).

3.3 AlsVerstöße gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung hat die Rechtsprechung beispielsweise das Übergehen wohnungseigentumstauglicher Objekte, die Zuweisung eines Nutzwertes für allgemeine Teile der Liegenschaft, die Schaffung eines neuen Wohnungseigentumsobjekts „ohne Nutzwert“, oder die mit keiner baulichen Veränderung einhergehende Umwidmung allgemeiner Teile der Liegenschaft in Objekte, an denen Wohnungseigentum oder Zubehörwohnungseigentum bestehen soll, qualifiziert. Auch die falsche Einordnung in eine der drei grundsätzlichen wohnungseigentumsrechtlichen Kategorien (Wohnungseigentumsobjekte, Zubehör und allgemeine Teile der Liegenschaft) stellt einen Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung dar (

RIS-Justiz RS0117710, insbesondere

5 Ob 38/03d,

5 Ob 29/08p; vgl auch Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II22 § 9 WEG Rz 10 und Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3, § 9 WEG 2002 Rz 32, jeweils mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Bloße Messfehler ( T. Hausmann, aaO § 9 Rz 64) oder Bewertungsfragen (Würth/Zingher/Kovanyi, aaO § 9 WEG Rz 10) fallen hingegen nicht darunter, insbesondere nicht das Abweichen von veröffentlichten Empfehlungen für Zu- und Abschläge beim Nutzwertgutachten (5 Ob 222/07v).

3.4 DasRekursgericht vertritt die Auffassung, die falsche Zuordnung eines Zimmers sei kein bloßer „Bewertungsfehler“, bei einer solchen Konstellation handle es sich vielmehr um einen gravierenden Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Parifizierung. Es orientierte sich dabei an der Entscheidung 5 Ob 2346/96b, in der ein Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung darin gesehen wurde, dass eine dreißig Quadratmeter große Terrasse entgegen § 6Abs 1WEG 1975 bei der Berechnung der Nutzfläche berücksichtigt wurde. Das Rekursgericht verweist zudem auf die Entscheidung 5 Ob 213/98d, in der der Oberste Gerichtshof ganz allgemein Verstöße gegen die gesetzliche Bestimmung der Nutzfläche als einen Beispielfall für einen Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung nennt.

3.5 Dieser Rechtsansicht des Rekursgerichts ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen.

Der Mindestanteil des Wohnungseigentümers bestimmt sich gemäß § 2WEG 1948 grundsätzlich nach den Jahresmietzinsen für 1914. In Ermangelung solcher Jahresmietzinse hatte die Mietkommission Jahresmietwerte festzusetzen, die für Mietgegenstände von gleicher Lage und Beschaffenheit am 1. 8. 1914 ortsüblich als Mietzins entrichtet wurden. Die grundsätzliche Maßgeblichkeit der Wohnungsgröße für die Feststellung des Jahresmietwerts ist dabei auch ohne ausdrückliche gesetzliche Positivierung (analog den §§ 5Abs 1WEG 1975, 2Abs 8WEG 2002) selbstverständlich. Dies spiegelt sich nicht nur in der vom Rekursgericht in diesem Zusammenhang dargestellten Bestimmung des § 12Abs 6MG wider, auch die Entscheidung der Mietkommission für den 10. bis 15. Bezirk und der Bescheid der Schlichtungsstelle beim Magistratischen Bezirksamt für den 13/14 Bezirk basieren ausdrücklich auf Flächenberechnungen.

Die Antragstellerin hat im Verfahren vor dem Erstgericht vorgebracht, dass die Jahresmietwerte (und damit die ihnen entsprechenden Nutzungswerte) offenbar weder aufgrund von behördlich bewilligten (Bau-)Plänen noch nach den tatsächlichen Verhältnissen in natura festgesetzt worden seien. Dies zeige sich am deutlichsten bei der Bewertung der - im Wohnungseigentum der Antragstellerin stehenden ‑ Wohnung W 5. Das Erstgericht hat dazu nicht nur festgestellt, dass die von der Schlichtungsstelle und der Mietkommission ihren Entscheidungen zugrunde gelegte Flächenaufstellung jedenfalls in Bezug auf die Wohnung W 5 vom maßgeblichen Bauplan erheblich abweicht. In seiner Beweiswürdigung hält es zudem fest, dass die im Plan angegebenen Flächen der einzelnen Räume (offensichtlich alle) nicht exakt mit jenen Flächen übereinstimmen würden, die die Schlichtungsstelle zur Berechnung der Nutzfläche herangezogen habe. In seiner rechtlichen Beurteilung folgert das Erstgericht daraus, dass die Schlichtungsstelle ihrer Jahresmietwertberechnung im Jahr 1951 offenkundig eine falsche Nutzflächenaufstellung zugrunde gelegt habe, die ein Zimmer mehr umfasse, als tatsächlich baulich in der Top Nr 5 vorhanden sei.

Nach diesen Feststellungen und der derzeitigen Aktenlage kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin einen keiner Präklusion unterliegenden Grund für die Neufestsetzung der Jahresmietwerte geltend gemacht hat. Das Erstgericht hat zwar im Wesentlichen nur in Bezug auf die Wohnung W 5 konkretere Feststellungen zur Divergenz zwischen den Bauplänen und Flächenberechnungen getroffen. Die Richtigkeit der Behauptung der Antragstellerin, die Feststellung der Jahresmietwerte würde insgesamt auf einer Flächenberechnung beruhen, die mit dem maßgeblichen Bauplan nicht im Einklang steht, ist damit aber wenn auch noch nicht erwiesen, so doch indiziert. In diesem Fall hätte die Schlichtungsstelle (ebenso wie die Mietkommission, die deren Bescheid übernommen hat) seiner Entscheidung nicht nur einfach (im Sinne des § 9Abs 2Z 2WEG 2002) eine einzelne, falsche tatsächliche Gegebenheit in Gestalt einer falschen Nutzfläche eines Wohnungseigentumsobjektes zugrunde gelegt, deren Unrichtigkeit noch auf einen Lese-, Mess- und/oder Rechenfehler zurückgeführt werden könnte. Eine Festsetzung der Jahresmietwerte, die im aufgezeigten Sinn nicht von den der Begründung des Wohnungseigentums zugrunde gelegten Bauplänen ausgeht, ist nicht mehr nur fehlerhaft. Darin läge vielmehr ein grober „Systemfehler“ (vgl T. Hausmann aaO § 9 Rz 64), der gegen die zwingenden Grundsätze der Ermittlung der Jahresmietwerte nach dem WEG 1948 verstößt.

3.6 Um abschließend beurteilen zu können, ob hier tatsächlich nicht mehr nur ein bloßer Berechnungsfehler, sondern ein grober Systemfehler anzunehmen ist, fehlen ausreichend konkrete Feststellungen zu Gestalt, Ausmaß und Ursache der Divergenz zwischen den Flächenberechnungen und den maßgeblichen Bauplänen. Die Festsetzung der Nutzwerte hat in einem jeder Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenen, auf Antrag einzuleitenden Verfahren, für alle als Wohnungseinheiten in Betracht kommenden Objekte einer Liegenschaft, ausgehend von der jeweiligen materiellen Rechtslage und der konkreten Widmung zu geschehen (RIS‑Justiz RS0082872).

Liegt ein Grund für die Neufestsetzung der Nutzwerte (Jahresmietwerte) vor, hat in diesem Verfahren eine Korrektur der Nutzwerte (nur) insoweit zu erfolgen, als die Auswirkungen des Verstoßes gegen zwingende Parifizierungsgrundsätze dies erfordern. Die erforderlichen Korrekturen sind dabei grundsätzlich auf der Basis der erfolgten Nutzwertfestsetzung vorzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn ‑ wie hier ‑ die Wohnungseigentumsbegründung vor dem Inkrafttreten des WEG 1975 erfolgte und nach der Übergangsregelung des § 29 Abs 1 Z 1 WEG 1975 statt der Neufestsetzung der Nutzwerte eine Neuparifizierung nach Mietwerten zu erfolgen hat (RIS‑Justiz RS0107277).

Die zur abschließenden Beurteilung dieser Fragen notwendigen Entscheidungsgrundlagen fehlen, die vom Rekursgericht dem Erstgericht aufgetragene Verfahrensergänzung ist daher tatsächlich erforderlich. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht ‑ über den zu eng formulierten Auftrag des Rekursgerichts hinaus ‑ ausreichend klare Feststellungen zu Gestalt, Ausmaß und Ursache der Divergenz zwischen den Flächenberechungen und den maßgeblichen Bauplänen insgesamt zu treffen haben. In dem Fall, dass die Festsetzung der Jahresmietwerte auf einer Flächenberechnung beruht, die in mehrfacher Hinsicht, in einem erheblichen Ausmaß und/oder aus nicht sachgerechten Gründen vom maßgeblichen Bauplan abweicht und daher mit diesem nicht in Einklang zu bringen ist, wird ein Neuparifizierungsfall zu bejahen sein und die Tatsachenbasis für die danach erforderlichen Korrekturen zu schaffen sein.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Erst mit der endgültigen Sachentscheidung können die gebotenen Billigkeitserwägungen angestellt werden (RIS-Justiz RS0123011 [T1]).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte