OGH 9ObA141/17a

OGH9ObA141/17a30.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Herbert Bauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei U***** L*****, vertreten durch Mag. Martin Wakolbinger, Rechtsanwalt in Enns, gegen die beklagten Parteien 1. L***** GmbH & Co KG und 2. L***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 558,91 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Oktober 2017, GZ 12 Ra 54/17y‑16, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 7. Juni 2017, GZ 7 Cga 24/17k-12, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00141.17A.0130.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 277,30 EUR (darin 46,22 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Erstbeklagten, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Zweitbeklagte ist, ab 29. 11. 1999 als Arbeiterin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis, wurde am 19. 5. 2016 zum 30. 9. 2016 einvernehmlich aufgelöst. Die Klägerin sollte vereinbarungsgemäß ihren anteiligen Gebührenurlaub und das restliche Zeitguthaben bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses konsumieren.

Im Betrieb der Erstbeklagten wird der Urlaubszuschuss jeweils einheitlich zum 30. Juni des Jahres ausbezahlt. Mit der Juniabrechnung 2016 erhielt die Klägerin den anteiligen Urlaubszuschuss für den Zeitraum 1. 1. 2016 bis 30. 9. 2016 ausbezahlt.

Auf das Arbeitsverhältnis war der Rahmenkollektivvertrag für Arbeiter in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie (kurz KollV) anzuwenden.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin einen Urlaubszuschuss für weitere drei Monate (1. 10. 2016 bis 31. 12. 2016) von 558,91 EUR brutto. Aus § 15 Abs 9 KollV, wonach im Fall der einvernehmlichen Auflösung die Rückzahlungsverpflichtung des aliquoten Urlaubszuschusses entfalle, ergebe sich, dass mit der Juniabrechnung der gesamte Urlaubszuschuss und nicht nur ein aliquoter Teil fällig gewesen sei.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren dem Grunde nach und beantragten Klagsabweisung. Die aliquote Auszahlung des Urlaubszuschusses im Juni gründe sich auf § 15 Abs 6 KollV. Die darin ausdrücklich ua für die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkündigung bei Auszahlung vor Urlaubsantritt bzw vor Fälligkeit des Urlaubszuschusses normierten Regelungen müssten auch für den hier vorliegenden Fall der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses gelten. Aus § 15 Abs 9 KollV sei für den Standpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen, weil die Frage der Rückzahlungsverpflichtung eines schon zur Gänze ausbezahlten Urlaubszuschusses im Anlassfall nicht relevant sei.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Die hier relevante Bestimmung des § 15 Abs 6 KollV sei lückenhaft. Diese Lücke könne aber auf Basis der grundsätzlichen Wertung der Kollektivvertragsparteien dahin geschlossen werden, dass dem Arbeitnehmer im Fall seines Verschuldens an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gar kein Urlaubszuschuss gebühre, in allen Fällen einer von ihm unverschuldeten Auflösung des Arbeitsverhältnisses, also auch bei einvernehmlicher Auflösung vor dem Auszahlungszeitpunkt, der aliquote Teil. Nur wenn das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungszeitpunkt am 30. Juni in ungekündigtem Zustand aufrecht sei, erwerbe der Arbeitnehmer mit diesem Tag den Anspruch auf den vollen Urlaubszuschuss. Die Rückverrechnungsregel des § 15 Abs 9 KollV ändere an der grundsätzlichen Aliquotierungsregelung nichts. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen in ihrer vom Senat freigestellten Revisionsbeantwortung , die Revision der Klägerin mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil der Auslegung von Kollektivverträgen regelmäßig – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen (RIS-Justiz RS0109942 [T6]) – eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042819; RS0109942). Dies ist auch hier der Fall. Die Revision der Klägerin ist jedoch nicht berechtigt.

§ 15 des Rahmenkollektivvertrags für Arbeiter in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie lautet:

§ 15 Sonderzahlungen

A. Urlaubszuschuss

(1)  Neben dem gesetzlich geregelten Urlaubsentgelt gebührt den ArbeitnehmerInnen ein Urlaubszuschuss. Zeiten des Arbeitsverhältnisses ohne Entgeltanspruch vermindern nicht den Anspruch auf den Urlaubszuschuss, vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen.

(2)  Der Urlaubszuschuss wird bei Urlaubsantritt ausbezahlt. Wird der Urlaub in zwei Teilen genommen, kann der Urlaubszuschuss anteilsmäßig entrichtet werden. Unabhängig vom Urlaubsantritt kann innerbetrieblich ein für alle ArbeitnehmerInnen einheitlicher Auszahlungszeitpunkt vereinbart werden.

(3)  Der Urlaubszuschuss beträgt 4,35 Wochengrundlöhne, bei eingeführtem Monatslohn 1 Monatsgrundlohn in jedem Dienstjahr.

(4)  Bei Lösung des Arbeitsverhältnisses innerhalb des ersten Dienstjahres und vor Verbrauch des zustehenden Urlaubes wird der entsprechende Anteil des Urlaubszuschusses bezahlt.

(5)  Der Wochengrundlohn (Monatsgrundlohn) ist der Lohn, der sich aus der für den/die ArbeitnehmerIn geltenden wöchentlichen Normalarbeitszeit ergibt. Zum Wochengrundlohn (Monatsgrundlohn) gehören auch die über den kollektivvertraglichen Lohn hinaus gewährten Überzahlungen und laufend gewährte Prämien, insoweit sie nicht Entgelt für Überstundenarbeit oder Aufwandsentschädigung sind. Für Lehrlinge wird die Berechnung der Lehrlingsentschädigung sinngemäß zugrunde gelegt. Zuschläge gem. § 10 dieses Kollektivvertrages und Zulagen gem. § 12 dieses Kollektivvertrages sind in die Berechnung des Wochengrundlohnes (Monatsgrundlohnes) nicht einzubeziehen. Bei Akkord- und Stücklöhnen wird der Urlaubszuschuss nach dem Durchschnitt der letzten 13 Wochen unter Ausscheidung nur ausnahmsweise geleisteter Arbeiten bemessen.

(6)  Anspruch auf den entsprechenden Anteil des Urlaubszuschusses im Sinne des Abs. 4 haben ArbeitnehmerInnen,

a)  deren Arbeitsverhältnis vor Urlaubsantritt vom Arbeitgeber oder ArbeitnehmerIn gekündigt wird;

b)  die gem. § 82 lit. h) der Gewerbeordnung entlassen werden;

c)  die gem. § 82a der Gewerbeordnung austreten.

(7)  ArbeitnehmerInnen, die aus dem Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund (§ 82a der Gewerbeordnung) vorzeitig austreten, oder ArbeitnehmerInnen, die gem. § 82 der Gewerbeordnung (ausgenommen lit. h)) entlassen werden, haben keinen Anspruch auf Urlaubszuschuss.

(8)  Zeiten des Arbeitsverhältnisses ohne Entgeltanspruch vermindern nicht den Anspruch auf Urlaubszuschuss, ausgenommen in den gesetzlich ausdrücklich angeführten Fällen (zB §§ 14 Abs. 4 und 15 Abs. 2 Mutterschutzgesetz, § 10 Arbeitsplatzsicherungsgesetz, § 119 Abs. 3 Arbeitsverfassungsgesetz).

Für Zeiten des ungerechtfertigten Fernbleibens von der Arbeit steht kein Urlaubszuschuss zu. Für Zeiten des freiwillig vereinbarten Entfalls der Arbeitsleistung ohne Entgelt kann der Entfall des Urlaubszuschusses vereinbart werden (ausgenommen für unbezahlten Urlaub für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen i.S. des § 118 Arbeitsverfassungsgesetz über die dort vorgesehene Dauer hinaus). Erhält der/die ArbeitnehmerIn aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften vollen Entgeltersatz (einschließlich Sonderzahlungen), entfällt insoweit der Anspruch gegen den Arbeitgeber.

(9)  Bei Lösung des Arbeitsverhältnisses durch den/die ArbeitnehmerIn bzw. bei Entlassung gem. § 82 der Gewerbeordnung (ausgenommen lit. h)) zu einem Zeitpunkt, in dem der Urlaubszuschuss bereits ausbezahlt wurde, hat der/die ArbeitnehmerIn den zu viel erhaltenen Teil des Urlaubszuschusses entsprechend dem Rest des Dienstjahres zurückzuzahlen. Bei Kündigung durch den Arbeitgeber, vorzeitigem Austritt aus wichtigen Gründen gemäß § 82a der Gewerbeordnung, einvernehmlicher Lösung des Arbeitsverhältnisses und bei Lösung wegen Übertritts in die Pension, entfällt die Rückzahlungspflicht.

(10)  Der Tod des/der ArbeitnehmersIn beseitigt nicht den Anspruch auf jenen Teil der Weihnachtsremuneration, der dem/der Verstorbenen gebührt hätte.

Den Kollektivvertragsparteien ist es grundsätzlich unbenommen, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen zu knüpfen (RIS-Justiz RS0048332). Strittige Fragen hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, der Anspruchshöhe und der Anspruchsdauer sind daher durch Auslegung der jeweiligen kollektivvertraglichen Bestimmungen zu lösen (9 ObA 58/17w ua).

Der normative Teil eines Kollektivvertrags ist gemäß den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen; maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS-Justiz RS0010088). In erster Linie ist dabei der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0010089). Führt der Wortsinn der Bestimmung zu keinem eindeutigen Ergebnis, so ist mittels objektiv-teleologischer Interpretation nach dem Sinn und Zweck zu fragen, den die Regelung vernünftigerweise haben kann (8 ObA 6/15p; 9 ObA 143/15t). Da den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, ist bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RIS‑Justiz RS0008828; RS0008897).

Ob das Fehlen einer kollektivvertraglichen Regelung im Sinne einer Gesetzeslücke zu werten ist, ist im Weg der teleologischen Auslegung zu prüfen (RIS-Justiz RS0070904 [T1]). Weist der Kollektivvertrag eine planwidrige Lücke auf, ist diese entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für die Gesetzesauslegung im Weg der Analogie zu schließen (8 ObA 64/08g; RIS-Justiz RS0008845).

Dazu hat der Senat erwogen:

Nach dem Rahmenkollektivvertrag für Arbeiter in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie gebührt dem Arbeiter neben dem gesetzlich festgelegten Urlaubsentgelt als Sonderzahlung ein Urlaubszuschuss in Höhe von 4,35 Wochengrundlöhne bzw einem Monatsgrundlohn (§ 15 Abschnitt A Abs 1 und 3 KollV) und eine Weihnachtsremuneration in derselben Höhe (§ 15 Abschnitt B KollV). Den Zeitpunkt der Auszahlung des Urlaubszuschusses bestimmt § 15 Abschnitt A Abs 2 Satz 1 und 2 KollV primär mit dem Urlaubsantritt, wobei – wie hier mit Festlegung des 30. Juni erfolgt – auch unabhängig vom Urlaubsantritt ein für alle Arbeitnehmer des Betriebs einheitlicher Auszahlungszeitpunkt vereinbart werden kann (§ 15 Abschnitt A Abs 2 Satz 3 KollV).

Eine allgemeine, also von der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängige, Aliquotierungsregel findet sich nur für die Lösung des Arbeitsverhältnisses innerhalb des ersten Arbeitsjahres, wenn das Arbeitsverhältnis vor Verbrauch des Urlaubs endet (§ 15 Abschnitt A Abs 4 KollV).

Für die weiteren Arbeitsjahre finden sich die maßgeblichen Regelungen zum Anspruch auf Urlaubszuschuss in § 15 Abschnitt A Abs 6 und 7 KollV. § 15 Abschnitt A Abs 6 KollV sieht zunächst vor, dass bestimmte Arbeitnehmer Anspruch auf den aliquoten Anteil des Urlaubszuschusses haben: Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor Urlaubsantritt vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer gekündigt wird,weitersArbeitnehmer,die wegen einer abschreckenden Krankheit oder deshalb entlassen werden, weil sie durch eigenes Verschulden arbeitsunfähig wurden (§ 82 lit h GewO 1859) und schließlich jene Arbeitnehmer,die berechtigt vorzeitig ausgetreten sind (§ 82a GewO 1859).

Demgegenüber pönalisiert § 15 Abschnitt A Abs 7 KollV bestimmte Beendigungsarten. So haben Arbeitnehmer, die aus dem Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig austreten oder die berechtigt entlassen werden (ausgenommen nach § 82 lit h GewO 1859), keinen Anspruch auf Urlaubszuschuss. Diese Gegenüberstellung von Beendigungsarten, die zum einen der Bestimmung des § 15 Abschnitt A Abs 6 KollV und zum anderen jener des § 15 Abschnitt A Abs 7 KollV unterfallen, lassen bereits das von den Kollektivvertragsparteien verfolgte Ziel deutlich erkennen: Bei Vorliegen einer „neutralen“ Beendigungsart soll der Arbeitnehmer den entsprechend der Dauer seines Arbeitsverhältnisses im Kalenderjahr aliquoten Anteil des Urlaubszuschusses erhalten. Hingegen werden Beendigungsarten, die ein sofortiges Ende des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben und die vom Arbeitnehmer verschuldet sind (mit Ausnahme des 2. Falls des § 82 lit h GewO 1859), damit pönalisiert, dass kein Anspruch auf Urlaubszuschuss besteht.

Bestimmte Beendigungsarten, wie etwa die Fälle der unberechtigten Entlassung des Arbeitnehmers, die Beendigung durch Fristablauf und auch die einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses scheinen hingegen weder in Abs 6 noch in Abs 7 des § 15 Abschnitt A KollV auf.

Da § 15 Abschnitt A Abs 6 und 7 KollV erkennbar nur Regelungen für die Beendigung von Dienstverhältnissen vorsehen, die vor dem Urlaubsverbrauch (§ 15 Abschnitt A Abs 4 KollV) bzw vor dem Urlaubsantritt (§ 15 Abschnitt A Abs 2 Satz 1 und 2, Abs 6 KollV) oder– wie hier – vor dem Auszahlungszeitpunkt (§ 15 Abschnitt A Abs 2 Satz 3 KollV) erfolgte oder aber zumindest bereits vor diesen Zeitpunkten feststeht, dass das Arbeitsverhältnis nicht das gesamte Kalenderjahr andauern wird (§ 15 Abschnitt A Abs 6 lit a) KollV), haben die Kollektivvertragsparteien in § 15 Abschnitt A Abs 9 KollV normiert, wie mit dem bereits dem Arbeitnehmer ausbezahlten Urlaubszuschuss in den verschiedenen Fällen der Beendigung des Dienstverhältnisses zu verfahren ist. Konsequent wird zunächst im Fall der schon nach § 15 Abschnitt A Abs 7 KollV pönalisierten Beendigungsart der berechtigten Entlassung (mit Ausnahme jener gemäß § 82 lit h GewO 1859) die Rückzahlung des vom Arbeitnehmer zu viel erhaltenen Urlaubszuschusses (wenn auch nur) entsprechend dem Rest des Arbeitsjahres festgelegt. Diese Rückzahlungspflicht trifft zudem auch den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis (ohne Vertragsbruch) auflöst (§ 15 Abschnitt A Abs 9 Satz 1 KollV). Hingegen soll die Rückzahlungspflicht bei Kündigung durch den Arbeitgeber, bei vorzeitigem Austritt aus wichtigen Gründen gemäß § 82a GewO 1859, bei einvernehmlicher Lösung des Arbeitsverhältnisses und bei Lösung wegen Übertritts in die Pension, entfallen (§ 15 Abschnitt A Abs 9 Satz 2 KollV).

Eine Gesamtschau des § 15 Abschnitt A KollV ergibt nach dem erkennbaren Zweck dieser Bestimmungen und ihrem Zusammenhang für den Fall der vor Auszahlung des Urlaubszuschusses vereinbarten einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses somit folgendes Bild:

Mit den in § 15 Abschnitt A KollV enthaltenen Regelungen verfolgen die Kollektivvertragsparteien ua den Zweck, den Urlaubszuschuss grundsätzlich nur aliquot, also entsprechend der zurückgelegten Dienstzeit im Kalenderjahr zu gewähren. Steht bereits vor dem innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer festgelegten Zeitpunkt fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht das ganze Kalenderjahr andauern wird, haben Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch eine verpönte Beendigungsart endet, im Gegensatz zu Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis durch eine „neutrale“ Beendigungsart endet, keinen Anspruch durch den Urlaubszuschuss, der der Dauer des Arbeitsverhältnisses entsprechen würde. Die Auslegung dieser Bestimmungen, wie sie von der Klägerin vorgenommen wird, dahin, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einvernehmliche Auflösung gegenüber den „neutralen“ Beendigungsarten von den Kollektivvertragsparteien mit der Gewährung des gesamten Urlaubszuschusses privilegiert werden soll, ist mit dem Zweck der Urlaubszuschussregelungen nicht vereinbar. Es liegt daher eine Lücke im Sinn einer planwidrigen Unvollständigkeit vor, die durch Analogie zu schließen ist.

Die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist unzweifelhaft nicht mit einer der in § 15 Abschnitt A Abs 7 KollV erwähnten verpönten Beendigungsarten vergleichbar. Vielmehr hat eine zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbarte einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Charakter einer „neutralen“ Beendigungsart iSd § 15 Abschnitt A Abs 6 KollV. Die Lückenschließung hat daher schon zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einvernehmliche Auflösung einerseits und durch Kündigung des Arbeitnehmers bzw Arbeitgebers (§ 15 Abschnitt A Abs 6 lit a) KollV) andererseits, so zu erfolgen, dass auch im Falle der Vereinbarung der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor Auszahlung des Urlaubszuschusses zum innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer vereinbarten Auszahlungszeitpunkt die Rechtswirkungen des § 15 Abschnitt A Abs 6 KollV eintreten, der Urlaubszuschuss also nur entsprechend der bereits bekannten Dauer des Arbeitsverhältnisses im Kalenderjahr gewährt wird. Dieses Ergebnis wird auch dem von der Revisionswerberin geforderten – sich aus § 15 Abschnitt A Abs 2, 4 und 6 KollV ergebenden – Aspekt des engen Zusammenhangs zwischen dem Urlaubsverbrauch und der Höhe des Urlaubszuschusses (hier beides aliquot) gerecht.

Aus den in der Revision ins Treffen geführten Entscheidungen lässt sich für den gegenteiligen Rechtsstandpunkt der Klägerin nichts gewinnen:

Der Entscheidung 9 ObA 328/98w (betreffend den KV für Angestellte in Rechtsanwaltskanzleien) lag eine erst nach Fälligkeit der Urlaubsremuneration (spätestens am 1. 7.) erfolgte Dienstgeberkündigung zugrunde. In einem derartigen – hier aber nicht vorliegenden – Fall unterliegt auch nach dem Rahmenkollektivvertrag für Arbeiter in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie der bereits erhaltene volle Urlaubszuschuss nicht der Rückzahlungspflicht (§ 15 Abschnitt A Abs 9 Satz 2 KollV). Dies gilt nach ausdrücklicher Anordnung in dieser Kollektivvertragsbestimmung auch für den Fall der einvernehmlichen Lösung des Arbeitsverhältnisses. Der Verweis auf die Entscheidung 8 ObA 221/99d (betreffend den Kollektivvertrag der Oberösterreichischen Ordensspitäler mit Öffentlichkeitsrecht), wonach dem Arbeitnehmer im Falle einer nicht in der Rückverrechnungsanordnung genannten Beendigungsart die volle Sonderzahlung zu belassen sei, steht mit der vorliegenden Entscheidung, die im Übrigen nicht die Frage der Rückzahlung eines bereits für das gesamte Kalenderjahr erhaltenen Urlaubszuschusses betrifft, nicht in Widerspruch. In der Entscheidung 9 ObA 84/13p (betreffend den Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben) wurde im Fall einer vor Fälligkeit der Urlaubsbeihilfe (30. 6.) zum 15. 8. desselben Jahres ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung festgehalten, dass nach dem erkennbaren Zweck der Kollektivvertragsbestimmungen der Anspruch auf Urlaubsbeihilfe am 30. 6. nur in dem der – zu diesem Zeitpunkt bereits feststehenden – Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses entsprechenden aliquoten Ausmaß gebührt. Entgegen der Behauptung der Revisionswerberin wurde die Aliquotierung darin nicht lediglich aufgrund einer ausdrücklichen Rückverrechnungsanordnung für zulässig erklärt. Die Entscheidung 9 ObA 120/16m (betreffend den Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung) bezieht sich auf die für den Anlassfall nicht relevante Frage der Rückzahlungspflicht des gesamten aliquot berechneten Urlaubszuschusses, nachdem das Arbeitsverhältnis durch unberechtigten vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers geendet hat.

Zusammengefasst hat nach dem Rahmenkollektivvertrag für Arbeiter in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie der Arbeitnehmer im Falle einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor dem innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer festgelegten Auszahlungszeitpunkt Anspruch auf den aliquoten, also entsprechend der zurückgelegten Dienstzeit im Kalenderjahr berechneten Anteil des Urlaubszuschusses, auch wenn das Arbeitsverhältnis erst nach diesem Auszahlungszeitpunkt endet.

Der Revision der Klägerin ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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