Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger arbeitete zunächst vom 19. 7. 2004 bis 31. 12. 2004 als „regulärer" Maler- und Anstreicherlehrling bei der beklagten Partei. Dieses Lehrverhältnis wurde zum 31. 12. 2004 vorzeitig aufgelöst. Über Betreiben der Betreuerin des Klägers in BBRZ Kapfenberg absolvierte der Kläger in der Folge in der Zeit vom 1. 1. 2005 bis 18. 7. 2007 eine integrative Berufsausbildung gemäß § 8b Abs 2 Berufsausbildungsgesetz (BAG) im Betrieb der beklagten Partei. Mit der Berufsausbildungsassistenz des BBRZ Kapfenberg wurde ein Katalog von im Rahmen der integrativen Ausbildung zu erreichenden Teilzielen aus dem Gesamtausbildungsziel eines Malerlehrlings ausgewählt. Am 26. 6. 2007 schloss der Kläger die diesbezügliche Abschlussprüfung erfolgreich ab. Nach dem Zeugnis hat der Kläger wesentliche Teile des Lehrberufs eines Malers erlernt. Das Ausbildungsverhältnis wurde aus Mitteln der öffentlichen Hand gefördert. Auf Anraten der Wirtschaftskammer bezahlte die beklagte Partei dem Kläger, mit dem ein bestimmtes Entgelt nicht vereinbart worden war, während der gesamten Zeit der integrativen Ausbildung bis zur Abschlussprüfung jeweils das Gehalt für einen Lehrling im ersten Lehrjahr.
Der Kläger begehrt mit der am 7. 9. 2007 eingebrachten Klage den der Höhe nach unstrittigen Betrag von 1.748,45 EUR brutto an Lohndifferenz für den Zeitraum Jänner 2007 bis 18. 7. 2007 einschließlich der aliquoten Sonderzahlungen samt 11,19 % Zinsen seit 19. 7. 2007. Der anzuwendende Kollektivvertrag (Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe) sehe vor, dass Arbeitnehmer, die eine Vorlehre im Sinn des § 8b BAG absolvieren, im ersten, zweiten und dritten Vorlehrjahr die entsprechende Entlohnung wie Lehrlinge im ersten, zweiten bzw dritten Lehrjahr bekämen. Da die integrative Berufsausbildung die Vorlehre ersetzt habe, habe der Kläger Anspruch auf Lehrlingsentschädigung in der in Abschnitt XX Z 2 des Kollektivvertrags vorgesehenen Höhe.
Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung und wendete ein, dass die Bestimmungen des Abschnitts XX des Malerkollektivvertrags nicht zur Anwendung kämen; sie bezögen sich ausschließlich auf Arbeitnehmer, die eine Vorlehre, die bereits durch BGBl I 2003/79 abgeschafft worden sei, absolviert hätten. Bei der nunmehrigen integrativen Berufsausbildung im Sinn des § 8b BAG sei eine Mindestlehrlingsentschädigung nicht vorgesehen. Auch § 17 BAG, der die Lehrlingsentschädigung regle, sei auf die integrative Berufsausbildung nicht anzuwenden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von 535,40 EUR statt und wies das Mehrbegehren ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat es den Standpunkt, dass eine unmittelbare Anwendung des Abschnitts XX des anzuwendenden Kollektivvertrags nicht in Betracht komme, weil die integrative Berufsausbildung nach Abs 2 des § 8b BAG mit der Vorlehre nicht vergleichbar sei. Gemäß § 17 BAG, der auf das gegenständliche Vertragsverhältnis aber anzuwenden sei, sei es sachgerecht, dem Kläger eine Lehrlingsentschädigung in einer Höhe zuzuerkennen, wie sie in einer Vielzahl von anderen Kollektivverträgen (zB Kollektivvertrag für die Textilindustrie und Metallerkollektivvertrag) für die integrative Berufsausbildung vorgesehen sei. In diesen Kollektivverträgen sei überwiegend das Modell gewählt worden, dass in einem Ausbildungsvertrag über eine Teilqualifizierung nach § 8b Abs 2 BAG grundsätzlich die Lehrlingsentschädigung des ersten Lehrjahres gebühre und sich diese nach einem Jahr um ein Drittel der Differenz zwischen der Lehrlingsentschädigung für das erste Lehrjahr und jener für das zweite Lehrjahr, nach zwei Jahren um ein weiteres Drittel dieser Differenz, erhöhe. Konkret bedeute dies, dass der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bereits im dritten Lehrjahr gewesen sei, Anspruch auf eine monatliche Entschädigung von 437,80 EUR bzw (ab Mai 2007) 456 EUR brutto habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht, hingegen jener des Klägers Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil (mit Ausnahme des Zinsenbegehrens: 11,19 % bloß aus 1.213,05 EUR seit 19. 7. 2007 im gänzlich klagsstattgebenden Sinn ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Abschnitt XX des Kollektivvertrags für das Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe sehe in seiner Z 2 vor, dass Arbeitnehmer, die eine Vorlehre im Sinn des § 8b BAG absolvieren, im ersten, zweiten und dritten Vorlehrjahr die entsprechende Entlohnung wie Lehrlinge im ersten, zweiten bzw im dritten Lehrjahr erhalten. Kollektivverträge seien nach ständiger Rechtsprechung in ihrem normativen Teil nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten, auszulegen. Ob das Fehlen einer kollektivvertraglichen Regelung im Sinn einer Gesetzeslücke zu werten sei, sei im Weg der teleologischen Auslegung zu prüfen. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass der anzuwendende Kollektivvertrag am 1. 5. 2003 in Kraft getreten sei und auf unbestimmte Zeit gelte. Er sei eine Ergänzung und Wiederverlautbarung des Kollektivvertrags vom 25. 8. 1953. § 8b BAG sei mit Wirksamkeit vom 1. 9. 2003 durch BGBl I Nr. 2003/79 grundlegend geändert worden. Eine Reaktion der Kollektivvertragsparteien auf diese Gesetzesänderung sei nicht erfolgt. Wie sich aus den Materialien ergebe, werde in den neugefassten Bestimmungen des § 8b BAG die Grundlage für eine integrative Berufsausbildung für benachteiligte Personen geschaffen. Diese Ausbildung solle entweder als Lehrausbildung mit einer verlängerten Lehrzeit stattfinden oder den betreffenden Personen eine Teilqualifikation vermitteln, die ihnen den Eintritt in den Arbeitsmarkt ermögliche, wenn die Erreichung eines Lehrabschlusses nicht möglich sei. Diese Ausbildung solle die bisher bestehende Vorlehre (bisheriger § 8b BAG) ersetzen. Es sei daher richtig, dass Personen, die eine integrative Berufsausbildung gemäß § 8b Abs 2 absolvierten, auch bei Beendigung ihrer Ausbildung nicht über alle Kenntnisse und Fähigkeiten verfügten, die einem „regulären" Lehrling vermittelt würden. Genau dies treffe aber auch auf die Absolventen der Vorlehre gemäß § 8b BAG idF vor BGBl I 2003/79 zu. Obwohl somit die Absolventen einer Vorlehre lediglich über Kenntnisse und Fähigkeiten eines Lehrlings im ersten Lehrjahr verfügt hätten, seien die Parteien des gegenständlich unstrittig anzuwendenden Kollektivvertrags übereingekommen, dass sie dennoch im zweiten und dritten Jahr der Vorlehre gleich wie „reguläre" Lehrlinge entlohnt werden sollten. Durch die nur einige Monate nach Inkrafttreten des Kollektivvertrags erfolgte Novellierung des § 8b BAG und Ersatz der Vorlehre durch die integrative Berufsausbildung sei eine planwidrige Lücke entstanden, die im Wege der Analogie zu schließen sei. Aus den dargelegten Erwägungen sei Abschnitt XX Z 2 des Kollektivvertrags so auszulegen, dass auch die im Rahmen der integrativen Berufsausbildung Auszubildenden im zweiten und dritten Jahr gleich entlohnt werden sollten, wie es für Absolventen der Vorlehre im zweiten und dritten Jahr vorgesehen gewesen sei. Der der Höhe nach unstrittige Anspruch des Klägers auf Lohndifferenz sei somit berechtigt.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zur Auslegung des anzuwendenden Kollektivvertrags höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege, dieser Frage aber über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Gegen dieses Urteil richtet sich die „außerordentliche" Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag „das Klagebegehren abzuweisen".
Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision (deren Falschbezeichnung gemäß § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO nicht schadet) ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Durch die BAG-Nov 1998 (BGBl I 1998/100) wurde § 8b in das BAG eingefügt und trat am 24. 7. 1998 in Kraft. Der mit „Vorlehre" überschriebene § 8b lautet in dieser Fassung auszugsweise:
„(1) Für den Zeitraum vom Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2002 kann zur Verbesserung der Eingliederung von benachteiligten Jugendlichen mit persönlichen Vermittlungshindernissen in das Berufsleben der Bildungsinhalt des ersten Lehrjahres eines Lehrberufes im Rahmen einer Vorlehre vermittelt werden, um für diese Personen den Antritt eines in der Lehrberufsliste angeführten Lehrberufs oder den Übertritt in einen in der Lehrberufsliste angeführten Lehrberuf zu erleichtern. In eine Vorlehre kann bis einschließlich 31. Dezember 2000 eingetreten werden. Die Definition des Personenkreises von Jugendlichen für die Vorlehre und allfälliger Förderungen erfolgt durch Richtlinien des AMS unter Beiziehung von Berufsausbildungsexperten der Sozialpartner.
(2) Die Bildungsinhalte des ersten Lehrjahres eines Lehrberufs sind in höchstens zwei Jahren zu vermitteln.
(3) Wenn nach absolvierter Ausbildung in einer Vorlehre in den entsprechenden Lehrberuf oder in einen mit diesem Lehrberuf verwandten Lehrberuf eingetreten wird, ist die im Rahmen der Vorlehre zurückgelegte Ausbildungszeit - unbeschadet § 13 Abs 2 lit i - jedenfalls im Ausmaß von sechs Monaten auf die Lehrzeit anzurechnen.
...
(7) Personen, die im Rahmen einer Vorlehre ausgebildet werden, sind hinsichtlich der Berufsschulpflicht und der arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen, insbesondere hinsichtlich § 4 Abs 1 Z 2 ASVG und im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes, BGBl Nr. 376/1967, Lehrlingen gleichgestellt.
Durch das BGBl I 2000/83 wurde die Bestimmung des § 8b über die „Vorlehre" unter anderem dadurch novelliert, dass dem Absatz 1 folgender Satz angefügt wurde:
„Die Höchstdauer von zwei Jahren kann aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Vorlehrberechtigten und dem Vorlehrling bzw dessen gesetzlichen Vertreter um ein weiteres Jahr verlängert werden, wenn dies im Interesse der Ausbildung des Vorlehrlings gelegen ist."
Der Vorlehrling hat - in analoger Anwendung der §§ 17, 17a BAG - Anspruch auf Entgelt. Dieser Anspruch ist unabdingbar. Vorlehrverhältnisse umfassen als Ausbildungsziel die Bildungsinhalte des ersten Lehrjahres eines bestehenden Lehrberufs. Den Vorlehrlingen gebührt daher mindestens die im zur Anwendung gelangenden Kollektivvertrag für das erste Lehrjahr des entsprechenden Lehrberufs festgesetzte Lehrlingsentschädigung für beide Vorlehrjahre, sofern nicht der im konkreten Fall anzuwendende Kollektivvertrag für die Vorlehrverhältnisse ausdrücklich eine davon abweichende Regelung vorsieht. Ist im Kollektivvertrag kein Entgelt für Vorlehrverhältnisse bzw Lehrlingsentschädigung bestimmt, so gilt gemäß § 1152 ABGB ein angemessenes Entgelt vereinbart (Berger/Fida/Gruber BAG § 8b Erl 22; Pichelmayer in ASoK 1999, 28 ff). Eine derartige abweichende Regelung findet sich im hier anzuwendenden Kollektivvertrag (XX 2.) wonach Arbeitnehmern, die eine Vorlehre im Sinn des § 8b BAG absolvieren, im ersten, zweiten und dritten Vorlehrjahr die entsprechende Entlohnung wie Lehrlinge im ersten, zweiten bzw im dritten Lehrjahr erhalten.
Mit der Novelle zum BAG (BGBl I 2003/79) wurde die „Integrative Berufsausbildung" durch Änderung des § 8b BAG geschaffen.
Dieser lautet auszugsweise:
„(1) Zur Verbesserung der Eingliederung von benachteiligten Personen mit persönlichen Vermittlungshindernissen in das Berufsleben kann am Beginn oder im Laufe des Lehrverhältnisses im Lehrvertrag eine gegenüber der für den Lehrberuf festgesetzten Dauer der Lehrzeit (§ 7 Abs. 1 lit. b) längere Lehrzeit vereinbart werden. Die sich aufgrund der Lehrberufsliste ergebende Lehrzeit kann um höchstens ein Jahr, in Ausnahmefällen um bis zu zwei Jahre, verlängert werden, sofern dies für die Erreichung der Lehrabschlussprüfung notwendig ist.
(2) Zur Verbesserung der Eingliederung von benachteiligten Personen mit persönlichen Vermittlungshindernissen in das Berufsleben kann in einem Ausbildungsvertrag die Festlegung einer Teilqualifikation durch Einschränkung auf bestimmte Teile des Berufsbildes eines Lehrberufes, allenfalls unter Ergänzung von Fertigkeiten und Kenntnissen aus Berufsbildern weiterer Lehrberufe, vereinbart werden. In der Vereinbarung sind jedenfalls die zu vermittelnden Fertigkeiten und Kenntnisse und die Dauer der Ausbildung festzulegen. Die Dauer dieser Ausbildung kann zwischen einem und drei Jahren betragen. Ein Ausbildungsvertrag über eine Teilqualifizierung hat Fertigkeiten und Kenntnisse zu umfassen, die im Wirtschaftsleben verwertbar sind.
(3) Die Ausbildung in einer integrativen Berufsausbildung gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 soll vorrangig in Lehrbetrieben durchgeführt werden.
(4) Für die Ausbildung in einer integrativen Berufsausbildung kommen Personen in Betracht, die das Arbeitsmarktservice nicht in ein Lehrverhältnis als Lehrling gemäß § 1 vermitteln konnte und auf die eine der folgenden Voraussetzungen zutrifft:
1. Personen, die am Ende der Pflichtschule sonderpädagogischen Förderbedarf hatten und zumindest teilweise nach dem Lehrplan einer Sonderschule unterrichtet wurden, oder
2. Personen ohne Hauptschulabschluss bzw mit negativem Hauptschulabschluss, oder
3. Behinderte im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes bzw. des jeweiligen Landesbehindertengesetzes, oder
4. Personen, von denen im Rahmen einer Berufsorientierungsmaßnahme oder auf Grund einer nicht erfolgreichen Vermittlung in ein Lehrverhältnis als Lehrling gemäß § 1 angenommen werden muss, dass für sie aus ausschließlich in der Person gelegenen Gründen in absehbarer Zeit keine Lehrstelle im Sinne des § 1 gefunden werden kann.
(5) Die Lehrlingsstelle darf einen Lehrvertrag gemäß Abs. 1 oder einen Ausbildungsvertrag gemäß Abs. 2 nur eintragen, wenn auf die betreffende Person eine der Voraussetzungen gemäß Abs. 4 Z 1 bis 4 zutrifft und wenn das Arbeitsmarktservice diese Person nicht in ein Lehrverhältnis als Lehrling gemäß § 1 vermitteln konnte.
(6) Das Ausbildungsverhältnis im Rahmen einer integrativen Berufsausbildung ist durch die Berufsausbildungsassistenz zu begleiten und zu unterstützen.
...
(10) Zur Feststellung der in einer Ausbildung gemäß Abs. 2 erworbenen Qualifikation kann innerhalb der letzten zwölf Wochen der Ausbildung auch eine Abschlussprüfung im Lehrbetrieb oder in einer sonst geeigneten Einrichtung durchgeführt werden. Diese ist durch einen von der Lehrlingsstelle im Einvernehmen mit dem Landes-Berufsausbildungsbeirat zu nominierenden Experten des betreffenden Berufsbereiches und ein Mitglied der Berufsausbildungsassistenz durchzuführen. Anhand der vom Ausbildungsvertrag umfassten Vereinbarung über die Ausbildungsinhalte und Ausbildungsziele ist bei der Abschlussprüfung festzustellen, welcher Ausbildungsstand erreicht und welche Fertigkeiten und Kenntnisse erworben wurden. Die Lehrlingsstelle hat darüber ein Abschlussprüfungszeugnis auszustellen. Gegebenenfalls hat die Lehrlingsstelle im Abschlussprüfungszeugnis zu bestätigen, dass wesentliche Teile eines Lehrberufes erlernt wurden.
...
(12) Wurde im Rahmen einer Ausbildung gemäß Abs. 2 sowohl das Ausbildungsziel des Abs. 10 im Sinne einer erfolgreichen Ablegung der Abschlussprüfung als auch das berufsfachliche Bildungsziel der ersten Schulstufe der Berufsschule erreicht, so ist bei einer anschließenden Ausbildung in einem Lehrberuf gemäß § 1 oder in einem Lehrberuf gemäß Abs. 1 zumindest das erste Lehrjahr auf die Dauer der Lehrzeit des betreffenden Lehrberufes anzurechnen, sofern nicht eine Vereinbarung zwischen dem Lehrberechtigten und dem Lehrling über eine weitergehende Anrechnung vorliegt.
(13) Im Übrigen gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sinngemäß.
...
(22) Personen, die eine integrative Berufsausbildung gemäß den Bestimmungen der Abs. 1 bis 21 absolvieren, gelten als Lehrlinge im Sinne des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes, BGBl. Nr. 376/1967, im Sinne des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, im Sinne des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes (IESG), BGBl. Nr. 324/1977 und im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Dies gilt weiters für Personen, die sich in einer diesen Ausbildungen vorgelagerten Berufsorientierungsmaßnahme befinden, bis zum Ausmaß von sechs Monaten einer solchen Berufsorientierungsmaßnahme. Personen, die im Rahmen einer integrativen Berufsausbildung gemäß Abs. 1 ausgebildet werden, sind hinsichtlich der Berufsschulpflicht Lehrlingen gleichgestellt. Für Personen, die im Rahmen einer integrativen Berufsausbildung gemäß Abs. 2 ausgebildet werden, besteht nach Maßgabe der Festlegungen gemäß Abs. 8 die Pflicht bzw das Recht zum Besuch der Berufsschule."
Den Gesetzesmaterialien (EBRV 109 Blg 22. GP 7 f) lässt sich dazu entnehmen:
„Ziel der neu gefassten Bestimmungen des § 8b ist es, im Berufsausbildungsgesetz die Grundlage für eine integrative Berufsausbildung für benachteiligte Personen zu schaffen. Diese Ausbildung soll entweder als eine Lehrausbildung mit einer verlängerten Lehrzeit stattfinden oder den betreffenden Personen eine Teilqualifikation vermitteln, die ihnen den Eintritt in den Arbeitsmarkt ermöglicht, wenn die Erreichung eines Lehrabschlusses nicht möglich ist. Diese Ausbildung soll die bisher bestehende Vorlehre (bisheriger § 8b) ersetzen. ...
Im Fall der Ausbildung von Jugendlichen bei Lehrberechtigten gelten die Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes und damit auch § 17 BAG sinngemäß. ...
Die Bestimmungen über die integrative Berufsausbildung sollen vorerst bis Ende 2008 befristet und die Maßnahmen und ihre Auswirkungen einer Evaluierung unterzogen werden".
Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass Kollektivverträge nach ständiger Rechtsprechung in ihrem normativen Teil nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten (§§ 6, 7 ABGB), auszulegen sind (RIS-Justiz RS0008782; RS0010088). Bei der Auslegung einer kollektivvertraglichen Norm darf den Kollektivvertragsparteien zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interesses herbeiführen wollten (RIS-Justiz RS0008897).
Vergleicht man nun die gesetzliche Regelung der „Vorlehre" mit jener der „integrativen Berufsausbildung" und berücksichtigt man, dass die von Punkt XX 2. des hier anzuwendenden Maler-KV ausdrücklich erfasste Vorlehre lediglich jene Bildungsinhalte vermittelte, die für die Ausbildung im ersten Lehrjahr eines Lehrberufs vorgeschrieben waren, die Kollektivvertragsparteien aber dennoch die „Vorlehrlinge" entgeltmäßig den „regulären" Lehrlingen gleichstellten, so ist mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, dass insoweit eine planwidrige Lücke vorliegt, die im Weg der Analogie in der Form zu schließen ist (RIS-Justiz RS0008845), dass (unter Anwendung der nachstehenden Auslegungsgrundsätze) nach Punkt XX 2. des hier anzuwendenden Kollektivvertrags auch Arbeitnehmer, die eine „integrative Berufsausbildung" absolvieren, entgeltmäßig den „regulären" Lehrlingen gleichgestellt werden. Das Problem der von der Rechtsmittelwerberin angeschnittenen „dynamischen Verweisung" (vgl RIS-Justiz RS0050838; RS0050859) stellt sich somit nicht.
Soweit die Rechtsmittelwerberin weiters die Auffassung vertritt, dass sich aus § 8b Abs 21 ergäbe, dass die §§ 17 und 18 BAG im Gegensatz zur Vorlehre nicht anzuwenden seien, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich Abs 21 leg cit lediglich auf die Inhaber einer Bewilligung nach Abs 15 leg cit und damit ausdrücklich nur auf besondere selbstständige Ausbildungseinrichtungen bezieht, die weder von einem Lehrberechtigten geführt werden, noch in § 29 leg cit angeführte Anstalten sind. Aus den oben zitierten Gesetzesmaterialien ergibt sich aber klar, dass für Personen, die diese Ausbildung bei Lehrberechtigten absolvieren, die Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes und damit auch § 17 BAG sinngemäß gelten.
Die Argumentation der Rechtsmittelwerberin schließlich, dass eine Entlohnung des Klägers wie im dritten Lehrjahr schon deshalb nicht in Betracht komme, weil er mehr erhalten würde als jemand, der nach dem zweiten Jahr einer integrativen Berufsausbildung tatsächlich einen Lehrvertrag abschließe, ist nicht nachvollziehbar, zumal die gegenständliche kollektivvertragliche Bestimmung - die wie ausgeführt auch auf die „integrative Berufsausbildung" anzuwenden ist - ausdrücklich vorsieht, dass Zeiten einer vorangegangenen Vorlehre im selben Beruf (und damit auch einer integrativen Berufsausbildung) für die Höhe der Entlohnung anzurechnen sind.
Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Die klagende Partei hat von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand genommen.
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