European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00012.17Y.0928.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger ist bei der Beklagten als Pilot tätig. Auf das Dienstverhältnis kam der Kollektivvertrag für das Bordpersonal der T***** (VO-KV Bord) sowie der Zusatzkollektivvertrag „Sparpaket 2010 bis 2015“ (VO‑Zusatz-KV Bord Sparpaket) zur Anwendung.
Der Zusatzkollektivvertrag VO-Zusatz-KV Bord Sparpaket war bis zum 30. 4. 2015 befristet. Für seinen Geltungszeitraum (1. 5. 2010–30. 4. 2015) sah er den Abzug eines Krisenbeitrags von 5 % des Grundgehalts und der Flugzulage bei Kapitänen und einen Abzug eines Krisenbeitrags von 2,6 % des Grundgehalts und der Flugzulage bei Co-Piloten vor.
Pkt 10.2. des VO-Zusatz-KV Bord Sparpakets lautet: „Sollten eine oder mehrere der anderen Personalkörperschaften der A***** Group (A*****, L*****, T*****) bis spätestens 31. 3 .2011 nur einen in der Relation geringeren als den hier für das fliegende Personal der T***** vereinbarten oder gar keinen Sparbeitrag vereinbart haben, tritt dieser Zusatzkollektivvertrag mit Wirkung 'ex tunc' außer Kraft und es sind die gehaltsrechtlichen Punkte 5 bis 7 rückabzuwickeln. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter finanziell so zu stellen sind, wie sie stünden, wenn die Punkte 5 bis 7 nicht vereinbart worden wären.“
Der Kläger bringt vor, dass die Bedingung des Pkt 10.2. des VO-Zusatz-KV Bord Sparpakets nicht erfüllt worden sei und begehrt die Zahlung der ihm auf Basis des Kollektivvertrags abgezogenen „Krisenbeiträge“.
Die Beklagte bestreitet.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Bereits zu 9 ObA 63/17f war vom Obersten Gerichtshof ein vergleichbarer Sachverhalt zu beurteilen und wurde darauf verwiesen, dass sich aufgrund der Feststellungen die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen tatsächlich nicht stellen. Dies trifft im Wesentlichen auch auf die vorliegende Rechtssache zu.
1. Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung von der Feststellung des Erstgerichts ausgegangen, dass nicht festgestellt werden könne, dass eine oder mehrere andere Personalkörperschaften der A***** Group einen in der Relation geringeren Sparbeitrag als das fliegende Personal der T***** erbracht hätte. Tatsächlich hätten alle fünf Personalkörperschaften der A***** Group auf der Basis der abgeschlossenen Zusatzkollektivverträge ca 5 % der Personalvollkosten innerhalb von fünf Jahren eingespart. Daraus hat es geschlossen, dass es dem Kläger nicht gelungen sei, die Voraussetzungen für das Eingreifen der rückwirkenden Außerkrafttretens- und Rückabwicklungsbestimmung zu beweisen.
Damit ist aber nicht die Auslegung des Kollektivvertrags, sondern die Frage, ob nach den Feststellungen die Voraussetzungen für ein Außerkrafttreten nach Pkt 10.2. des VO-Zusatz-KV Bord Sparpakets erfüllt sind, zu beurteilen. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist aber regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0118891).
Wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, dass diese Feststellungen einander nicht ausschließen, sondern ergänzen, und keinen Widerspruch zu den im Urteil dargestellten Einsparungen der jeweiligen Personalkörperschaften ortet, weil aus einer isolierten Einzelbetrachtung kein Schluss auf das Gesamtvolumen der Einsparungen gezogen werden kann, ist das nicht korrekturbedürftig.
Aufgrund der positiven Feststellung zum Erreichen des Einsparungsziels kommt es zu dieser Frage nicht auf die Beweislast bzw die Nähe zum Beweis an (RIS‑Justiz RS0039903, RS0039904).
2. Dass einzelne der von den jeweiligen Personalkörperschaften vereinbarten Sparmaßnahmen nicht in Gehaltsreduktionen bestanden, sondern die Personalkosten auf andere Weise gesenkt wurden, ändert letztlich nichts am Erreichen des Sparziels. Der Kollektivvertrag selbst schreibt keine konkreten Maßnahmen vor, wie dieses Ziel von den einzelnen Personalkörperschaften zu erreichen ist.
3. Die Gestaltungsfreiheit der Kollektivvertrags‑ parteien findet ihre Schranke in der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, vor allem in der Konkretisierung der wertausfüllungsbedürftigen Generalklauseln des Zivilrechts (insbesondere § 879 ABGB; RIS-Justiz RS0018063 [T4]; 9 ObA 146/12d). Die Kollektivvertragsparteien sind bei der Gestaltung des Kollektivvertrags daher auch an den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gebunden (RIS-Justiz RS0038765). Dabei darf aber auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass den Kollektivvertragsparteien ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum sowohl hinsichtlich der angestrebten Ziele als auch der zur Zielerreichung eingesetzten Mittel zusteht (8 ObA 19/06m mwN; 8 ObA 32/11f).
Wenn die Revision der Beklagten vorwirft, gegenüber neu eingetretenen Mitarbeitern, weil sie fälschlicherweise von einer Unanwendbarkeit der entsprechenden Kollektivverträge ausgegangen sei, die vereinbarten Sparmaßnahmen nicht mehr angewendet zu haben, zeigt sie damit keine Gleichheitswidrigkeit der kollektivvertraglichen Regelung auf, sondern allenfalls dessen unrichtige Anwendung. Inwieweit daraus auf eine mangelnde sachliche Rechtfertigung des gesamten Sparpakets geschlossen werden kann, lässt die Revision offen.
4. Nach dem arbeitsrechtlichen Gleich-behandlungsgrundsatz ist der Arbeitgeber verpflichtet, einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich, also ohne sachliche Rechtfertigung, schlechter zu behandeln als die übrigen (RIS‑Justiz RS0060204). Dabei steht nach der Rechtsprechung die Prüfung im Vordergrund, ob der Behandlung bessergestellter Arbeitnehmer ein erkennbares generalisierendes Prinzip – bei dessen Bestimmung der Arbeitgeber grundsätzlich im gesetzlichen und kollektivvertraglichen Rahmen frei ist – zu Grunde liegt, von dem der Arbeitgeber im Einzelfall willkürlich oder ohne sachlichen Grund abgewichen ist und dem Einzelnen das vorenthält, was er anderen zubilligt (RIS-Justiz RS0060204 [T5]).
Nach ständiger Rechtsprechung bedarf es aber für den Nachweis einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auch des Nachweises, dass ein Dienstnehmer gegenüber anderen Dienstnehmern, die in einer vergleichbaren Situation stehen, benachteiligt wurde (RIS‑Justiz RS0016815 [T1]; RS0016829).
Die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes findet in den Bestimmungen von Gesetzen, Kollektivverträgen, Arbeitsordnungen und Besoldungsordnungen ihre Grenze (RIS-Justiz RS0016684).
Das Berufungsgericht hat eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Geleichbehandlungsgrundsatzes verneint, weil in allen Personalkörperschaften gleichermaßen gespart wurde. Die Revision verweist dazu letztlich nur darauf, dass es zu einer Ungleichbehandlung gegenüber ab 1. 7. 2012 eingetretenen Mitarbeitern gekommen sei. Soweit sie sich damit auf die Gleichstellung von FlugbegleiterInnen mit und ohne Diplom bezieht, legt die Revision nicht dar, inwiefern die Situation des Klägers, der Pilot ist, mit diesen Arbeitnehmern vergleichbar ist. Sofern sich die Ausführungen auf die nach diesem Stichtag für andere Mitglieder des Bordpersonals bezahlten ungekürzten Pensionsbeiträge beziehen, sind solche nicht klagsgegenständlich. Eine Unwirksamkeit des gesamten VO-Zusatz-KV Bord Sparpaket lässt sich daraus jedenfalls nicht ableiten.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Kläger zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf ein Zurückweisungsbeschluss gemäß § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO nicht.
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