European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00059.17B.0927.000
Spruch:
Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Der Oberste Gerichtshof ist nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (RIS-Justiz RS0002399 [T2]; RS0043414 [T14]). Fragen der Beweiswürdigung und bereits im Berufungsverfahren erfolglos geltend gemachte Verfahrensmängel erster Instanz können an den Obersten Gerichtshof nicht herangetragen werden (RIS-Justiz RS0042903 [T2, T7, T8, T10]; RS0069246 [T1, T2]; RS0043414 [T11]; RS0042963).
1.2. Ausgehend von der für den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachengrundlage zeigt die Beklagte in ihrer Revision keine erheblichen Rechtsfragen auf, indem sie zum einen ihr Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausführt, soweit sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, und zum anderen die tatsächlich getroffenen (nicht ihrem Prozessstandpunkt entsprechenden) Feststellungen insbesondere zur Anschaffung des dem Kläger bei einem Einbruch gestohlenen Heimkinoprojektors und zur Sicherstellung der Wiederbeschaffung eines Ersatzgeräts anzugreifen versucht.
2.1. Keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens im Sinne des § 503 Z 2 ZPO bei der Entscheidung von Beweiswürdigungsfragen liegt vor, wenn in der Begründung der Entscheidung ein Umstand nicht erwähnt wurde, der hätte erwähnt werden können, oder eine Erwägung nicht angestellt wurde, die hätte angestellt werden können (RIS-Justiz RS0040165; vgl RS0043162). Eine bloß mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden (RIS-Justiz RS0043371). Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mängelfrei, wenn es sich mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS‑Justiz RS0043150).
2.2. Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht setzte sich sowohl mit den allgemeinen beweiswürdigenden Überlegungen des Erstgerichts als auch mit den in der Berufung ins Treffen geführten Argumenten auseinander.
3.1. Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit dem Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu (RIS-Justiz RS0116978). Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, im Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen hat, und– bei grob fahrlässiger Begehung einer Obliegenheitsverletzung – die Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung und den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung einen Einfluss gehabt hat (RIS-Justiz RS0081313; RS0116979).
3.2. Die Vorinstanzen sind vom Sachverhalt ausgegangen, dass der Kläger bei ihm vorhandene Unterlagen vorlegte, nicht alle ihm abverlangten Kaufunterlagen auffinden konnte und diesbezüglich den Verkäufer einschaltete. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der Kläger damit seiner Aufklärungsobliegenheit nachgekommen ist, hält sich im Rahmen der Judikatur. Dass die Ausstellung von personalisierten Rechnungen oder die Aufbewahrung von Kaufbelegen als Obliegenheit vor dem Versicherungsfall vereinbart worden wäre, wurde weder vorgebracht noch festgestellt. Dass es sich beim Lieferanten des Klägers um einen zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses Bevollmächtigten gehandelt hätte, steht nicht fest, ebenso wenig, dass dem Kläger schuldhafte eigene Versäumnisse bei der Beischaffung von Unterlagen von seinem Lieferanten anzulasten wären.
3.3. Erteilt der Versicherungsnehmer Auskünfte, die dem Versicherer aber nicht genau genug sind, so hat er konkret zu sagen, worauf es ihm ankommt (RIS‑Justiz RS0105784 [T3]); die Auskunftspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0080191). Die Einschätzung der Vorinstanzen, der Kläger habe mangels konkreter Darlegung durch die Beklagte, aus welchen Gründen eine wiederholte Tatortbesichtigung Monate nach dem Einbruch (obwohl unstrittigermaßen polizeiliche Ermittlungen ebenfalls Monate davor abgeschlossen waren) erfolgen sollte, keine Obliegenheitsverletzung zu verantworten, ist im vorliegenden Einzelfall vertretbar.
4.1. Die strenge Wiederherstellungsklausel stellt eine Risikobegrenzung dar (RIS-Justiz RS0081840; RS0081460), mit der sichergestellt werden soll, dass der Versicherungsnehmer die Versicherungssumme nicht für frei bestimmbare Zwecke verwendet (RIS-Justiz RS0120711 [T2]). Im Versicherungsfall entsteht zunächst nur ein Anspruch auf den Zeitwert, der Restanspruch auf den Neuwert hängt von der Wiederherstellung oder deren (fristgerechter) Sicherung ab (RIS-Justiz RS0120710). Grundsätzlich kann eine 100%‑ige Sicherheit nicht verlangt werden, sondern es muss ausreichen, wenn angesichts der getroffenen Vorkehrungen keine vernünftigen Zweifel an der Durchführung der Wiederherstellung bestehen (RIS-Justiz RS0112327, RS0119959). Wann die Verwendung gesichert ist, ist nach Treu und Glauben zu entscheiden (RIS-Justiz RS0081868) und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0120711; 7 Ob 262/05p).
4.2. Der Kläger erstattete fünf Tage nach Ablauf der Frist zur Sicherstellung (gemäß Art 6.5 ABH 2010 ein Jahr nach dem Schadensfall) einen Verfahrensschriftsatz, mit welchem er Urkunden über die mehr als zwei Wochen zuvor erfolgte unwiderrufliche Bestellung und Anzahlung eines Ersatzgeräts vorlegte. Dieser Schriftsatz wurde am letzten Tag einer vom Erstgericht den Parteien in einer Tagsatzung gesetzten achtwöchigen Frist zur Bekanntgabe erstattet, ob in Vergleichsgesprächen eine Einigung sowohl zu Tat- als auch zu Rechtsfragen erzielt worden sei, wobei die Frage der Wiederbeschaffung Thema des widerstreitenden Vorbringens gewesen und in derselben Tagsatzung erörtert worden war. Eine – auch im Schriftsatz angesprochene – Kontaktaufnahme des Klagevertreters zum Beklagtenvertreter war zudem nach den diesbezüglich unstrittigen Urkunden bereits zwei Wochen zuvor (also innerhalb der Jahresfrist) von einer Übermittlung der erwähnten Bestellunterlagen begleitet gewesen.
Unter diesen Umständen des Einzelfalls (insbesondere der Vergleichsgespräche) ist die Einschätzung vertretbar, dass der Revisionswerberin – auch vor dem von ihr selbst erkannten Hintergrund, dass der Grundsatz von Treu und Glauben das Versicherungsverhältnis in besonderem Maß beherrscht (RIS-Justiz RS0018055) – fristgerecht die Sicherstellung der Wiederbeschaffung nachgewiesen wurde.
4.3. Ist aber die Wiederbeschaffung einmal ausreichend sichergestellt, wird der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Bezahlung des Neuwerts fällig. Dieser fällig gewordene Anspruch besteht auch dann, wenn sich später herausstellen sollte, dass trotz Sicherstellung in der Folge die Wiederbeschaffung unterbleibt (RIS‑Justiz RS0121821). Auch insofern halten sich die Entscheidungen der Vorinstanzen im Rahmen der Rechtsprechung, ohne dass es auf eine Begründung des Berufungsgerichts für einen späteren – die Beklagte insofern nicht belastenden – Zinsenlaufbeginn ankäme.
5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)