European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00074.17I.0628.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Verletzung der festen Geschäftsverteilung stellt einen relativen Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO dar (vgl RIS‑Justiz RS0039916). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs begründet die Geltendmachung einer Nichtigkeit eine erhebliche Rechtsfrage nur dann, wenn der Nichtigkeitsgrund auch tatsächlich gegeben ist (RIS‑Justiz RS0043067 [T1, T2]). Das ist hier nicht der Fall.
Der Verfassungsgrundsatz (Art 83 Abs 2 B‑VG), dass niemand „seinem gesetzlichen Richter entzogen werden“ darf, besagt nur, dass die gesetzlich oder geschäftsverteilungsmäßig festgelegte Zuständigkeit der Gerichte nicht im einzelnen Fall durch eine Verfügung der Organe der Regierung willkürlich abgeändert werden darf (RIS‑Justiz RS0053622 [T3, T4]).
Nach Art 87 Abs 3 B‑VG sind die Geschäfte für die Richter des ordentlichen Gerichts für eine bestimmte Zeit im Voraus zu verteilen. Aus dem Prinzip der Vorausverteilung ergibt sich, dass die Zuteilung der Akten aufgrund genereller Regeln nach eindeutigen, starren und abstrakten Merkmalen erfolgen muss (3 Ob 188/14i mwN = SZ 2015/8, dazu Piska [insofern zustimmend] und Wieser, Feste Geschäftsverteilung wackelt im Überlastungsfall, ecolex 2015, 771 [772]). Die Geschäftsverteilungen haben alle innergerichtlichen Zuständigkeiten allgemeinverbindlich festzulegen, also vorauszubestimmen, welcher richterliche Organwalter welche anfallende Rechtssache zu erledigen hat. Ziel ist, eine individuelle Zusammensetzung der Rechtsprechungskörper zu verhindern. Daher darf nicht neben der Geschäftsverteilung im Einzelfall ein weiterer Zuordnungsakt eingeschoben werden; die Zuordnung muss sich schon aus der generellen Anordnung selbst ergeben (1 Ob 46/89 = SZ 63/24; 3 Ob 188/14i = SZ 2015/8, jeweils mwN; RIS‑Justiz RS0053569 zu „überbesetzten“ Senaten; Storr, in Kneihs/Lienbacher, Rill ‑ Schäffer ‑Kommentar Bundes-verfassungsrecht [14. Lfg 2014] Art 87 B‑VG Rz 22, S 31).
Die Verteilung ziviler Rechtsmittelsachen auf die Gerichtsabteilungen nach dem laufenden Anfall („Zuteilungsrad“) verstößt grundsätzlich nicht gegen den in Art 87 Abs 3 B‑VG festgelegten Grundsatz der festen Geschäftsverteilung, weil es sich um ein objektives und nachvollziehbares Kriterium handelt (1 Ob 36/13w unter Hinweis auf VfGH U 5/08 = VfGHSlg 18.594 = migraLex 2009, 23 [Funk]: Aufteilung der Rechtssachen nach dem Prinzip des Belastungsausgleichs; ebenso Danzl, Geo7 § 17 [Stand 15. 3. 2017] Anm 7 aE). Die Aufteilung von Rechtssachen zu den einzelnen Senaten und Richtern nach dem zeitlichen Einlangen widerspricht damit nicht dem Grundsatz der festen Geschäftsverteilung, soweit die Geschäftsverteilung selbst eine Regelung darüber trifft, welche Rechtssachen als gleichzeitig zu behandeln und wie die als gleichzeitig eingelangt geltenden Akten untereinander zu reihen sind (4 Ob 114/13p; RIS‑Justiz RS0053560; ebenso Storr aaO).
Diesen Grundsätzen entspricht die im vorliegenden Fall von der Klägerin beanstandete Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Wien betreffend die Zuständigkeit des Rechtsmittelsenats 2. Im Berufungsverfahren ergab sich die Zuordnung zu diesem Senat aus der Geschäftsverteilung selbst, die eine generelle Regelung der Zuteilung der Akten nach eindeutigen, starren und abstrakten Merkmalen vorsieht. Die Verteilung der Akten erfolgt in der Reihenfolge des Einlangens, bei gleichzeitigem Anfall mehrerer Akten nach der alphabetischen Reihenfolge der Zunamen der Rechtsmittelwerber, bei mehreren Rechtsmittelwerbern in einer Rechtssache ist der nach dem Alphabet erste Zuname entscheidend. Eine willkürliche Zuordnung ist mit dieser Regelung ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht der Klägerin enthält die Geschäftsverteilung also eine Regelung, wie die als gleichzeitig eingelangt geltenden Akten untereinander zu reihen sind. Auf einer Fehlinformation des von ihr beigezogenen Privatgutachters dürfte dessen Annahme basieren, dass nicht der physische Gerichtsakt, sondern „ein über web‑ERV eingebrachter Akt in der Einlaufstelle eintrifft“. Letzteres trifft aktuell nicht zu. Da die Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Wien im Zeitpunkt des Einlangens der Berufung der Klägerin so hinreichend bestimmt festlegte, dass die Zuständigkeit des Senats 2 eindeutig festgestellt werden kann, begründet diese – entgegen der durch ein Privatgutachten untermauerten Meinung der Klägerin – keine Nichtigkeit des Berufungsverfahrens.
2.1. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, kann nur dann eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936). Das ist hier nicht der Fall.
2.2. Zutreffend ist die Rechtsansicht der Klägerin, dass der zu beurteilende „Development‑Vertrag“ (Projekt‑Entwicklungsvertrag) ein Vertrag sui generis ist. Er enthält Elemente eines Werkvertrags, aber auch eines Dienstvertrags (6 Ob 251/02h). Der abgeschlossene „Development‑Vertrag“ enthält keinen konkreten Auftrag der Beklagten‑ an die Klagsseite auf Erbringung bestimmter entgeltlicher Leistungen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe zur wirtschaftlichen Bedeutung dieses Vertrags selbst vorgebracht, dass es um ihre Beteiligung am Erfolg des von ihr akquirierten Projekts gegangen sei, der Vertrag auch eine ausdrückliche Regelung für den Fall des Unterbleibens jeglicher Projektrealisierung enthalte (im Sinne der Möglichkeit der Klägerin, die Projektliegenschaft zu erwerben, worauf das Klagebegehren nicht gerichtet sei) und der Klägerin der Anspruch auf das volle „Developer‑Honorar“ angesichts der bislang nicht einmal ansatzweise abgeschlossenen Projektrealisierung nicht zustehe, ist zumindest vertretbar.
Der von der Klägerin gestützt auf § 920 ABGB begehrte Nichterfüllungsschaden setzt ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten oder ein von dieser zu vertretendes zufälliges Unmöglichwerden voraus. Solches vermag sie aber nicht aufzuzeigen. Sie bekämpft nicht näher die Darlegungen des Berufungsgerichts, dass für die Beklagte keine Verpflichtung zur Projektrealisierung bestand, sodass das volle „Developer‑Honorar“ auch nicht im Wege des Schadenersatzes zusteht.
2.3. Zur Fälligkeit der zweiten Teiltranche von 250.000 EUR vereinbarten die Streitteile, „sollte die [Beklagte] nicht innerhalb von 18 Monaten nach Ankauf ein Projekt zum Gebietsbaubeschluss einreichen, ist die [Klagsseite] berechtigt, die zweite Hälfte des Mindestdeveloperhonorars abzurechnen“. Ein rechtsgültiger Gebietsbaubeschluss, der grundsätzlich Fälligkeits-voraussetzung ist, liegt nicht vor. Ausnahmsweise soll die Fälligkeit bereits dann eintreten, wenn die Beklagte die 18 Monate Frist für die Projekteinreichung verstreichen lässt.
Im Vertrag ist nicht darauf Bedacht genommen worden, wie bei Verzögern oder Scheitern des Entwicklungsprojekts vorzugehen ist, wenn dies nicht von der Beklagtenseite zu vertreten ist. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach § 914 ABGB, die immer dann nach der Übung des redlichen Verkehrs stattzufinden hat, wenn nicht eindeutig feststeht, was die Parteien in den im Vertrag nicht ausdrücklich vorgesehenen Fällen gewollt hätten (RIS‑Justiz RS0017899), hat das Berufungsgericht auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu üblichen Pönalabreden im Bauwesen abgestellt, wonach vom Besteller zu vertretende Verzögerungen der Leistungsfrist über das übliche Maß, wodurch der Zeitplan „über den Haufen geworden wird“, dazu führen, dass es dann keine verbindliche Fertigstellungsfrist mehr gibt und die Vertragsstrafenregelung damit hinfällig wird (RIS‑Justiz RS0111948). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der „Development‑Vertrag“ die Grundstücksarrondierung als zentrale Projektvoraussetzung vorgesehen habe, die Beklagte also bei Einschätzung des Zeitbedarfs für die Projekteinreichung die Kostenfreiheit in Ansehung von Flächentausch und Straßenerrichtung zugrunde legen habe dürfen, das unerwartete Hinzutreten dieser Kostenfaktoren grundlegend neue Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit des Projekts und dessen näherer Ausgestaltung erfordert habe, hiedurch der Zeitplan „über den Haufen geworden“ worden sei, und dieser Umstand der Sphäre der Klagsseite als bisheriger „Developerin“ zugehöre, sodass es – unabhängig vom Ausmaß der Fristverfehlung und diesbezüglich monierter Feststellungsmängel – an der richtig verstandenen Fälligkeitsvoraussetzung für den in Rede stehenden Anspruchsteil fehle, ist jedenfalls nicht zu beanstanden. Dass diesem Honorarteil konkrete Leistungen der Klägerin zugrunde liegen, vermag sie in der Revision nicht näher darzulegen.
3. Der Verweis in der Revision auf Ausführungen in der Berufung ist unzulässig und damit unbeachtlich. Jede Rechtsmittelschrift ist ein in sich geschlossener selbständiger Schriftsatz und kann nicht durch die Bezugnahme auf den Inhalt anderer in derselben oder einer anderen Sache erstatteter Schriftsätze ersetzt oder ergänzt werden (RIS‑Justiz RS0007029; RS0043616).
4. Die behaupteten sekundären Feststellungsmängel sind für die rechtliche Beurteilung nicht von Relevanz.
5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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