OGH 6Ob251/02h

OGH6Ob251/02h7.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Adolf Concin ua Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Christian E*****, vertreten durch Tusch-Flatz-Dejaco, Anwaltspartnerschaft in Feldkirch, wegen 14.941,53 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. Mai 2002, GZ 2 R 59/02x-33, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 17. Dezember 2001, GZ 7 Cg 184/00d-28, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 875,34 EUR (darin 145,89 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das klagende Unternehmen befasst sich unter anderem im Bereich der Medizintechnik mit der Entwicklung und Steuerung elektronischer Geräte und wollte für die Reinigung und Sterilisation von Zahnarztinstrumenten ein völlig neues, am Markt noch nicht befindliches Gerät entwickeln, das die Funktionen des Reinigens, der Desinfektion und des Sterilisierens in einem Gerät zusammenzieht und automatisiert. Für diese Arbeitsvorgänge werden derzeit noch zwei Geräte benötigt. Die Klägerin setzte sich mit dem Beklagten, der auf dem Gebiet des Sondermaschinenbaus selbständig tätig ist, in Verbindung. Die Parteien schlossen am 1. 10. 1997 einen von der Klägerin formulierten "Entwicklungsvertrag" samt Anhang, der nähere Ausführungen über das zu entwickelnde Gerät und die gemeinsam durchzuführenden Entwicklungsarbeiten enthält. Für die Durchführung der Arbeiten war die Führung eines Pflichtenheftes und die Einhaltung von im Zuge der Entwicklung gemeinsam zu erarbeitenden sogenannten "Meilensteinen" vorgesehen. Es wurden gegenseitige Informationspflichten und regelmäßige Kontakte der Entwicklungspartner vereinbart. § 9 des Entwicklungsvertrages enthält eine Haftungsregelung:

"1) Die Vertragspartner haften einander nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Eine Haftung für Folgeschäden (mit Ausnahme von Abs 2) ist ausgeschlossen.

2) Die in Abs 1 genannten Haftungsbeschränkungen gelten nicht bei Verletzung zugesicherter Termine, Entwicklungsergebnisse und bei Zahlungspflichten. Die Schadenersatzhöhe ist auf ein Viertel des Auftragswertes beschränkt.

Die Entwicklung wird durch Abnahme des Prototpyen durch A***** abgeschlossen. Bei Terminüberschreitung und zugesicherten Entwicklungsergebnissen gilt Folgendes als vereinbart:

A***** setzt eine angemessene Nachfrist. Wird auch diese überschritten, so wird je angefangener Woche ein Zehntel der Vertragssumme fällig (bis zu einem Viertel des Auftragswertes) ...". Die Klägerin war für alle mit der Elektrik oder Elektronik zusammenhängenden Teile des zu entwickelnden Gerätes verantwortlich, der Beklagte für die maschinenbautechnische Seite des Projekts. Die Klägerin bezahlte dem Beklagten für seine Tätigkeiten 1,040.000 S. Sie schuldet dem Beklagten andererseits für von ihm gelieferte Messtaster 834.400 S.

Mit ihrer am 22. 11. 2000 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von 205.600 S. Der Beklagte habe den vertraglich zugesicherten Erfolg nicht erbringen können. Die Klägerin habe Anspruch auf Ersatz sämtlicher von ihr getätigten, nutzlos gewordenen Aufwendungen, begehre aber nur die Differenz zwischen ihrer Zahlung von 1,040.000 S und dem von ihr aufgerechneten Anspruch des Beklagten auf Zahlung von 834.400 S. Die Parteien hätten einen Werkvertrag abgeschlossen. Der Beklagte habe den geschuldeten Erfolg nicht zustande gebracht. Das entwickelte Gerät sei nicht funktionstüchtig. Wenn sich der Beklagte auf den Standpunkt stelle, der höchstmögliche Schadenersatzanspruch liege bei einem Viertel des Vertragswertes und somit bei 260.000 S, so sei dies nicht richtig. Der Auftragswert sei nicht bezifferbar, liege jedoch in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages. Der Beklagte habe zugesichert, die Maschine nach den Vorstellungen der Klägerin bis zur Serienreife zu entwickeln. Er sei aber gescheitert, sodass es der Klägerin nicht möglich gewesen sei, die elektrotechnischen Teile des Gerätes zu entwickeln.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, dass kein Werkvertrag, sondern ein Zusammenarbeitsvertrag mit Dienstvertragselementen abgeschlossen worden sei. Das Gerät sei auch funktionstüchtig, auf dem Markt aber nicht verwertbar, weil es gute Konkurrenzprodukte gebe. Verzögerungen bei der Entwicklung hätten ihre Ursachen im Bereich der Klägerin. Der von ihr zur Verfügung zu stellende Elektriker sei nicht ausreichend zur Verfügung gestanden. Schadenersatzansprüche seien auf ein Viertel des Auftragswertes, also auf 260.000 S, zu beschränken. Die Forderung des Beklagten gegenüber der Klägerin sei wesentlich höher. Die Einhaltung bestimmter Stückkkosten sei nicht Vertragsgegenstand gewesen. Im Vertrag sei keine Vorkehrung für den Fall getroffen worden, dass Entwicklungsergebnisse nicht eingehalten werden könnten. Auch in diesem Fall seien allfällige Ersatzansprüche mit maximal einem Viertel des Auftragswerts beschränkt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Von seinen Feststellungen ist zusammengefasst Folgendes als wesentlich hervorzuheben:

In einer Zusatzvereinbarung hätten die Parteien vereinbart, dass das zu entwickelnde Gerät vorerst die Zahnarztinstrumente lediglich reinigen und desinfizieren solle, und zwar in einem automatischen Ablauf, der händisch nicht gestoppt werden sollte. Das händische Öffnen des Gerätes sollte nicht möglich sein, um Verletzungsgefahren zu verhindern. Projektleiter sei die Klägerin gewesen. Mit dem im § 9 des Entwicklungsvertrages angeführten "Auftragswert" und "Vertragssumme" sei das Honorar des Beklagten, also der Betrag von 1,040.000 S, gemeint gewesen. Der Fall des Scheiterns des Projektes aus technischen Gründen oder die mangelnde Machbarkeit sei von den Parteien nicht bedacht worden. Dem Beklagten sei die Einhaltung bestimmter Herstellungskosten oder Zielkosten nicht vorgegeben worden. Die Klägerin habe sich verpflichtet, dem Beklagten einen Elektriker beizustellen, der die Elektronik und die Steuerung des Gerätes bearbeiten hätte sollen. Der Elektriker sei aber nicht ständig einsetzbar gewesen, sodass es aus diesem Grund zu Verzögerungen des Projekts gekommen sei. Auch der von der Klägerin entsandte Projektleiter habe für Projektbesprechungen keine Zeit gefunden und Termine nicht eingehalten. Die Klägerin hätte auch ein Pflichtenheft führen müssen, in das aufbauend auf den einzelnen Entwicklungsschritten eine Anforderungs- und Durchführungsdefinition aufzunehmen gewesen wäre. Ein Pflichtenheft sei nicht geführt worden. Schließlich hätten die Parteien vereinbart, dass der Beklagte entgegen der ursprünglichen Vereinbarung auch einen Prototypen baut und die Klägerin in Abgeltung der Arbeitsleistungen auf die Geltendmachung der im § 9 des Entwicklungsvertrages geregelten Pönale verzichtet. Der Beklagte habe den Prototypen auch gebaut, der aber nicht funktionsfähig sei. Das Gerät sei bei weitem nicht serienreif. Der Prototyp leiste zwar den vorgesehenen mechanischen Ablauf, das Gerät könne aber auch händisch geöffnet werden. Es sei instabil, sodass es von einer Hilfsperson nicht bedient werden könne. Das Einlegen der Instrumente in das Gerät müsse äußerst gefühlvoll erfolgen. Vertraglich sei eine Ausführung in Edelstahl vorgesehen gewesen. Der Beklagte habe ein Gerät aus Plexiglas gebaut, das den Vorteil aufweise, dass die Abläufe von außen beobachtet werden könnten. Die mangelnde Funktionstüchtigkeit des Gerätes liege auch in Problemen der Steuerung. Störungen könnten nur von einem Steuerungstechniker behoben werden. Mangels Abstimmungsgesprächen zwischen den Parteien sei auch keine Dokumentation der einzelnen "Meilensteine" angelegt worden. Im Mai 2000 habe der Beklagte erklärt, eine weitere Verbesserung des Geräts auf dem Bereich der Mechanik nicht erreichen zu können. Die Klägerin habe sich in der Folge bemüht, das Gerät oder zumindest die Idee hiefür am Markt zu verkaufen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass Schadenersatzrecht als Rechtsgrund für den Klageanspruch ausscheide. Es liege kein reiner Werkvertrag vor, weil auch die Klägerin maßgebliche Leistungen bei der Entwicklung des Geräts zu erbringen gehabt habe. Der Entwicklungsvertrag sei ein Vertrag sui generis, auf den nur teilweise die Regeln des Werkvertrags Anwendung fänden. Das Projekt sei aus Gründen gescheitert, die in der Sphäre beider Seite gelegen seien. § 9 des Entwicklungsvertrages sei auch auf die Honorarfrage anzuwenden. Entwicklungsergebnisse seien nicht eingehalten worden. Der Vertragspassus sei so auszulegen, dass der Fall des Scheiterns des Projektes der Nichteinhaltung von Entwicklungsergebnissen gleichzuhalten sei. Damit sei der Anspruch der Klägerin auf ein Viertel des Honorars des Beklagten beschränkt. Da die Klägerin sich von der berechtigten Forderung des Beklagten bereits einen höheren Abzug angerechnet habe, könne dem Klagebegehren nicht stattgegeben werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass die Klägerin selbst noch in ihrer Klage den Werklohn, den sie zurückverlange, als "den entstandenen Schaden" bezeichnet habe. Wenn juristische Laien einen Werklohn, der vor Erstellung des Werkes bezahlt wurde, als Schaden auffassten, sei es naheliegend, den § 9 des Entwicklungsvertrages anzuwenden. Diese Auslegung werde den Eigenheiten des besonderen Vertragsverhältnisses gerecht.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte über Antrag der Klägerin diesen Ausspruch aber ab und erklärte die ordentliche Revision "im Hinblick auf die Ausführungen der Klägerin zum Entwicklungsvertrag" doch für zulässig.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig. Nach den Feststellungen hat der Beklagte den Erfolg seiner Entwicklungsarbeit nicht garantiert. Dieser unterblieb aus Gründen, die sowohl in der Sphäre der Klägerin als auch in derjenigen des Beklagten lagen. Das Erstgericht ging bei seiner Abweisung des Klagebegehrens von einer ergänzenden Vertragsauslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen für den nicht vorgesehenen Fall des Scheiterns des Projekts aus. Das Berufungsgericht gelangte zum selben Ergebnis, offenkundig in unmittelbarer Auslegung des § 9 des Entwicklungsvertrages. Für beide Auslegungsvarianten sind jedenfalls die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Gegen das von beiden Instanzen gefundene Auslegungsergebnis bestehen keine Bedenken. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist jedenfalls vertretbar, sodass keine über den Einzelfall hinausgehenden erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu klären sind:

1. Zutreffend ist die Rechtsmeinung, dass der zu beurteilende Entwicklungsvertrag ein Vertrag sui generis ist. Er enthält Elemente eines Werkvertrages, aber auch eines Dienstvertrages. Die von der Revisionswerberin angestrebte alleinige Anwendung von Werkvertragsregeln - danach hätte der Beklagte in der Honorarfrage das Projektrisiko voll zu tragen - wäre unbillig. Ohne jede vertragliche Regelung könnte allenfalls eine gleichteilige Risikotragung ins Auge gefasst werden. Gegen eine solche sprechen hier allerdings gewichtige Umstände.

2. Wenn der Beklagte keinen bestimmten Erfolg schuldet, hat er Anspruch auf das für die Erbringung von Arbeitsleistungen vereinbarte Honorar. Die Arbeitsleistungen wurden erbracht (vgl die Ansprüche eines Dienstnehmers nach den §§ 1153 ff ABGB). Eine Kürzung dieses Anspruchs könnte sich aus der verschuldeten Nichterbringung oder Verzögerung von einzelnen Arbeitsleistungen ergeben. Nach den Feststellungen ist aus diesem Titel für die Klägerin aber nichts zu gewinnen. Der festgestellte Sachverhalt reicht für die Bejahung eines Verschuldens des Beklagten am Scheitern des Projekts nicht aus. Diese Frage ist aber auch nicht entscheidungswesentlich, weil im Bereich der schadenersatzrechtlichen Haftung ja unstrittig eine Haftungsbeschränkung vereinbart wurde.

3. Wenn für den Fall der verschuldeten gänzlichen oder teilweisen Schlechterfüllung eine Haftungsbeschränkung vereinbart wurde, ist es naheliegend, diese Vertragsbestimmung auch auf den nicht vorbedachten Fall des unverschuldeten Scheiterns des Entwicklungsprojektes im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anzuwenden, die immer dann nach der Übung des redlichen Verkehrs stattzufinden hat, wenn nicht eindeutig feststeht, was die Parteien in den im Vertrag nicht ausdrücklich vorgesehenen Fällen gewollt hätten (RS0017899). Die gegenteilige Auffassung führte zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass den Beklagten verschuldete Leistungsstörungen haftungsmäßig entlasteten, er aber in seiner Sphäre eingetretene unverschuldete Umstände voll zu vertreten hätte.

4. Die Anwendung der Vertragsbestimmung über die Haftung (§ 9 des Entwicklungsvertrages) auf den Rückforderungsanspruch der Klägerin ist keine rechtliche Fehlbeurteilung. Wenn der Beklagte schadenersatzrechtlich nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, also nicht für Zufall und leichtes Verschulden, haftet und die Schadenshöhe auf ein Viertel des Auftragswertes (das ist der Honoraranspruch des Beklagten) beschränkt wurde, wäre es - wie ausgeführt - nicht nur widersprüchlich, den Honoraranspruch einer anderen Risikoaufteilung zu unterwerfen, es ist auch noch der Umstand zu berücksichtigen, dass der wirtschaftliche Nutzen bei Gelingen der Produktentwicklung der Klägerin allein zugute gekommen wäre. Sie ist nach den Feststellungen die Unternehmerin, die das zu entwickelnde Produkt am Markt wirtschaftlich verwerten wollte. Der Beklagte war in diesem Punkt nicht Mitunternehmer, sodass es nicht sachgerecht wäre, auf ihn das Unternehmerrisiko ganz oder teilweise zu überwälzen. Wenn daher die Vorinstanzen den Entwicklungsvertrag dahin auslegten, dass die Klägerin in der Honorarfrage das Projektrisiko zu 75 % zu tragen habe, steht dieses Auslegungsergebnis mit dem Grundsatz, dass es nach § 914 ABGB auf die Übung des redlichen Verkehrs, also auf den Willen redlicher und vernünftiger Parteien ankommt, im Einklang. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung enthält zutreffende Ausführungen zur Unzulässigkeit der vorliegenden Revision und diente daher der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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