European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00025.17F.0613.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in Ansehung der Verpflichtung zur Einzahlung eines Teilbetrags von 400 EUR aus der laufenden Waisenrente auf ein zu sperrendes Sparbuch (Punkt 2. des erstinstanzlichen Beschlusses) ersatzlos behoben.
Im Übrigen (Punkte 1. und 3. des erstinstanzlichen Beschlusses) werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Dem Erstgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründung:
Der Vater des Minderjährigen ist noch vor dessen Geburt verstorben; die alleinige Obsorge obliegt der Mutter, bei welcher der Bub lebt. Er hat gegen die Schweizer Ausgleichskasse SAK Anspruch auf eine Waisenrente nach seinem Vater in Höhe von monatlich 940 CHF (ca 860 EUR), welche seit 1. Juni 2016 ausgezahlt wird, und erhielt von der SAK eine Waisenrente-Nachzahlung (für den Zeitraum 1. Juli 2014 bis 31. Mai 2016) von 22.636 CHF (ca 20.670 EUR).
Das Erstgericht ordnete an, dass die Mutter aus der Nachzahlung 12.470 EUR und aus der laufenden Rente von 1. Juli bis 30. September 2016 einen den doppelten Regelbedarf von monatlich 400 EUR übersteigenden Betrag aus der ab 1. Oktober 2016 laufenden Waisenrente auf ein gerichtlich zu sperrendes Sparbuch einzuzahlen habe. Es begründete dies mit § 133 AußStrG und der Überlegung, dass bei Belassung eines höheren Betrags eine Überalimentierung stattfände. Außerdem könnte im Falle späteren Sonderbedarfs aufgrund des Ablebens des Vaters nicht auf diesen zugegriffen werden, sodass Rücklagen zu bilden seien.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zulässig sei, ob einem Kind die ihm nach dem Tod des geldunterhaltspflichtigen Vaters zustehende Halbwaisenpension (nur) in nach unterhaltsrechtlichen Kriterien bemessenem Ausmaß zur Verfügung zu überlassen sei.
Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die Mutter die (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Beschlusses, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist auch berechtigt.
Die Mutter macht geltend, es läge keine Gefahr für das Kindeswohl vor, die die Anwendung der Maßnahmen des § 133 Abs 4 AußStrG rechtfertigte. Auch 10.000 EUR übersteigende Unterhaltsbeiträge führten nicht zu einer Überwachung, zumal die Waisenpension zu einem erheblichen Teil für Unterkunft und täglichen Lebensbedarf des Kindes verwendet werde. Die Vorinstanzen gingen als „Oberaufseher“ der Mutter vor und stellten deren Befähigung in Frage, für das Kindeswohl zu sorgen. Das KindRÄG 2001 sehe vor, dass eine Überwachung ohne Kindeswohlgefährdung und nennenswertem Vermögen nicht stattzufinden habe. Die Mutter habe seit der Geburt ihres Sohnes den Geldunterhalt bevorschusst und daher einen Rückforderungsanspruch. Die Kriterien zur Unterhaltsbemessung seien hier nicht anwendbar.
Dazu wurde erwogen:
1.1. § 164 ABGB verpflichtet die Eltern, das Vermögen eines minderjährigen Kindes mit der Sorgfalt ordentlicher Eltern zu verwalten. Sofern das Wohl des Kindes nicht anderes erfordert, haben sie es in seinem Bestand zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren; Geld ist nach den Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld anzulegen (Abs 1). Aus dem Vermögen sind jedenfalls die Kosten der Verwaltung einschließlich der für die Erhaltung des Vermögens und den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb nötigen Aufwendungen und die fälligen Zahlungen zu berichtigen; weiter auch die Kosten des Unterhalts, soweit das Kind nach den §§ 231 und 232 zur Heranziehung seines Vermögens verpflichtet ist oder die Bedürfnisse des Kindes nicht in anderer Weise gedeckt sind (Abs 2).
1.2. Nach § 165 Abs 1 ABGB haben die Eltern über das Vermögen des minderjährigen Kindes dem Gericht Rechnung zu legen; über die Erträgnisse jedoch nur, soweit sie nicht für den Unterhalt des Kindes verwendet worden sind. Näheres wird in den Verfahrensgesetzen bestimmt.
Schon nach der Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem KindRÄG 2001 fielen nur Erträgnisse, die die Unterhaltskosten überstiegen, unter die Rechnungslegungspflicht der Eltern (RIS-Justiz RS0047603; vgl Beck, Kindschaftsrecht² [2013] Rz 410).
Das Gericht kann im Übrigen die Eltern von der Rechnungslegung ganz oder zum Teil befreien, soweit keine Bedenken bestehen, dass sie das Vermögen des Kindes ordentlich verwalten werden (§ 165 Abs 2 ABGB).
1.3. § 214 ABGB sieht vor, dass die mit der gesetzlichen Vertretung in Angelegenheiten der Vermögensverwaltung betraute Person bei Antritt der Obsorge nach gründlicher Erforschung des Vermögensstands dem Gericht gegenüber das Vermögen im Einzelnen anzugeben und bei Beendigung der Obsorge Rechnung zu legen hat. Das Gericht hat die Tätigkeit des gesetzlichen Vertreters zur Vermeidung einer Gefährdung des Wohles des minderjährigen Kindes zu überwachen und die dazu notwendigen Aufträge zu erteilen. Näheres wird in den Verfahrensgesetzen bestimmt.
2. Nach § 133 AußStrG („Aufsicht über die Verwaltung des Vermögens Pflegebefohlener“) hat das Gericht dann, wenn ein Pflegebefohlener „nennenswertes Vermögen“ hat, dessen Verwaltung mit dem Ziel zu überwachen, eine Gefährdung des Wohles des Pflegebefohlenen hintanzuhalten (Abs 1). Sind Eltern, Großeltern oder Pflegeeltern mit der Verwaltung des Vermögens im Rahmen der Obsorge betraut, so hat das Gericht die Verwaltung des Vermögens nur zu überwachen, wenn eine unbewegliche Sache zum Vermögen gehört oder der Wert des Vermögens oder der Jahreseinkünfte 10.000 EUR wesentlich übersteigt (Abs 2). In jedem Fall hat das Gericht die Verwaltung auch nicht nennenswerten Vermögens zu überwachen, wenn dies zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Wohl des Pflegebefohlenen erforderlich ist (Abs 3). Das Gericht kann zur Überwachung der Verwaltung und Sicherung des Vermögens insbesondere dem gesetzlichen Vertreter unter anderem Aufträge erteilen, die Sperre von Guthaben sowie die gerichtliche Verwahrung von Urkunden und Fahrnissen anordnen sowie einstweilige Vorkehrungen treffen (Abs 4).
2.1. Das „Vermögen“ eines Pflegebefohlenen ist der Inbegriff seiner geldwerten Rechte und Verbindlichkeiten (10 Ob 23/08t = RIS-Justiz RS0048053 [T2]), und zwar ohne Rücksicht auf die Höhe, und umfasst sowohl Leistungsansprüche als auch Ersparnisse sowie bewegliches und unbewegliches Vermögen (Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013] § 133 Rz 1). Eine Einschränkung auf oder um eine bestimmte Herkunft des Vermögens ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (vgl zur deutschen Rechtslage, die die Eltern von gerichtlicher Genehmigung der Verwaltung von Barvermögen grundsätzlich ausnimmt: P. Huber in MünchKommBGB7 [2017] § 1642 Rn 4; Palandt, BGB76 [2017] § 1626 Rn 18; Veit in Bamberger/Horn, BGB³ [2012] § 1626 Rn 29 und § 1642 Rn 2; jeweils mwN).
2.2. Nach § 231 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen, wobei sich nach Abs 3 leg cit der Anspruch auf Unterhalt insoweit mindert, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist.
Als eigene Einkünfte des Kindes iSd § 231 Abs 3 ABGB gelten alle Geld- und Sachleistungen, die das nicht selbsterhaltungsfähige Kind aufgrund eines Anspruchs erhält. Zum Eigeneinkommen des Kindes zählen daher insbesondere Arbeitseinkommen im weitesten Sinn, zB auch die Lehrlingsentschädigung, sowie privat- oder öffentlichrechtliche, nicht zurückzuzahlende Sozialleistungen wie zB eine Waisenrente oder Waisenpension, Versorgung durch den Kinder- und Jugendhilfeträger, Leistungen nach dem Heeresgebührengesetz und Zivildienstgesetz für Präsenz- und Zivildienstleistende sowie vom Kind bezogenes Wochengeld (10 Ob 22/11z; Gitschthaler, Unterhaltsrecht3 Rz 766 ff; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ [2008] § 140 ABGB Rz 92 f mwN). Auch eine Halbwaisenrente ist somit für die Unterhaltsbemessung relevantes Eigeneinkommen des Kindes (vgl RIS-Justiz RS0047345).
2.3. Der Begriff „Jahreseinkünfte“ nach § 133 AußStrG umfasst aber nur jene Einkünfte, die tatsächlich in die Verwaltungsbefugnis und -verpflichtung des gesetzlichen Vertreters fallen; Einkommen des Kindes aus eigenem Erwerb sowie Unterhaltsbeiträge, auch wenn sie 10.000 EUR pro Jahr übersteigen, sind in diese Wertgrenze nicht einzurechnen und führen nicht zu einer gerichtlichen Überwachung (hA: Fucik, Die Vermögensverwaltung nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform des Kindschaftsrechts [2001] 35 [39]; Fucik, Die Vermögensverwaltung nach dem SWRÄG 2006, in FS Hopf [2007] 47 [54]; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des KindRÄG 2001, ÖJZ 2001, 530 [540]; Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG² [2012] § 133 Rz 3; Höllwerth in Deixler-Hübner,Handbuch Familienrecht [2015] 675; Nademleinsky in Schwimann/G. Kodek 4 [2013] § 165 ABGB Rz 1; Fischer-Czermak in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 [2015] § 165 Rz 2; Beck aaO § 133 Rz 34; ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 86; vgl 3 Ob 152/08m mwN; Beck aaO § 135 Rz 11; Nademleinsky aaO [2011] § 150 ABGB Rz 7; Stabentheiner in Rummel 3 § 140 ABGB [2003] Rz 14; Gitschthaler aaO Rz 781).
3.1. Nach § 135 AußStrG sind Eltern, Großeltern und Pflegeeltern im Rahmen der Obsorge sowie der Kinder- und Jugendhilfeträger gegenüber dem Gericht zur Rechnungslegung nur verpflichtet, soweit das Gericht dies aus besonderen Gründen verfügt (Abs 1). Selbst wenn der gesetzliche Vertreter dem Gericht gegenüber von der Rechnungslegung befreit ist, bleibt er verpflichtet, Belege über die Verwaltung nennenswerten Vermögens zu sammeln, sie aufzubewahren und dem Gericht den Erwerb unbeweglicher Sachen oder eine Überschreitung des Werts von 10.000 EUR mitzuteilen (Abs 3). Zur Abwehr einer Gefährdung des Wohles des Pflegebefohlenen hat das Gericht einem gesetzlichen Vertreter einen besonderen Auftrag zur Rechnungslegung zu erteilen (Abs 4).
3.2. § 135 Abs 1 AußStrG geht als speziellere Norm den Rechnungslegungsvorschriften der § 165 Abs 1 Satz 1 und § 214 Abs 1 Satz 1 ABGB vor (3 Ob 152/08m mwN; Beck aaO § 135 Rz 8 f; Höllwerth in Deixler-Hübner, Handbuch Familienrecht [2015] 679). Eine gesetzliche Rechnungslegungspflicht von Eltern dem Pflegschaftsgericht gegenüber gibt es daher auch in Ansehung des Vermögens selbst – außer nach § 135 Abs 4 AußStrG bei gerichtlicher Verfügung aus besonderen Gründen – nicht (3 Ob 152/08m), jedoch haben die Eltern dem Gericht eine Überschreitung des Werts von 10.000 EUR mitzuteilen (§ 155 Abs 3 AußStrG).
4. Daraus folgt zusammengefasst, dass seit dem KindRÄG 2001 und dem AußStrG 2003 die Rechtsfürsorgepflicht des Pflegschaftsgerichts im Bereich der Vermögensverwaltung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter reduziert ist (9 Ob 54/05i); das Gericht ist nicht „Oberaufseher“ oder „oberste Zweckmäßigkeitsinstanz“ im vermögensrechtlichen Bereich der Eltern-Kind-Beziehung, sondern hat sich grundsätzlich auf eine maßvolle Gebarungskontrolle primär zur Abwehr akuter Gefahren zu beschränken (vgl ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 85; Zankl/Mondel aaO Rz 1; Beck aaO § 133 Rz 3 f): Wenn das Vermögen iSd § 133 Abs 3 AußStrG nicht nennenswert ist, sind die gesetzlichen Vertreter außer zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Wohl des Pflegebefohlenen nicht zu überwachen (7 Ob 38/08a; Gitschthaler aaO Rz 783 Anm 4). Wenn eine unbewegliche Sache zum Vermögen gehört oder der Wert des Vermögens oder der (nicht aus eigenem Erwerb stammenden und nicht zum Unterhalt des Kindes verwendeten) Jahreseinkünfte 10.000 EUR wesentlich übersteigt, so hat das Gericht die Verwaltung des Vermögens zu überwachen, auch wenn Eltern, Großeltern oder Pflegeeltern mit der Verwaltung des Vermögens im Rahmen der Obsorge betraut sind (§ 133 Abs 2 AußStrG).
5. In Ansehung der laufenden Halbwaisenrente geht das Rekursgericht zutreffend davon aus, dass diese an die Stelle der Verpflichtung des verstorbenen Vaters zur Erbringung von Unterhalts-, Versorgungs- und Pflegeleistungen getreten ist (vgl RIS-Justiz RS0031466). Abgesehen vom Umstand, dass diese Jahreseinkünfte hier den Grenzwert von 10.000 EUR nur ganz geringfügig überschreiten (vgl Beck aaO § 133 Rz 37 mwN), sind sie aber als Äquivalent des väterlichen Unterhalts der gerichtlichen Kontrolle nach § 133 AußStrG grundsätzlich entzogen, wenn – wie hier – keine konkreten Gefährdungsmomente erkennbar sind, die eine Überwachungspflicht des Gerichts auslösen würden.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher in diesem Punkt ersatzlos zu beheben.
6. Grundsätzlich zuzustimmen ist den Vorinstanzen dahin, dass bei 10.000 EUR übersteigendem Kindesvermögen (ungeachtet des Umstands, dass es aus der Nachzahlung eines Unterhaltsäquivalents herrührt – vgl oben Punkt 2.1.) auch im Fall einer Verwaltung durch die Eltern eine Überwachung anzuordnen ist, selbst wenn kein konkreter Nachteil für den Pflegebefohlenen zu befürchten ist, da der Gesetzgeber wegen der Höhe des Vermögens (vgl auch die Meldepflicht nach § 135 Abs 3 AußStrG) eine abstrakte Gefahr genügen lässt (insofern weiterhin anwendbar, obwohl zu §§ 193, 204 f AußStrG idF des KindRÄG 2001 ergangen: 6 Ob 12/04i mwN = RIS-Justiz RS0008461 [T7] = RS0118721).
6.1. Die im Revisionsrekurs angesprochene Entscheidung 7 Ob 136/13w (= RIS-Justiz RS0129102; ebenso 3 Ob 115/10y und 9 Ob 117/04b), wonach das außerstreitige Verfahren nur für den Missbrauch der Vermögensverwaltungsbefugnisse des Obsorgeberechtigten vorgesehen sei, betrifft nur die Abgrenzung zu Ansprüchen gegen Dritte, die in einer anderen Verfahrensart geltend zu machen sind.
6.2. Nützt die mit der Obsorge betraute Person für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten übertragen werden müsste, ihre besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so hat sie hierfür einen Anspruch auf angemessenes Entgelt. Zur zweckentsprechenden Ausübung der Obsorge notwendige Barauslagen, tatsächliche Aufwendungen und die Kosten der Versicherung der Haftpflicht nach § 227 ABGB sind der mit der Obsorge betrauten Person vom minderjährigen Kind jedenfalls zu erstatten, soweit sie nach gesetzlichen Vorschriften nicht unmittelbar von Dritten getragen werden (§ 230 Abs 1 und 2 ABGB).
Nach § 271 Abs 1 ABGB hat das Gericht dann, wenn in einer bestimmten Angelegenheit die Interessen eines Minderjährigen und jene seines gesetzlichen Vertreters einander widerstreiten, dem Minderjährigen zur Besorgung dieser Angelegenheiten einen besonderen Kurator zu bestellen. Nach Abs 2 leg cit bedarf es der Bestellung eines Kurators nicht, wenn eine Gefährdung der Interessen des Kindes nicht zu besorgen ist und diese vom Gericht ausreichend wahrgenommen werden können (1 Ob 189/06k = RIS-Justiz RS0121619). Dies gilt unter anderem auch in Verfahren über Ansprüche nach § 230 ABGB.
Soweit im Revisionsrekurs mit einem „Rückforderungsanspruch“ der Mutter argumentiert wird, genügt der Hinweis darauf, dass derartige Ansprüche nicht konkret geltend und zum Gegenstand einer Entscheidung des Pflegschaftsgerichts (Hopf in KBB5 § 230 ABGB Rz 6) gemacht wurden.
7. In Ansehung der 20.000 EUR übersteigenden Nachzahlung ist daher das Pflegschaftsgericht grundsätzlich zu Recht nach § 133 AußStrG überwachend tätig geworden.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, welche Maßnahmen das Gericht zu treffen und nach welchen Kriterien es vorzugehen hat.
7.1. Die Frage einer von den Vorinstanzen erörterten „Überalimentierung“ stellt sich bei der Bemessung des Geldunterhalts: Hohes Einkommen eines Unterhaltspflichtigen soll nämlich nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht dazu führen, den Unterhaltsberechtigten unter voller Ausschöpfung der „Prozentmethode“ über die Angemessenheitsgrenze des § 231 Abs 1 ABGB hinaus zu alimentieren (RIS-Justiz RS0047447; RS0007138; RS0047424).
Nach dieser Rechtsprechung sind zwar betragliche oder in einem Vielfachen des sogenannten Regelbedarfs ausgedrückte absolute Obergrenzen für die Festsetzung eines Kindesunterhalts aus den in § 231 ABGB normierten Bemessungskriterien nicht ableitbar (vgl RIS‑Justiz RS0007138 [T15]); diese gestatten daher auch keinen generellen „Unterhaltsstopp“ beim Zweifachen (bei Kindern unter zehn Jahren) bzw Zweieinhalbfachen (bei älteren Kindern) des jeweiligen Durchschnittsbedarfssatzes (RIS-Justiz RS0047458). Diese Sätze dienen aber als Richtwerte (vgl 6 Ob 15/09p mwN; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ [2008] § 140 ABGB Rz 140; Gitschthaler, Unterhaltsrecht3 Rz 562).
Wann und bei welchen Voraussetzungen ein „Unterhaltsstopp“ zur Vermeidung einer Überalimentierung anzunehmen ist, ist keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0007138 [insb T16, T17]); die Ausmittlung konkreter Beträge hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (7 Ob 97/16i mwN; RIS-Justiz RS0053263).
Zudem weicht der Fall eines Halbwaisen von sogenannten Regelbedarfssätzen oder einer sonst üblichen Obergrenze der dem Kind zustehenden Alimentierung ohnehin so wesentlich ab, dass nur nach Ermittlung der konkreten Lebensverhältnisse festgestellt werden kann, welchen Bedarf das Kind hat, um seinen gesamten Lebensunterhalt decken zu können, wozu etwa die Mindestpensionshöhe einen Anhaltspunkt liefern kann (RIS-Justiz RS0017949; vgl RS0107607).
7.2. Wie zuvor dargelegt ist das Gericht nach § 133 AußStrG verpflichtet, dann, wenn der Pflegebefohlene nennenswertes Vermögen hat, dessen Verwaltung mit dem Ziel zu überwachen, eine Gefährdung des Wohles des Pflegebefohlenen hintanzuhalten. Telos des Gesetzes ist es somit, eine Vermögensverwaltung sicherzustellen, die dem Kindeswohl dienlich ist, nicht jedoch dafür zu sorgen, dass das Vermögen des Kindes ein bestimmtes, nach den Regeln über den „Unterhaltsstopp“ zu bestimmendes Maß nicht übersteigt. Nicht eine Geldzuwendung an sich, sondern erst eine konkret drohende schädliche Verwendung der zugeflossenen Mittel kann allenfalls das Kindeswohl gefährden (vgl 3 Ob 22/07t; 4 Ob 164/98s). Bedarfssätze, aber auch etwa die Mindestpensionshöhe, können allenfalls als Indiz dafür dienen, ob nach Befriedigung der Bedürfnisse des Kindes nach seinen (gemäß den in § 231 Abs 1 ABGB normierten Kriterien zu beurteilenden) konkret festzustellenden Lebensverhältnissen überhaupt ein Betrag verbleibt, dessen Verwaltung nach § 133 AußStrG weiter zu überwachen ist.
Konkrete Erhebungen und Feststellungen in diese Richtung sind hier jedoch unterblieben; eine starre Orientierung an einem Vielfachen des Regelbedarfssatzes, wie sie die Vorinstanzen vertreten, ist demgegenüber aus dem Gesetz nicht ableitbar.
8.1. Die Vorinstanzen sind auch davon ausgegangen, nach dem Gesetz sei die Überweisung eines Teils der Nachzahlung auf ein Sparbuch sowie die Sperre des Guthabens zwingend anzuordnen. Dass dies aber keineswegs der Fall ist, legt schon die bloß demonstrative Aufzählung (arg: insbesondere) der verschiedenen Sicherungsmittel im § 133 Abs 4 AußStrG nahe.
Da in § 133 Abs 4 AußStrG auch die Maßnahmen des § 382 EO ausdrücklich angeführt werden, können unter Umständen als gelindeste zweckmäßige Mittel schon einfache Aufträge (Gebote und Verbote des § 382 Abs 1 Z 4 bis 6 EO) ausreichen, um eine ordnungsgemäße Vermögensverwaltung der Eltern sicherzustellen (vgl nochmals 6 Ob 12/04i mwN = RIS-Justiz RS0118721; vgl RS0115834).
8.2. Der Revisionsrekurs zeigt daher zutreffend auf, dass die Vorinstanzen nicht weiter geprüft haben, ob nicht andere, die mütterliche Vermögensverwaltung weniger als eine Guthabenssperre einschränkende Sicherungsmittel– etwa ein mittels Rechnungslegung zu überwachender Auftrag zur (im Revisionsrekurs ohnehin ausdrücklich angebotenen – vgl 4 Ob 164/98s) Rücklage eines Teils der Nachzahlung – genügen, um eine ordnungsgemäße Vermögensverwaltung der Mutter sicherzustellen.
9.1. In Ansehung des Auftrags zum Erlag eines Teils der Rentennachzahlung auf ein zu sperrendes Sparbuch (Punkte 1. und 3. des erstinstanzlichen Beschlusses) war daher eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen unumgänglich.
9.2. Das Erstgericht wird die (nach den in § 231 Abs 1 ABGB normierten Kriterien zu beurteilenden) konkreten Lebensverhältnisse des Minderjährigen zu erheben und festzustellen haben; es wird die Mutter zu den anhand der Kriterien des § 133 AußStrG zu messenden Fragen der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit sowie des Umfangs und der Art der Vermögensverwaltung mit dem Ziel einer dem Kindeswohl dienlichen Verwendung seines Vermögens zu hören haben. Davon ausgehend wird es eine gegebenenfalls gebotene Veranlagung nur mit jenem zweckmäßigen Sicherungsmittel zu sichern haben, welches das Verwaltungsrecht der Mutter am wenigsten einschränkt.
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