Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die von den Eltern am 21. Dezember 2005 getroffene Vereinbarung über den Unterhalt der beiden Antragsteller genehmigt wird.
Der Antrag des Antragsgegners auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beantwortung des Revisionsrekurses wird abgewiesen.
Die Revisionsrekursbeantwortung des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner ist schuldig, den Antragstellern die mit 129,42 EUR bestimmten Äußerungskosten zum Wiedereinsetzungsantrag (darin 21,57 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Eltern der beiden minderjährigen Antragsteller schlossen am 21. Dezember 2005 in Mailand eine Vereinbarung über die Auflösung ihrer bis dahin bestehenden Lebensgemeinschaft, in der sich der Vater (Antragsgegner) u.a. verpflichtete, für seine beiden minderjährigen Söhne einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von je 1.000 EUR, 13 x jährlich zu bezahlen. Für Sonderausgaben sollten die Eltern je zur Hälfte aufkommen.
Die durch die Mutter vertretenen Antragsteller begehrten am 12. April 2006, den Antragsgegner - der Unterhaltsvereinbarung entsprechend - zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von zusammen 2.000 EUR sowie weiters zur Deckung eines mit 574,65 EUR bezifferten Sonderbedarfs, der sich aus der Hälfte der von der Mutter bislang getragenen Ausgaben für Schule und Kindergarten ergebe, zu verpflichten. Der Antragsgegner erachtete sich in seiner Stellungnahme zum Unterhaltsbegehren als nicht mehr an die Vereinbarung gebunden, weil die Mutter der beiden Minderjährigen die Vereinbarung nicht eingehalten habe und der Unterhaltsbeitrag samt Sonderausgaben in der Vereinbarung zu hoch bemessen worden sei. Er stehe mit den allgemeinen Bemessungsgrundsätzen nach österreichischem Recht nicht im Einklang.
Das Erstgericht setzte den monatlichen Unterhalt für Sebastiano mit 540 EUR, jenen für Valentino mit 418 EUR fest, das darüber hinausgehende Mehrbegehren wies es ab. Die zwischen den Eltern getroffene Unterhaltsvereinbarung bedürfe pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung. Da eine solche nicht vorliege, bilde die Unterhaltsvereinbarung keinen exekutionsfähigen Titel. Deshalb sei die Höhe des Unterhalts dem Gesetz entsprechend zu errechnen. Der Regelbedarf der Kinder betrage 270 bzw 209 EUR. Bei überdurchschnittlichem Einkommen könne dieser Betrag zwar überschritten werden, bei Kleinkindern bis etwa zehn Jahre - wie hier - aber nicht über die Höhe des zweifachen Regelbedarfs hinaus. Das Rekursgericht bestätigte diese Unterhaltsfestsetzung. Daraufhin beantragten die beiden Minderjährigen die pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Unterhaltsvereinbarung vom 21. Dezember 2005. Die Vereinbarung sei für sie günstiger als die gesetzliche Regelung über die Unterhaltshöhe.
Das Erstgericht wies den Genehmigungsantrag mit der Begründung zurück, über den Unterhaltsanspruch der Minderjährigen sei bereits rechtskräftig entschieden worden.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss mit der Maßgabe, dass der Antrag auf pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Unterhaltsvereinbarung abgewiesen werde. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, eine erhebliche Rechtsfrage nach § 62 Abs 1 AußStrG liege nicht vor.
Zwar stehe die pflegschaftsgerichtliche Unterhaltsfestsetzung der Genehmigung der von den Eltern getroffenen Unterhaltsvereinbarung nicht entgegen, diese Vereinbarung sei aber im Hinblick auf das Kindeswohl nicht zu genehmigen. Kindern seien nur solche Unterhaltsbeiträge zuzusprechen, die zur Deckung ihrer Lebensbedürfnisse erforderlich seien. Durch den Zweck der Unterhaltsleistung sei es nicht geboten (und aus pädagogischen Gründen sogar abzulehnen), Luxusbedürfnisse des Kindes zu befriedigen. Aus besonderen Gründen dürfe die „Luxusgrenze" zwar überschritten werden, eine deutliche Abweichung bedürfe jedoch einer besonderen Rechtfertigung. Die Minderjährigen hätten keine besondere Begründung vorgetragen, weshalb die Angemessenheitsgrenze in Höhe des zweifachen Regelbedarfs nicht überschritten werden dürfe. Mit Beschluss vom 28. Juni 2007 stellte der Oberste Gerichtshof dem Vater und Antragsgegner die Revisionsbeantwortung frei. Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde seinem Rechtsvertreter am 2. Juli 2007 zugestellt.
Am 31. Juli 2007 (Postaufgabe) beantragte der Vater beim Obersten Gerichtshof die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsrekursbeantwortungsfrist und holte gleichzeitig die versäumte Prozesshandlung nach. Er brachte vor, seine Vertreterin sei vom 29. Juni bis 16. Juli 2007 auf Urlaub gewesen und am 17. Juli 2007 erstmals nach ihrem Urlaub wieder in die Kanzlei gekommen. Dabei habe sie die Mitteilung über die Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung vorgefunden. Auf ihre Frage, wieso sie diesbezüglich nicht in ihrem Urlaub verständigt worden sei, habe ihre Kollegin, eine italienische Rechtsanwältin, mitgeteilt, sie habe - weil allein in der Kanzlei - anstelle des Sekretariats, das normalerweise die Fristverwaltung durchführe, ausnahmsweise selbst die Überprüfung der Frist vorgenommen und auf Grund der Bezugnahme auf § 521a ZPO, §§ 78, 402 EO angenommen, die Frist für die Rekursbeantwortung betrage gemäß § 521a ZPO vier Wochen (letzter Tag der Frist 30. Juli 2007). Sie hätte die Verständigung der Vertreterin des Vaters im Urlaub für nicht notwendig erachtet, weil nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub noch zwei Wochen bis zum Fristablauf verblieben wären. Die italienische Kollegin der Vertreterin des Vaters sei seit über fünf Jahren als italienische Rechtsanwältin mit ausgezeichneten Deutschkenntnissen in der Liste der Rechtsanwälte Mailands eingetragen. Die Vertreterin des Vaters vertrete diesen von Mailand aus. Sie sei österreichische Rechtsanwältin und seit über vier Jahren in Mailand als dort niedergelassene Rechtsanwältin tätig. In diesem Verfahren sei es üblich, dass sämtliche gerichtliche Schriftstücke, die in der Wiener Kanzlei einlangten, jeweils umgehend am selben Tag kommentarlos von der in Wien die Post öffnenden Person nach Mailand gefaxt werden. Dies sei auch mit der Mitteilung über die Beantwortung des außerordentlichen Revisionsrekurses in diesem Fall passiert. Zu diesem Zeitpunkt sei die italienische Rechtsanwältin urlaubsbedingt die einzige in der Kanzlei der Rechtsvertreter des Vaters in Mailand anwesende und verantwortliche Person gewesen. Ihr sei es als italienischer Rechtsanwältin nicht bewusst gewesen, dass der in der Verständigung erwähnte § 521a ZPO in keinem Zusammenhang mit dem vorliegenden Außerstreitverfahren gestanden sei und vielmehr die 14-tägige Frist des § 68 Abs 1 AußStrG einzuhalten gewesen wäre. Da sonst die Fristverwaltung für die Vertreterin des Vaters vom Kanzleisekretariat in Mailand vorgenommen werde und die italienische Rechtsanwältin die Überprüfung der gegenständlichen Frist nur ausnahmsweise und als italienische Rechtsanwältin nur nach ihrem besten Wissen habe vornehmen können, habe es sich beim Versäumnis der Frist um einen Ausnahmefall und nur um einen minderen Grad des Versehens gehandelt.
Die Antragsteller äußerten sich dahin, dass sowohl Organisationsmängel als auch Unkenntnis der Rechtslage des zuständigen juristischen Sachbearbeiters keinen geringeren Grad des Versehens darstellten.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
a) Gemäß § 68 Abs 4 Z 2 AußStrG ist die Revisionsrekursbeantwortung beim Obersten Gerichtshof einzubringen, wenn dieser den anderen aktenkundigen Parteien nach § 71 Abs 2 AußStrG freigestellt hat, eine Revisionsrekursbeantwortung einzubringen. Der Vater brachte daher den Wiedereinsetzungsantrag zufolge § 148 Abs 1 ZPO zutreffend beim Obersten Gerichtshof ein (1 Ob 373/98d = SZ 72/51). Grobes Verschulden des Vertreters und dessen Hilfskräfte bei Versäumung befristeter Prozesshandlungen ist im Wiedereinsetzungsverfahren der Partei zuzurechnen (1 Ob 373/98d uva; RIS-Justiz RS0111777; Ertl, RZ 1998, 3).
Juristische Kunstfehler (Irrtum oder Unkenntnis) eines Rechtskundigen sind grundsätzlich immer auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen; dies gilt zumindest dann, wenn es sich um einen berufsmäßigen Parteienvertreter handelt; Rechtsanwälte unterliegen dem Haftungsmaßstab des § 1299 ABGB (Gitschthaler in Rechberger3, § 146 ZPO Rz 15 mwN, insbesondere zur stRsp). Die urlaubsbedingte Überlassung der Fristenkontrolle an eine mit dem österreichischen Verfahrensrecht nicht vertraute ausländische Rechtsanwältin stellt jedenfalls ein grobes Organisationsverschulden dar. Der Hinweis auf den in der Mitteilung über die Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung erwähnten § 521a ZPO spricht nicht gegen diese Beurteilung, weil außer der genannten Gesetzesstelle gleichzeitig auch §§ 78, 402 EO angeführt sind, welche auf die 14-tägige Rechtsmittelbeantwortungsfrist im Sicherungsverfahren hinweisen.
Selbst wenn man den vom Wiedereinsetzungswerber behaupteten Sachverhalt der Entscheidung zugrunde legt, ergibt sich, dass die für die versäumte Prozesshandlung ursächliche unrichtige Berechnung der Revisionsrekursbeantwortungsfrist nicht bloß einen minderen Grad des Versehens iSd § 146 Abs 1 ZPO darstellt, welcher gemäß § 21 AußStrG auch im Außerstreitverfahren anzuwenden ist.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beantwortung des außerordentlichen Revisionsrekurses ist daher abzuweisen, was die Zurückweisung der nach Ablauf der hierfür bestehenden Frist, also verspätet eingebrachten Revisionsrekursbeantwortung nach sich ziehen muss.
b) Der Revisionsrekurs der minderjährigen Antragsteller, mit dem sie die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der von ihren Eltern getroffenen Unterhaltsvereinbarung anstreben, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts zulässig und berechtigt.
Zunächst ist festzuhalten, dass die rechtskräftige Entscheidung über die Unterhaltsanträge der Antragsteller der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung einer den Unterhalt der Antragsteller betreffenden privatrechtlichen Vereinbarung mangels identen Streitgegenstands nicht entgegensteht.
Der Oberste Gerichtshof hatte sich bereits zu 4 Ob 164/98s (= SZ 71/119) mit einem Fall der beantragten pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung einer von den Eltern getroffenen Unterhaltsregelung zu befassen, die eine weit über die „Luxusgrenze" hinausgehende Alimentierung vorsah. Dort wurde ausgeführt, ein Rechtsgeschäft dürfe durch das Pflegschaftsgericht nur genehmigt werden, wenn der Anschluss im Interesse des Pflegebefohlenen liege und somit dem Wohl des Pflegebefohlenen entspreche. Hier werde nicht eine Unterhaltsverpflichtung durch eine gerichtliche Entscheidung (einseitig) bestimmt, sondern ein Unterhaltsverpflichteter erkläre sich freiwillig vertraglich zu einer Unterhaltsleistung bereit; aus der Höhe der versprochenen monatlichen Zuwendungen sei dabei zu erschließen, dass damit nicht bloß die Kosten der laufenden Lebenshaltung abgedeckt werden sollen, sondern darüber hinaus dem Minderjährigen ermöglicht werden solle, mit den nicht verbrauchten Beträgen auch Ersparnisse zu bilden. Die versprochene Leistung habe damit nicht reinen Unterhaltscharakter, sondern enthalte auch Elemente einer Schenkung. Werde aber durch eine Rechtshandlung das Vermögen des Pflegebefohlenen vermehrt, ohne dass damit gleichzeitig die Gefahr von Belastungen verbunden sei, komme eine Versagung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung aus Gründen des Kindeswohls jedenfalls nicht in Betracht (vgl § 149 Abs 1 ABGB). Soweit das Rekursgericht pädagogische Bedenken gegen eine „Überalimentierung" ins Treffen führe, sei dem entgegen zu halten, dass nicht eine Geldzuwendung an sich, sondern erst die schädliche Verwendung der zugeflossenen Mitteln allenfalls das Kindeswohl gefährden könne. Allein aus dem finanziellen Umfang der Scheidungsvereinbarung ergebe sich aber, dass die Eltern schon bisher in gehobenen Verhältnissen gelebt hätten; für eine Befürchtung, die Mutter werde einer missbräuchlichen Verschwendung der dem Minderjährigen zufließenden Geldbetrage nicht entgegentreten, bestehe kein Hinweis. Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat vollinhaltlich an. Die hohe Unterhaltsverpflichtung ist für die Minderjährigen nicht per se schlecht, eine allfällig nötige Verwendungskontrolle bliebe dem Pflegschaftsgericht vorbehalten. Die beiden Minderjährigen benachteiligende oder belastende Verpflichtungen oder Auflagen sind im Vertrag nicht enthalten.
Nachträgliche Änderungen der Verhältnisse wie eine Änderung der Lebensverhältnisse, die Nichteinhaltung anderer Vertragspflichten oder gar Motive der die Unterhaltsvereinbarung neben anderen Regeln für die Auflösung der Lebensgemeinschaft treffenden Eltern der minderjährigen Antragsteller sind ebenso außer Betracht zu lassen wie allfällige Anfechtungsmöglichkeiten des Antragsgegners, der behauptet, bei Abschluss der Vereinbarung unter Druck gestanden oder allenfalls Irrtümern unterlegen zu sein. Überdies enthält die Unterhaltsvereinbarung ohnehin eine 18-monatige Befristung sowie eine Umstandsklausel. Abänderungs- oder Aufhebungsbegehren des Vaters (Unterhaltsschuldners) sind aber nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens, sie wären allenfalls mit Feststellungs- oder Oppositionsklage geltend zu machen.
Dem Revisionsrekurs ist daher stattzugeben und die Unterhaltsvereinbarung der Eltern pflegschaftsbehördlich zu genehmigen.
Die Entscheidung über die Äußerungskosten beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG (vgl Rechberger, § 21 AußStrG Rz 1 mwN).
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