OGH 9ObA40/17y

OGH9ObA40/17y20.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. A***** G*****, 2. W***** R*****, und 3. P***** M*****, alle vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, wegen 1. 26.665,33 EUR, 2. 53.190,79 EUR und 3. 53.190,79 EUR, jeweils sA, über die Revision der zweit‑ und drittklagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 11. Jänner 2017, GZ 11 Ra 88/16i‑41, mit dem der Berufung der zweit‑ und drittklagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 5. Juli 2016, GZ 9 Cga 126/13v‑37, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00040.17Y.0420.000

 

Spruch:

Die Revision der zweit‑ und drittklagenden Parteien wird zurückgewiesen.

Die zweit- und drittklagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.625,42 EUR (darin 437,57 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Revision zur Auslegung des Begriffs „qualifizierter Sachbearbeiter“ in § 26 des hier anzuwendenden Kollektivertrags für die DienstnehmerInnen des Arbeitsmarktservice zugelassen. Die Revisionswerber schließen sich dieser Zulassungsbegründung an und machen darüber hinaus als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass das Berufungsgericht bei der Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes von der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sei.

Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig. Auch die Revisionswerber vermögen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

1. Im Allgemeinen ist für die Einstufungsmodelle der Kollektivverträge die Tätigkeit des Arbeitnehmers zentral, weil aus ihr die Wertschöpfung für den Arbeitgeber folgt und darin seine eigentliche Motivation für den Beginn des Arbeitsverhältnisses gelegen ist. Für die Einstufung kommt es daher in der Regel auf die Tätigkeitsmerkmale, auf den Inhalt der Arbeit und auf die tatsächlich vorwiegend ausgeübte Tätigkeit an (9 ObA 124/15y mwN; 8 ObS 7/16m). Die bei den einzelnen Beschäftigungsgruppen angeführten Tätigkeitsbeispiele dürfen bei der Beurteilung der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht vernachlässigt werden, vielmehr kann in der Regel aus dem Zutreffen eines Tätigkeitsbeispiels auf die Einstufung in die betreffende Beschäftigungsgruppe geschlossen werden. Werden Mischtätigkeiten verrichtet, dann entscheidet im Allgemeinen das zeitliche Überwiegen (8 ObA 68/16g).

Die Frage der Einstufung in eine Kollektivvertragsgruppe anhand der konkreten Tätigkeit kann naturgemäß nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und stellt damit – soweit es nicht um eine allgemeine Auslegungsfrage hinsichtlich des Kollektivvertrags geht – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (9 ObA 109/16v; RIS‑Justiz RS0110650 [T2]).

§ 26 des Kollektivertrags für die DienstnehmerInnen des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: kurz KV) ordnet die DienstnehmerInnen nach ihrer Verwendung in sechs Gehaltsgruppen ein. Der Gehaltsgruppe V unterfallen BeraterInnen, Sach-bearbeiterInnen (einschließlich Callcenter-Agents), leitende DienstnehmerInnen bei den Regionalen Geschäftsstellen und deren StellvertreterInnen. In die Gehaltsgruppe VI, und damit in die höchste nach dem KV vorgesehene Gehaltsgruppe, werden qualifizierte SachbearbeiterInnen, LeiterInnen der Regionalen Geschäftsstellen und deren StellvertreterInnen, leitende DienstnehmerInnen bei den Landesgeschäftsstellen und der Bundesgeschäftsstelle und deren StellvertreterInnen, LeiterInnen der Callcenter oder gleichartiger Einrichtungen und deren StellvertreterInnen eingeordnet. Der Kollektivvertrag unterscheidet daher im Bereich der SachbearbeiterInnen zwischen „normalen“ Sach-bearbeiterInnen und „qualifizierten“ SachbearbeiterInnen. Ausgehend vom Einleitungssatz des § 26 KV („nach ihrer Verwendung“) ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit qualifizierter SachbearbeiterInnen nach Gehaltsgruppe VI eine höhere Sachkenntnis voraussetzt als jene der SachbearbeiterInnen nach Gehaltsgruppe V. Dies wird auch in der Revision nicht in Zweifel gezogen.

Die Vorinstanzen sind auf Basis der ausführlichen und für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Erstgerichts zum konkreten Tätigkeitsinhalt der Kläger als Key-Account-Manager übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Zweit‑ und Drittkläger von der Beklagten richtig in die Gehaltsgruppe V eingestuft wurden. Diese rechtliche Beurteilung ist vertretbar, zumal die bei der Beklagten in die Gehaltsgruppe VI eingestuften Key-Accout-Koordinatoren, mit welchen sich die Kläger vergleichen, gegenüber den bloßen Key-Account-Managern eine Reihe von zusätzlichen Aufgaben wahrnehmen, etwa die Koordinierung der Tätigkeit der Key‑Account-Mitarbeiter in den jeweiligen Landesgeschäftsstellen.

Die Revisionswerber weisen zwar richtig darauf hin, dass die anderen in den Gehaltsgruppen V und VI genannten Gruppen von DienstnehmerInnen des Beklagten aufgrund der an bestimmte Leitungsfunktionen geknüpften Leistungszulagen (§ 32 KV) letztlich höhere Gehälter haben als Sachbearbeiter bzw qualifizierte Sachbearbeiter. Ungeachtet dessen ist den Kollektivvertragsparteien hier aber nicht zu unterstellen, dass sie DienstnehmerInnen mit völlig anderer Wertigkeit ihrer Tätigkeit für den Dienstgeber in ein und dieselbe Gehaltsgruppe einreihen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien nach dem allgemeinen Grundsatz, wonach aus dem Zutreffen eines Tätigkeitsbeispiels auf die Einstufung in die betreffende Beschäftigungsgruppe geschlossen werden kann, die Tätigkeiten der in einer Gehaltsgruppe angeführten Dienstnehmer für qualitativ vergleichbar erachten. Die im Kollektivvertrag vorgesehenen Leitungszulagen für bestimmte in den Gehaltsgruppen V und VI eingestuften Dienstnehmer gelten die dauernde Übernahme einer der angeführten Leitungsfunktionen ab.

Soweit die Revisionswerber die Auffassung vertreten, ihr Tätigkeitsgebiet sei zumindest ein weiteres, als jenes der ausdrücklich in der Gehaltsgruppe V angeführten Callcenter-Agents, ist damit noch nicht zwangsläufig eine höhere Qualifikation, auf die die Einstufung in die Gehaltsgruppe VI abstellt, verbunden. Der Umstand, dass die Revisionswerber „überregional tätig“ sind, spricht nicht notwendigerweise für eine bedeutend höhere Qualifikation als „sonstige“ Sachbearbeiter der Gehaltsgruppe V und bereits eine Gleichstellung der Key-Account-Manager mit den Key-Accout-Koordinatoren der Gehaltsgruppe VI. Wäre für die Kollektivvertragsparteien die „überregionale“ Tätigkeit eines Key‑Account‑Managers in einem geringen Teilbereich von ausschlaggebender Bedeutung für die Einstufung in die Gehaltsgruppe VI gewesen, so hätten die Kollektivvertragsparteien dies wohl deutlicher als Qualifikationsmerkmal hervorgehoben.

Insgesamt vermag die Revision daher weder mit einem Vergleich der Aufgaben eines Key-Account-Managers mit weiteren in den Gehaltsgruppen V und VI angeführten Tätigkeitsbeispielen noch mit den Aufgaben der Gleichbehandlungsbeauftragten, der Migrationsbeauftragten, der Frauenreferentin und der Ombudsfrau eine unvertretbare Beurteilung bei der Einstufung der Zweit‑ und Drittkläger durch das Berufungsgericht aufzuzeigen.

2. Nach dem arbeitsrechtlichen Gleich-behandlungsgrundsatz ist der Arbeitgeber verpflichtet, einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich, also ohne sachliche Rechtfertigung, schlechter zu behandeln als die übrigen (RIS‑Justiz RS0060204). Dabei steht nach der Rechtsprechung die Prüfung im Vordergrund, ob der Behandlung bessergestellter Arbeitnehmer ein erkennbares generalisierendes Prinzip – bei dessen Bestimmung der Arbeitgeber grundsätzlich im gesetzlichen und kollektivvertraglichen Rahmen frei ist – zu Grunde liegt, von dem der Arbeitgeber im Einzelfall willkürlich oder ohne sachlichen Grund abgewichen ist und dem Einzelnen das vorenthält, was er anderen zubilligt (8 ObA 79/15y; 8 ObA 43/16f; vgl 9 ObA 102/15p; RIS‑Justiz RS0060204 [T5]).

Es entspricht herrschender Rechtsprechung, dass die Verweigerung der gleichen Einstufung eines Arbeitnehmers bei gleicher Tätigkeit ein Willkürakt des Arbeitgebers sein und den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen kann (RIS‑Justiz RS0016817). Die Beurteilung dieser Frage hängt aber regelmäßig von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (9 ObA 102/15p; vgl RIS‑Justiz RS0016815; RS0060204 [T20]).

Übereinstimmend sahen die Vorinstanzen in der konkreten Einstufung des Zweit‑ und des Drittklägers in die Gehaltsgruppe V des KV im Vergleich zur Einstufung der Key-Account-Koordinatoren in die Gehaltsgruppe VI des KV den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Die Revisionswerber führen dagegen ins Treffen, dass das eher geringe Ausmaß der zusätzlichen Tätigkeiten der Key-Account-Koordinatoren noch kein sachlicher Differenzierungsgrund für deren höhere Entlohnung sein könne.

Der Arbeitgeber hat bei der Bewertung der jeweiligen Tätigkeit eines Arbeitnehmers für seinen Betrieb grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum. Dass ein Key-Account-Koordinator als Vorgesetzter von Key-Account-Mitarbeitern, der auch eine koordinative Funktion unter den Key-Account-Mitarbeitern erfüllt, höher entlohnt wird, erscheint nicht unsachlich, sondern in seiner insofern eben höheren Verantwortung bzw Stellung im Unternehmen und damit seiner hohen Bedeutung für den Dienstgeber begründet. Mag der Key-Account-Koordinator mit diesen koordinativen Aufgaben auch nur in einem eher geringeren Ausmaß beansprucht sein, ändert dies offenbar nichts an ihrer Wichtigkeit. Der Anschein einer unsachlichen Behandlung wird damit jedenfalls nicht zwingend begründet (RIS‑Justiz RS0016826 [T4]).

Soweit sich die Revisionswerber erneut mit der Gleichbehandlungsbeauftragten, der Migrationsbeauftragten, der Frauenreferentin und der Ombudsfrau vergleichen, die nach der Gehaltsgruppe VI entlohnt werden, ist dies im Hinblick auf den von ihnen angesprochenen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wenig zielführend, weil die Tätigkeiten dieser Vergleichspersonen völlig unterschiedlich zu jenen der Zweit‑ und Drittkläger sind.

Zusammenfassend vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass die Einstufung der Zweit‑ und Drittkläger in die Gehaltsgruppe V des KV aus unsachlichen Gründen oder gar reiner Willkür erfolgt wäre.

Da die Revision der Zweit‑ und Drittkläger letztlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979).

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