OGH 2Ob29/16b

OGH2Ob29/16b23.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** Verein, *****, vertreten durch Dr. Leonhard Reis, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 24.000 EUR) und Veröffentlichung (Streitwert 5.000 EUR) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2015, GZ 3 R 49/15w‑36, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 12. Mai 2015, GZ 29 Cg 13/14b‑30, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00029.16B.0223.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

1. Das angefochtene Urteil wird in Betreff der Klausel 3 dahingehend abgeändert, dass es insoweit zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung folgende Klausel:

„3. Die Vereinsgebühren sind zu bezahlen solange und wann auch immer die vom H*****‑Verein vermittelte Betreuungskraft beschäftigt wird, unabhängig davon, ob der Vertrag mit dem H*****‑Verein gekündigt oder aufgelöst wird.“

oder die Verwendung sinngleicher Klauseln zu unterlassen; ferner ist sie schuldig, es zu unterlassen, sich auf die vorstehende Klausel zu berufen, soweit diese unzulässiger Weise vereinbart worden ist.

2. Im Übrigen wird das angefochtene Urteil bestätigt.

3. Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 3.407,13 EUR (darin 529,80 EUR USt und 540 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ein Verein iSd § 29 KSchG.

Der 2007 gegründete beklagte Verein vermittelt in Teilen Österreichs Leistungen der Personenbetreuung. Er wurde von einer diplomierten Krankenschwester ins Leben gerufen, hat acht Angestellte und betreut durchschnittlich 60 bis 100 Familien mit Schwerpunkt in Ostösterreich über die bloße Vermittlung von Betreuerinnen, die in der Regel aus der Slowakei oder der Tschechischen Republik kommen, hinaus auch insoweit, als Kontrollbesuche und Schulungen der Betreuerinnen bei Besonderheiten des Falles durchgeführt werden. Auch Unterstützung bei Behördenwegen (zB Pflegegeld) sowie Koordinationshilfe bei der Organisation von Facharztterminen, Therapien, Spitalsaufenthalten sowie Sterbebegleitung werden gewährt. Letztlich wird auch der Kontakt zu den Familien bzw Sachwaltern gehalten. Der Beklagte vermittelt auch bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Pflegling und Pflegeperson und organisiert erforderlichenfalls Wechsel der Betreuungspersonen. Der Pflegebedürftige bezahlt dafür eine Einschreibegebühr von 270 EUR und eine monatliche Gebühr von 365 EUR. Der Beklagte arbeitet kostendeckend. Mit Überschüssen werden Investitionen getätigt, gut einem Drittel der Betreuten wird die Vereinsgebühr teilweise erlassen bzw Pflegematerial kostenlos zur Verfügung gestellt.

Der klagende Verein begehrte in seiner Klage, dem beklagten Verein die Verwendung von sechs Klauseln seiner AGB bzw Vertragsformblätter sowohl seines Vermittlungsvertrags (Aufnahmevertrags) mit der zu betreuenden Person als auch der Vereinbarung mit dem Betreuungspersonal zu untersagen und ihm die Ermächtigung zur Veröffentlichung des klagsstattgebenden Teiles des Urteilsspruches einmal in einer Samstagsausgabe der „Kronen Zeitung“ bzw in eventu einmal im redaktionellen Teil eines österreichischen Printmediums nach Auswahl des erkennenden Gerichts zu erteilen.

Das Erstgericht untersagte vier der inkriminierten Klauseln und wies das Klagebegehren in Bezug auf zwei weitere Klauseln des Vermittlungsvertrags sowie das Veröffentlichungsbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO zu.

Der klagende Verein bekämpft in seiner Revision den abweisenden Teil der Entscheidung und strebt auch insofern eine Klagsstattgebung an.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Auslegung von Klauseln in Geschäftsbranchen, welche zunehmend an Bedeutung gewinnen, eine erhebliche Rechtsfrage bildet, sofern solche Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen waren (RIS‑JustizRS0121516); sie ist aber nur teilweise berechtigt.

I: Beanstandete Klauseln:

I.1. Die vom Revisionsverfahren noch betroffenen Klauseln, die seit Sommer 2012 nicht mehr verwendet werden, lauten (wobei die Nummerierung der Vorinstanzen beibehalten wird):

2. „Der Verein behält sich vor, bei ungebührlichem Verhalten des Antragstellers – in der Folge als Klient bezeichnet – (oder seiner Angehörigen) gegenüber dem Betreuungspersonal (unberechtigtes Beschimpfen oder Belästigungen) das Personal ohne Ersatz abzuziehen und den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu beenden.“

3. „Die Vereinsgebühren sind zu bezahlen solange und wann auch immer die vom ...[Beklagter] vermittelte Betreuungskraft beschäftigt wird, unabhängig davon, ob der Vertrag mit dem ...[Beklagter] gekündigt oder aufgelöst wird.“

I.2.  Zu Klausel 2:

I.2.1. Der Kläger hat sich in erster Instanz darauf berufen, dass bei kundenfeindlichster Auslegung die Klausel auch anzuwenden wäre, wenn das Verhalten aufgrund einer Erkrankung oder psychischen Störung der betreuten Person gesetzt würde. Soweit dies bei Vertragsabschluss bekannt gewesen sei und eine entsprechende Qualifizierung des Personals zugesichert worden sei, wäre die Rechtsfolge nicht gerechtfertigt. Außerdem greife die Rechtsfolge nach ihrem Wortlaut auch bei einmaligem Vorkommen und geringer Intensität. Sie verstoße daher gegen § 879 Abs 3 ABGB und sei überraschend iSd § 864a ABGB. Überdies sei der Begriff des „ungebührlichen Verhaltens“ intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG und werde dem Umstand, dass der Adressatenkreis der Vertragsformblätter fortgeschrittenen Alters sei und daher besondere Anforderungen an die Einfachheit, Bestimmtheit und Verständlichkeit zu stellen seien, nicht gerecht. Letztlich greife die Klausel ungerechtfertigt in das Vertragsverhältnis zwischen der betreuten Person und der Betreuungsperson ein.

I.2.2. Der Beklagte hielt dem entgegen, dass „ungebührliches Verhalten“ im Kontext zu sehen sei. Selbst bei kundenfeindlichster Auslegung könne darunter kein krankheitsbedingtes Verhalten subsumiert werden, was durch die Beispiele „unberechtigtes Beschimpfen und Belästigen“ klargestellt werde. Die Klausel sei auch nicht intransparent, weil eine taxative Aufzählung aufgrund der Vielfältigkeit der Lebenssachverhalte nicht möglich sei. Die Bestimmung habe – tatsächlich vorkommende – Fälle schikanöser Behandlung und sexueller Belästigung von Betreuungskräften vor Augen. Ein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund sei generell weder gröblich benachteiligend noch überraschend.

I.2.3. Das Erstgericht sah diese Klausel als zulässig an, weil aus ihrem Wortlaut eindeutig ableitbar sei, dass damit willentlich gesteuertes, zurechenbares Verhalten gemeint sei und nicht die Auswirkungen etwaiger psychischer oder physischer Erkrankungen. Ein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund sei auch keineswegs überraschend und bei Dauerschuldverhältnissen grundsätzlich unverzichtbar. Auch eine gröbliche Benachteiligung des Betreuten bestehe nicht, weil vereinzelte Vorkommnisse geringer Intensität vom Wortlaut ohnehin nicht erfasst seien. Im Übrigen müsse sich das Betreuungspersonal auch nicht „ein bisschen“ beschimpfen und belästigen lassen. Auch ein unberechtigter Eingriff in das Vertragsverhältnis zwischen Betreuungsperson und Betreutem sei zu verneinen, weil der Pflegekraft immer ein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zustehe und es nur billig sei, diesfalls auch den Vermittlungsvertrag enden zu lassen, müsste der Beklagte doch sonst – ungeachtet des ungebührlichen Verhaltens – eine neue Pflegekraft vermitteln.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Rechtsansicht.

I.2.4. Der Revisionswerber verweist in dritter Instanz auf die besondere Anforderung an das Transparenzgebot beim Heimvertrag. In beiden Fällen seien die Betreuten auf die Betreuungsleistung angewiesen. Auch sei nicht klar, was sich der Betreute unter „ungebührlichem Verhalten“ vorstellen solle und was unter unberechtigtem Beschimpfen. Nach dem Bestimmtheitsgebot müssten die tatsächlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen genau umschrieben werden, sodass keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume verblieben, was hier nicht zutreffe. Aufgrund der psychisch anspruchsvollen Situation besonders bei der 24‑Stunden‑Betreuung seien Konflikte vorprogrammiert. Demenz könne bekanntermaßen mit aggressivem Verhalten einhergehen. Ein einmaliges ungebührliches Verhalten könne daher nicht ausreichen, um den Vertrag auflösen zu können, was bei kundenfeindlichster Interpretation der Klausel aber möglich sei. Berücksichtige man, dass die betreute Person besonders auf die Betreuung angewiesen sei und gemäß § 2 Abs 2 Z 7 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über Standes- und Ausübungsregeln für Leistungen der Personenbetreuung der Vertrag zum Monatsletzten unter Einhaltung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist gekündigt werden könne, müssten die Gründe für eine sofortige Auflösung des Vertrags besonders schwerwiegend sein. Unberechtigtes Beschimpfen reiche dafür sicherlich nicht aus.

I.2.5. Der Oberste Gerichtshof erachtet die diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanzen für zutreffend und nicht korrekturbedürftig (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Soweit sich der Revisionswerber nunmehr auf die Wertungen des Heimvertrags und die hiezu ergangene Rechtsprechung (vgl RIS‑Justiz RS0124337; RS0124628; RS0124627; 8 Ob 119/08w; 7 Ob 91/09x; 3 Ob 268/09x) bezieht, gesteht er selbst zu, dass die Abhängigkeit bei der Personenbetreuung geringer ist als jene zwischen Heimbewohner und Heimträger. Der Heimbewohner verliert im Kündigungsfall nicht nur die Betreuungsleistung, sondern gleichzeitig sein „Dach über dem Kopf“. Zusätzlich verfügen Heime regelmäßig über mehr als nur eine Person an Betreuungspersonal, sodass eine problematische Betreuungssituation durch interne Umorganisation leichter und schneller deeskaliert werden kann. Dagegen ist die Struktur der Personenbetreuung „zu Hause“ grundsätzlich auf die ausschließliche Betreuung durch jeweils eine Person ausgerichtet. Eine Übernahme der Wertungen der Rechtsprechung zum Heimvertrag, die das grundsätzlich bei Dauerschuldverhältnissen unverzichtbare außerordentliche Kündigungsrecht (vgl RIS‑Justiz RS0129728; 6 Ob 283/05v uva) im Hinblick auf die Spezifika des Heimvertrags einschränkt, ist daher nicht geboten.

„Ungebührlich“ ist ein Verhalten dann, wenn es anstößig und unzumutbar ist (Duden, Synonymwörterbuch², 740). Dies entspricht auch dem allgemeinen Sprachgebrauch, wie er sich dem durchschnittlichen Adressaten erschließt (vgl dazu RIS‑Justiz RS0008901; RS0126158). Jede nähere inhaltliche Bestimmung und Detaillierung dieses allgemein gebräuchlichen und verständlichen Begriffs im Sinne der vom Revisionswerber geforderten Bestimmtheit würde zu Lasten der nach dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG ebenfalls geforderten Durchschaubarkeit, Klarheit, Übersichtlichkeit und Verlässlichkeit der Regelung (RIS‑Justiz RS0115217 [T14]; 6 Ob 234/15b) gehen und damit ihrerseits angreifbar werden. Die Klausel lässt hier zwar einen Beurteilungsspielraum zu, aber keinen ungerechtfertigten. Dass auch ein – entsprechend intensives – einmaliges Verhalten als Kündigungsgrund ausreichen kann, macht sie ebenfalls nicht per se unzulässig. Auch wenn die betreute Person grundsätzlich auf die Betreuung angewiesen sein mag, kann dies nicht dazu führen, dass sich die Betreuungsperson in einer dem Betreuten zurechenbaren Weise (ohnehin nur „ungebührlich“) beschimpfen und belästigen lassen und der Beklagte dem tatenlos „zusehen“ bzw für die Zeit der ordentlichen Kündigungsfrist eine weitere Betreuungsperson dieser Situation aussetzen muss.

Inwiefern im Hinblick auf die in § 2 Abs 2 Z 7 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit (nunmehr: für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft – BGBl II 2015/396, Z 1) über Standes‑ und Ausübungsregeln für Leistungen der Personenbetreuung (BGBl II 2007/278 idgF), der das ordentliche Kündigungsrecht dahin regelt, dass in den Bestimmungen über die Beendigung des Vertragsverhältnisses auch vorzusehen ist, dass der Vertrag von beiden Vertragsteilen unter Einhaltung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendermonats aufgelöst werden kann, besondere Einschränkungen des hier zu beurteilenden außerordentlichen Kündigungsrechts geboten wären, ist nicht nachvollziehbar.

I.3.  Zu Klausel 3:

I.3.1. Dazu hat der Kläger in erster Instanz vorgebracht, dass diese Klausel gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB sei, weil das Konkurrenzverbot uneingeschränkt wäre und die zu betreuende Person trotz Wegfalls der Leistung ungeachtet der Frage, wie viel an Vereinsgebühren bereits in der Vergangenheit bezahlt worden seien, dauerhaft weiter zur Zahlung verpflichtet werde. Pflegebedürftige Personen wären aber in Bezug auf die Sicherstellung der Betreuung besonders schutzwürdig. Nicht ersichtlich sei, welche Leistungen der Beklagte für die monatliche Vereinsgebühr von 365 EUR überhaupt erbringe und welche Vorteile nach Vertragsbeendigung fortbestünden. Bei kundenfeindlichster Auslegung sei die Klausel überdies anzuwenden, wenn der Beklagte selbst einen wichtigen Grund für die Auflösung des Vertrags gesetzt habe. Im Ergebnis sei die Klausel auch intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG, weil sie die wahre Rechtslage verschleiere, und überraschend iSd § 864a ABGB.

I.3.2. Der Beklagte hielt dem entgegen, dass die Pflicht zur Fortzahlung der Vereinsgebühren sachlich gerechtfertigt sei, um unlauteres Abwerben bzw Umgehungshandlungen hintanzuhalten. Solche Konkurrenzverbote seien üblich und zulässig. Für die Vermittlung seien umfangreiche Verwaltungstätigkeiten des Vereins erforderlich, deren Nutzen für den Betreuten auch nach Beendigung des Vermittlungsvertrags bis zur Beendigung der Betreuung fortbestehe. Die Leistungen des Beklagten gingen weit über die reine Vermittlung hinaus. Weiters stelle der Verein sicher, dass die Betreuungskräfte ihnen zustehende Nebenleistungen und Standards erhielten und im Fall der Beendigung des Pflegeverhältnisses rasch wieder vermittelt würden. Daher solle die Bestimmung auch die Umgehung des Vereins sowie bilaterale Verträge zu Lasten der Pflegekräfte verhindern. Im Übrigen sei das Entgelt bekannt und kalkulierbar. Eine Befristung sei nicht geboten, weil die Zahlungspflicht bestehe, solange die Betreuungskraft beschäftigt werde.

I.3.3. Das Erstgericht erachtete diese Klausel für zulässig, weil sie eine klar umrissene, zeitlich und umfänglich beschränkte und keineswegs per se unübliche Pönale beinhalte: solange die vermittelte Person beschäftigt werde, sei auch die Vereinsgebühr zu bezahlen. Der Wortlaut lasse auch keine Zweifel daran, dass die Bestimmung nur Kündigungen durch „Klienten“ (betreute Personen) betreffe. Damit sei sie weder überraschend noch intransparent. Bei Kündigung durch den Betreuten müsse der Beklagte zwar keine weiteren Leistungen (Kontrollbesuche, Koordinationstätigkeiten udgl) erbringen, doch sei im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung auch das Interesse des Vereins zu berücksichtigen, der zur Aufrechterhaltung seiner Struktur und damit auch der Betreuung der anderen Pflegebedürftigen und der Pflegekräfte angesichts seiner kostendeckenden Vorgehensweise auf regelmäßige Zahlungen angewiesen sei. Auch die konkrete Pönale in Höhe der laufenden Vereinsgebühr (rund 360 EUR/Monat) sei sachlich gerechtfertigt. Sie sei dem Pflegebedürftigen voraus bekannt, kalkulierbar und auch leistbar, zahle er die Gebühr doch auch vor der Kündigung. Sie sei auch nicht unbillig, weil der Betreute sich entschieden habe, nicht nur einen reinen Vermittler zu beschäftigen, sondern auch die Zusatzleistungen des Beklagten in Anspruch zu nehmen und dieser aus Sicht des Betreuten offenbar eine optimale Betreuungssituation hergestellt habe. Dann solle der Betreute aber nicht die Möglichkeit haben, die Fortwirkung dieser Vermittlungsleistung unter Umgehung der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Unbilligkeiten in Sonderkonstellationen könne im Rahmen des richterlichen Mäßigungsrechts Rechnung getragen werden.

Das Berufungsgericht schloss sich diesen Erwägungen an.

I.3.4. Der Revisionswerber hält den Einwand, dass der Beklagte nach Vertragsauflösung keine Leistungen mehr erbringe, auch vom Berufungsgericht für nicht ausreichend berücksichtigt. Dass die Zahlung den Fortbestand der Vereinsstruktur sichern solle, könne kein Kriterium der Interessenabwägung sein. Im Übrigen könne die Verpflichtung zur Weiterbezahlung der Vereinsgebühr nicht ohne Befristung sein. Dies sei gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. Selbst nach dem AngG dürfe ein Konkurrenzverbot nur für ein Jahr vereinbart werden. Auch sei der Wortlaut der Klausel nicht eindeutig. Bei kundenfeindlichster Auslegung wäre selbst im Fall der Kündigung wegen mangelhafter Leistung des Beklagten die Vereinsgebühr weiter zu bezahlen und auch dann, wenn nach einjähriger Pause die Personenbetreuerin wieder beschäftigt werde, zB über Vermittlung durch einen anderen Verein. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sei nicht klar, ob die Gebühr auch bei Kündigung durch den Verein zu bezahlen sei. Ihr Kontext belege, dass sie überraschend sei, weil der Verbraucher nicht damit rechnen müsse, dass sich eine Konventionalstrafenregelung unter der Überschrift „Vereinsgebühr“ finde. Auch der Verweis „ungeachtet der Bestimmung des Punktes 5.d) ...“ sei nicht ausreichend transparent, weil er nicht darauf hinweise, dass in dieser Bestimmung eine weitere Zahlungspflicht enthalten sei. Letztlich sei eine Sanierung mittels geltungserhaltender Reduktion unzulässig, insoweit das Gericht meine, dass Sonderkonstellationen im Rahmen des richterlichen Mäßigungsrechts begegnet werden könne. Dieses ziele auf den Einzelfall ab, die Verbandsklage dagegen auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten AGB. Eine Mehrdeutigkeit einer Klausel könne daher damit nicht gelöst werden.

I.3.5. In der Revisionsbeantwortung wird dem entgegengehalten, dass zwar die Vermittlung einer bestimmten Person per se nur einmal erfolge, dafür aber umfangreiche Vorarbeiten notwendig seien, um genügend Pflegepersonal zur Verfügung zu haben. Auch habe die Vermittlungsleistung ihren Ausgang unstreitig in der Vereinsmitgliedschaft der zu betreuenden Person. Nur aufgrund dieses Umstands erbringe die Beklagte ihre Dienste, weshalb mit deren Beendigung kein Anspruch auf weitere Inanspruchnahme dieser Vorteile bestehe.

Hiezu wurde insgesamt Folgendes erwogen:

I.3.6. Mit der inkriminierten Klausel wird die betreute Person als Mitglied des beklagten Vereins verpflichtet, für den Fall der Kündigung der Mitgliedschaft bei gleichzeitiger Weiterbeschäftigung der vermittelten Betreuungskraft eine Leistung in Höhe des Mitgliedsbeitrags zu erbringen. Es handelt sich dabei mangels nach Kündigung der Vereinsmitgliedschaft bestehenden Erfüllungsanspruchs (vgl RIS‑Justiz RS0032013) um eine „unechte Vertragsstrafe“ (vgl Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1336 Rz 6; zur Nähe zum Reugeld bei einvernehmlicher Vertragsaufhebung vgl auch RIS‑Justiz RS0125849 = 7 Ob 78/10m) und daher um keine Hauptleistungspflicht.

Wird aber sowohl behauptet, dass eine in einem Vertragsformblatt enthaltene Vereinbarung einer Konventionalstrafe für den Fall der vorzeitigen Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses gemäß § 864a ABGB nicht gilt, als auch, dass sie gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig ist, hat in erster Linie die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB, in zweiter die Angemessenheitskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0014642).

Bei der Beurteilung einer Vertragsbestimmung nach § 864a ABGB kommt es nicht allein auf ihren Inhalt an. Er spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich besonders aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Relevant ist, ob die fragliche Bestimmung im Text derart „versteckt“ ist, dass sie der Vertragspartner dort nicht vermutet, wo sie sich befindet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte. Bei der Beurteilung, ob dies der Fall ist, kommt es auf den durchschnittlich sorgfältigen Leser bzw einen durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis an (RIS‑Justiz RS0014659; RS0008901; RS0126158).

Die zu beurteilenden AGB enthalten zwar einen „Pkt 8. Konventionalstrafe“; ein durchschnittlicher Leser wird aber keine diffizilen rechtlichen Einordnungen vornehmen, sondern eine Zahlungspflicht dort suchen, wo solche angeführt werden – und daher auch bei Pkt 5 über die zu entrichtenden Vereinsgebühren. Dies umso mehr, als die „Vertragsstrafe“ hier so gestaltet wird, dass sie in Höhe der Vereinsgebühr weiter bezahlt werden soll. Ein Verstoß gegen § 864a ABGB ist daher nicht ersichtlich.

Durch die Bestimmung des § 879 Abs 3 ABGB wurde allerdings ein die objektive Äquivalenzstörung und „verdünnte Willensfreiheit“ berücksichtigendes bewegliches System geschaffen. Bei der Abweichung einer Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften liegt gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn sie unangemessen ist (RIS‑Justiz RS0016914).

Die Klausel statuiert hier eine Leistungspflicht in Höhe der Vereinsgebühr auch nach Beendigung der Vereinsmitgliedschaft, solange die in deren Rahmen vermittelte Betreuungskraft beschäftigt wird und darüber hinaus auch „wann auch immer“ sie beschäftigt wird. Bei kundenfeindlichster Auslegung (RIS‑Justiz RS0016590) ergibt sich daraus ein zeitlich nicht limitiertes Beschäftigungsverbot bzw aus Sicht der Betreuungsperson ein ebensolches Konkurrenzverbot. Mag auch das Interesse des Beklagten, seine umfassenden Leistungen honoriert zu erhalten, durchaus eine gewisse zeitlich befristete Untersagung der (Weiter‑)Beschäftigung der vermittelten Betreuungsperson im Fall der Kündigung der Vereinsmitgliedschaft rechtfertigen, so ist aber ein zeitlich unbefristetes Verbot doch gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

II. Veröffentlichungsbegehren:

II.1. Der Kläger betonte ein berechtigtes Interesse der betroffenen Kreise sowohl auf Seiten der betreuten Personen als auch des Betreuungspersonals und der Konkurrenten des Beklagten, über das gesetz‑ und sittenwidrige Verhalten des Beklagten aufgeklärt zu werden, auch um ein Umsichgreifen derartiger Praktiken zu verhindern. Die Veröffentlichung in einer Samstagsausgabe der „Kronen Zeitung“ sei gerechtfertigt, weil der Beklagte seine Dienste im Internet und mittels Werbefoldern bewerbe und in sieben Bundesländern tätig sei.

Der Beklagte meinte, das Veröffentlichungs-begehren sei jedenfalls überschießend, weil der Verein nur rund 100 Personen betreue, Kontakte primär über Mundpropaganda zustande kämen und keine Werbemittel verteilt würden.

II.2. Das Erstgericht hielt selbst eine räumliche beschränkte Veröffentlichungsermächtigung im Hinblick auf die Feststellungen, dass der beklagte Verein nur rund 60 bis 100 Familien betreue, die nicht über Printwerbung angeworben würden, für überschießend. Überdies mangle es am konkreten Aufklärungsinteresse, weil die Vertragsformblätter unstrittig seit spätestens Sommer 2012 durch andere ersetzt worden seien. Das Verfahren habe keine konkreten Hinweise erbracht, dass die als unzulässig qualifizierten Klauseln jemals zum Nachteil eines Vertragspartners angewendet worden seien. Auch ein „Umsichgreifen“ müsse angesichts der geringen Reichweite des nicht auf Gewinnerzielung ausgerichteten Vereins, der nur ursprünglich „selbstgestrickte“ AGB verwendet habe, nicht verhindert werden.

Das Berufungsgericht verwies auf das nach § 25 UWG erforderliche schutzwürdige Interesse des Klägers an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaß. Davon ausgehend wäre eine Urteilsveröffentlichung in einer Tageszeitung auch nur in einzelnen Bundesländern überschießend und sei die Beurteilung des Erstgerichts zutreffend.

II.3. Der Revisionswerber hält dem entgegen, dass der Zweck der Urteilsveröffentlichung über die bloße Information der Vertragspartner und der potentiellen Vertragspartner hinausginge. Die Verbraucher in ihrer Gesamtheit, also nicht nur die unmittelbar Betroffenen, hätten ein Recht, über gesetz‑ und sittenwidrige Geschäftsbedingungen aufgeklärt zu werden. Auch bestehe weiter Wiederholungsgefahr und habe die Tatsache, dass der Beklagte nicht in allen Bundesländern tätig werde, als minus zu einer bundesweiten Veröffentlichungsermächtigung zumindest zu einer solchen in den von seiner Tätigkeit betroffenen Landesteilen führen müssen, dies auch im Hinblick auf die wachsende Bedeutung der 24‑Stundenpflege.

II.4. Auch in diesem Punkt ist der Entscheidung der Vorinstanzen zu folgen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Wie diese bereits ausgeführt haben, hängt die Berechtigung des Begehrens auf Urteilsveröffentlichung davon ab, ob ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaße besteht (RIS‑Justiz RS0079737). Zweck der Urteilsveröffentlichung ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (RIS‑Justiz RS0121963). Die Regelung der Urteilsveröffentlichung beruht auf dem Gedanken, dass es häufig im Interesse der Allgemeinheit liegt, unlautere Wettbewerbshandlungen in aller Öffentlichkeit aufzudecken und die beteiligten Verkehrskreise über die wahre Sachlage aufzuklären. Die Urteilsveröffentlichung soll also vor allem das Publikum aufklären und einer Weiterverbreitung unrichtiger Ansichten entgegenwirken (RIS‑Justiz RS0079820).

Nun haben aber die hier zu beurteilenden Vertragsformblätter konkret nur eine Reichweite von im Schnitt 60 bis 100 Familien und werden überdies seit Jahren nicht mehr verwendet. Auch handelt es sich, wie es das Erstgericht treffend formuliert hat, um die ursprünglich „selbstgestrickten“ Formblätter eines nicht auf Gewinn gerichteten, kleinen Vereins. Angesicht dieser Umstände teilt der erkennende Senat die Ansicht, dass eine Veröffentlichung im konkreten Fall nicht notwendig ist, zumal auch die Revision über die allgemeine Judikatur hinaus nur den Hinweis auf eine Veröffentlichungsermächtigung in Zusammenhang mit Klauseln über die 24‑Stunden‑Pflege durch das Oberlandesgericht Graz enthält. In dieser Sache wurde mittlerweile zu 6 Ob 234/15b die außerordentliche Revision zurückgewiesen, sodass es – konkret mangels grober Fehlbeurteilung – bei der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung blieb. Die dortige beklagte Partei hat allerdings die Vermittlung von Leistungen der Personenbetreuung gewerblich betrieben und für diese Leistung ein um ein Vielfaches höheres monatliches Entgelt verlangt. Da der Entscheidung auch nicht zu entnehmen ist, wie groß die Reichweite der Vermittlungstätigkeit dort war, kann daraus für den hier zu beurteilenden Fall letztlich nichts gewonnen werden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO. Im erstinstanzlichen Verfahren war von einem Obsiegen des Klägers mit rund 2/3 und im Berufungsverfahren von einem vollen Obsiegen des Klägers in Bezug auf die Berufung des Beklagten sowie von einem solchen von rund 1/3 mit der eigenen Berufung, und letztlich von rund 1/3 Obsiegen des Klägers im Revisionsverfahren auszugehen. Überdies waren die in der Revisionsbeantwortung verzeichneten Kosten beim Einheitssatz und daraus resultierend bei der USt zu korrigieren.

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