OGH 6Ob283/05v

OGH6Ob283/05v30.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Robert P*****, vertreten durch Mag. Günter Petzelbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 5.111,69 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. August 2005, GZ 35 R 379/05b-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 24. Februar 2005, GZ 31 C 759/04f-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 333,12 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Der Kläger schloss als Inhaber eines sicherheitstechnischen Zentrums im April 2001 mit der durch den Landesschulrat für Burgenland vertretenen Beklagten einen als Werkvertrag bezeichneten und mit 31. 12. 2003 befristeten Vertrag über die sicherheitstechnische Betreuung der Bediensteten des Landesschulrats Burgenland und seiner nachgeordneten Dienststellen nach dem Bundes-Bedienstetenschutzgesetz ab. Der Vertrag konnte von den Vertragspartnern unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten vierteljährlich zum jeweiligen Quartalsende gekündigt werden.

Im Sommer 2003 prüfte die zuständige Sachbearbeiterin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, ob der Kläger die Voraussetzungen zur Führung eines sicherheitstechnischen Zentrums erfülle. Sie kam zu dem Ergebnis, dass das nicht der Fall war, weil ihm Fachpersonal fehlte. Der Aufforderung der Sachbearbeiterin, entsprechende Nachweise betreffend das Fachpersonal zu erbringen, folgend, legte der Kläger Urkunden vor, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit aber nicht als Nachweis für die Beschäftigung von Fachpersonal anerkannt wurden. Das Bundesministerium teilte dem Kläger mit Schreiben vom 28. 7. 2003 mit, dass die Voraussetzungen für den Betrieb eines sicherheitstechnischen Zentrums nicht erfüllt seien und deshalb sein Betrieb in der Liste der sicherheitstechnischen Zentren nicht genannt werden könne. Er wurde auch darauf hingewiesen, dass eine Verwaltungsübertretung begangen wird, wenn ein sicherheitstechnisches Zentrum betrieben wird, ohne die gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen. Der Kläger wurde nicht bestraft.

Mit Schreiben vom 8. 8. 2003 gab das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit dem Landesschulrat für Burgenland bekannt, dass das sicherheitstechnische Zentrum des Klägers derzeit nicht die Voraussetzungen für den Betrieb eines solchen Zentrums erfüllt und daher aus der Liste der sicherheitstechnischen Zentren gestrichen wurde.

Daraufhin kündigte der Landesschulrat für Burgenland unter Berufung auf die Streichung aus der Liste den Werkvertrag mit dem Kläger zum 30. 9. 2003. Dem Kläger wurde das Kündigungsschreiben am 15. 9. 2003 zugestellt. Er antwortete mit Brief vom 24. 9. 2003, dass er die Kündigung nicht zur Kenntnis nehme und die Kündigung unbegründet sei, weil er ein behördlich nicht untersagtes Sicherheitszentrum führe. Dies allein sei für das Vertragsverhältnis ausschlaggebend. Er werde die Betreuung der Dienststellen bis zum vertraglich vereinbarten Endtermin weiterführen. Er war weiter leistungsbereit. Der Landesschulrat für Burgenland und die nachgeordneten Dienststellen (Schulen) nahmen jedoch ab 1. 10. 2003 Leistungen des Klägers nicht mehr entgegen.

Der Kläger war vom 28. 7. 2003 bis zum 1. 1. 2004 aus der Liste der sicherheitstechnischen Zentren gestrichen.

Das Erstgericht, das noch feststellte, dass beim Kläger bereits am 1. 1. 2003 die Voraussetzungen für die Führung eines sicherheitstechnischen Zentrums nicht mehr vorlagen, wies das auf Zahlung des Werklohns für das 4. Quartal 2003 gerichtete Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es hielt die vom Kläger in seiner Berufung bekämpfte Feststellung, bei ihm seien bereits am 1. 1. 2003 die Voraussetzungen für die Führung eines sicherheitstechnischen Zentrums nicht vorgelegen, für nicht relevant. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, der zwischen den Streitteilen geschlossene Werkvertrag sei ein Dauerschuldverhältnis. In der vereinbarten Leistungsbeschreibung werde darauf hingewiesen, dass der Dienstgeber für die unter den Geltungsbereich des Bundes-Bedienstetenschutzgesetzes fallenden Dienststellen nach § 73 dieses Gesetzes eine sicherheitstechnische Betreuung einzurichten habe, die unter anderem durch sicherheitstechnische Zentren gemäß § 75 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz erfolgen könne, die in der aktuellen Liste der sicherheitstechnischen Zentren des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales (nunmehr Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit) enthalten seien. Dauerschuldverhältnisse seien jederzeit mit der Wirkung ex nunc aus wichtigen Gründen vorzeitig auflösbar. Als wichtige Gründe seien solche anzusehen, die einer Partei die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses billigerweise nicht mehr zumutbar erscheinen ließen. Als Auflösungsgründe kämen etwa Vertragsverletzungen, der dadurch bedingte Verlust des Vertrauens zum Vertragspartner oder erhebliche Änderungen der Verhältnisse in Betracht, die eine weitere Aufrechterhaltung der vertraglichen Bindung unzumutbar erscheinen ließen. Durch die Verwendung des Wortes „aktuelle" Liste in § 73 Abs 1 Z 3 Bundes-Bedienstetenschutzgesetz habe der Gesetzgeber zu verstehen gegeben, dass es ihm gerade um die Aktualität der Berechtigung zur Erbringung sicherheitstechnischer Leistungen gehe. Bereits abgelaufene Berechtigungen zur Erbringung sicherheitstechnischer Leistungen sollten nicht gewissermaßen als Deckmantel dafür herangezogen werden können, auch in aller Zukunft derartige Leistungen erbringen zu können. Käme es tatsächlich auf die rechtskräftige Bestrafung im Sinn des § 130 Abs 6 Z 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz an, wäre die Aktualität der Liste der sicherheitstechnischen Zentren massiv gefährdet. Die Streichung des Klägers aus der Liste der sicherheitstechnischen Zentren sei ein wichtiger Grund, der die sofortige Vertragsauflösung gerechtfertigt habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Zulässigkeit einer außerordentlichen Auflösung des Vertrags über die sicherheitstechnische Betreuung nach dem Bundes-Bedienstetenschutzgesetz aufgrund der Streichung des sicherheitstechnischen Zentrums aus der Liste der sicherheitstechnischen Zentren fehle.

Die Revision des Klägers ist entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts unzulässig.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der zwischen den Streitteilen geschlossene Vertrag als Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund auch vor dem vereinbarten Vertragsende jederzeit aufgelöst werden konnte, stellt der Revisionswerber zutreffend nicht in Frage. Er meint, die Streichung aus der Liste nach § 75 ASchG rechtfertige die Kündigung nicht. Diese Liste habe nur deklarativen Charakter. Für den Betrieb eines sicherheitstechnischen Zentrums sei die Aufnahme in die Liste nicht erforderlich. Die Streichung aus der Liste habe keinen Bescheidcharakter und keine Bescheidwirkung. Die Liste müsse auch nicht vollständig sein und habe auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Gesetz sehe nicht vor, die Aufnahme in diese Liste erzwingen zu können. Der Betreiber eines sicherheitstechnischen Zentrums habe keinen Anspruch, in die Liste aufgenommen zu werden. Die Aufnahme in die Liste und die Streichung aus der Liste sage nichts darüber aus, ob die Berechtigung zur Führung eines sicherheitstechnischen Zentrums erteilt oder widerrufen worden sei. Ein Feststellungsbescheid gemäß § 75 Abs 2 ASchG habe bestanden und sei niemals mit Bescheid widerrufen worden.

Eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht aufgezeigt.

Rechtliche Beurteilung

1. § 75 Abs 2 Satz 1 und 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG in der Stammfassung BGBl 1994/450 sah vor, dass der Bundesminister für Arbeit und Soziales auf Antrag des Betreibers eines sicherheitstechnischen Zentrums festzustellen hatte, ob die in § 75 Abs 1 ASchG genannten Voraussetzungen für das Vorliegen eines solchen Zentrums gegeben sind, und bei Wegfall der Voraussetzungen diese Feststellung zu widerrufen hatte. Eine behördliche Zulassung von sicherheitstechnischen Zentren war und ist im Gesetz nicht vorgesehen (s auch ErläutRV 1590 BlgNR 18. GP 107; ErläutRV 1449 BlgNR 20. GP 11). Nach § 75 Abs 2 Satz 3 ASchG in der Stammfassung hatte der Bundesminister für Arbeit und Soziales jährlich eine Liste jener sicherheitstechnischen Zentren zu erstellen, die über eine aufrechte Feststellung nach dem ersten Satz dieses Absatzes verfügten. Diese Rechtslage gilt seit 1. 1. 1999 nicht mehr. Die Behauptung des Revisionswerbers, „ein Feststellungsbescheid gemäß § 75 Abs 2 ASchG habe bestanden und sei niemals mit Bescheid widerrufen worden", ist schon deshalb unerheblich. § 75 ASchG wurde durch BGBl I 1999/12 neu gefasst. Die Neufassung ist am 1.1. 1999 in Kraft getreten (§ 131 Abs 4 ASchG idF BGBl I 1999/12) und steht nach vor in Geltung:

§ 75 Abs 1 ASchG regelt, welche Voraussetzungen für den Betrieb eines sicherheitstechnischen Zentrums erfüllt sein müssen. Absatz 2 der Gesetzesstelle sieht Meldepflichten des Betreibers eines sicherheitstechnischen Zentrums vor. So ist der Betreiber verpflichtet, spätestens vier Wochen vor Aufnahme des Betriebes den Zeitpunkt der beabsichtigten Inbetriebnahme und Anderes dem zuständigen Bundesminister zu melden. Auf Grund dieser Meldung hat das zuständige Arbeitsinspektorat unverzüglich zu überprüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Ergibt die Überprüfung, dass dies nicht der Fall ist, hat das Arbeitsinspektorat den Betreiber zur Behebung der Mängel vor Aufnehme des Betriebs aufzufordern. Wird ein sicherheitstechnisches Zentrum betrieben, ohne die gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen, hat das Arbeitsinspektorat Strafanzeige an die zuständige Verwaltungsstrafbehörde zu erstatten (§ 75 Abs 3 ASchG). In die gemäß § 75 Abs 4 ASchG vom zuständigen Bundesminister jährlich zu erstellende Liste der sicherheitstechnischen Zentren sind alle sicherheitstechnischen Zentren aufzunehmen, bei denen die in § 75 Abs 3 ASchG vorgesehene Prüfung ergeben hat, dass sie die Voraussetzungen nach § 75 Abs 1 ASchG erfüllen. Wer ein sicherheitstechnisches Zentrum betreibt, ohne die Voraussetzungen nach § 75 Abs 1 ASchG zu erfüllen, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe zu bestrafen ist (§ 130 Abs 6 Z 1 ASchG). Erfolgt eine rechtskräftige Bestrafung im Sinne dieser Gesetzesstelle, so ist das betreffende Zentrum aus der Liste zu streichen (§ 75 Abs 4 letzter Satz ASchG). Diese Liste dient der Unterstützung der Arbeitgeber bei der Auswahl eines sicherheitstechnischen Zentrums. Wenn Arbeitgeber ein in der Liste angeführtes Zentrum in Anspruch nehmen, können sie davon ausgehen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (ErläutRV 1590 BlgNR 18. GP 106 f).

2. Dauerschuldverhältnisse können durch einseitige Erklärung aufgelöst werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Streitteile unzumutbar erscheinen lässt (RIS-Justiz RS0027780; vgl RS0018377). Die Frage der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Vertragspartner kann nur nach einer umfassenden Sicht aller dafür und dagegen sprechenden Gegebenheiten des Einzelfalls beantwortet werden (SZ 60/218; 7 Ob 383/98v ua). Bei der Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes für die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses ist auf den Zeitpunkt der Abgabe der Auflösungserklärung abzustellen (EvBl 1987/176; 1 Ob 342/97v). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass allein die Streichung des Klägers aus der Liste der sicherheitstechnischen Zentren zur außerordentlichen Kündigung berechtigte, stellt keine korrekturbedürftige Entscheidung im Einzelfall dar:

Die Liste der sicherheitstechnischen Zentren (§ 75 Abs 4 ASchG) soll den Arbeitgeber bei der Inanspruchnahme externer Dienste davon entlasten, sich zu vergewissern, dass ein solcher Dienst die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Umgekehrt indiziert eine Streichung aus der Liste dem Arbeitgeber, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Betrieb eines sicherheitstechnischen Zentrums nicht (mehr) erfüllt sind. Der Gesetzgeber gibt dem Bund als Dienstgeber (§ 2 Abs 2 Bundes-Bedienstetensicherheitsgesetz - B-BSG) auf, für die von diesem Gesetz erfassten Dienststellen Sicherheitsfachkräfte zu bestellen, wobei diese Verpflichtung durch Inanspruchnahme eines „sicherheitstechnischen Zentrums gemäß § 75 ASchG, das in der aktuellen Liste der sicherheitstechnischen Zentren des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit enthalten ist", erfüllt werden kann (§ 73 Abs 1 Z 3 B-BSG). Dies wird im Vertrag der Streitteile in der Leistungsbeschreibung ausdrücklich festgehalten. Daraus lässt sich vertretbar ableiten, dass es nach dem Vertrag nicht nur darauf ankommt, dass der in Anspruch genommene externe Dienst die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, sondern auch, dass er in der „aktuellen" Liste als sicherheitstechnisches Zentrum eingetragen ist. Dem Dienstgeber soll offenbar die Prüfung erspart werden, ob der externe Dienst die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt oder nicht. Im Hinblick auf diese vom Berufungsgericht herausgearbeiteten Gesichtspunkte ist seine Beurteilung, der Beklagten sei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit dem Kläger allein aufgrund seiner Streichung aus der Liste im Zeitpunkt der Auflösungserklärung billigerweise nicht mehr zumutbar gewesen, keine aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung, fehlte doch dem Kläger eine nach dem Vertrag verlangte wesentliche Eigenschaft.

Ansprüche des Klägers aus einer allenfalls unberechtigten Streichung aus der Liste der sicherheitstechnischen Zentren sind nicht Gegenstand des Verfahrens.

Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. In der Revisionsbeantwortung wies die Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision hin.

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