OGH 13Os111/16x

OGH13Os111/16x22.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Mag. Gerold P***** und eine Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG aF sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Mag. Gerold P***** sowie die Berufung der Angeklagten Brigitte V***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. November 2015, GZ 124 Hv 129/11s‑265, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00111.16X.0222.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Mag. Gerold P***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Gerold P***** der Verbrechen der Untreue nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB idF BGBl I 2004/136 (II/A/1) und der Veruntreuung nach §§ 12 zweiter Fall, 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB idF BGBl I 2004/136 (II/A/2) sowie mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG aF (II/B), Brigitte V***** der Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB idF BGBl I 2004/136 (I/A) und der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB idF BGBl I 2004/136 (I/B) sowie mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG aF (I/C) schuldig erkannt.

Danach haben in W*****

(I) Brigitte V*****

A) in den Jahren 2004 bis 2010 die ihr durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch 31 von ihr vertretenen Klienten einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, indem sie in zahlreichen Angriffen rechtsgrundlos Steuerguthaben dieser Klienten in der Gesamthöhe von rund 3.000.000 Euro auf Konten der T***** GmbH oder private Konten überweisen ließ,

B) am 15. Februar 2010 und am 10. März 2010 ein Gut im Wert von mehr als 50.000 Euro, das ihr anvertraut worden war, der T***** GmbH mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem sie einen Treuhanderlag der F***** GmbH in der Höhe von ca 290.000 Euro zur Rückzahlung von Schulden der T***** GmbH verwendete, und

C) bis 2006 als Prokuristin und danach als Generalbevollmächtigte der T***** GmbH vom 24. April 2007 bis zum 15. Februar 2010 (US 47 f) im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Wien 4/5/10 durch die Vorlage von Steuererklärungen gewerbsmäßig zu den unter II/B bezeichneten Finanzvergehen des Mag. Gerold P***** beigetragen (§ 11 dritter Fall FinStrG),

(II) Mag. Gerold P***** als unternehmensrechtlicher und für die abgabenrechtlichen Belange verantwortlicher Geschäftsführer der T***** GmbH

A) Brigitte V***** durch die Anweisung, die Steuerguthaben der jeweiligen Klienten der T***** GmbH zu „cashen“, zu strafbaren Handlungen bestimmt, nämlich

1) in den Jahren 2004 bis 2010 zu dem unter I/A beschriebenen Verbrechen der Untreue und

2) am 15. Februar 2010 zu dem unter I/B beschriebenen Verbrechen der Veruntreuung sowie

B/1) vom Jahr 2007 bis zum 15. Februar 2010 (US 47 f) im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Wien 4/5/10 gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt, nämlich an

a) Umsatzsteuer für das Jahr 2005 um 730,94 Euro sowie

b) Körperschaftsteuer für die Jahre 2004 um 112.161,89 Euro, 2005 um 80.392,18 Euro, 2006 um 135.044,51 Euro, 2007 um 82.559,23 Euro und 2008 um 120.878,37 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 9 (richtig) lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. Gerold P***** geht fehl.

Indem die Verfahrensrüge (Z 4) einen „Beweisantrag auf Einholung eines psychiatrischen und neurologischen Gutachtens“ anspricht, ohne eine diesbezügliche Fundstelle in den – mit 14 Bänden umfangreichen – Akten anzugeben, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (13 Os 83/08t, SSt 2008/61; RIS‑Justiz RS0124172).

Hinzu kommt, dass den Beschwerdeausführungen auch inhaltlich kein aus Z 4 beachtliches Vorbringen zu entnehmen ist. Die Rüge zielt nämlich auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der beiden Angeklagten, die gemäß § 258 Abs 2 StPO dem erkennenden Gericht zukommt. Nur ausnahmsweise, etwa bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Beweispersonen, kommt dabei die Hilfestellung durch einen Sachverständigen in Betracht (15 Os 8/06z, SSt 2006/25; RIS‑Justiz RS0120634; jüngst 13 Os 25/16z). Ein solcher Ausnahmefall wird hier aber nicht behauptet.

Die Bezugnahme auf die Beilage ./10 zu ON 245 geht unter dem Aspekt der Z 4 schon im Ansatz ins Leere, weil diese Urkunde ohnedies (durch Vortrag im Sinn des § 252 Abs 2a StPO) in der Hauptverhandlung vorgekommen ist (ON 264 S 19).

Soweit die Beschwerde die Beweiswürdigung hiezu (US 102) kritisiert, verlässt sie den Anfechtungsrahmen der Nichtigkeitsgründe.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) widerspricht (Z 5 dritter Fall) die Ableitung von Feststellungen zur Persönlichkeit des Beschwerdeführers aus der Aussage der Zeugin Mag. Rita V***** (US 53) der Urteilsaussage, dass diese Zeugin keine unmittelbaren Wahrnehmungen zu den Tathandlungen habe (US 55), keineswegs.

Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich des Schuldspruchs II/A/1 findet sich auf den US 95 f.

Mit eigenen Beweiswerterwägungen zu einer Selbstanzeige des Beschwerdeführers wendet sich die Beschwerde nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Das übrige Vorbringen der Mängelrüge lässt keinen Bezug zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) legt nicht dar, an welchen Feststellungen über entscheidende Tatsachen eine Aussage des Beschwerdeführers zum „Thema Vorsteuer bzw. Umsatzsteuer“ und ein diesbezügliches „Schreiben an eine Geschädigte“ erhebliche Bedenken wecken sollen, und entzieht sich solcherart einer meritorischen Erledigung (RIS‑Justiz RS0106268).

Gleiches gilt für das darüber hinausgehende Vorbringen der Tatsachenrüge, weil damit kein Aktenbezug hergestellt wird (13 Os 60/03, SSt 2003/47; RIS‑Justiz RS0117516, RS0117749 und RS0119310).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

Hieran orientieren sich weder die Rechtsrüge (Z 9 lit a) noch die Subsumtionsrüge (Z 10), indem sie hinsichtlich des Schuldspruchs II/A/2 die Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz (US 46 f), bezüglich des Schuldspruchs II/A/1 jene zum vorsätzlichen Überschreiten der Qualifikationsgrenze des § 153 Abs 2 zweiter Fall StGB (US 46) übergehen.

Indem sich die Subsumtionsrüge gegen die Annahme von Bestimmungstäterschaft (§ 12 zweiter Fall StGB) wendet, verkennt sie, dass die Täterschaftsform nicht Gegenstand des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ist (12 Os 25/03, RZ 2003, 234; RIS‑Justiz RS0117604).

Auf den der Beschwerde beigehefteten eigenen Aufsatz des Angeklagten Mag. Gerold P***** war nicht einzugehen, weil das Gesetz nur eine einzige Ausführung der Beschwerdegründe zulässt ( Ratz , WK‑StPO § 285 Rz 6 mwN).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Hinzugefügt sei, dass die im Rahmen der Subsumtion vorgenommene Bezugnahme auf § 33 Abs 3 FinStrG verfehlt ist, weil diese Norm (bloß) Legaldefinitionen des Bewirkens einer Abgabenverkürzung, also der möglichen Arten und des Zeitpunkts der technischen Vollendung der Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 oder Abs 2 FinStrG, enthält ( Lässig in WK 2 FinStrG § 33 Rz 29 mwN). Da den Angeklagten aus diesem Formalfehler aber kein Nachteil erwächst, hat er unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO auf sich zu beruhen.

§ 38 FinStrG wendete das Erstgericht offenbar in der im Urteilszeitpunkt geltenden Fassung (BGBl I 2012/112) an. Aufgrund der Übergangsbestimmung des § 265 Abs 1p FinStrG war aber Tatzeit‑Recht (BGBl I 2005/103) anzuwenden, weil die Finanzvergehen vor dem 1. Jänner 2011 (nämlich in den Jahren 2007 bis 2010) begangen worden waren. Da die in Rede stehenden Fassungen des § 38 FinStrG – bezogen auf den konkreten Fall – sowohl auf der Tatbestandsebene als auch im Bereich der Strafdrohung ident sind, ist aber auch dieser Rechtsfehler aus dem Blickwinkel amtswegigen Vorgehens bedeutungslos.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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