OGH 13Os25/16z

OGH13Os25/16z13.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. April 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Margreiter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marian E***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. November 2015, GZ 84 Hv 37/15y‑26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00025.16Z.0413.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marian E***** jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I) sowie Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in den Jahren 2001 und 2002 in W***** in mindestens zehn Angriffen

(I) mit der am 6. August 1992 geborenen, sohin damals unmündigen Patrizia P***** durch linguale, in einem Fall auch digitale Vaginalpenetration wiederholt dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen und

(II) durch die zu I beschriebenen Taten mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, nämlich der am 6. August 1992 geborenen Tochter seiner Lebensgefährtin, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person wiederholt geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a und 9 (richtig) lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf „Einholung eines aussagepsychologischen bzw. eines neuropsychatrischen Gutachtens“ zur „Beurteilung der Aussageehrlichkeit der Patrizia P***** sowie zum Beweis dafür, dass deren Behauptungen hinsichtlich des sexuellen Missbrauches nicht richtig sind“ (ON 25 S 15 f), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab, weil die Beurteilung der Glaubwürdigkeit und der Beweiskraft von Beweismitteln dem erkennenden Gericht zukommt (§ 258 Abs 2 erster Satz StPO).

Nur ausnahmsweise, etwa bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen, kommt dabei die Hilfestellung durch einen Sachverständigen in Betracht (15 Os 8/06z, SSt 2006/25; RIS‑Justiz RS0120634, jüngst 11 Os 118/15k). Ein solcher Ausnahmefall wurde hier mit der Behauptung, Patrizia P***** wäre „im Kindergartenalter“ psychologisch betreut worden, und mit dem Hinweis auf Divergenzen zwischen deren Aussage und jener ihrer Mutter nicht dargetan.

Hinzu kommt, dass die begehrte Begutachtung die Zustimmung der Zeugin voraussetzen würde (13 Os 50/04, SSt 2004/32; RIS‑Justiz RS0118956, jüngst 13 Os 74/15d), zu welchem Erfordernis der Beweisantrag kein Vorbringen enthielt.

Die den Antrag ergänzenden Beschwerdeargumente haben mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.

Die Behauptung der Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht habe vom Beschwerdeführer vorgelegte Lichtbilder und einen von ihm als Beweisgegenstand beigebrachten Wecker im Rahmen der Beweiswürdigung übergangen (Z 5 zweiter Fall), trifft nicht zu (US 8).

Indem sich die Beschwerde gegen die vom Erstgericht aus diesen Beweismitteln gezogenen Schlüsse wendet, bekämpft sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der diesbezüglichen Urteilserwägungen (US 8) und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung (11 Os 53/07i, SSt 2007/68; RIS‑Justiz RS0119370).

Der in diese Erwägungen auch eingeflossene Schluss vom äußeren Tatgeschehen auf die innere Tatseite ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671 und RS0116882).

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS‑Justiz RS0099431). Da die Nichtigkeitsbeschwerde einen solchen Fehler nicht behauptet, wird der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall bloß nominell herangezogen.

Mit den Ausführungen zum Adhäsionserkenntnis bezieht sich die Mängelrüge nicht auf schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstände (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) ‑ die Fehler in der Sachverhaltsermittlung nicht behauptet ‑ entwickelt ihre Argumentation großteils nicht aus in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO), womit sie sich insoweit einer meritorischen Erledigung entzieht (13 Os 60/03, SSt 2003/47; RIS‑Justiz RS0117516, RS0117749 und RS0119310).

Mit dem Hinweis auf je eine Passage der Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugin Margit K***** gelingt es der Rüge nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 5), das Erstgericht treffe keine hinreichenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite, geht nicht vom Urteilssachverhalt (US 5) aus und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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