European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00060.16W.0913.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Umfang
1. der „Feststellung des Unfalls des Klägers vom 26. 7. 2013 als Arbeitsunfall“;
2. der Feststellung der durch diesen Arbeitsunfall im Einzelnen erlittenen Verletzungen;
3. der Zuerkennung einer Versehrtenrente im Ausmaß von 40 vH der Vollrente ab 19. November 2013;
4. und zwar in Höhe von monatlich 192,87 EUR von 19. 11. 2013 bis 31. 12. 2013 und in Höhe von monatlich 197,50 EUR vom 1. 1. 2014 bis 30. 6. 2014, unter Einrechnung der bereits geleisteten Zahlungen, sowie
5. der der beklagten Partei auferlegten vorläufigen Zahlung in Höhe von monatlich 200 EUR
mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist, werden im Übrigen, daher im Umfang der Zuerkennung einer Versehrtenrente in Höhe von monatlich 476,69 EUR von 1. 7. 2014 bis 30. 4. 2015 und von monatlich 484,79 EUR ab 1. 5. 2015 einschließlich der Kostenentscheidungen aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Der Kläger erlitt am 26. 7. 2013 einen Arbeitsunfall. Aufgrund der Unfallsfolgen besteht eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 40 vH. Strittig ist im Revisionsverfahren die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die dem Kläger gebührende Versehrtenrente und die Frage, ob die Bemessungsgrundlage gemäß § 179 ASVG (Standpunkt der Beklagten) oder gemäß § 180 ASVG (Standpunkt des Klägers) zu ermitteln ist.
Der am 5. 8. 1992 geborene Kläger besuchte die Volksschule und daran anschließend die Skihauptschule in S*****. Nach dem Hauptschulabschluss besuchte der Kläger die Skihandelsschule in S***** in der vorgesehenen Dauer von vier Jahren. Der Kläger schloss die Skihandelsschule in S***** mit 1. 7. 2012 erfolgreich ab. Mit dem Abschluss der Handelsschule war die Unternehmerprüfung verbunden.
Danach entschied sich der Kläger, am WIFI den Kurs für die Berufsreifeprüfung mit einer vorgesehenen Dauer von einem Jahr zu absolvieren. Der Kläger entschied sich für den Kurs, der wöchentlich von Montag bis Donnerstag stattfand. Von Montag bis Mittwoch hatte der Kläger vormittags fünf Stunden, am Donnerstag fand der Kurs am Abend für fünf Stunden statt. Von Freitag bis Sonntag hatte der Kläger kursfrei. Der Kläger nutzte die freien Tage, um für die Berufsreifeprüfung zu lernen. Sein Kurs umfasste drei Hauptfächer (Deutsch, Mathematik und Englisch) sowie das vom Kläger gewählte Wahlfach Betriebswirtschaft und Rechnungswesen. Der Kläger absolvierte darüber hinaus einen zusätzlichen Kurs im Ausmaß von 20 Lehreinheiten im Fach Deutsch. Die Teilnahme an der Berufsreifeprüfung im Fachbereich Betriebswirtschaft und Rechnungswesen umfasste 120 Lehreinheiten.
Der Kläger absolvierte seine Abschlussprüfungen am 8. 6. 2013 (Betriebswirtschaft und Rechnungswesen) und am 19. 6. 2013 (Mathematik) jeweils am WIFI. Die Abschlussprüfung im Fach Deutsch legte er im Jahr 2013 an der Handelsakademie ***** in S***** ab. Die Abschlussprüfung im Fach Englisch absolvierte der Kläger aufgrund eines Sprachaufenthalts in den Vereinigten Staaten von Amerika von 27. 1. 2014 bis 9. 5. 2014 erst am 28. 6. 2014. Der Auslandsaufenthalt diente der Vorbereitung auf diese letzte Abschlussprüfung. Am 10. 7. 2014 erhielt der Kläger das Gesamtzeugnis der Berufsreifeprüfung.
Der Kläger interessierte sich für eine Tätigkeit beim Unternehmen A***** GmbH im Controlling. Im Rahmen eines Gesprächs im Frühjahr 2013 erfuhr er, dass für eine derartige Tätigkeit ein Studium erforderlich sei. Vor dem Arbeitsunfall im Juli 2013 wollte der Kläger Finanzmanagement, Rechnungswesen und Steuerwesen an einer Fachhochschule studieren. Dafür war eine Aufnahmeprüfung erforderlich. Eine Überlegung des Klägers war, bei der A***** GmbH zu arbeiten und währenddessen ein Fernstudium zu betreiben. Von 1. 1. 2012 bis 4. 10. 2013 war der Kläger bei der A***** GmbH als Wochenendportier wahlweise an einem oder an zwei Wochenenden im Monat tätig bzw angemeldet, um seinen Aufenthalt in den USA zu finanzieren.
Die A***** GmbH unterliegt dem Kollektivvertrag der holzverarbeitenden Industrie (Angestellte). In die Verwendungsgruppe III dieses Kollektivvertrags fallen Angestellte, die nach allgemeinen Richtlinien und Weisungen technische oder kaufmännische Arbeit im Rahmen des ihnen erteilten Auftrags selbständig erledigen. Als Beispiele für solche Tätigkeiten nennt der Kollektivvertrag unter anderem jene im Controlling. Ab 1. 5. 2013 betrug für die Verwendungsgruppe III des genannten Kollektivvertrags das Mindestgehalt im ersten und zweiten Verwendungsgruppenjahr 1.742,41 EUR brutto, ab 1. 5. 2014 1.782,48 EUR brutto und ab 1. 5. 2015 1.818,14 EUR brutto.
Von 12. 7. 2013 bis 13. 9. 2013 war der Kläger darüber hinaus geringfügig im Unternehmen Sägewerk B***** beschäftigt.
Am 26. 7. 2013 verletzte sich der Kläger, als er während seiner Arbeit in diesem Unternehmen mit der rechten Hand mit dem Handschuh in eine Walze bei einem Rollgang geriet. Der Kläger war von 26. 7. 2013 bis 19. 11. 2013 arbeitsunfähig.
Die monatliche Versehrtenrente auf Basis der beim Kläger bestehenden Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 vH beträgt bei einer Berechnung gemäß § 179 Abs 1 ASVG unstrittig 192,87 EUR im Jahr 2013, 197,50 EUR im Jahr 2014 und 200,86 EUR im Jahr 2015. Bei einer Bemessungsgrundlage gemäß § 180 Abs 1 und Abs 2 ASVG beträgt die Höhe der Versehrtenrente unter Zugrundelegung der dargestellten Mindestlöhne des genannten Kollektivvertrags unstrittig 465,97 EUR ab 19. 11. 2013, 476,69 EUR ab 1. 5. 2014 und 484,79 EUR ab 1. 5. 2015.
Mit Bescheid vom 1. 4. 2014 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 26. 7. 2013 als Arbeitsunfall und stellte fest, dass aufgrund der Verletzungsfolgen beim Kläger eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 35 vH bestehe. Als Bemessungsgrundlage stellte die Beklagte gemäß § 179 Abs 1 ASVG einen Betrag von 10.125,80 EUR fest.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage (nach Einschränkung) die Zuerkennung einer Versehrtenrente ab 19. 11. 2013 in Höhe von zumindest 40 vH der Vollrente im gesetzlichen Ausmaß aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. 7. 2013. Darüber hinaus sei eine falsche Bemessungsgrundlage herangezogen worden. Der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls noch in einer Schulausbildung bzw Ausbildung befunden, sodass nicht § 179 ASVG, sondern § 180 ASVG zur Anwendung gelange. Der Kläger sei zwei geringfügigen Nebenbeschäftigungen nachgegangen, um sich eine von ihm angestrebte teurere Ausbildung leisten zu können, damit er den Anforderungen eines international agierenden Skiherstellers gerecht werden könne.
Die Beklagte wandte gegen das Klagebegehren ein, dass der Kläger zum Unfallszeitpunkt als Portier und in einem Sägewerk geringfügig beschäftigt gewesen sei. Der Umstand, dass er nebenbei noch die Berufsreifeprüfung am WIFI absolviert habe, habe für die Bemessungsgrundlage keine Auswirkung, weil er den Unfall nicht als Schüler, sondern infolge seiner beruflichen Tätigkeit im Sägewerk erlitten habe. Personen, die eine Ausbildung für die Berufsreifeprüfung absolvieren, seien nicht in die gesetzliche Unfallversicherung einbezogen, sie fielen insbesondere nicht unter § 8 Abs 1 Z 3 lit i ASVG. Die Berufsreifeprüfung sei im Berufsreifeprüfungsgesetz, BGBl I 1997/68 (BRPG), geregelt. Dieses Gesetz sei – anders als das Studienberechtigungsgesetz, BGBl 1985/292 – in § 8 Abs 1 Z 3 lit i ASVG nicht genannt. Auch § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG sei nicht anwendbar.
Das Erstgericht erkannte, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. 7. 2013 eine Versehrtenrente von 40 vH der Vollrente im gesetzlichen Ausmaß zu, und zwar in der Höhe von monatlich 465,97 EUR von 19. 11. 2013 bis 30. 4. 2014, 476,69 EUR von 1. 5. 2014 bis 30. 4. 2015 und 484,79 EUR ab 1. 5. 2015. Für die Berechnung der Bemessungsgrundlage gelange § 180 ASVG zur Anwendung. Diese besondere Bemessungsgrundlage habe den Zweck, die Unterversorgung jüngerer Unfallopfer zu vermeiden. An der Anwendbarkeit dieser Bestimmung ändere der Umstand, dass der Kläger nicht zu den in § 8 Abs 1 Z 3 lit h, lit i und lit l ASVG angeführten Personengruppen gehöre, nichts. Es bedürfe keiner Festlegung, ob sich der Kläger zum Unfallszeitpunkt in einer Berufs‑ oder in einer Schulausbildung gemäß § 180 Abs 1 ASVG befunden habe. Denn gemäß § 180 Abs 2 ASVG komme es nur auf das Alter an. Diese Bestimmung solle zur Anwendung gelangen, wenn dies für den Versicherten günstiger sei. Da eine Schul‑ oder Berufsausbildung in der Regel vor Erreichen des 30. Lebensjahres abgeschlossen werde, könne es in einem Fall wie dem vorliegenden zur Anwendung von § 180 Abs 2 und Abs 1 ASVG hintereinander kommen. Die von der Beklagten ihrer Vergleichsrechnung zugrundegelegte kollektivvertragliche Einstufung stelle keine besonderen Anforderungen an die persönlichen Fähigkeiten, sodass für diese Bemessungsgrundlage gewährleistet sei, dass sie für alle Personen gleicher Ausbildung in Frage komme. Die Bemessungsgrundlage ergebe sich daher im vorliegenden Fall aus § 180 Abs 2 iVm Abs 1 ASVG, weil dies für den Kläger günstiger sei.
Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts über Berufung der Beklagten teilweise dahin ab, dass es dem Kläger eine Versehrtenrente von 40 vH der Vollrente im gesetzlichen Ausmaß unter Anrechnung der bereits geleisteten Zahlungen zuerkannte, und zwar in Höhe von monatlich 192,87 EUR für den Zeitraum 19. 11. 2013 bis 31. 12. 2013, 197,50 EUR für den Zeitraum 1. 1. 2014 bis 30. 6. 2014, 476,69 EUR für den Zeitraum 1. 7. 2014 bis 30. 4. 2015 und 484,79 EUR ab 1. 5. 2015. Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach auf den Kläger die Bemessungsgrundlage gemäß § 180 ASVG anzuwenden sei, weil sich der zum Unfallszeitpunkt 21‑jährige Kläger noch in einer Berufsausbildung für eine Tätigkeit als Angestellter mit Matura in der holzverarbeitenden Industrie befunden habe. Der Begriff der Berufsausbildung setze voraus, dass eine Ausbildung im Hinblick auf den zukünftigen Beruf vorgenommen werde. Wesentlich sei, welches Berufsziel der Versicherte zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls angestrebt habe. Ausgehend davon habe auch die Absolvierung des Vorbereitungslehrgangs für die Berufsreifeprüfung am WIFI dem vom Kläger angestrebten Berufsziel einer qualifizierten kaufmännischen Tätigkeit in einem Betrieb der holzverarbeitenden Industrie gedient. Zutreffend habe das Erstgericht für die Festsetzung der Bemessungsgrundlage daher auch auf ein zukünftiges Einkommen des Klägers in einem Angestelltenverhältnis abgestellt und nicht auf ein Einkommen für eine Hilfsarbeitertätigkeit. Die vom Erstgericht vorgenommene Einstufung nach dem Kollektivvertrag für die holzverarbeitende Industrie entspreche dem vom Kläger angestrebten Berufsziel, einer Tätigkeit als Sachbearbeiter im Controlling. Da allerdings der Kläger seine Berufsreifeprüfung erst am 28. 6. 2014 absolviert habe, komme diese Neueinstufung erst ab 1. 7. 2014 in Betracht, sodass § 180 ASVG erst ab diesem Zeitpunkt zur Anwendung gelange. Bis zu diesem Zeitpunkt richte sich die Bemessungsgrundlage nach § 179 ASVG.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob es sich bei der Ablegung der Berufsreifeprüfung um eine Berufs‑ oder Schulausbildung iSd § 180 ASVG handle und welche Bemessungsgrundlage ab Ablegung dieser Prüfung heranzuziehen sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage in dem Umfang anstrebt, in dem die Bemessungsgrundlage gemäß § 180 Abs 1 ASVG herangezogen worden sei (daher im Umfang der Stattgebung des Klagebegehrens ab dem 1. 7. 2014).
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist auch im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
Die Revisionswerberin argumentiert auch in der Revision damit, dass der Kläger den Unfall nicht als Teilnehmer einer Berufsausbildung erlitten habe und dass es sich bei der vom Kläger abgelegten Berufsreifeprüfung nicht um eine Berufsausbildung iSd § 180 Abs 1 ASVG handle. Es könne zur Berechnung der Versehrtenrente nach dieser Bestimmung auch nicht pauschal jener Kollektivvertrag herangezogen werden, der dem Berufswunsch des Versicherten entspreche.
Diesen Argumenten kommt teilweise Berechtigung zu.
1. Für sämtliche Geldleistungen aus der Unfallversicherung kommt immer nur ein und dieselbe Bemessungsgrundlage in Betracht. Bemessungszeitraum ist stets ein volles Kalenderjahr. Einkünfte werden bis zur Höchstbeitragsgrundlage herangezogen. Im Hinblick auf die verschiedenartigen versicherten Personenkreise, die Problematik des Lebensalters zum Unfallszeitpunkt und die Schwierigkeit, den Personenschaden bei nicht versicherten Leistungsberechtigten festzustellen, stellt der Gesetzgeber alternativ verschiedene Bemessungsgrundlagen zur Verfügung ( Tomandl in Tomandl , SV‑System [17. ErgLfg] 2.3.3.2.1; 10 ObS 82/98a, SSV‑NF 12/59).
2. Die allgemeine Bemessungsgrundlage für unselbständige Versicherte beträgt gemäß § 179 Abs 1 ASVG, soweit sie nicht nach festen Beträgen zu ermitteln ist (§ 181 ASVG), die Summe der allgemeinen Beitragsgrundlagen im letzten Kalenderjahr vor dem Eintritt des Versicherungsfalls zuzüglich der beitragspflichtigen Sonderzahlungen des letzten Kalenderjahres vor dem Versicherungsfall. Die Höhe der sich danach für den Kläger errechnenden Bemessungsgrundlage ist zwischen den Parteien nicht strittig.
3.1 Die besondere Bemessungsgrundlage des § 180 ASVG hat den Zweck, die Unterversorgung jüngerer Unfallopfer zu vermeiden: Trifft der Unfall nämlich einen Versicherten in jungen Jahren, wird er nur eine niedrige Beitragsgrundlage haben, die sich bis an sein Lebensende nicht verändern könnte. Es soll daher eine fiktive Bemessungsgrundlage gebildet werden, der der kollektivvertragliche oder tatsächlich regelmäßig erzielbare Lohn zugrundezulegen ist, den Personen mit gleicher Ausbildung bis zum 30. Lebensjahr erzielen können. Auf diese Weise soll jugendlichen Versehrten eine einigermaßen akzeptable Rentenhöhe gewährt werden (10 ObS 420/97f, SSV‑NF 12/56 ua; RIS‑Justiz RS0109876).
3.2 § 180 Abs 2 ASVG betrifft grundsätzlich andere, daher von § 180 Abs 1 ASVG nicht erfasste Versicherte – ausgenommen Schüler und Studenten –, die vor Vollendung ihres dreißigsten Lebensjahres verunfallt sind. Daraus darf allerdings nicht geschlossen werden, dass sich die Regelungen des § 180 Abs 1 und Abs 2 ASVG gegenseitig ausschließen: Sie ergänzen sich vielmehr dann, wenn sich der Verletzte im Zeitpunkt des Versicherungsfalls noch in einer Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet und noch nicht dreißig Jahre alt war (RIS‑Justiz RS0109880).
3.3 Aus dem Zweck dieser Bestimmung ergibt sich, dass eine Anpassung der Bemessungsgrundlage gemäß § 180 ASVG nicht zu erfolgen hat, wenn sich die Bemessungsgrundlage – unabhängig von Alter und Ausbildung – nach festen Beträgen (etwa bei teilversicherten Schülern und Studenten, vgl §§ 181–181b ASVG) richtet (10 ObS 214/00v, SSV‑NF 14/109; 10 ObS 186/13w, SSV‑NF 27/92; Müller in SV‑Komm [93. Lfg] § 180 Rz 2). Auf in der Unfallversicherung zB teilversicherte Teilnehmer an Ausbildungslehrgängen (§ 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG), Studenten (§ 8 Abs 1 Z 3 lit i ASVG) oder Schüler (§ 8 Abs 1 Z 3 lit h ASVG) gelangt § 180 ASVG nicht zur Anwendung, weil die Bemessungsgrundlage für diese Versichertengruppen nach festen Beträgen ermittelt wird (§§ 181 Abs 4, 181b ASVG). Auf den von der Beklagten im Verfahren geltend gemachten Umstand, dass der Kläger (ohnedies unstrittig) zu keiner dieser Gruppen gehört, kommt es daher für die Beurteilung der Anwendbarkeit des § 180 ASVG nicht an.
4.1 Erste Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 180 Abs 1 ASVG ist, dass sich der Versicherte zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls noch in einer Berufs‑ oder Schulausbildung befand.
4.2 Mit Recht wendet sich die Beklagte gegen die Ansicht der Vorinstanzen, dass sich der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt in einer Berufsausbildung befunden hätte.
4.2.1 Der Begriff der Berufsausbildung setzt voraus, dass eine Ausbildung im Hinblick auf den zukünftigen Beruf vorgenommen wird (10 ObS 420/97f, SSV‑NF 12/56 mwH; Müller in SV-Komm § 180 Rz 5). Zur Beurteilung des Vorliegens einer Berufsausbildung kann auf die ständige Rechtsprechung zu § 252 Abs 2 Z 1 ASVG (Verlängerung der Kindeseigenschaft, wenn und solange sich das Kind in einer Berufsausbildung befindet) zurückgegriffen werden (ebenso Albert , Bemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem ASVG [1999] 44).
4.2.2 Danach ist für das Vorliegen einer Berufsausbildung essentiell, dass Kenntnisse und Fertigkeiten erworben werden, die für die Ausübung eines zukünftig gegen Entgelt auszuübenden (bestimmten) Berufs erforderlich sind. Wenn auch der Begriff der Berufsausbildung nicht zu eng gesehen werden darf, muss sich doch aus dem Programm der Ausbildung klar deren Zweck ergeben, nämlich die Vermittlung der Grundlagen für eine Berufslaufbahn in einem auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden (bestimmten) Beruf oder Spezialbereiche davon (10 ObS 137/97p, SSV‑NF 11/92). Eine Berufsausbildung iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG liegt aber auch dann vor, wenn die für den Beruf erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten durch Anleitung, Belehrung und Unterweisung durch sachkundige Personen vermittelt werden, wobei nicht unbedingt ein bestimmter Ausbildungsplan vorliegen muss (RIS‑Justiz RS0085512; zuletzt 10 ObS 150/15d mwH).
4.2.3 Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich, dass die Teilnahme an einem Vorbereitungslehrgang für die Berufsreifeprüfung am WIFI keine Berufsausbildung iSd § 180 Abs 1 ASVG ist. Daran ändert der Umstand, dass berufliches Ziel des Klägers eine Tätigkeit im Controlling bei der A***** GmbH war, nichts: Denn einerseits hätte dafür der Vorbereitungslehrgang für die Berufsreifeprüfung am WIFI keinesfalls genügt, weil ein weiteres Studium Voraussetzung war. Andererseits vermittelte der Vorbereitungslehrgang dem Kläger keine berufsspezifischen Kenntnisse, sondern Kenntnisse, die ganz allgemein auf dem Arbeitsmarkt verwertbar sind. Auch bei großzügiger Betrachtung kann in der Absolvierung des Vorbereitungslehrgangs für die Berufsreifeprüfung daher nicht eine Ausbildung gesehen werden, die dem Kläger (bloß) spezifische Kenntnisse für eine Tätigkeit in einem bestimmten Beruf oder dessen Spezialbereichen vermittelt hätte.
4.3 Der Kläger hat aber bereits im Verfahren erster Instanz vorgebracht (und kommt darauf auch in der Revisionsbeantwortung zurück), dass es sich beim Vorbereitungslehrgang für die Berufsreifeprüfung um eine Schulausbildung iSd § 180 Abs 1 ASVG handelt. Das trifft zu:
4.3.1 Auch zum Begriff der Schulausbildung kann auf die Rechtsprechung zu § 252 Abs 2 Z 1 ASVG zurückgegriffen werden ( Albert , Bemessungsgrundlagen 44 f). In der Entscheidung 10 ObS 137/97p, SSV‑NF 11/92, führte der Oberste Gerichtshof aus, dass der Begriff der Schulausbildung im Gesetz nicht definiert ist. Die Rechtsprechung geht bei der Auslegung dieses Begriffs vom allgemeinen Sprachgebrauch aus. Als Schulausbildung ist danach der Besuch allgemeinbildender und weiterführender Schulen zu verstehen. Weiters wird verlangt, dass die Ausbildung in öffentlichen oder privaten Schulen erfolgt und der Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen erteilt wird; auch Abendschulen und Maturaschulen, die dazu dienen, auf die Ablegung der Matura vorzubereiten, vermitteln in diesem Sinne Schulausbildung (RIS‑Justiz RS0108319; ebenso zur vergleichbaren Bestimmung des § 90 I SGB VII Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky , Gesetzliche Unfallversicherung [SGB VII], 161. Lfg März 2007, § 90 Rn 10; Dahm in Lauterbach , Unfallversicherung [SGB VII] 4 [32. Lfg, Oktober 2006] § 90 Rn 6, jeweils mwN). Schulausbildung soll dem Schüler im Wesentlichen für ihn neue Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln und sich nicht darin erschöpfen, ihm ein Wissen zu vermitteln, welches er auf Grund einer bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgreich absolvierten Schulausbildung besitzt (10 ObS 54/89, SSV‑NF 3/38).
4.3.2 Ausgehend davon liegt im vorliegenden Fall eine Schulausbildung iSd § 180 Abs 1 ASVG vor. Die Berufsreifeprüfung ist nach den Bestimmungen des BRPG (BGBl I 1997/68 idgF) zu absolvieren. Daraus ist für den vorliegenden Fall hervorzuheben, dass auf Antrag einer Einrichtung der Erwachsenenbildung, die vom Bund als Förderungsempfänger anerkannt ist, oder einer öffentlichen Schule im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit der zuständige Bundesminister einen Lehrgang als zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung geeignet anerkennen kann (§ 8 Abs 1 BRPG). Diese Anerkennung hat gemäß § 8 Abs 1a BRPG zu erfolgen, wenn der vorzulegende Lehr‑ oder Studienplan von seinen Anforderungen her jenen von öffentlichen höheren Schulen gleichwertig ist und die Vortragenden sowie die Prüfer über eine facheinschlägige, zum Unterricht nach den Anforderungen einer berufsbildenden höheren Schule befähigende Qualifikation verfügen. In der Absolvierung des Vorbereitungslehrgangs für die Berufsreifeprüfung am WIFI durch den Kläger liegt daher eine Schulausbildung nach staatlich genehmigten Lehrplänen, die die Arbeitskraft des Klägers überdies nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen überwiegend beanspruchte (vgl RIS‑Justiz RS0089658).
5. Der Kläger befand sich daher zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls am 26. 7. 2013 noch in einer Schulausbildung iSd § 180 Abs 1 ASVG, weil er die letzte erforderliche Prüfung erst am 28. 6. 2014 ablegte (Englisch). Der Umstand, dass er den Arbeitsunfall nicht im Rahmen seiner Schulausbildung, sondern bei seiner Tätigkeit als geringfügig Beschäftigter in einem Sägewerk erlitt, ändert nichts an der Anwendbarkeit des § 180 Abs 1 ASVG. § 180 Abs 1 ASVG stellt nur darauf ab, dass sich der Versicherte zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls noch in einer Schul‑ oder Berufsausbildung befand. Es kommt nicht darauf an, ob der Versicherungsfall bei einer versicherten Schul‑ oder Berufsausbildung eingetreten ist ( Müller in SV‑Komm § 180 Rz 11 mH auf das Kumulationsprinzip des § 178 ASVG). Es genügt vielmehr ein zeitlicher Zusammenhang des Versicherungsfalls mit der Ausbildung. Maßgeblich ist, dass der Arbeitsunfall während der Dauer der Schul‑ oder Berufsausbildung erfolgte (10 ObS 186/04g, SSV‑NF 19/14). Nur eine solche Auslegung wird auch dem Zweck des § 180 Abs 1 ASVG gerecht, Härten für die Versicherten auszugleichen, welche durch einen Arbeitsunfall zu Schaden kommen, bevor sie die mit ihrer Ausbildung erstrebte Erwerbsstellung erreicht haben (so zur vergleichbaren Bestimmung des § 90 I SGB VII Burchardt , § 90 Rn 8 mzwH; ebenso Albert in DRdA 2001/36, 363 [365]; vgl auch 10 ObS 186/04g, SSV‑NF 19/14: Verkehrsunfall im Rahmen einer Lehre).
6.1 Das Berufungsgericht ist daher im Ergebnis für den im Revisionsverfahren allein noch zu behandelnden Zeitraum ab der Beendigung der Schulausbildung des Klägers ( Müller in SV-Komm § 180 Rz 7) zutreffend von der Anwendbarkeit der Bemessungsgrundlage gemäß § 180 Abs 1 ASVG ausgegangen. Zu Recht weist die Revisionswerberin allerdings zur Berechnung der Höhe der Bemessungsgrundlage darauf hin, dass nicht der Kollektivvertrag herangezogen werden kann, der dem Berufswunsch des Versicherten entspricht.
6.2 Der Kläger hatte das 30. Lebensjahr weder zum Unfallszeitpunkt noch zum Zeitpunkt des Abschlusses seiner Schulausbildung erreicht, sodass es bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage – vorbehaltlich der Günstigkeit – zur Anwendung des § 180 Abs 1 und Abs 2 ASVG hintereinander kommen kann (10 ObS 82/98a, SSV‑NF 12/59).
6.3 In beiden Fällen des § 180 ASVG wird zum hier maßgeblichen Zeitpunkt ab 1. 7. 2014 (Beendigung der Schulausbildung) die Bemessungsgrundlage jeweils nach der Beitragsgrundlage errechnet, die für Personen gleicher Ausbildung durch Kollektivvertrag festgesetzt ist oder sonst von ihnen in der Regel erreicht wird. Hierbei sind solche Erhöhungen der Beitragsgrundlage nicht zu berücksichtigen, die der Versicherte erst nach Vollendung seines 30. Lebensjahres erreicht hätte. An altersbedingten Erhöhungen der Aktiveinkommen nimmt der Versicherte also bis zur Vollendung seines 30. Lebensjahres teil. Fehlt es an Kollektivvertragslöhnen oder ‑gehältern für vergleichbare Tätigkeiten, ist der regelmäßig erreichbare Effektivverdienst heranzuziehen (10 ObS 357/02a, SSV‑NF 18/16; 10 ObS 82/98a, SSV‑NF 12/59; Tomandl in SV-System 2.3.3.2.1.C).
6.4 Bestehen Kollektivverträge, so kann als Bemessungsgrundlage nur jene kollektivvertragliche Einstufung herangezogen werden, die keine besondere Anforderungen an die persönlichen Fähigkeiten stellt, weil nur für diese Bemessungsgrundlage gewährleistet ist, dass sie für alle Personen gleicher Ausbildung in Betracht kommt. Einstufungskriterien, die besondere Merkmale voraussetzen (zB Fachkenntnisse und Fähigkeiten, Erfahrungen und entsprechende Verantwortung), sind an das Vorliegen von individuellen Merkmalen geknüpft, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie von allen Personen gleicher Ausbildung erreicht werden ( Müller in SV-Komm § 180 Rz 9; 10 ObS 357/02a, SSV‑NF 18/16 = DRdA 2005/16, 263 [ Albert ]; RIS‑Justiz RS0110074 [T1]).
6.5 Erst wenn die Anwendung eines Kollektivvertrags nicht möglich ist, wird auf das Einkommen Bedacht genommen, das von Personen gleicher Ausbildung „sonst in der Regel erreicht wird“ (RIS‑Justiz RS0110073 [T1]). § 180 ASVG stellt einen Ausnahmetatbestand dar, weil – im Gegensatz insbesondere zu § 179 ASVG – für die Neuberechnung der Bemessungsgrundlage ausnahmsweise auch die Zeit nach dem Unfall zu berücksichtigen ist. Diese Bestimmung ist nicht ausdehnend auszulegen (10 ObS 420/97f, SSV‑NF 12/56). Es ist daher auf jenes Einkommen abzustellen, das von allen Personen des entsprechenden Versichertenkreises unter denselben Voraussetzungen jeweils erzielt werden kann. Durch die erhöhte Bemessungsgrundlage soll – wie bereits ausgeführt – eine Unterversorgung junger Unfallopfer vermieden werden; nicht aber soll die Beeinträchtigung zukünftiger Aufstiegschancen entschädigt werden (10 ObS 357/02a, SSV‑NF 18/16; Albert in DRdA 2005/16, 267 f).
6.6 Zukünftige Ereignisse bzw Einkommenserhöhungen werden nach § 180 ASVG daher in eingeschränktem Umfang ausnahmsweise nur dann berücksichtigt, wenn sie mit der Berufsausbildung im Zusammenhang stehen und wenn besonders junge Versicherte von einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit betroffen werden (10 ObS 82/98a, SSV‑NF 12/59). Für die Berücksichtigung von bestimmten Berufszielen und dem mit diesen verbundenen angestrebten Verdienst eines Versicherten besteht bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage nach § 180 ASVG keine Grundlage (10 ObS 186/04g, SSV‑NF 19/14). Im konkreten Fall fehlt es daher an einer gesetzlichen Grundlage für die Heranziehung des von den Vorinstanzen herangezogenen Kollektivvertrags und der darin enthaltenen Verwendungsgruppe III, weil nach dieser die vom Kläger als Berufsziel angestrebte Stelle als Angestellter im Controlling entlohnt wird. Dass der Kläger nach Absolvierung der Berufsreifeprüfung nicht zur Ausübung dieser Tätigkeit in der Lage ist, ergibt sich aus der Feststellung, dass dafür ein weiteres Studium (zumindest ein Bachelor im Bereich Betriebswirtschaftslehre oder Finanzrechnung und Steuerwesen) erforderlich wäre.
7.1 Ausgehend davon erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig. Im fortzusetzenden Verfahren wird nach den dargestellten Grundsätzen die Berechnung der Bemessungsgrundlage unter Anwendung des § 180 ASVG ab dem 1. 7. 2014 neu zu erfolgen haben. Maßgeblich dafür ist, welche Beitragsgrundlagen (welcher Verdienst) regelmäßig durch Versicherte mit der Schulausbildung des Klägers nach Absolvierung der Berufsreifeprüfung durch Kollektivvertrag festgesetzt oder sonst in der Regel (von allen Personen des dem Kläger entsprechenden Versichertenkreises unter denselben Voraussetzungen) erreichbar sind. Bestehen daher keine kollektivvertraglichen Regelungen für Personen des Alters und der Ausbildung des Klägers, so ist das Arbeitsentgelt maßgeblich, das vom Kläger regelmäßig effektiv erreicht werden kann (10 ObS 82/98s, SSV‑NF 12/59; Albert , Bemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem ASVG 46).
7.2 Da dieser Aspekt im Verfahren bisher nicht behandelt wurde, muss den Parteien die Gelegenheit gegeben werden, dazu Stellung zu nehmen. Es war daher der Revision Folge zu geben und die Rechtssache zur ergänzenden Erörterung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 2 ASGG, 52 ZPO.
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