OGH 7Ob26/16y

OGH7Ob26/16y16.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Mag. R* K*, Rechtsanwalt, *, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei B* T*, vertreten durch den Sachwalter Dr. Armin Karisch, Rechtsanwalt in Graz, wegen einstweiliger Verfügung gemäß § 382g EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. November 2015, GZ 47 R 356/15y‑37, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E114104

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

1. Die gefährdete Partei (in Hinkunft Antragsteller) hat sein Begehren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ausschließlich auf die Bestimmung des § 382g EO gestützt. Ein Antrag auf Rechtsschutz nach § 1330 ABGB wurde hingegen nicht gestellt.

§ 382g EO regelt den Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre. Zweck der „Anti‑Stalking‑Regelung“ des § 382g EO ist die Verbesserung des Schutzes für Opfer, denen rasche Abhilfe gegen Belästigungen durch Stalker geboten werden soll (7 Ob 54/11h, 7 Ob 130/15s). Zur Beurteilung, was zur Privatsphäre nach § 382g EO gehört, kann auf die bisherigen Grundsätze zurückgegriffen werden. Aus § 16 ABGB wird ‑ ebenso wie aus anderen durch die Rechtsordnung geschützten Grundwerten wie Art 8 EMRK ‑ das jedermann angeborene Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereichs und seiner Geheimsphäre abgeleitet (RIS‑Justiz RS0008993 [T6, T11]). Für die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens reicht schon ein drohender Eingriff aus. Es muss daher nicht jeweils eine konkrete Verletzungshandlung abgewartet werden, um gerichtlichen Schutz im Wege einer Unterlassungsklage bzw einer einstweiligen Verfügung nach § 382g EO zu erlangen. Das ist insbesondere dann bedeutsam, wenn der Täter auf eine bestimmte Weise in die Privatsphäre des Opfers eingreift, aber aufgrund seines Verhaltens bei einer Gesamtbetrachtung andere Begehungsweisen konkret zu befürchten sind. Wird etwa ein Opfer mit Briefen und Anrufen auf eine Weise belästigt, die einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre darstellen, wird nicht nur die unmittelbare Kontaktaufnahme untersagt werden können, sondern ‑ wenn solche Eingriffe zu befürchten sind ‑ auch die Kontaktaufnahme im Wege Dritter (RIS‑Justiz RS0121888).

2. Ein bestimmtes Begehren hat zur Voraussetzung, dass ihm der Gegenstand, die Art, der Umfang und die Zeit der geschuldeten Leistung oder Unterlassung zu entnehmen ist (RIS‑Justiz RS0000466). Nach § 382g Abs 3 EO sind einstweilige Verfügungen nach Abs 1 nach den Bestimmungen des Dritten Abschnitts im Ersten Teil (§§ 346 bis 369 EO) zu vollziehen. Die Unterlassungspflicht muss daher so deutlich gekennzeichnet sein, dass sie gemäß § 355 EO exekutiv durchgesetzt werden kann (RIS‑Justiz RS0000878 [T1]). Unschlüssige (oder unbestimmte) Anträge sind abzuweisen, ohne dass der gefährdeten Partei ein weiteres Vorbringen zu ermöglichen wäre (RIS‑Justiz RS0005452 [T7]).

3.1 Die Begehren Punkt 2.2 und 2.3 zielen nicht auf die Unterlassung der Kontaktaufnahme zum Antragsteller im Wege eines Dritten ab, sondern ausschließlich auf die Unterlassung der Kontaktaufnahme/des Näherns zu einem Dritten (nämlich der Lebensgefährtin des Antragstellers). Die Beurteilung des Rekursgerichts, hiefür fehle dem Antragsteller die Antragslegitimation, ist nicht zu beanstanden.

3.2 Eine ganz allgemein auf Unterlassung abfälliger Äußerungen welcher Art immer gerichtetes Begehren ist nicht hinlänglich bestimmt (RIS‑Justiz RS0037731). Der Antragsteller hat in seinem auf die Unterlassung von „Beleidigungen gegenüber Dritten“ gerichteten Begehren kein konkretes inkriminiertes Verhalten der Antragsgegnerin, so etwa durch den Bezug auf konkrete Personen oder Institutionen und konkrete Äußerungen (vgl 7 Ob 248/09k) angeführt, das ihr verboten werden soll. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, das Begehren sei nicht ausreichend bestimmt, ist nicht korrekturbedürftig

3.3 Gleiches gilt für das weitere Begehren in Punkt 2.3, das der Antragsteller ganz allgemein auf die Unterlassung der „Verletzung seiner Privatsphäre“, insbesondere durch „sonstige Störungen und Belästigungen aber auch durch Kommunikationsmittel aller Art“ gerichtet hat.

4. Es besteht damit keine Notwendigkeit Art 7, 47 GRC auszulegen und auf die Anregung des Antragstellers, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, einzugehen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§§ 528a iVm 510 Abs 3 ZPO).

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