European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00187.15M.0217.000
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 8. September 2015, GZ 25 Hv 56/15g‑28, verletzt im Ausspruch der Konfiskation von vier Mobiltelefonen samt SIM‑Karten § 19a Abs 1 StGB.
Das Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, wird im Ausspruch der Konfiskation von vier Mobiltelefonen samt SIM‑Karten aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Zarko P***** wegen des Ausspruchs einer Freiheitsstrafe werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 8. September 2015, GZ 25 Hv 56/15g‑28, wurden Mirko J***** und Zarko P***** des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG, P***** darüber hinaus der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und Abs 4 erster Fall FPG (jeweils idF BGBl I 2013/144) schuldig erkannt und jeweils zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 19a Abs 1 StGB wurden „die vom Erstangeklagten bei der Tat verwendeten Mobiltelefone“ der Marken Samsung und Alcatel one touch „sowie der Pkw Renault Megane (…) sowie die vom Zweitangeklagten bei der Tat verwendeten Mobiltelefone“ der Marken I‑Phone und Siemens „samt SIM‑Karten“ konfisziert (US 3).
Zum Konfiskationserkenntnis stellte das Schöffengericht fest, dass der im Eigentum des Zarko P***** befindliche Pkw Renault Megane „mit diesem als Lenker“ bei der Beförderung der Fremden („mit einem Mercedes Sprinter und allenfalls einem weiteren Fahrzeug unbekannter Bauart“ sowie „allenfalls auch“ mit dem „Renault Megane des Zweitangeklagten“) als „Vorausfahrzeug“ diente und die Schlepperfahrzeuge begleitete (US 5 f, 8, 15). Zu den ebenfalls konfiszierten Mobiltelefonen traf das Gericht keine Feststellungen.
Das Urteil erwuchs hinsichtlich J***** in Rechtskraft, über die Berufung des Angeklagten P***** wegen des Ausspruchs über die verhängte Freiheitsstrafe wurde bislang nicht entschieden.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer gegen das Konfiskationserkenntnis gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, sind (unter anderem) vom Täter zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendete Gegenstände (nur dann) zu konfiszieren, wenn sie zur Zeit der Entscheidung ‑ mit BGBl I 2015/112 klargestellt: erster Instanz ‑ in dessen Eigentum stehen (§ 19a Abs 1 StGB, hier idF BGBl I 2010/108). Von der Konfiskation ist abzusehen, soweit sie zur Bedeutung der Tat oder zu dem den Täter treffenden Vorwurf außer Verhältnis steht (Abs 2 leg cit).
Die Verhängung der Strafe (vgl RIS‑Justiz RS0129178; Fuchs/Tipold in WK² StGB § 19a Rz 17; ErläutRV 918 BlgNR 24. GP 7) der Konfiskation setzt voraus, dass die für die(se) Strafbefugnis (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 663) entscheidenden Tatsachen im Urteil festgestellt sind. Es sind daher nicht nur Konstatierungen zur (hier:) Verwendung der Gegenstände zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat zu treffen, sondern auch dazu, dass die Gegenstände im Entscheidungszeitpunkt im Eigentum des Täters standen.
Im vorliegenden Fall hat das Gericht zwar (hinreichend deutlich [auch] auf den Entscheidungszeitpunkt bezogen) konstatiert, dass der Pkw Renault Megane im Eigentum des Zarko P***** stand, Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen an den Mobiltelefonen und ihrem Bezug zu den gegenständlichen Straftaten wurden jedoch nicht getroffen, sodass die Konfiskation der vier Mobiltelefone (samt SIM‑Karten) § 19a Abs 1 StGB verletzt.
Soweit die Generalprokuratur unter Hinweis auf § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO eine Gesetzesverletzung auch darin erblickt, dass das Gericht „zu der nach § 19a Abs 2 StGB erforderlichen Verhältnismäßigkeit der Konfiskation der Mobiltelefone und des Pkw Renault Megane“ keine Feststellungen getroffen habe, hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Die Verhältnismäßigkeitsklausel des § 19a Abs 2 StGB ist eine Strafbemessungsbestimmung, die das Gericht bei seiner Entscheidung über die Konfiskation zu berücksichtigen hat, das gerichtliche Sanktionsermessen aber nicht unabdingbar an einen Sachverhaltsbezug bindet (vgl dazu Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 683 f; Danek, WK‑StPO § 270 Rz 42 ff). Aus dem bloßen Fehlen von (ausdrücklich) auf die Verhältnismäßigkeit der Konfiskation Bezug nehmenden Feststellungen kann daher keine Verletzung des § 19a Abs 2 StGB abgeleitet werden. Dass das Erstgericht die Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Gänze unterlassen hätte (vgl RIS‑Justiz RS0088035 [T7]) oder dem Konfiskationsausspruch eine willkürliche (und deshalb rechtsfehlerhafte) Ermessensausübung (RIS‑Justiz RS0096557, RS0123668; Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 8) zu Grunde gelegen wäre, behauptet die Wahrungsbeschwerde hingegen nicht. Sie war daher betreffend die Konfiskation des Pkw Renault Megane zu verwerfen.
Bleibt zum ‑ im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren auch von Amts wegen zu berücksichtigenden (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall iVm § 292 StPO) ‑ Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO anzumerken, dass dieser auf keinen Sachverhaltsbezug abstellt, weshalb daraus keine Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung folgen kann. Auch das Fehlen rechtlicher Erwägungen zur Strafbemessung zieht keine Nichtigkeit nach sich (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 681). Nichtigkeitsrelevant ist vielmehr nur die erkennbare (rechts‑)fehlerhafte Beurteilung von Strafzumessungs-tatsachen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 680, 691), während jede andere Kritik an einer Ermessensentscheidung nur mit Berufung erfolgen kann (vgl RIS‑Justiz RS0091489, RS0099892, RS0099954, RS0099985; Jerabek in WK2 StGB § 43 Rz 28).
Nicht auszuschließen ist, dass die ‑ (nur) aus dem Unterlassen von Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen an den Mobiltelefonen und ihrer Verwendung zur Begehung der gegenständlichen (vorsätzlichen) Straftaten resultierende ‑ Gesetzesverletzung zum
Nachteil der Verurteilten wirkt. Da das Urteil gegenüber J***** rechtskräftig ist und sich die Berufung des Angeklagten P***** nur gegen den Ausspruch über die Freiheitsstrafe richtet (§ 294 Abs 2 vierter Satz StPO), weshalb dem Berufungsgericht die amtswegige Wahrnehmung der das Konfiskationserkenntnis betreffenden Nichtigkeit zugunsten dieses Angeklagten ‑ zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte (§ 295 Abs 1 erster Satz StPO) ‑ verwehrt ist (vgl RIS‑Justiz RS0119220 [T9, T10]; Ratz, WK‑StPO § 294 Rz 10 und § 295 Rz 7 und 14), sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Gesetzesverletzung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).
Eine Kassation der über J***** und P***** verhängten Freiheitsstrafen war nicht erforderlich, weil diese nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Konfiskationsausspruch stehen (vgl Ratz , WK‑StPO § 289 Rz 6), sondern die ‑ in den Strafbestimmungen des besonderen Teils des StGB oder von Nebengesetzen angedrohte ‑ (Haupt‑)Strafe losgelöst von einer Entscheidung nach § 19a StGB festgesetzt werden kann (vgl 13 Os 159/11y, 14 Os 72/15t, 14 Os 96/15x, 15 Os 134/13i).
Soweit die Generalprokuratur (unter Verweis auf Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 19a Rz 17) meint, die Konfiskation müsse „bei der Ausmessung der Strafe mildernd berücksichtigt werden“ (vgl auch Hinterhofer, ecolex 2011, 217; Ebner in WK2 StGB § 32 Rz 34), ist zunächst darauf hinzuweisen, dass durch das
Strafrechtliche Kompetenzpaket (sKp; BGBl I 2010/108) eine „bessere und leichtere Handhabbarkeit der rechtlichen Möglichkeiten zur Abschöpfung der producta sceleris bzw. Einziehung der instrumenta sceleris (§§ 19a bis 20c StGB)“ geschaffen werden sollte (vgl ErläutRV 918 BlgNR 24. GP 3 und 6). Die Konfiskation wurde dabei bewusst als Strafe konzipiert, die grundsätzlich den Schuldspruch wegen einer vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangenen Tat voraussetzt (RIS‑Justiz RS0129178; zum Strafcharakter der Konfiskation trotz des seit 1. Jänner 2016 in Geltung stehenden § 445 Abs 2a StPO vgl die ErläutRV 689 BlgNR 25. GP 53) und eine über die Hauptstrafe (§§ 18 f StGB) hinausgehende, somit zusätzliche Sanktionierung des Täters zum Ziel hat.
Während für die Zumessung (innerhalb eines zur Verfügung stehenden Strafrahmens) von (im besonderen Teil des StGB oder in Nebengesetzen angedrohten) Freiheits‑ und Geldstrafen die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§§ 32 ff StGB) gelten ‑ demnach meint der in § 32 Abs 2 StGB mehrfach verwendete Begriff „Strafe“ nur die konkret zu bemessende Geld‑ oder Freiheitsstrafe und sind nur auf die „Auswirkungen d(ies)er Strafe“ (also ihrer selbst und nicht auch der Konfiskation) bei ihrer Bemessung Bedacht zu nehmen; zum Begriff „Folgen der Tat“ wiederum, die nicht mit den Folgen der Verfolgung oder Verurteilung wegen der Tat gleichzusetzen sind, vgl (zu § 34 Abs 1 Z 19 StGB) RIS‑Justiz RS0130394 (aM Ebner in WK 2 StGB § 32 Rz 34) ‑, ist die Konfiskation nach dem Gesetzeswortlaut zwingend für sämtliche Gegenstände anzuordnen, welche die Kriterien des § 19a Abs 1 StGB erfüllen. Erst durch die Verhältnismäßigkeitsklausel des Abs 2 leg cit (vgl dazu ErläutRV 918 BlgNR 24. GP 7) ‑ und die (erst) hier zu treffende Ermessensentscheidung ‑ erfährt die Konfiskation eine wesentliche Einschränkung. Eine unangemessene Strafe durch die (zusätzliche) Konfiskation wird dadurch vermieden, dass von dieser ganz oder ‑ sofern sie mehrere Gegenstände (oder nunmehr auch Ersatzwerte) betrifft ‑ teilweise (arg „soweit“; so auch Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 19a Rz 15) abzusehen ist, wenn sie zur Bedeutung (iSd Unrechtsgehalts) der Tat oder zu dem den Täter treffenden (Schuld‑)Vorwurf außer Verhältnis steht. Dass der Gesetzgeber damit nicht nur isoliert betrachtet inadäquate Konfiskationen verhindern, sondern auch eine (mit Blick auf die verhängte Hauptstrafe) insgesamt schuldangemessene Bestrafung des Täters trotz (zusätzlicher) Konfiskation gewährleisten wollte, wird schon daraus erkennbar, dass nach § 19a Abs 2 StGB zwar die Konfiskation sogar zur Gänze entfallen kann, die Bestimmungen über die Bemessung der Hauptstrafe aber trotz Einführung des § 19a StGB unverändert geblieben sind.
Unter der Prämisse, dass das den Täter in seiner Gesamtheit treffende Strafübel nicht die Grenze der Schuldangemessenheit überschreiten darf, wird daher der aus den Materialien ersichtlichen Intention des § 19a StGB und dem unterschiedlichen Charakter der Freiheits‑ oder Geldstrafe einerseits und der Konfiskation andererseits dadurch Rechnung getragen, dass die Hauptstrafe ohne Berücksichtigung der Konfiskation zu bemessen, aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung letzterer nach § 19a Abs 2 StGB im Blick zu behalten ist.
Die Akten waren daher vorerst dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch einer Freiheitsstrafe zuzuleiten.
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