OGH 15Os134/13i

OGH15Os134/13i13.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinksi und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Haroon S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ayob Sc***** sowie die Berufungen der Angeklagten Haroon S*****, Kasemkhel J***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 4. April 2013, GZ 14 Hv 4/13s-137, ferner über die Beschwerde des Angeklagten J***** gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch über die Konfiskation aufgehoben und das Verfahren insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Sc***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde Ayob Sc***** (zu 1.) der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG und (zu 2.) des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Haroon S*****, Sulaiman Sa***** und Kasemkhel J***** als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar

1. ab einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr 2012 bis zum 16. Juli 2012 in einer die Grenzmenge (§ 28a SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen und zur Überlassung beigetragen, indem sie insgesamt 5.443,9 Gramm Cannabiskraut mit einem Delta-9-THC-Gehalt von zumindest 4,86 % an Miguel Ji***** (800 Gramm), Luis Enrique T***** (300 Gramm), Gersi H***** (250 Gramm), Mohammad A***** (700 Gramm), Amr Mohammed Ah***** (70 Gramm), Fatih Se***** (375 Gramm), Najibullah K***** (50 Gramm), Hakim Kh***** (500 Gramm) sowie an weitere, teils unbekannte Abnehmer mit Gewinnaufschlag verkauften;

2. am 16. Juli 2012 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar 2.956,1 Gramm Cannabiskraut (davon 2.449 Gramm mit einem Reinhaltsgehalt von 5,8 +/- 0,94 % und 507,1 Gramm mit einem Reinhaltsgehalt von 5,37 +/- 0,19 %), indem sie das Suchtgift von unbekannten Lieferanten in W***** bezogen, dieses in die Wohnung ***** verbrachten und dort zum Zweck der späteren Überlassung an Suchtgiftabnehmer vorläufig lagerten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Ayob Sc***** verfehlt ihr Ziel.

Die Konstatierungen zur Teilnahme des Angeklagten an einer kriminellen Vereinigung (§ 28a Abs 2 Z 2 SMG) gründeten die Tatrichter auf die belastenden Angaben des Mitangeklagten S*****, die Aussagen der Zeugen A***** und K***** sowie auf die Ergebnisse der Telefonüberwachungen. Schließlich bezogen sie auch den Umstand, dass der Angeklagte in unmittelbarer Nähe der zur Bunkerung und Abpackung des Suchtgifts dienenden Wohnung mit einem Bargeldbetrag von 6.070 Euro in kleinster Stückelung aufgegriffen wurde, in ihre Überlegungen ein (US 10 f). Von einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) kann - der Kritik zuwider - daher keine Rede sein. Welches konkrete Verfahrensergebnis bei der hiezu angestellten Beweiswürdigung übergangen worden wäre (Z 5 zweiter Fall), vermag die Beschwerde nicht anzugeben.

Ebenso wenig legt sie dar, weshalb es widersprüchlich sein sollte, wenn das Erstgericht annimmt, der Angeklagte Sc***** habe spätestens ab dem 16. Mai 2013 an der kriminellen Vereinigung teilgenommen (US 6), andererseits beim Angeklagten J***** (Geburtsdatum 20. Mai 1991) im Hinblick darauf, dass der genaue Zeitpunkt der Suchtgiftübergaben nicht festgestellt werden könne, zu seinen Gunsten „im Zweifel auch bei ihm von der Anwendung des § 36 StGB“ ausgegangen ist (US 14).

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde zu A.1./ Feststellungen vermisst, welche Suchtgiftmengen vor dem Beitritt des Angeklagten Sc***** weitergegeben wurden (der Sache nach Z 10), spricht sie angesichts der Urteilsannahmen zum Erwerb von 9.000 Gramm Cannabiskraut und dem Verkauf von 5.443,9 Gramm Cannabiskraut mit einem Delta-9-THC-Gehalt von zumindest 4,86 % (264,53 Gramm Reinsubstanz) nach „Beitritt“ des Beschwerdeführers keine entscheidende Tatsache an (US 6 letzter Absatz, 7).

Mit dem Umstand, dass der Mitangeklagte S***** seine Aussage zugunsten des Beschwerdeführers abgeändert hat, hat sich das Erstgericht - entgegen dem Einwand (Z 5 zweiter Fall) - auseinandergesetzt (US 8 f).

Welche „Zeugenaussagen von Suchtgiftabnehmern“, die „offenbar“ vor dem 16. Mai 2012 Suchtgift vom Erstangeklagten erhalten hätten, übergangen worden seien, gibt die Beschwerde nicht an.

Das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Privilegierung nach § 28a Abs 3 SMG blieb - der Beschwerde zuwider (Z 5 vierter Fall) - nicht unbegründet, sondern wurde auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Angeklagten, die Menge des in Verkehr gesetzten Suchtgifts und letztlich auf ihre Verantwortung, mit den Gewinnen den Lebensunterhalt finanzieren zu wollen, gegründet (US 13). Die weiteren Ausführungen der Beschwerde hiezu erweisen sich als bloße Beweiswürdigungskritik, ohne dass damit ein Begründungsmangel aufgezeigt würde. Letztlich erfolgten auch die Annahmen zum Eigenkonsum des Drittangeklagten (600 Gramm) nicht aktenwidrig (ON 136 S 6; US 12 [Fehlzitat: „Seite 8 der ON 127“]).

Dass die Tatrichter aus einem in der Justizanstalt sichergestellten Kassiber andere Schlüsse gezogen haben, als es die Beschwerde nahelegt, stellt keine Nichtigkeit dar (RIS-Justiz RS0098471).

Die Sanktionsrüge (Z 11) moniert das Fehlen „notwendiger Feststellungen“ zum Verfallsausspruch, gibt aber nicht an, welcher Konstatierung über die erkennbar getroffene Urteilsannahme (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19), wonach der konkret bezeichnete Bargeldbetrag einen Erlös aus dem Suchtgifthandel darstellt (§ 20 Abs 1 zweiter Fall StGB; US 3 f, 10, 16 iVm ON 36), es noch bedurft hätte. Dies gilt auch für die übrigen Verfallserkenntnisse.

Zutreffend zeigt die Generalprokuratur allerdings auf, dass zum Konfiskationsausspruch (§ 19a StGB) keine Feststellungen zur Frage, ob diese von den Tätern zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendet worden sind, dazu bestimmt waren oder durch diese Handlung hervorgebracht worden sind sowie zur Eigentümerschaft hinsichtlich der betreffenden Gegenstände (ein Mobiltelefon, zwei SIM-Karten, zwei ÖBB-Fahrkarten, vier Feingrammwaagen, ein Paket mit Sporttasche, ein Kuvert mit nicht bekannter Substanz und „elf diverse Güter“; US 4) getroffen wurden.

Dieser Ausspruch war daher von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) aufzuheben und insofern Verfahrenserneuerung anzuordnen. Bleibt anzumerken, dass das Fehlen von Konstatierungen zur Verhältnismäßigkeit der Konfiskation (§ 19a Abs 2 StGB) keine Nichtigkeit nach Z 11 des § 281 Abs 1 StPO begründet; haben die Tatrichter durch die Zitierung des § 19a StGB ohne Absatzeinschränkung zu erkennen gegeben, dass sie insoweit die Voraussetzungen für die Konfiskation geprüft haben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden ergibt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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