OGH 14Os96/15x

OGH14Os96/15x17.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Strafsache gegen Alexander O***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall und Abs 2 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Dr. Heinrich S***** sowie die Berufung des Angeklagten Alexander O***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 1. Juni 2015, GZ 29 Hv 26/15x‑105, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00096.15X.1117.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im ‑ den Angeklagten Alexander O***** betreffenden ‑ Ausspruch über die Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Dr. Heinrich S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Angeklagten Alexander O***** enthält, wurde Dr. Heinrich S***** des Verbrechens des Suchtgifthandels als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 vierter Fall und Abs 2 Z 3 SMG (B/) schuldig erkannt.

Danach hat er in I***** und andernorts

B/ zur Ausführung der strafbaren Handlung des Alexander O*****, der von Anfang Juli 2014 bis 2. März 2015 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15‑fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, „nämlich in Bezug auf zumindest 25 Grenzmengen“ anderen angeboten hat, indem er auf der von ihm eingerichteten und betriebenen Homepage www.*****.at zirka 2.000 Personen die Überlassung von jeweils zumindest fünf Gramm Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 5 % Delta‑9‑THC gegen Vorauszahlung einer „Crowdfundingeinlage“ von 25 Euro offerierte (A/1/), dadurch beigetragen, dass er „Alexander O***** und die von diesem akquirierten Suchtgiftabnehmer rechtlich beriet und das Anbieten von Cannabiskraut an diese dadurch unterstützte und mittrug“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. Heinrich S***** verfehlt ihr Ziel.

Die Verfahrensrüge (Z 4) scheitert mit ihrer Kritik, das Erstgericht habe zu Unrecht einen Informationsaustausch zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger unterbunden, schon am Fehlen entsprechender

Antragstellung in der Hauptverhandlung (RIS-Justiz RS0099250).

Wenngleich ‑ der Beschwerde zuwider ‑ das Urteil nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) wäre, wenn ihm nicht entnommen werden könnte, „welche rechtliche Beratung“ der Angeklagte „konkret gewährte“ (RIS‑Justiz RS0117995), haben die Tatrichter die Leistung eines Beitrags zur strafbaren Handlung des Alexander O***** darin erblickt, dass der Beschwerdeführer „die Idee eines organisierten Cannabisverkaufs mittrug und insofern unterstützte“, sowie Alexander O***** „rechtlich zum angeblichen legalen Cannabiskonsum (…) beriet“ (US 12). Indem die Beschwerde in diesem Zusammenhang behauptet, diese rechtliche Beratung sei durch kein Beweisergebnis getragen, bekämpft sie die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Mit den Behauptungen, die (ohnedies richtige) Rechtsansicht des Angeklagten Dr. Heinrich S***** sei nicht verbindlich gewesen, er würde zivilrechtlich nicht haften, sein Studienabschluss und seine Parteiangehörigkeit würden „die Annahme eines inkriminierten Verhaltens“ nicht rechtfertigen und die Forderung nach Legalisierung des Cannabiskonsums könne keine Beitragshandlung darstellen, entfernt sich die Beschwerde nicht nur von den Urteilsfeststellungen (US 12 f), sondern zeigt sie auch keinen Begründungsmangel (Z 5) auf.

Die von der Beschwerde (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) vermisste Begründung zur subjektiven Tatseite befindet sich auf US 16 f und 20 f.

Indem sich der Beschwerdeführer auf einen „inneren Widerspruch zwischen der Beitragstat und der Ausführung der unmittelbaren Tat“ beruft, weil er keinen Zugriff auf die Homepage und das Parteikonto gehabt habe und die Ausführungen des Alexander O***** nicht mitgestalten habe können, verkennt er den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 438; RIS-Justiz RS0119089) und übt bloß Beweiswürdigungskritik.

Mit der Behauptung, das Urteil habe die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung „ununterscheidbar vermengt“ und entziehe sich daher „einer Überprüfungsmöglichkeit der rechtlichen Beurteilung“, wird kein Nichtigkeitsgrund zur Darstellung gebracht.

Soweit der Beschwerdeführer Urteilsnichtigkeit „exemplarisch“ anhand der Aussagen der Zeugin Sofia J***** und der Beweiswürdigung zum ‑ ausschließlich den Angeklagten Alexander O***** betreffenden ‑ Faktum A/3/b/ aufzuzeigen versucht, spricht er keine ‑ seinen Schuldspruch betreffende und somit ‑ entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz RS0117264).

Keine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) sondern einmal mehr nur Einwände gegen die Beweiswürdigung bringt die (nominell auf Z 9 lit a gestützte) Rüge zur Darstellung, wenn sie unter Hinweis auf die Textierung der Mitgliedskarten und die Verantwortung des Angeklagten Alexander O*****, die im Urteil ohnehin erörtert wurden, behauptet, diesen Beweisergebnissen sei nicht zu entnehmen, dass der Genannte anderen vorschriftswidrig Suchtgift angeboten habe, sodass bei deren Berücksichtigung der Tatvorwurf zu A/1/ „anders zu beurteilen (...) und die sogenannte Beitragstat des Angeklagten zu relevieren“ gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0098646).

Welcher „wesentliche Begründungsmangel“ mit den Ausführungen zur „Vorbereitung der medizinisch-wissenschaftlichen Langzeitstudie“ und der Herangehensweise des Beschwerdeführers „während dieser ganzen Vorbereitungsphase“ geltend gemacht werden soll, bleibt unklar.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit dem Hinweis auf die Verantwortung des Beschwerdeführers, wonach seine Beratungstätigkeit stets auf die Liberalisierung und Entkriminalisierung des Cannabiskonsums gerichtet gewesen sei, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wird nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht, indem sie einerseits die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 12 f) übergeht und andererseits die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts als „nicht stichhaltig und nicht ausreichend“ kritisiert, unter Hinweis auf mehrere Rechtsvorschriften und die Begründung der Anklageschrift vermeint, das Erstgericht sei von einer strafbaren Handlung ausgegangen, „ohne zu ermitteln und zu prüfen, ob tatsächlich der Straftatbestand erfüllt wird“, und losgelöst von den Konstatierungen anhand eigenständiger Beweiserwägungen behauptet, der Angeklagte Dr. Heinrich S***** sei von einer Projektabwicklung in einem „rechtlich zulässigen Rahmen“ ausgegangen (RIS‑Justiz RS0099810, RS0116565).

Die vermissten Feststellungen zur Kausalität des Beitrags befinden sich auf US 12 und 20. Warum letzterer nicht bloß kausal sondern auch notwendig sein hätte müssen, legt die Beschwerde nicht dar (vgl im Übrigen RIS‑Justiz

RS0089832).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus Anlass der Beschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem Urteil im den Angeklagten Alexander O***** betreffenden (vgl US 44) Ausspruch über die Konfiskation (US 7) nicht geltend gemachte Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO anhaftet. Denn das Erstgericht stellte weder fest, ob der Angeklagte die konfiszierten Gegenstände zur Begehung einer (gegenständlich welcher) vorsätzlichen Straftat verwendet, sie dazu bestimmt oder hiedurch hervorgebracht hat, noch ob sie zur Zeit der Entscheidung in seinem Eigentum standen (§ 19a Abs 1 StGB), woraus Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall resultiert.

Weil sich die Berufung des Angeklagten Alexander O***** nur gegen den Ausspruch über die Freiheitsstrafe richtet (§ 294 Abs 2 vierter Satz StPO), weshalb dem Berufungsgericht die amtswegige Wahrnehmung der das Konfiskationserkenntnis betreffenden Nichtigkeit zugunsten des Angeklagten ‑ zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte (§ 295 Abs 1 erster Satz StPO) ‑ verwehrt ist (vgl RIS‑Justiz RS0119220 [T9, T10]; Ratz , WK‑StPO § 294 Rz 10 und § 295 Rz 7 und 14), war die Nichtigkeit von Amts wegen aufzugreifen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), der Konfiskationsausspruch aufzuheben und in diesem Umfang dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.

Die ‑ noch davor zu treffende ‑ Entscheidung über die gegen die Freiheitsstrafen gerichteten Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die ‑ nicht auf die amtswegige Maßnahme bezogene ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12) - Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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