Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit 1.217,04 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte platzierte die von der M***** Ltd (M*****) mit Sitz in Jersey ausgegebenen Zertifikate bei Investoren und gründete zu diesem Zweck auch eine Tochtergesellschaft, welche Schulungen der Mitarbeiter der Vertriebspartner betreffend die „Immobilienaktien der M*****“ vornahm und diese mit Werbematerial, insbesondere einem ‑ von der Beklagten mitherausgegebenen ‑ Verkaufsfolder, versorgte. Der Verkaufsfolder enthielt unrichtige und irreführende Angaben (vgl 4 Ob 188/08p) und eine bewusst unrichtige Darstellung des Risikos; auf seiner letzten Seite ist neben der Tochtergesellschaft auch die Beklagte mit Name, Sitz und Kontaktdaten genannt. Die Tochtergesellschaft war auch auf dem deutschen Markt tätig, indem sie Werbematerial Finanzdienstleistern in Deutschland zur Verfügung stellte. Den in Deutschland wohnhaften Klägern wurde von einem derartigen Finanzdienstleister auf Basis der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen, darunter auch der Verkaufsfolder, M*****‑Zertifikate zum Kauf vermittelt. Sie erwarben am 8. 11. 2006 im Vertrauen auf die Werbeunterlagen Zertifikate um 39.908,34 EUR und verkauften sie am 8. 11. 2007 zu einem wesentlich geringeren Kurs um 17.350,18 EUR.
Die Kläger begehren von der Beklagten die Differenz zwischen An- und Verkaufspreis aus dem Titel des Schadenersatzes wegen irreführender Werbung und der Verletzung von Schutzgesetzen (KMG, BörseG, WAG). Im Verkaufsfolder werde der Charakter der Veranlagung (Aktien/Zertifikate), die Mittelverwendung, die zu erwartende Verzinsung aus der Vermietung und die Eigentumsverhältnisse bzw Beherrschungsverhältnisse völlig falsch dargestellt. Die Organe der Beklagten, denen die tatsächlichen Verhältnisse der Emittentin sowie die grundlegenden Daten hinsichtlich der emittierten Wertpapiere bekannt gewesen seien, hätten vorsätzlich falsche Angaben in der Werbung gemacht und dadurch die Kläger listig zum Kauf der Zertifikate bewogen, weshalb sie für den entstandenen Schaden hafteten. Bei Kenntnis des wahren Sachverhalts hätten die Kläger den Betrag in Rohstoffwertpapiere investiert, mit denen sie keinen Verlust erlitten hätten; jedenfalls hätten sie in eine kapitalerhaltende Wertanlage investiert.
Die Beklagte wendete ein, zwischen ihr und den Klägern bestehe kein Vertragsverhältnis. Sie habe mit der Werbung für „M*****-Aktien“ nichts zu tun gehabt. Die Kläger seien ihrer Behauptungs- und Beweislast im Zusammenhang mit dem Alternativinvestment nicht nachgekommen.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Nach § 48 IPRG (aF) sei deutsches Sachrecht anzuwenden. Die Beklagte hafte den Klägern nach § 826 BGB (sittenwidrige, vorsätzliche Schädigung), zumal sie die beanstandeten Werbeunterlagen herausgegeben habe, obwohl ihr die Unrichtigkeit der Prospektangaben bewusst gewesen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ nachträglich die ordentliche Revision ‑ zur Frage des anwendbaren Rechts ‑ zu. Es verneinte das Vorliegen einer stärkeren Beziehung zum Recht des Erfolgsorts (Deutschland) und ging von der Anwendbarkeit des Rechts des Handlungsorts, somit von jener österreichischen Rechts aus. Die Verbreitung fehlerhafter Prospekte verletze die dem Publikum gegenüber bestehenden Informationspflichten, die den vorvertraglichen Aufklärungspflichten entsprächen. Ein durch irreführende Werbebroschüren verursachter Irrtum über die Risikogeneigtheit und Wertstabilität eines Wertpapiers komme als Haftungsgrund für einen Schadenersatzanspruch in Betracht. Die Beklagte sei als Mitherausgeberin des Verkaufsprospekts für dessen Inhalt verantwortlich. Sie habe bewusst eine unrichtige Darstellung des Risikos vorgenommen, indem sie auf einen „langfristigen Substanzwert und stabile Einnahmen ‑ Immobilien‑ investitionen, eine sichere Anlage in Zeiten stark schwankender Aktienmärkte, hoher Steuern und niedriger Zinsen“ verwiesen habe. Die Beklagte hafte daher für den Differenzschaden zwischen dem Ankaufs- und Verkaufspreis.
Die Beklagte macht in ihrer Revision geltend, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei hier deutsches Recht anzuwenden. Bei der Auslegung des § 48 Abs 1 Satz 2 IPRG aF sei die jüngere Rechtsentwicklung zu berücksichtigen, nach welcher im internationalen Deliktsrecht (Rom II-VO) nicht mehr der Handlungsort, sondern der Erfolgsort maßgeblich sei. Nach deutschem Recht bestehe aber aufgrund der Rechtsfigur der allgemein‑zivilrechtlichen Prospekthaftung im konkreten Fall keine Haftung der Beklagten. Im Anwendungsbereich der §§ 15 dWpPG, die jene Werbemaßnahmen regelten, die sich auf ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder auf eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt bezögen, sei die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung für Werbebroschüren, die als Prospekte oder Teile von Prospekten zu qualifizieren seien, ausgeschlossen.
Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
1.1. Die zivilrechtliche Prospekthaftung beruht auf einer Weiterentwicklung der Haftung für culpa in contrahendo (RIS-Justiz RS0108218). Es haben alle jene Personen für eine sachlich richtige und vollständige Information einzustehen, die durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen ‑ zusätzlichen ‑ Vertrauenstatbestand schaffen (RIS-Justiz RS0107352; 4 Ob 155/14v). Auszugehen ist also davon, dass es sich um eine Eigenhaftung des nach außen hin in Erscheinung Tretenden erga omnes handelt, die aufgrund der Schaffung eines Vertrauenstatbestands unabhängig von der Haftung der den Wertpapierkaufvertrag oder Finanzdienstleistungsvertrag schließenden Parteien entsteht. Es liegt sohin eine Dritthaftung vor, weil jemand haftet, der mit dem unmittelbaren Vertragsverhältnis in keinem direkten Zusammenhang steht.
1.2. Die Vorinstanzen haben zutreffend nach dem Deliktsstatut angeknüpft (vgl auch RIS-Justiz RS0121565 zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter). Dieses Ergebnis stellt das Rechtsmittel auch nicht in Frage (vgl nur Verschraegen in Rummel³, IPRG Vor § 35 Rz 10 mwN).
2.1. Der Erwerb der Wertpapiere erfolgte im November 2006, die Verteilung der Prospekte an die deutschen Finanzdienstleister davor. Auf den vorliegenden Sachverhalt ist daher § 48 IPRG aF anzuwenden, zumal die Rom II VO erst mit 11. Jänner 2009 in Kraft trat.
§ 48 Abs 1 IPRG aF lautete:
Außervertragliche Schadenersatzansprüche sind nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist. Besteht jedoch für die Beteiligten eine stärkere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates, so ist dieses Recht maßgebend.
2.2. Die Grundsatzanknüpfung des § 48 Abs 1 Satz 1 IPRG verweist mithin auf den Ort, an dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist, also den Handlungsort. Das ist bei Delikten durch aktives Tun jener Ort, an dem der Täter sich schädigend verhalten hat (RIS‑Justiz RS0121126).
2.3. Dieser Ort ist Österreich. Wenn die Beklagte dagegen mit den ErläutRV 784 BlgNR 14. GP 61 und Verschraegen in Rummel³, IPRG § 48 Rz 23 argumentiert, der Täter des § 48 IPRG müsse nicht mit dem Haftenden identisch sein, weil es bei der Haftung für Gehilfen auf den Ort ankomme, an dem der Gehilfe gehandelt habe, ist dem zu entgegnen, dass hier kein Fall einer Gehilfenhaftung vorliegt. Die Haftung der Beklagten gründet nämlich auf ihrem eigenen Verhalten, und zwar darauf, dass sie durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat. Diese Mitwirkungshandlungen der Beklagten erfolgten unstrittig in Österreich. Somit wäre gemäß der zitierten Norm grundsätzlich österreichisches Recht zur Anwendung berufen, wenn für die Streitteile keine stärkere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staats bestünde.
3.1. Zur Frage der „stärkeren Beziehung“ wurde entschieden, dass wenn der Schädiger typischerweise mit der Schädigung jenseits der Grenzen des Handlungsstaates rechnen musste, eine stärkere Beziehung zum Recht des Erfolgsorts besteht (RIS-Justiz RS0077491 [T1]). Die Beklagte argumentiert, die Typizität sei hier gegeben, weil die Prospekte nach dem Willen der Tochtergesellschaft der Beklagten direkt auf den deutschen Markt gebracht wurden.
3.2. Für die Anwendung der Ausweichklausel des § 48 Abs 1 Satz 2 IPRG aF müssen die haftungsrelevanten Beziehungen der Parteien zu einem anderen Recht so deutlich überwiegen, dass die Verbindungen zum Handlungsort nur nebensächlich und zufällig erscheinen (RIS-Justiz RS0087551 [T2]). Dies ist nach 6 Ob 163/06y bei der Geltendmachung bloßer Vermögensschäden (ein solcher liegt hier vor) in der Regel nicht der Fall.
3.3. Weiters wurde zu diesem Thema wie folgt judiziert: In 2 Ob 533/95 stritten zwei Banken um die gehörige Prüfung der Indossamentenkette eines Orderschecks, die die Beklagte unterlassen hatte. Da die Klägerin, die für den Schaden aufzukommen hatte, ihren Sitz in Deutschland hatte, wurde deutsches Recht angewandt, weil der Schaden nur sie treffen konnte. In 3 Ob 180/03x ging es um das schädigende Verhalten der Leiterin einer Importabteilung, die typischerweise mit der Schädigung jenseits der Grenzen des Handlungsstaats rechnen musste, was zur Anwendung des Rechts des Erfolgsorts führte.
4.1. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Vertriebsgesellschaft der Beklagten (ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft) gezielt auch den deutschen Markt bearbeitete. Die Beklagte musste daher mit einer Schädigung deutscher Anleger rechnen. Es ist somit von einer stärkeren Beziehung der Streitteile zum deutschen Recht auszugehen.
4.2. Dieses Ergebnis folgt auch aus nachstehenden weiteren Überlegungen: Zur kapitalmarktrechtlichen Prospekthaftung wird vertreten, dass den einschlägigen Vorschriften nicht nur anlegerschützende Gedanken, sondern auch wettbewerbsrechtliche Zielsetzungen innewohnen. Es sei daher nicht der Handlungs- bzw Erfolgsort maßgeblich, sondern das Deliktsstatut sei durch wettbewerbsrechtliche Aspekte zu modifizieren. Es komme folglich auf das Marktortrecht an. Marktort sei dabei der Platzierungsort, für den das jeweilige Prospekt erstellt worden sei, was im Ergebnis auf den Ort hinauslaufe, an dem die jeweiligen Wertpapiere börslich gehandelt werden, was bei kapitalmarktrechtlichen Prospekten durchaus Sinn mache: Denn der Emittent bzw an der Prospektgestaltung Mitwirkende müssen sich an die an diesem Ort geltenden, oftmals zwingenden kapitalmarktrechtlichen Vorschriften halten. Werden sie nun mit Ansprüchen aus fehlerhafter Prospekterstellung konfrontiert, käme es zu unbilligen Ergebnissen, würden die Anforderungen an den Prospekt nach dem Ort des schädigenden Erfolgs (bzw der Handlung) beurteilt, der regelmäßig mit dem Wohnsitz des Anlegers zusammenfalle und möglicherweise ganz andere Vorschriften kenne (idS Reithmann/Martiny, Das internationale Privatrecht der Schuldverträge, Rz 1276; Kondorosy, Die Prospekthaftung im internationalen Privatrecht, 230 f; Schmitt, Die kollisionsrechtliche Anknüpfung der Prospekthaftung im System der Rom II-Verordnung, BKR 2010, 366 [370]; Schwark in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrecht4, § 45 Rz 42).
4.3. Ausgehend davon, dass (auch) den zivilrechtlichen Prospekthaftungstatbeständen nicht nur ein anlegerbezogener Schutzgedanke innewohnt, sondern darüber hinaus ein öffentlich-rechtlicher Regelungsanspruch, hat Grundmann (Deutsches Anlegerschutzrecht in internationalen Sachverhalten, RabelsZ 1990, 283 [305 ff]) vorgeschlagen, auch für die zivilrechtliche Prospekthaftung analog zu der wettbewerbsrechtlichen Anknüpfung (vgl RIS‑Justiz RS0127138) auf den Marktort abzustellen. Hier sei Marktort aber das Recht des Orts, an dem die Anleger investieren. Dafür spreche auch ein Größenschluss: Werde nämlich jedwede Information unterlassen, komme es auf den Ort an, wo der Verursacher hätte handeln müssen. Dies sei unbestreitbar der Ort, wo der zu informierende Anleger seine Entscheidung treffe. Werde dahingegen eine Falschinformation erteilt, könne dies für die kollisionsrechtliche Anknüpfung keinen Unterschied machen.
4.4. Für diese Sichtweise spricht, dass die zivilrechtliche Prospekthaftung nicht auf öffentlich‑rechtlichen Vorschriften, sondern auf der Schaffung eines Vertrauenstatbestands in Weiterentwicklung der culpa in contrahendo basiert und der Marktort bei irreführender Werbung jener Ort ist, an dem diese auf die Marktgegenseite einwirkt (4 Ob 12/11k; 4 Ob 202/12b jeweils mwN).
4.5. Dieser Überlegung folgt auch Henk (Die Haftung für culpa in contrahendo im IPR und IZVR, 324 ff), wonach das Deliktsstatut durch wettbewerbsrechtliche Aspekte dergestalt zu modifizieren sei, dass es auf den Ort ankomme, an dem zielgerichtet auf den Kaufentschluss der Anleger eingewirkt werde. Dies sei für den Prospektersteller auch nicht überraschend, habe er es doch in der Hand zu entscheiden, auf welchen Märkten er tätig werden wolle.
4.6. Marktort ist daher bei der zivilrechtlichen Prospekthaftung der Markt, für den der Prospekt erstellt und zum zielgerichteten Vertrieb eingesetzt wurde (vgl zum Marktort als dem Vertriebsort auch 8 Ob 126/09a; 7 Ob 31/13d; 2 Ob 78/06v). Wie auch das Verfassen und Absenden eines Briefes nicht schon die anknüpfungsrelevante Handlung ist, sondern erst dessen Kenntnisnahme durch den Empfänger (RIS-Justiz RS0076853), ist nicht schon das Erstellen des Prospekts, sondern erst dessen zielgerichtete Platzierung auf dem Markt relevant. Denn erst dadurch wird der durch außenwirksame Mitwirkung geschaffene Vertrauenstatbestand wirksam und wirkt auf die Anleger (Marktgegenseite) ein.
5. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass im vorliegenden Fall deutsches Recht zur Anwendung berufen wird, welches die Verweisung in §§ 40 f EGBGB auch annimmt.
6.1. Zur Haftung der Beklagten nach deutschem Recht ist zunächst die kapitalmarkrechtliche Prospekthaftung zu prüfen. Dabei kommt weder eine Haftung nach dem Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG), noch nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) in Betracht. Nach § 21 Abs 1 WpPG kann lediglich der Börsezulassungsprospekt ‑ also jener Prospekt, aufgrund dessen die Börsezulassung erfolgte ‑ haftungsbegründend sein, und § 13 VerkProspG setzt voraus, dass es sich entweder tatsächlich um einen Wertpapierprospekt oder aber um einen von der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gebilligten Verkaufsprospekt handelt (Assmann in Assmann/Schlitt, WpPG² § 13 VerkProspG Rz 15, Rz 20). Maßnahmen der Werbung sind demgegenüber kein Prospekt im Sinne der Haftungsbestimmung des § 13 VerkProspG (Heidelbach in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar4 § 13 VerkprospG Rz 9).
6.2. Auch eine Haftung nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) scheidet aus. Dieses Gesetz ist erst mit 22. 7. 2013 in Kraft getreten und sieht keine Rückwirkung vor, weshalb der aus 2006 stammende Sachverhalt nicht vom zeitlichen Anwendungsbereich des KAGB erfasst ist. Gleiches gilt für das Gesetz über Vermögensanlagen (VermAnlG) vom 6. 12. 2011, das mit 1. 6. 2012 in Kraft getreten ist und das VerkProspG abgelöst hat.
6.3. Weiters ist zu prüfen, ob eine Haftung aus der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung in Betracht kommt. Die auf Grundlage der culpa in contrahendo von der deutschen Rechtsprechung entwickelte allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung dient dazu, Schutzlücken im System der gesetzlichen Prospekthaftung zu schließen. Dabei ist es etwa möglich, neben den Gründern und Initiatoren auch auf sogenannte Hintermänner, die auf die Geschäftsgebarung der Gesellschaft sowie die Gestaltung des Anlagemodells Einfluss ausgeübt haben, zur Haftung heranzuziehen (Wagner in MünchKomm BGB6 [2013] § 826 Rz 75; Klöhn, Die Ausweitung der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung durch das „Rupert Scholz“-Urteil des BGH, WM 2012, 97 [100]). Als Hintermann wird in diesem Zusammenhang etwa auch eine kreditgewährende Bank gesehen, welche sich aktiv an der Werbung und Prospektgestaltung beteiligt (Nobbe, Prospekthaftung bei geschlossenen Fonds, WM 2013, 193 [199]; Siol in Schimanski/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch [2011] § 45 Rz 34 f; mit ausführlicher Auseinandersetzung zur Hintermännerhaftung etwa auch BGH III ZR 125/06).
6.4. Bezugspunkt der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung ist der Prospekt. Dabei ist von einem zivilrechtlichen Prospektbegriff auszugehen, welcher mit jenem der kapitalmarktrechtlichen Sondervorschriften nicht kongruent ist (vgl dazu etwa Groß in E/B/J/S, HGB³ § 21 Rz IX 762, FN 668). Die deutsche Rechtsprechung definiert den Prospekt als „eine marktbezogene schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben enthält oder den Anschein eines solchen Inhalts erweckt [...]“. Diese müsse „dabei tatsächlich oder zumindest dem von ihr vermittelten Eindruck nach den Anspruch erheben, eine das Publikum umfassend informierende Beschreibung der Anlage zu sein“ (BGH III ZR 103/10 = NJW 2012, 758). Demgegenüber werden Werbebroschüren und sonstige Dokumente, die bereits ihrer Art bzw ihrem Umfang nach offenkundig Werbecharakter aufweisen und nicht den Anschein erwecken, alle für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben zu enthalten, weder als Prospekte noch als Prospektbestandteile angesehen (Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch4 [2015] § 5 Rz 37). Anderes gelte jedoch, wenn von einem Prospekt getrennte Schriftstücke zusammen mit diesem vertrieben werden und diese im Rahmen einer Gesamtbetrachtung den Eindruck vermitteln, dass diese ungeachtet der körperlichen Trennung einen einheitlichen Anlageprospekt darstellen. Von der Prospektqualität könne insbesondere ausgegangen werden, wenn mehrere Publikationen mit anlagerelevanten Informationen veröffentlicht werden und diese aufeinander Bezug nehmen (Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung³ § 41 Rz 159 mwN). Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs traf dies etwa auf eine 80 Seiten starke „Produktinformation“ mit umfassenden Erläuterungen zum Emissionsprojekt zu (BGH III ZR 103/10 = NJW 2012, 758). In einem weiteren Fall verneinte der Bundesgerichtshof die Prospektqualität einer 19 Seiten starken Unterlage, da diese zum einen nicht im „Gesamtpaket“ mit dem Prospekt eingesetzt wurde und zum anderen erkennbar werblichen und nicht so sehr informativen Charakter aufwies (BGH III ZR 182/12 = NJW 2013, 2343).
6.5. Dieser Rechtsprechung folgend ist der klagsgegenständliche Werbeprospekt nicht als Prospekt im Sinne des zivilrechtlichen Prospekthaftung deutschen Rechts zu beurteilen. Die Unterlage dient bereits ihrer Art und Aufmachung nach der Werbung. Dafür spricht etwa die grafische Ausgestaltung des Folders, der zahlreiche bildliche Darstellungen, hervorgehobene Überschriften sowie Schlagphrasen und zahlreiche Graphiken zur besseren Veranschaulichung der dargestellten Informationen aufweist. Auch nach Art und Umfang der vermittelten Informationen erweckt der Verkaufsfolder nicht den Eindruck, dass damit der Anspruch erhoben werden soll, eine umfassend informierende Beschreibung der Anlage darzustellen. Somit kommt im vorliegenden Fall auch eine zivilrechtliche Prospekthaftung nach deutschem Recht nicht in Betracht.
7.1. Neben der kapitalmarktrechtlichen und zivilrechtlichen Prospekthaftung findet auch § 826 BGB über die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung Anwendung, und zwar bei Ansprüchen aus einem Zeitraum vor der Prospektveröffentlichung sowie bei Verhalten außerhalb der Veröffentlichung eines Prospekts (Spindler in Bamberg/Roth, BeckOK BGB § 826 Rz 67; vgl auch Wagner in MünchKomm BGB6 § 826 Rz 74 sowie Rz 78; Hönn in Sörgel, BGB XII13 [2005] § 826 Rz 185; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung³ § 41 Rz 290 sowie 164). Dabei ergänzt und erweitert § 826 BGB die sonstigen Haftungstatbestände (Oechsler in Staudinger, BGB II [2014] § 826 Rz 380a). Eine Besonderheit der Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung besteht in der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Hintermännern und Profiteuren; also aller an einer Emission Beteiligten oder aus dieser Profitierenden, soweit diese über einen Wissensvorsprung verfügen und einen entsprechenden Vorsatz haben (Oechsler in Staudinger, BGB II [2014] § 826 Rz 380c und Rz 381d).
7.2. Ein Verhalten ist als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB zu qualifizieren, wenn es dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Festzustellen ist dabei, ob der Charakter des zu beurteilenden Verhaltens, welcher sich aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund ergibt, mit den guten Sitten unvereinbar ist (BGH VI ZR 336/12; IV ZR 268/11; Wagner in MünchKomm BGB6 § 826 Rz 8). Erforderlich ist eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, wobei sich die Sittenwidrigkeit jeweils sowohl aus dem angestrebten Zweck als auch aus dem verwendeten Mittel ergeben kann (Sprau in Palandt, BGB74 § 826 Rz 4).
7.3. Sittenwidrigkeit liegt in Zusammenhang mit Auskunftserteilung im Allgemeinen dann vor, wenn dem Dritten eine Auskunft gegeben wird, von der der Erklärende weiß, dass sie unrichtig ist (Wagner in MünchKomm BGB6 § 826 Rz 67). Deutlich sind etwa jene Fälle in Zusammenhang mit der Anlageberatung, in denen der Anlageberater wissentlich eine falsche Information erteilt und damit billigend in Kauf nimmt, dass der Anleger einen Schaden erleidet (BGH XI ZR 170/07). Auch das Schweigen in positiver Kenntnis der Chancenlosigkeit einer Anlage begründet die Sittenwidrigkeit des Verhaltnes (BGH VI ZR 123/09; zum Vertrieb chancenloser Produkte vgl weiter BGH XI ZR 93/09). Erfasst ist weiters jedoch auch die grob fahrlässige oder leichtfertige Erteilung von Auskünften und Informationen, welche für die andere Seite erkennbar von Bedeutung sind und der Erteilende mit der Schädigung des anderen rechnet (BGH II ZR 178/90; Wagner in MünchKomm BGB6 § 826 Rz 67). So begründet etwa die leichtfertige Abgabe einer anleger- oder objektwidrigen Empfehlung eine Haftung nach § 826 BGB, wenn diese in Verfolgung eigener Interessen sowie im Bewusstsein über eine mögliche Schädigung des Anlegers erteilt wird (BGH XI ZR 170/07; II ZR 178/90; weitere Nachweise bei Sprau in Palandt, BGB74 § 826 Rz 28).
7.4. Eine auf § 826 BGB gründende Haftung wurde durch den BGH im Fall von Warentermingeschäften anerkannt, bei welchen die ausgefolgte Informationsbroschüre keine entsprechenden (unmissverständlichen) Risikohinweise enthielt (BGH XI ZR 381/97; vgl auch XI ZR 385/02).
7.5. In einer jüngeren Entscheidung bejahte der Bundesgerichtshof (VI ZR 336/12) die auf § 826 BGB gestützte Haftung eines Wirtschafts- bzw Abschlussprüfers, welcher im Rahmen von Schulungen unrichtige Aussagen gegenüber Vertriebsmitarbeitern getätigt hatte, die diese Informationen sodann an Anlageinteressenten weitergaben. Die Sittenwidrigkeit ergebe sich daraus, dass sich der Abschlussprüfer mit seinem Expertenstatus in den Dienst der von ihm geprüften kapitalsuchenden Gruppe gestellt und den Vertriebsmitarbeitern irreführende Verkaufsargumente geliefert habe, wodurch er sich rücksichtslos über die Interessen potentieller Anlageinteressenten hinweggesetzt habe, die mit seinen Äußerungen zwangsläufig in Berührung kämen und diese im Vertrauen auf seine berufliche Integrität und seine fachliche Autorität zur Grundlage ihrer Entscheidung machten.
8.1. Aus der zitierten deutschen Rechtsprechung zu § 826 BGB ergibt sich, dass das gegenständliche Verhalten der Beklagten (bewusst unrichtige Angaben im Verkaufsprospekt) als sittenwidrig im Sinne der genannten Norm zu beurteilen ist. Die bewusste Verharmlosung eines Risikos sowie die Aufnahme irreführender Aussagen in Werbeunterlagen für Vermögensanlagen wird regelmäßig auch den Eventualvorsatz für allfällige Schäden der Anleger in sich begreifen. Wer Verkaufsunterlagen, welche in weiterer Folge an einen unbestimmbaren Adressatenkreis ausgefolgt werden, vorsätzlich mit irreführenden, respektive unrichtigen Angaben versieht, nimmt damit auch mögliche daraus ursächlich resultierende Schäden zumindest billigend in Kauf (vgl BGH VI ZR 336/12 Rz 34).
8.2. In der zuletzt genannten Entscheidung wurde die Sittenwidrigkeit auch mit dem besonderen Vertrauen der Anleger in die Integrität und fachliche Autorität des Wirtschaftsprüfers begründet. Ein vergleichbarer Fall liegt hier vor: Jedenfalls zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung bestand ein entsprechendes Vertrauen der Anleger in die Integrität, Seriosität und Professionalität der als (Mit-)Herausgeber des Verkaufsfolders ausgewiesenen beklagten Bank. Die Beklagte haftet den Klägern daher auch hier wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung für den geltend gemachten Schaden.
9. Der Revision der Beklagten ist somit nicht Folge zu geben.
10. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Zu berücksichtigen ist, dass die Leistungen des österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Klienten, der Nichtunternehmer ist, nach § 3a Abs 14 Z 4 UStG 1994 nicht der österreichischen Umsatzsteuer unterliegen. Sie gelten als am Wohnsitz des Empfängers erbracht (Empfängerlandprinzip) und unterliegen daher jener Umsatzsteuer, die dort, wo der Empfänger wohnt, zu entrichten ist (vgl 4 Ob 199/01w = RZ 2002/11; RIS-Justiz RS0114955). Ob ‑ und allenfalls in welcher Höhe ‑ die Kläger (oder ihr inländischer Vertreter selbst) für die erbrachten anwaltlichen Leistungen in Deutschland Umsatzsteuer abzuführen haben, bedarf keiner näheren Prüfung, weil mit der kommentarlosen Verzeichnung von 20 % USt durch die Kläger ohne Zweifel nur die inländische USt angesprochen worden ist. Dass die Kläger für die angesprochenen Leistungen in Deutschland umsatzsteuerpflichtig sind, wäre dem Grunde und der Höhe nach zu behaupten und zu bescheinigen gewesen (§ 54 Abs 1 ZPO; 4 Ob 199/01w; 4 Ob 255/04k). Den Klägern waren daher nur die Vertretungskosten ohne Umsatzsteuer zuzusprechen.
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