OGH 15Os135/15i

OGH15Os135/15i29.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Strafsache gegen Miladin K***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 3 HR 165/15v des Landesgerichts für Strafsachen Graz im Ermittlungsverfahren 15 St 79/15z der Staatsanwaltschaft Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Miladin K***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 4. September 2015, AZ 10 Bs 313/15b (ON 32 der Ermittlungsakten), nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00135.15I.1029.000

 

Spruch:

Miladin K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz einer Beschwerde des Miladin K***** gegen den vom Landesgericht für Strafsachen Graz nach Abhaltung einer Haftverhandlung am 21. August 2015 gefassten Beschluss auf Fortsetzung der über ihn am 7. August 2015 verhängten Untersuchungshaft nicht Folge und setzte seinerseits die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO fort.

Nach den Annahmen des Oberlandesgerichts sei der dringende Tatverdacht gegeben, Miladin K***** habe am 7. oder 8. Mai 2015 in P***** am W***** fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 3.000 Euro nicht übersteigenden Wert anderen durch Einbruch in ein Gebäude sowie durch Aufbrechen eines Behältnisses mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. Gewahrsamsträgern des Unternehmens Ka***** sechs Spulen Einziehdrähte im Wert von 800 Euro durch Aufbrechen eines Baucontainers und

2. Gewahrsamsträgern der H***** GmbH eine Akkubohrmaschine der Marke Hilti samt zugehörigem Akku im Wert von 749 Euro nach Aufbrechen eines Werkzeuglagers.

In rechtlicher Hinsicht subsumierte das Oberlandesgericht dieses als hafttragend erachtete Verhalten dem Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2 StGB.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss des Beschwerdegerichts (ON 32) richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten.

Bezugspunkt der Grundrechtsbeschwerde ist nicht die Haft als solche, sondern die letztinstanzliche Entscheidung über die Haftverhängung oder Haftfortsetzung nach Erschöpfung des Instanzenzugs (Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 46 f; RIS-Justiz RS0061004 [T5]; RS0061078). Die Begründung des dringenden Tatverdachts kann dabei nur in sinngemäßer Anwendung der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS-Justiz RS0110146). Die Prüfung der rechtlichen Annahme der im § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahr (Prognoseentscheidung) durch den Obersten Gerichtshof ist darauf beschränkt, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellt (RIS-Justiz RS0117806). Bei der Berufung auf die Erreichbarkeit der Haftzwecke durch gelindere Mittel hat der Beschwerdeführer konkret darzulegen, worin dem Beschwerdegericht ein Beurteilungsfehler unterlaufen wäre (RIS-Justiz RS0116422 [T1]).

Seine Annahmen zum dringenden Tatverdacht stützte das Oberlandesgericht darauf, dass die vom Beschuldigten (erstmals) bei seiner im Beisein seines Verteidigers (am 17. August 2015) durchgeführten Vernehmung präsentierte Verantwortung (ON 18 S 5 ff), die zu 2./ inkriminierte Akkubohrmaschine samt Akku am 14. oder 15. Mai 2015 (gegen Entgelt) von einem Unbekannten an sich gebracht zu haben, angesichts zahlreicher Umstände nicht überzeuge, zumal er damit (zufällig) gerade jenes Werkzeug angekauft hätte, das auf der Nachbarliegenschaft vom allen Anschein nach selben Täter gestohlen worden sein soll, der in derselben Nacht auf der angrenzenden Liegenschaft (wie von ihm angezeigt) auch einen Hochdruckreiniger weggenommen haben soll. Die Feststellungen zur Begehung des Einbruchsdiebstahls durch den Beschuldigten begründete es mit der (nunmehr zugestandenen) Innehabung des zu 2./ inkriminierten Geräts, der räumlichen und zeitlichen Nähe des Beschuldigten zu Tatort und Tatzeit ohne entsprechende „Entlastung“ (die Tat ausschließendes Alibi) durch seine Lebensgefährtin, den Bekundungen des Zeugen Herbert W***** über Schlechtgläubigkeit indizierendes Verhalten des Beschuldigten beim Erwerb eines (beim Beschuldigten sichergestellten) Ladegeräts für den gestohlenen Akku am 19. Mai 2015, das zur Überprüfung des rechtmäßigen Besitzes führte (Präsentation des Akkus mit augenscheinlich erst kurz davor entfernter Seriennummer; untypisches Abstellen des PKW abseits des Firmenparkplatzes; Ablehnung einer Namensrechnung), die fehlende Kompatibilität dieses Akkus mit einem vom Zeugen Dr. L***** im Frühjahr 2015 ausgeborgten Werkzeug, die spätere (zugestandene) „Entsorgung“ der inkriminierten Geräte (nach Bekanntwerden des Umstands, dass der Einbruchsdieb aufgrund des Ankaufs eines entsprechenden Ladegeräts ausgeforscht worden sein soll), die bloß vagen Angaben zum angeblichen „Lieferanten“ des Geräts, die Betreuung mehrerer Baustellen durch den Beschuldigten mit einem Bedarf an einem leistungsstarken Akkuschrauber und auf die aus dem Exekutionsregister belegten Geldschwierigkeiten (im Jänner 2015). Dabei berücksichtigte es überdies, dass der Beschuldigte bei seiner förmlichen Vernehmung durch die Polizei am 4./5. August 2015 (nach Belehrung über seine Rechte) zunächst erklärt hatte, keine Aussage „zur Sache“ machen zu wollen (ON 7 S 5), jedoch (über den Vorhalt, dass auf dem bei ihm mit einer Akkubohrmaschine und zwei Ladegeräten sichergestellten Akku die Typenplakette fehle, es sich demnach um den beim seinerzeitigen Ankauf des Ladegeräts vorgewiesenen gestohlenen Akku handeln dürfte) ‑ freiwillig („Ich möchte mich, wie gesagt, vorerst nicht zur Sache äußern. Ich will dazu nur soviel sagen ...“) ‑ deponierte, die Akkubohrmaschine samt Zubehör, so wie er sie bei der Nachschau ausgehändigt habe, auf wi***** erworben und daran keine Veränderungen vorgenommen oder eine Typenplakette entfernt zu haben (ON 7 S 7). Diese Bezugnahme auf den legalen Ankauf der sichergestellten Maschine erachtete das Beschwerdegericht im Gesamtkontext als irreführend, weil diese (mit einem Akku und bloß einem Ladegerät) tatsächlich erst im Juni 2015 angeschafft worden sei. Eine vor der förmlichen, mit Rechtsbelehrung erfolgten Vernehmung als Beschuldigter (§ 164 StPO) gegenüber den Polizeibeamten im Zuge der Hausdurchsuchung getätigte Äußerung des Beschwerdeführers, das ihn belastende Ladegerät für ein im Frühjahr von Dr. L***** geborgtes Werkzeug erstanden zu haben, erachtete es im Gesamtkontext erkennbar deshalb als widerlegt, weil die Inkompatibilität des beim Ankauf vorgewiesenen Akkus mit den nach Bekundungen der Zeugen Dr. L***** und Johann D***** sowie aufgrund der polizeilichen Nachforschungen hiefür in Frage kommenden Geräten nachgewiesen sei. In Verbindung mit den „vorherigen, mittlerweile evidentermaßen unrichtigen Angaben“ des Beschuldigten und der zwischenzeitigen „Entsorgung“ der gestohlenen Bohrmaschine ging das Oberlandesgericht vor dem Hintergrund der vagen Angaben zum angeblichen Lieferanten insgesamt davon aus, dass der Beschuldigte bloß zu verschleiern versuche, dass er damals selbst den Einbruchsdiebstahl begangen habe.

Mit dem Vorbringen, die „Verwendung“ bzw „Heranziehung“ der widerlegten ursprünglichen Angaben des Beschuldigten in Bezug auf den Erwerb des Ladegeräts für das von Dr. L***** geliehene Werkzeug als „Beweis“ bzw „Hauptbelastungsbegründung“ für das „Lügenkonstrukt“ entspreche nicht „den Regeln der Strafprozessordnung“ und umgehe „die Belehrungspflichten einer förmlichen Vernehmung und das Recht des Beschuldigten, sich der Aussage zu entschlagen“ bzw verletzte ihn in seinem Recht auf ein faires Verfahren, zielt die Grundrechtsbeschwerde offenbar auf die Geltendmachung einer unzureichenden Begründung (§ 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) des angefochtenen Haftbeschlusses durch unzulässige Beweisverwertung ab. Da der Beschuldigte ein solches in der gegen den diese Mitteilung bereits berücksichtigenden erstinstanzlichen Haftbeschluss (ON 21 S 4 f) gerichteten Beschwerde (samt Ergänzung) nicht geltend gemacht hat (ON 22, 23a), scheitert die Beschwerde insoweit am Erfordernis der Erschöpfung des (horizontalen) Instanzenzugs (RIS‑Justiz RS0114487). Im Übrigen legt sie auch nicht dar, inwiefern die die Durchsuchung vornehmenden Beamten, die den Beschuldigten vor Beginn der Durchsuchung über den gegen ihn vorliegenden Verdacht unterrichtet hatten (ON 10 S 4), vor der in Rede stehenden Mitteilung des Beschuldigten auf dessen Willensentschließung eingewirkt haben sollen, dieser also gerade von den Beamten zu einer Äußerung bewogen worden sein soll, die er bei vorangehender Belehrung über seine Beschuldigtenrechte nicht oder nicht in dieser Form abgelegt hätte (vgl Michel-Kwapinski , WK-StPO § 166 Rz 21).

Außerdem stellte diese (erste) Behauptung gegenüber den Ermittlungsbeamten im Hinblick auf die Gesamtheit der Erwägungen des Beschwerdegerichts erkennbar keine notwendige (oder maßgebliche) Bedingung für die Überzeugung des Oberlandesgerichts von der Täterschaft des Beschwerdeführers dar (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 458; vgl auch RIS-Justiz RS0097765, RS0099507, RS0113210).

Soweit der Beschuldigte der von ihm zu einzelnen Punkten als „unzureichend“, „teilweise unerträglich“, „unhaltbar“ oder „unstatthafte Vermutung“ bezeichneten Gesamtschau des Oberlandesgerichts eigene Beweiswerterwägungen entgegengestellt, bekämpft er bloß dessen Beweiswürdigung, ohne eine Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 (vierter Fall) StPO aufzuzeigen. Ebensowenig gelingt es ihm damit, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5a StPO (RIS-Justiz RS0119583) gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken.

Mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) ist ein solcher Ausspruch etwa dann, wenn zwischen zwei oder mehr Feststellungen, zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch ‑ im Sinn einer logischen Unverträglichkeit ‑ besteht (RIS‑Justiz RS0119089). Der Beschwerdekritik zuwider ist ein solcher Begründungsmangel nicht auszumachen. Denn nach Ansicht des Oberlandesgerichts war im Gesamtkontext aus einem Auszug aus dem Exekutionsregister vom Jänner 2015 auch ein Geldbedarf des Beschuldigten abzuleiten, sodass ein Auszug über den Guthabensstand vom März 2015 auf einem Konto seiner Lebensgefährtin den Tatverdacht (in Bezug auf eine Tat vom Mai 2015) nicht zu entkräften vermochte, zumal auch von dieser eine „willkürliche Verfügungsmacht“ über reichlich zur Verfügung stehende Gelder „so nicht bestätigt“ worden sei.

Aktenwidrig (§ 281 Abs 1 Z 5 letzter Fall StPO) wiederum sind Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder einer Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben, mit anderen Worten: wenn sich in der Entscheidung ein falsches Zitat aus den Akten findet (vgl RIS-Justiz RS0099547). Die Richtigkeit von auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüssen kann unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit hingegen nicht angefochten werden (RIS-Justiz RS0099524). Indem der Beschwerdeführer der angesprochenen Aussage seiner Lebensgefährtin zu seiner Verfügungsberechtigung über bestimmte Konten (ON 25 S 13 f) aufgrund einer aus dem Kontext gerissenen Passage eine andere Bedeutung beimisst als das Oberlandesgericht, bekämpft er, wie auch mit der Behauptung „unvollständiger“ Berücksichtigung der Verfügungsmöglichkeit über die Sparkarte seiner Lebensgefährtin, abermals bloß dessen Beweiswürdigung.

Da das vom Beschwerdegericht zur Begründung der Tatbegehungsgefahr (unter anderem) herangezogene Argument, der Beschuldigte habe „trotz der Möglichkeit, gegebenenfalls auf die wirtschaftlichen Ressourcen seiner Lebensgefährtin zurückgreifen zu können“ und ungeachtet deren beruflicher Stellung (als Justizbedienstete) delinquiert, keine Aussage trifft, die der im Zusammenhang mit der Begründung des dringenden Tatverdachts angestellten Erwägung, diese Zeugin habe eine „willkürliche Verfügungsmacht“ des Beschwerdeführers über „reichlich zur Verfügung stehende Gelder“ so nicht bestätigt, ist auch der insoweit erhobene Einwand einer widersprüchlichen Begründung unberechtigt.

Im Hinblick auf die Annahme einer bloß beschränkten Verfügungsmacht durch das Oberlandesgericht, bedurfte auch der Umstand keiner weiteren Erörterung (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO), dass der Beschuldigte im Zeitpunkt seiner Verhaftung (Anfang August 2015) über zwei Kontokarten für die ‑ selbst nach dem eigenen Beschwerdevorbringen ‑ „zur Bezahlung der Baustellenrechnung eingerichteten Konten“ seiner Lebensgefährtin verfügte.

Weshalb Ende Juni 2015 eingetretene geänderte Lebensumstände (eine Niederlassungsbewilligung mit der Möglichkeit, legal einer unselbständigen Arbeit nachzugehen) erörterungsbedürftig der Annahme des dringenden Verdachts in Bezug auf eine Tat vom Mai 2015 entgegenstehen sollen, erklärt die Beschwerde nicht.

Zuletzt behauptet der Beschuldigte unter Bezugnahme auf diese geänderten Umstände und auf aus seiner Sicht ausschließlich in „Richtung einer Hehlerei“ vorliegende Beweisergebnisse, die Enthaftung gegen gelindere Mittel sei ausreichend, „um die hier herangezogene Haft zu substituieren“. Überdies stelle seine Beziehung zu einer Justizangehörigen „keinen Haftgrund“ dar. Daraus wird nicht klar, wodurch dem Oberlandesgericht, das die Substituierbarkeit der Haft im Hinblick auf eine aus mehreren Umständen (vier einschlägige Vorstrafen, Tatbegehung nicht einmal ein Jahr nach der letzten Haftentlassung und trotz Zugangs zu wirtschaftlichen Ressourcen seiner Lebensgefährtin sowie ungeachtet deren beruflicher Stellung) abgeleitete ausgeprägte Neigung des Beschuldigten zur Eigentumskriminalität verneint hat, ein Beurteilungsfehler unterlaufen sein soll.

Der Beschwerdeführer wurde somit durch den angefochtenen Beschluss nicht im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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