Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Die am 20. 9. 1988 geborene Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners und der Dr. I***** L*****, deren Ehe im Jahr 1997 einvernehmlich geschieden wurde. Für die Antragstellerin wurde im Jahr 2006 M***** T***** zur Sachwalterin bestellt; die Antragstellerin litt an einer Störung des Sozialverhaltens und an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung sowie einer abhängigen Persönlichkeit von erheblichem Ausmaß. Zwischenzeitig ist die Sachwalterschaft auf finanzielle und vermögensrechtliche Angelegenheiten eingeschränkt.
Die Antragstellerin hielt sich bis Herbst 2010 im Rahmen der gerichtlichen vollen Erziehung in einer sozialpädagogisch therapeutischen Wohngemeinschaft in K***** auf, seit 17. 9. 2010 befindet sich ihr Hauptwohnsitz bei der Mutter in L*****, die die Antragstellerin auch naturaliter alimentiert.
Im Wintersemester 2010/2011 begann die Antragstellerin nach Ablegung der Reifeprüfung in K***** mit dem ordentlichen Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Graz, wobei sie die beiden ersten Semester zielstrebig und erfolgreich studierte, den zwei Semester umfassenden ersten Studienabschnitt jedoch nicht abschloss. In den folgenden drei Semestern legte die Antragstellerin insgesamt nur zwei weitere Prüfungen ab.
Der Antragsgegner verfügte in den Jahren 2011 bis 2013 über eine monatliche Unterhaltsbemessungsgrundlage zwischen 5.847 und 6.019 EUR, seit 2014 über eine solche von rund 5.500 EUR. Er ist für die Mutter der Antragstellerin und eine weitere, über 10 Jahre alte Tochter sorgepflichtig.
Das Erstgericht verpflichtete ‑ insoweit rechtskräftig ‑ den Antragsgegner unter Abweisung eines monatlichen Mehrbegehrens von 186 EUR zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 750 EUR für die Zeit vom 1. 10. 2010 bis 30. 9. 2011 und wies das Unterhaltsbegehren von monatlich 936 EUR ab 1. 10. 2011 einschließlich 4 % Zinsen ab. Diese Abweisung begründete das Erstgericht mit fehlender Zielstrebigkeit und Erfolg der Antragstellerin in ihrem Studium ab diesem Zeitpunkt. Dabei könne nicht festgestellt werden, dass bei der Antragstellerin gesundheitliche Einschränkungen mit Auswirkungen auf ihre Selbsterhaltungsfähigkeit vorliegen; diese Negativfeststellung gehe zu Lasten der insoweit beweispflichtigen Antragstellerin.
Das Rekursgericht hob die Antragsabweisung ab 1. 10. 2011 auf und trug dem Erstgericht insoweit eine Verfahrensergänzung auf. Außerdem erklärte es den Revisionsrekurs für zulässig, fehle es doch an Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Beweislastverteilung hinsichtlich eines aus Verschulden des unterhaltsberechtigten Kindes herbeigeführten Scheiterns dessen Berufsausbildung.
In der Sache selbst hielt das Rekursgericht den unterhaltspflichtigen Antragsgegner hinsichtlich der Selbsterhaltungsfähigkeit der Antragstellerin für beweispflichtig. Diese habe zwar ab dem Wintersemester 2011/2012 nicht mehr zielstrebig studiert, ihr Verhalten im erstinstanzlichen Verfahren (Weigerung, vor Gericht auszusagen und sich einer fachärztlichen Untersuchung zu stellen) und das Bestehen einer Sachwalterschaft indizierten aber eine psychische Erkrankung, womit die Frage der Ausbildungsunwilligkeit und damit eines Verschuldens der Antragstellerin an ihrem mangelnden Erfolg offen geblieben sei. Dies müsse aufgrund der gegebenen Beweislastverteilung zu Lasten des Antragsgegners gehen. Allerdings trug das Rekursgericht dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung dahin auf zu prüfen, aus welchem Grund eine massive Verschlechterung des Studienerfolgs der Antragstellerin eingetreten ist, ob eine universitäre Ausbildung angesichts der Persönlichkeit der Antragstellerin überhaupt ein sinnvolles und dem Antragsgegner zumutbares Ausbildungsziel darstellt und welche Ausbildungsmöglichkeiten für die Antragstellerin bestehen, um ihren Bedarf in absehbarer Zeit selbst decken zu können.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zulässig, weil das Rekursgericht die Beweislastverteilung im vorliegenden Verfahren verkannt hat; er ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.
1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen studierte die Antragstellerin in den beiden ersten Semestern ihres Studiums der Rechtswissenschaften zielstrebig und auch erfolgreich; der Antragsgegner hat deshalb offensichtlich auch seine vom Erstgericht bis Ende September 2011 bejahte Unterhaltsverpflichtung nicht bekämpft.
Hinsichtlich des Zeitraums ab 1. 10. 2011, auf welchen sich das Revisionsrekursverfahren ausschließlich bezieht, ist das Erstgericht hingegen ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Antragstellerin ihr Studium weder zielstrebig noch erfolgreich betrieb; dies wurde von der Antragstellerin auch weder in ihrem Rekurs noch in ihrer Revisionsrekursbeantwortung bestritten. Mangels entsprechenden Studienerfolgs wäre deshalb grundsätzlich von fiktiver Selbsterhaltungsfähigkeit der Antragstellerin ab 1. 10. 2011 auszugehen (vgl jüngst 6 Ob 118/14t).
2. Fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit setzt allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0047605) ein Verschulden des Kindes am Scheitern einer angemessenen Berufsausbildung voraus; nur ein solches hat nämlich die Folge, dass sich das Kind wie ein Selbsterhaltungsfähiger behandeln lassen muss.
2.1. Auf mangelndes Verschulden hat sich die Antragstellerin bereits im Verfahren erster Instanz berufen, indem sie vorbrachte, sie könne nicht zielstrebig studieren, weil sie psychisch krank sei; ihre Selbsterhaltungsfähigkeit werde durch einen systempathologischen Prozess blockiert. Sie sei auch nicht in der Lage, sich einer Therapie zu unterziehen, weil sie medizinisch dazu nicht in der Lage und auch nicht einsichtig genug dafür sei, die Notwendigkeit einer Therapie zu erkennen.
Der Antragsgegner hielt dem entgegen, sollte die Antragstellerin tatsächlich nicht in der Lage sein, ihr Studium zielstrebig zu absolvieren, wäre sie verpflichtet, sich (entsprechenden) Behandlungen zu unterziehen, um gesund zu werden; andernfalls habe sie ihren Unterhaltsanspruch „verwirkt“. Tatsächlich habe die Antragstellerin die von ihr besuchte Therapieeinrichtung ohne Grund und ohne medizinische Notwendigkeit verlassen.
Das Erstgericht konnte ‑ aufgrund unterlassener Mitwirkung der Antragstellerin ‑ nicht feststellen, dass bei der Antragstellerin gesundheitliche Einschränkungen mit Auswirkungen auf die Selbsterhaltungsfähigkeit vorliegen. Die Antragstellerin hatte weder (mehreren) Ladungen des Erstgerichts zu ihrer Einvernahme noch Ladungen des psychiatrischen Sachverständigen zur Befundaufnahme Folge geleistet, ja sogar die Zusammenarbeit mit der einstweiligen Sachwalterin, dem Antragstellervertreter und dem Sachverständigen ausdrücklich abgelehnt.
2.2. Auch wenn im außerstreitigen Kindesunterhaltsverfahren im Hinblick auf § 16 AußStrG formell der Untersuchungsgrundsatz gilt, so richtet sich doch nach allgemeinen Beweislastregeln, zu wessen Lasten die Unmöglichkeit einer Beweisführung geht, wenn trotz des Untersuchungsgrundsatzes der Beweis für erhebliche Tatsachen nicht erbracht wurde (stRsp, aus jüngerer Zeit 2 Ob 90/09p; 2 Ob 141/11s; vgl dazu allgemein auch Rassi , Umgang mit Beweisschwierigkeiten im Unterhaltsverfahren, EF-Z 2010/149). Die Rechtsprechung hat für das Unterhaltsverfahren dabei den Grundsatz entwickelt, dass jeder Beteiligte die für seinen Standpunkt maßgeblichen Umstände zu behaupten und unter Beweis zu stellen hat (7 Ob 92/03k; 6 Ob 171/03w; 7 Ob 164/06b).
2.2.1. Zur Frage des Eintritts der fiktiven Selbsterhaltungsfähigkeit des unterhaltsberechtigten Kindes haben die Vorinstanzen den geldunterhaltspflichtigen Antragsgegner in die Pflicht genommen und sich dabei auf die Entscheidung 2 Ob 141/11s gestützt. Dort hatte der Oberste Gerichtshof den ebenfalls von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, dass die Behauptungs- und Beweislast für ein zumutbarerweise erzielbares höheres Einkommen die durch den Anspannungsgrundsatz begünstigte Partei trifft, zu Lasten des geldunterhaltspflichtigen Elternteils auch auf die Frage eines allfälligen Einkommens des unterhaltsberechtigten Kindes angewendet. Da auch die Annahme fiktiver Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes in der Anspannungstheorie wurzelt, hätte nach dieser Entscheidung letztlich tatsächlich der Unterhaltspflichtige ein Verschulden des Unterhaltsberechtigten am Scheitern dessen Berufsausbildung nachzuweisen.
2.2.2. Allerdings hat der Oberste Gerichtshof etwa in der Entscheidung 6 Ob 11/99g ausgeführt, das unterhaltsberechtigte Kind habe, wenn sich im Verfahren über eine Unterhaltserhöhung ausreichende Anhaltspunkte für eine schon eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit ergeben, jene Umstände zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich ein Wiederaufleben der Geldunterhaltspflicht eines Elternteils ergeben könnte; die Behauptungspflicht werde keineswegs überspannt, wenn man die für ein Wiederaufleben der Unterhaltspflicht ohnehin naheliegenden Behauptungen verlangt, dass ein anderer Arbeitsplatz aus objektiven Gründen nicht zu erreichen gewesen wäre und dass subjektiv auch entsprechende (vergebliche) Bemühungen gesetzt wurden, einen Arbeitsplatz zu finden (vgl in diesem Sinn auch RIS-Justiz RS0112175, insbesondere 6 Ob 183/99a und 6 Ob 339/99t). Dass diese Beweislastverteilung nicht ‑ wie das Rekursgericht meinte ‑ nur auf den Fall einer tatsächlichen Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes anzuwenden ist, sondern auch die Fallkonstellation einer fiktiven Selbsterhaltungsfähigkeit betrifft, zeigt die Entscheidung 7 Ob 625/95. Dort hatte der Oberste Gerichtshof das Fehlen einer Behauptung trifftiger Gründe für einen mangelhaften Studienerfolg des unterhaltsberechtigten Kindes durch dieses moniert. Diese Rechtsprechungslinie bürdet somit dem Unterhaltsberechtigten die Verpflichtung auf, mangelndes Verschulden am Scheitern seiner Berufsausbildung nachzuweisen, also konkrete Gründe für dieses Scheitern.
2.3. Der erkennende Senat schließt sich der zuletzt genannten Rechtsprechungslinie an. Rassi (EF‑Z 2010/149) hat im Zusammenhang mit Beweisschwierigkeiten in Unterhaltsverfahren zutreffend auf die ‑ auch in Verfahren außer Streitsachen ‑ anzuwendende Rechtsprechung verwiesen, die als eine der möglichen Lösungen bei derartigen Problemen die Konstruktion der „Nähe zum Beweis“ anbietet; diese Konstruktion führt letztlich sogar zu einer Art Beweislastumkehr. Das wird damit begründet, dass die Tatsachen, betreffend derer es zur Umkehr kommt, tief in der Sphäre des Gegners liegen und es diesem deshalb leichter möglich ist, den Beweis hiefür zu erbringen (
RIS-Justiz RS0013491
). Um zu verhindern, dass der Beweisnotstand einer Partei vom Gegner in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Art und Weise ausgenutzt wird, bürdet die Rechtsprechung „in Zweifelsfällen“ beziehungsweise „in Ausnahmefällen“ (
RIS-Justiz RS0037797 [T26]
) demjenigen die Beweislast auf, dem die Beweise leichter zugänglich sind, müsste doch sonst die an sich beweisbelastete Partei einen wesentlich schwieriger zu erbringenden Beweis antreten. Voraussetzung ist aber, dass derjenige, den die Beweislast nach der allgemeinen Regel trifft, seiner Beweispflicht in dem ihm zumutbaren Ausmaß nachkommt.
Für Unterhaltsverfahren weist Rassi (aaO) dabei zutreffend vor allem auf jene Fallkonstellationen hin, bei denen es um Informationen über die Einkommens- und Vermögenssituation der Gegenseite geht.
Im vorliegenden Verfahren ist die Antragstellerin hinsichtlich allfälliger Einschränkungen ihrer psychischen, geistigen und gesundheitlichen Voraussetzungen, ihr Studium ernsthaft und zielstrebig zu betreiben oder sonst für ihre Selbsterhaltungsfähigkeit zu sorgen, im Sinn der dargestellten Rechtsprechung näher zum Beweis. Dem gegenüber könnte der Antragsgegner einer ihn insoweit treffenden Beweispflicht nicht nur nicht in einem ihm zumutbaren Ausmaß (vgl
5 Ob 159/86; 5 Ob 133/92; 4 Ob 1638/95
), sondern überhaupt nicht nachkommen.
Entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung ginge damit die Negativfeststellung des Erstgerichts zu Lasten der Antragstellerin. Ihr wäre somit nicht der Beweis gelungen, dass sie tatsächlich aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht in der Lage ist, entweder ihr Studium ernsthaft und zielstrebig weiterzuverfolgen oder sonst ein Einkommen zu erzielen, mit dem sie sich selbst erhalten kann, womit die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen und (fiktive) Selbsterhaltungsfähigkeit der Antragstellerin ab 1. 10. 2011 anzunehmen wäre.
3. Allerdings bekämpfte die Antragstellerin in ihrem Rekurs die bereits mehrfach erwähnte Negativfeststellung, die das Erstgericht in Würdigung des Verhaltens der Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren getroffen hatte, ausdrücklich und verwies dazu auf die Ausführungen des vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen (der allerdings eine Befundaufnahme durch Untersuchung der Antragstellerin aufgrund deren Weigerung nicht hatte durchführen können).
Das Rekursgericht, das zwar eine ‑ vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligte ( 2.3. ) ‑ Beweislastverteilung zu Lasten des Antragsgegners vornahm, trug dem Erstgericht aber ohnehin auf zu prüfen, aus welchem Grund ab dem Wintersemester 2011 eine massive Verschlechterung des Studienerfolgs der Antragstellerin eingetreten ist, ob eine universitäre Ausbildung angesichts der Persönlichkeit der Antragstellerin überhaupt ein sinnvolles und dem Antragsgegner zumutbares Ausbildungsziel darstellt und welche Ausbildungsmöglichkeiten für die Antragstellerin bestehen, damit sie ihren Bedarf in absehbarer Zeit selbst decken wird können. Die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage ist nicht zu beanstanden. Allgemein kann dazu festgehalten werden:
3.1. Nach § 381 ZPO hat das Gericht unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu beurteilen, welchen Einfluss es auf die Herstellung des Beweises hat, wenn die zum Zwecke ihrer Vernehmung geladene Partei ohne genügende Gründe nicht erscheint. Dieser Grundsatz wird von der Rechtsprechung auch auf Fälle des Nichterscheinens der Partei beim Gerichtssachverständigen trotz gerichtlichen Auftrags angewendet (vgl etwa OLG Wien SV‑Slg 31.871 [1986]; LG Klagenfurt SV‑Slg 47.370 [1998]). Durch § 35 AußStrG wurde § 381 ZPO auch für Verfahren außer Streitsachen für sinngemäß anwendbar erklärt ( Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG [2013] § 35 Rz 5).
3.2. Der Oberste Gerichtshof hat nun aber auch bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen des § 381 ZPO nur eintreten, wenn die Partei zur Vernehmung nicht erscheinen wollte (2 Ob 212/61; 6 Ob 688/89; ebenso OLG Wien EFSlg 32.038 [1978]; Rechberger in Rechberger ZPO 4 [2014] § 381 Rz 2). In der Entscheidung 6 Ob 688/89 wurde deshalb zutreffend darauf hingewiesen, dass von einer Beweiswürdigung im Sinne des § 381 ZPO etwa dann Abstand zu nehmen ist, wenn der psychische Gesundheitszustand der betreffenden Partei beeinträchtigt ist und dies mit dem Erscheinen der Partei vor Gericht im Zusammenhang steht.
Auf der anderen Seite entspricht es herrschender Auffassung, dass das Gesetz an die Verpflichtung der Partei zum Erscheinen vor Gericht zur Ablegung der Aussage strenge Anforderungen stellt (9 ObA 40/88; 9 ObA 2/89; Spenling in Fasching/Konecny , ZPO² [2004] § 381 Rz 8), weshalb es im Einzelfall einer ausreichenden Konkretisierung des „genügenden Grundes“ bedarf (vgl 6 Ob 130/06w).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist nun einerseits zu berücksichtigen, dass in der Stellungnahme des psychiatrischen Sachverständigen vom Etablieren einer Co-Abhängigkeit der Antragstellerin durch deren Mutter, dadurch bedingtem Verlust der Entscheidungsfreiheit, ein selbstständiges Leben aufzubauen, und der Möglichkeit, dieses Programm zielorientiert zu verfolgen, die Rede ist; der Sachverständige erwähnt auch ‑ ohne weitere Details ‑ eine Blockade der Antragstellerin durch einen „systempathologischen Prozess“. Andererseits relativiert der Sachverständige seine Ausführungen mit dem Hinweis, er habe die Zusammenhänge nicht genau untersuchen können, „sodass die Beweiskraft nicht gegeben ist“.
3.3. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren ‑ nach Erörterung mit den Parteien (auf Seiten der Antragstellerin mit der Sachwalterin) ‑ deshalb weitere „Umstände“ im Sinn des § 381 ZPO zu erheben haben, um in weiterer Folge ‑ nach „sorgfältiger Würdigung“ dieser Umstände ‑ beurteilen zu können, welchen Einfluss eine (allenfalls neuerliche) Weigerung der Antragstellerin, sich einer Befundaufnahme durch den Sachverständigen zu unterziehen oder sich einer gerichtlichen Befragung zu stellen, auf die Beweiswürdigung haben würde. Dabei ist das Erstgericht ‑ als Tatsacheninstanz ‑ auf folgende Möglich-keiten hinzuweisen:
3.3.1. Für die Antragstellerin ist eine Sachwalterin für finanzielle und vermögensrechtliche Angelegenheiten bestellt; darüber hinaus wurde die Sachwalterin als einstweilige Sachwalterin für dieses Unterhaltsverfahren bestellt. Daraus folgt zunächst, dass das Sachwalterschaftsgericht offensichtlich dieses Verfahren nicht als von den zuvor genannten Angelegenheiten umfasst ansieht.
Die Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters für ein Gerichtsverfahren beseitigt den ansonsten bestehenden Mangel an Verfahrensfähigkeit auf Seiten der betroffenen Person; diese nimmt ihre Verfahrensrechte durch den Sachwalter wahr. Davon ist die hier vorliegende Problematik zu unterscheiden, geht es doch nicht um die Vertretung der Antragstellerin als Verfahrenspartei, sondern um ihr Erscheinen vor Gericht beziehungsweise dem Sachverständigen.
Damit bietet sich aber die Möglichkeit eines Vorgehens nach § 5 Abs 2 Z 2 lit c AußStrG an; dass der Antragstellerin bereits ein Sachwalter für bestimmte (andere) Angelegenheiten bestellt ist, würde ein solches Vorgehen nicht hindern.
3.3.2. Der im Verfahren erster Instanz beigezogene Sachverständige hat trotz Scheiterns einer Befundaufnahme erklärt, er halte „nichts von exekutivem Vorgehen im Sinn einer Vorführung“, womit die Möglichkeit von Zwangsmaßnahmen nach § 79 AußStrG angesprochen wurde. Das Erstgericht wird diese ablehnende Haltung des Sachverständigen mit diesem zu erörtern haben, konkret auch dahin, worin möglicherweise eine Beeinträchtigung des gesundheitlichen (psychischen) Wohls der Antragstellerin liegen könnte.
3.3.3. Sollte entweder der Sachverständige (weiterhin) von Zwangsmaßnahmen gemäß § 79 AußStrG im dargestellten Interesse der Antragstellerin abraten oder sollte auch durch derartige Maßnahmen ein Erscheinen der Antragstellerin bei (allenfalls beim ersuchten [ Spenling aaO Rz 9]) Gericht tatsächlich nicht bewerkstelligt werden können, wird das Erstgericht (allenfalls durch einen „ersuchten Richter“, also im Rechtshilfeweg) einen Besuch bei der Antragstellerin in Erwägung zu ziehen haben. Anerkannt ist nämlich, dass sich das Gericht unter Umständen auch zur Partei begeben muss, bevor es eine Beweiswürdigung nach § 381 ZPO zu deren Lasten vornehmen darf (2 Ob 212/61; OLG Wien EFSlg 36.724 [1980]; Spenling aaO Rz 9; Rechberger aaO Rz 3). Dies gilt jedenfalls für ein Verfahren außer Streitsachen dann, wenn ‑ wie hier ‑ die betreffende Partei besachwaltet ist und Indizien dafür bestehen, dass ihre Erkrankung mit ihrem Nichterscheinen vor Gericht in einem Zusammenhang stehen könnte (vgl § 118 Abs 2 AußStrG zum Sachwalterbestellungsverfahren). Dafür sprechen insbesondere auch die ErläutRV (224 BlgNR 22. GP 42) zu § 35 AußStrG, wonach die durch diese Bestimmung übernommenen Bestimmungen der ZPO „im Lichte der Grundsätze und der sich aus den sonstigen Anordnungen ergebenden Wertung des AußStrG zu verstehen und in diesem Sinne auszulegen“ sind (krit dazu Höllwerth aaO Rz 8).
3.3.4. Ebenfalls herrschend ist die Auffassung, dass zur Beurteilung der „Vernehmungsfähigkeit“ der Partei auch eine ärztliche Untersuchung angeordnet werden kann (OLG Wien EvBl 1937/716; Rechberger aaO Rz 4; ebenso Spenling aaO Rz 10 [„durch geeignete Erhebungen überprüfen“]). In diesem Zusammenhang wird das Erstgericht nunmehr allerdings auch einen Auftrag an den Sachverständigen, die Antragstellerin nicht nur vorzuladen, sondern diese auch aufzusuchen (vgl Spenling aaO Rz 9), in Erwägung zu ziehen haben.
3.3.5. Zu denken wäre weiters beispielsweise daran, die Sachwalterin zur Vorlage etwaiger Sachverständigengutachten aufzufordern; da die Sachwalterin im vorliegenden Verfahren auch die vermögensrechtlichen Interessen der Antragstellerin zu vertreten hat, ist sie an ihre Mitwirkungspflichten nach § 16 Abs 2 AußStrG zu erinnern.
3.3.6. Liegen die im Sachwalterschaftsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten vor, wäre zu überlegen, den Sachverständigen mit der Erstellung eines Aktengutachtens zur Frage zu beauftragen, ob beziehungsweise inwieweit sich daraus Rückschlüsse auf das Verhalten der Antragstellerin im gegenständlichen Unterhaltsverfahren ziehen lassen.
4. Sollte sich nach Verfahrensergänzung herausstellen, dass eine (allfällige psychische) Erkrankung der Antragstellerin auch einen negativen Einfluss auf ihr Verhalten dem Gericht und/oder dem Sachverständigen gegenüber hat, würde eine Beweiswürdigung nach § 381 ZPO iVm § 35 AußStrG jedenfalls ausscheiden. In diesem Fall wäre allerdings mit den Parteien zu erörtern, aufgrund welcher sonstigen Beweismittel positive Feststellungen zu den Behauptungen der Antragstellerin betreffend ihr mangelndes Verschulden am Erreichen ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit getroffen werden könnten: Erst wenn auch dies erfolglos bleiben sollte, käme (wieder) eine Negativfeststellung in Betracht, wie sie vom Erstgericht im ersten Verfahrensgang getroffen wurde.
5. Von der Frage einer Beweiswürdigung nach § 381 ZPO iVm § 35 AußStrG zu unterscheiden ist, welche konkreten Feststellungen im Zusammenhang mit einer (fiktiven) Selbsterhaltungsfähigkeit der Antragstellerin getroffen werden können. Der offenbar von der Antragstellerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Auffassung, es sei aufgrund ihres Verhaltens jedenfalls davon auszugehen, dass sie tatsächlich nicht selbsterhaltungsfähig ist, kann so nicht gefolgt werden.
Die Antragstellerin hat sich in ihrem verfahrenseinleitenden Antrag ganz grundsätzlich darauf gestützt, sie sei wegen einer psychischen Erkrankung nicht selbsterhaltungsfähig. Die im fortzusetzenden Verfahren zu treffenden (Negativ-)Feststellungen dürfen sich deshalb nicht lediglich auf die Frage des Studiums der Antragstellerin beziehungsweise deren Studienerfolg beschränken, sondern haben auch die Frage miteinzubeziehen, ob die Antragstellerin unter Berücksichtigung ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit in der Lage ist, einer (welcher?) Beschäftigung nachzugehen und daraus ein Einkommen zu erzielen, welches bei
selbständiger Haushaltsführung ‑ unter Mitberücksichtigung von der Antragstellerin erzielbarer Vermögenserträgnisse ‑ für eine Deckung des angemessenen Lebensbedarfs erforderlich ist (stRsp, siehe etwa 9 Ob 24/14s).
6. In formeller Hinsicht ist schließlich noch darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin ihren verfahrenseinleitenden Unterhaltsantrag ohne Bezugnahme auf den Scheidungsfolgenvergleich ihrer Eltern vom 25. 11. 1997 gestellt hat; darin hatte sich der Antragsgegner zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 4.550 ATS (= 330 EUR) verpflichtet. Ob diese Unterhaltsvereinbarung in den Folgejahren modifiziert oder gar aufgehoben wurde, lässt sich weder dem Akteninhalt noch den Feststellungen der Vorinstanzen entnehmen. Der Antragsgegner geht in seinem Revisionsrekurs erkennbar vom aufrechten Bestehen dieser Verpflichtung aus.
Auch wenn die Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners für den Zeitraum 1. 10. 2010 bis 30. 9. 2011 im beantragten Sinn infolge Nichtanfechtung des erstinstanzlichen Beschlusses rechtskräftig geworden ist, ohne dass insoweit klargestellt wäre, in welchem Verhältnis die Vereinbarung aus dem Jahr 1997 und der erstinstanzliche Beschluss zueinander stehen, wird das Erstgericht doch im fortzusetzenden Verfahren mit den Parteien diese Frage für den Zeitraum ab 1. 10. 2011 zu erörtern und die Antragstellerin zu einer präzisen Antragstellung aufzufordern haben. Denkbar wäre, dass die nunmehr begehrten Unterhaltsbeiträge von monatlich 936 EUR zusätzlich zum ursprünglich vereinbarten Unterhalt begehrt werden (Unterhaltserhöhungsantrag); ebenso denkbar wäre aber, dass im aktuellen Begehren die ursprünglichen 330 EUR bereits erfasst sein sollten.
7. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 AußStrG.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)