OGH 6Ob183/99a

OGH6Ob183/99a16.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Patrick Kemal E*****, in Pflege und Erziehung der Mutter, Jasmine E*****, vertreten durch den Unterhaltssachwalter Magistrat Linz, Amt für Jugend und Familie, wegen Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 20. Juli 1999, GZ 14 R 191/99b-71, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 4. März 1999, GZ 4 P 185/97f-67, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Dem mj. Patrick E***** werden vom 1. 4. 1999 bis 31. 3. 2002 die bisher gewährten Unterhaltsvorschüsse von monatlich 1.000 S gemäß § 4 Z 2 UVG weiter gewährt.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz wird um die Auszahlung der Vorschüsse ersucht.

Der Unterhaltsschuldner hat die ausgezahlten Vorschüsse dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz zurückzuzahlen.

Der Unterhaltsschuldner hat die Pauschalgebühr von 500 S binnen 14 Tagen an das Pflegschaftsgericht zu zahlen.

Das Mehrbegehren des Kindes auf Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse auf die Höhe des Richtsatzes nach § 6 UVG (also auf 4.038 S monatlich) wird abgewiesen."

Text

Begründung

Das jetzt 15-jährige eheliche Kind ist österreichischer Staatsbürger. Sein Vater ist türkischer Staatsbürger. Die Eheleute und das Kind lebten zunächst in der Türkei. 1987 kehrten die Frau und Kind nach Österreich zurück. Der Vater verblieb in der Türkei. Er ist unbekannten Aufenthalts.

Mit Beschluß vom 22. 4. 1987 wurden dem Kind erstmalig Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG in der im § 6 UVG vorgesehenen Richtsatzhöhe gewährt. Am 8. 3. 1990 wurde dieser Unterhaltsvorschuß für weitere drei Jahre gewährt. Mit Beschluß vom 4. 3. 1993 (ON 49) erfolgte eine neuerliche Verlängerung der Unterhaltsvorschußgewährung nach § 4 Z 2 UVG. Mit Beschluß vom 25. 4. 1996 (ON 58) faßte das Pflegschaftsgericht einen Beschluß auf Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse vom 1. 4. 1996 bis 31. 3. 1999, schränkte die Vorschüsse aber auf 1.000 S monatlich ein, weil der Vater in der Türkei lediglich zwischen 3.000 S und 4.000 S verdienen könne. Dieser Beschluß erwuchs in Rechtskraft.

Am 3. 3. 1999 stellte das durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretene Kind den "Antrag auf Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Ziff. 2 UVG" und beantragte einen Unterhaltsvorschuß "in der jeweiligen gesetzlichen Höhe gemäß § 6 Abs. 2, Ziff. 1-3 UVG". Als Begründung wurde nur angeführt, daß "keine Gründe für den Wegfall der Voraussetzungen zur Vorschußgewährung bekannt" seien (ON 66).

Das Erstgericht gab dem Antrag dahin statt, daß es für die Zeit vom 1. 4. 1999 bis 31. 3. 2002 gemäß § 4 Z 2 UVG einen monatlichen Unterhaltsvorschuß in der jeweiligen Höhe nach § 6 Abs 2 UVG weiter gewährte (also in der derzeitigen Höhe von 4.038 S monatlich, was auch bei der Bestimmung der Pauschalgebühr von 2.019 S seinen Niederschlag fand). Als Begründung führte das Erstgericht nur an, daß kein Anhaltspunkt dafür vorläge, daß die Voraussetzungen auf Vorschußgewährung nicht mehr gegeben seien.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes nicht Folge. Das Erstgericht habe den Antrag des Kindes nicht unter Verstoß gegen § 405 ZPO überschritten. Im Falle des § 4 Z 2 UVG richte sich die Höhe des zu gewährenden Unterhaltsvorschusses grundsätzlich nach festen Vorschußsätzen. Die Richtsätze seien allerdings nicht generell als feste Sätze anzusehen, sondern als Obergrenzen. Dem Bund stehe der Beweis offen, daß der Unterhaltspflichtige nach seinen Kräften offenbar zur Leistung des begehrten höheren Unterhalts nicht in der Lage sei. Ein Beweisdefizit oder Zweifel über die Leistungsunfähigkeit machten die Unfähigkeit nicht offenbar und stünden der Bevorschussung nicht entgegen. In der Entscheidung 4 Ob 547/92 habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, im Falle einer Unwahrscheinlichkeit eines Verdienstes des Unterhaltspflichtigen in bestimmter Höhe bedeute dies noch nicht, daß der Unterhaltspflichtige ein solches Einkommen nicht beziehe. Daraus ergebe sich, daß - auch wenn in der Türkei von geringeren Lebensverhältnissen auszugehen sei - noch nicht gesagt werden könne, daß der Vater nicht dennoch ein Einkommen ins Verdienen bringe, das dem Richtsatz nach § 6 UVG entspreche. Die Vorentscheidung vom 25. 4. 1996 (in der von einem Einkommen des Vaters von höchstens 4.000 S ausgegangen wurde) sei nicht bindend.

Das Rekursgericht sprach erst auf Antrag des rekurrierenden Präsidenten des Oberlandesgerichtes gemäß § 14a AußStrG aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Präsident des Oberlandesgerichtes die Abänderung dahin, daß dem Kind nur ein monatlicher Unterhaltsvorschuß von 1.000 S weiter gewährt werde, hilfsweise wird die Aufhebung zur Verfahrensergänzung beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Den Vorinstanzen ist aus dem vom Rekursgericht zutreffend erkannten Grund keine Überschreitung des Antrages des Kindes vorzuwerfen. Aus dem Antragsvorbringen ist ersichtlich, daß das Kind nicht nur eine Weitergewährung der bisherigen monatlichen Unterhaltsvorschüsse, sondern auch eine Erhöhung derselben auf die Richtsatzhöhe des § 6 UVG anstrebt.

Dem Rekursgericht ist aber nicht zu folgen, daß es bei dem auf Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen gerichteten Antrag nach § 4 Z 2 UVG geboten war, neuerlich die vom Bund grundsätzlich zu beweisende Frage (zur Beweislast: 4 Ob 547/92) zu prüfen, ob der Vater zur Leistung eines höheren Unterhalts offenbar nicht in Lage ist, sodaß das Beweisdefizit zu Lasten des Bundes ginge. Der vorliegende Fall ist durch eine schon erfolgte rechtskräftige Reduzierung des monatlichen Unterhaltsvorschusses auf 1.000 S monatlich gekennzeichnet. Die Entscheidung äußert zwar nicht eine absolut bindende Wirkung für künftige Entscheidungen, wohl aber eine relative Bindung unter der Voraussetzung gleichbleibender Verhältnisse (arg: "Weitergewährung der Vorschüsse" § 18 UVG). Auch in Unterhaltsvorschußsachen setzt eine Änderung der Vorschüsse geänderte Verhältnisse voraus (vgl § 7 UVG), wie dies für eine Änderung des Unterhaltstitels im Titelverfahren gilt. Eine Erhöhung der bisherigen gegenüber dem Richtsatz des § 6 UVG reduzierten Unterhaltsvorschüsse verlangt somit die Behauptung und den Nachweis, daß sich die Verhältnisse geändert hätten. Das antragstellende Kind ist trotz der amtswegigen Untersuchungspflicht des Gerichtes (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG) bis zu einem gewissen Grad behauptungs- und beweispflichtig (vgl SZ 63/202; 6 Ob 11/99g mwN). Eine Änderung der Verhältnisse hat das Kind hier aber gerade nicht behauptet. Wohl können Unterhaltsvorschüsse auch rückwirkend analog § 19 Abs 2 UVG erhöht werden, was für die Angleichung eines unter der Höhe eines bestehenden Unterhaltstitels gewährten Unterhaltsvorschusses schon ausgesprochen wurde (EvBl 1997/193). Dort war der Erhöhungsantrag aber auch mit einer (auch festgestellten) Änderung der Verhältnisse begründet worden. Die Änderung von Unterhaltsvorschüssen regelt das Gesetz nur im Zusammenhang mit Titelvorschüssen. Die Unterhaltsvorschüsse sind entsprechend der Titeländerung herabzusetzen oder zu erhöhen (§ 19 UVG). Analog ist aber auch die Änderung von Richtsatzvorschüssen möglich. Eine Bevorschussung nach § 4 Z 2 UVG setzt eine Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners dem Grunde nach voraus. Bei feststehender Leistungsunfähigkeit besteht kein Anspruch auf Vorschüsse. Ein Beweisdefizit und Zweifel über die Leistungsfähigkeit machen die Unfähigkeit des Unterhaltsschuldners noch nicht offenbar und führen auch nicht zu einer Verweigerung des Richtsatzvorschusses (4 Ob 547/92 mwN). Wenn aber - wie hier - nach der Aktenlage eine nur eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners schon einmal festgestellt wurde, kann aus Anlaß eines Antrages auf Weitergewährung der bisher gewährten Vorschüsse, der mit einem Erhöhungsantrag verbunden wurde, noch nicht ohne jedes weitere Parteivorbringen und ohne (amtswegig) feststellbare Änderung der Verhältnisse eine Erhöhung der Vorschüsse vorgenommen werden. Mangels jeglicher Parteibehauptungen über eine solche Änderung und mangels amtswegiger Nachforschungsmöglichkeiten über die Einkommensverhältnisse des Vaters, der nach wie vor unbekannten Aufenthalts ist, muß von der Sachlage ausgegangen werden, die der bisherigen Unterhaltsvorschußgewährung zugrundelag. Damit ist aber im Sinne der Ausführungen des Revisionsrekurswerbers eine Weitergewährung der Vorschüsse nur im bisherigen Ausmaß möglich.

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