Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird Folge gegeben. Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass er insgesamt einschließlich der unbekämpft gebliebenen Teilabweisung zu lauten hat:
„Aufgrund des rechtswirksamen Vergleichs des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 28. Juni 2011, 6 C 120/11f‑2, wird der betreibenden Partei gegen die verpflichteten Parteien
a) die zwangsweise Räumung des Wohnhauses Z***** 6, ***** (Liegenschaft EZ 70 Grundbuch *****), und
b) zur Hereinbringung der mit 56,55 EUR Barauslagen bestimmten Kosten des Exekutionsantrags die Exekution durch Pfändung und Verkauf der beweglichen körperlichen Sachen aller Art, die sich in der Gewahrsame der verpflichteten Parteien befinden, und durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung der in § 296 EO angeführten Papiere
bewilligt .
Das Mehrbegehren, auch die zwangsweise Räumung der auf der Liegenschaft EZ 70 Grundbuch ***** befindlichen Scheune und Stallungen zu bewilligen, wird abgewiesen.“
Die Kosten der betreibenden Parteien für ihren außerordentlichen Revisionsrekurs werden mit 429,41 EUR (darin 71,57 EUR Umsatzsteuer) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Begründung
Am 28. Juni 2011 schloss Dr. S***** als Insolvenzverwalterin im Schuldenregulierungsverfahren des Rechtsvorgängers des betreibenden Gläubigers im Eigentum der Liegenschaften EZ 70 und 71 Grundbuch ***** mit den verpflichteten Parteien einen prätorischen Vergleich mit (unter anderem) folgendem Inhalt:
„I.
Frau M*****, Herr E***** und Herr D***** bestätigen auch mit Wirkung für ihre jeweiligen Rechtsnachfolger, auf jegliche Nutzung der Felder der EZ 70 bzw. EZ 71 Grundbuch ***** über den 31. 12. 2011 hinaus zu verzichten und erklären sohin gegenüber dem jeweiligen Eigentümer der EZ 70 bzw. EZ 71 Grundbuch *****, dass die Nutzung der Felder der genannten Liegenschaften am 31. 12. 2011 endet.
II.
Weiters verpflichten sich Frau M*****, Herr E***** und Herr D***** auch mit Wirkung für ihre jeweiligen Rechtsnachfolger gegenüber dem jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften EZ 70 bzw. EZ 71 Grundbuch *****, das Wohnhaus Z***** 6, *****, bis längstens 31. 7. 2013 zu räumen und dem jeweiligen Eigentümer der EZ 70 bzw. EZ 71 Grundbuch ***** geräumt von ihren Fahrnissen zu übergeben, dies unter Verzicht auf jeglichen Räumungsaufschub … .
III.
Für den Zeitraum ab Abschluss dieses Räumungsvergleiches bis zum 31. 7. 2013 wird Frau M*****, Herrn E***** und Herrn D***** die prekaristische Nutzung des Wohnhauses Z***** 6, *****, vom jeweiligen Eigentümer dieses Wohnhauses gestattet. ...“
Gestützt auf diesen vollstreckbaren Vergleich beantragte der betreibende Gläubiger als nunmehriger bücherlicher Eigentümer der Liegenschaften EZ 70 und EZ 71 Grundbuch ***** am 2. Dezember 2013 die Bewilligung der Räumungsexekution und der Fahrnisexekution, letztere zur Hereinbringung der Kosten des Exekutionsantrags. Als Exekutionsobjekt gab er unter Punkt 10 des Exekutionsantrags („8. Exekutionsobjekt bei Räumungsexekution“) an:
„Beim Exekutionsobjekt handelt es sich um das Wohnhaus Z***** 6, *****, welches sich auf der Liegenschaft EZ 70 Grundbuch ***** befindet sowie Scheune und Stallungen, welche sich ebenfalls auf dieser Liegenschaft befinden. ... Sowohl im Wohnhaus als auch in den Stallungen und der Scheune als auch auf den umliegenden Feldern (EZ 70 Grundstück ***** Grundbuch *****) befinden sich derzeit Ablagerungen in Form von Fahrzeugen, Baumaterial, Werkzeug, Brennholz, Schrott, Gerümpel etc. … Sofern die Verpflichteten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Intervention auch andere Grundstücke der EZ 70 und EZ 71 … in Anspruch nehmen, sind auch diese Grundstücke zu räumen, sodass sämtliche im Eigentum des Betreibenden stehenden Grundstücke der EZ 70 und EZ 71, je GB *****, vollständig geräumt übergeben werden.“
Über gerichtlichen Verbesserungsauftrag vom 3. Dezember 2013 (ON 2), die Exekutionsobjekte bestimmt zu bezeichnen, brachte der betreibende Gläubiger mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2013 (ON 3), ergänzend vor, dass er die Formulierung laut Punkt I. des Vergleichs dahin auslege, dass mit dem Verzicht auf die bzw dem Ende der Nutzung „auch die Räumung inkludiert“ sei.
Hinsichtlich der im Exekutionsantrag genannten Exekutionsobjekte „Scheune und Stallungen“ ergebe sich nach Ansicht des betreibenden Gläubigers unter Zugrundelegung eines im Insolvenzverfahren eingeholten Gutachtens eines Sachverständigen vom 5. Februar 2011 sowie „in Kenntnis der Örtlichkeiten“, dass das Haus, die Stallungen und die Scheune eine Gebäudeeinheit und somit gesamt gesehen den „Gebäudekomplex Wohnhaus Z***** 6“ darstellen. Im Gutachten werde das Gebäude auch als „Stall“ und „Scheune“ bzw zusammengefasst als „Wohn‑/Wirtschaftsgebäude Z***** 6“ bezeichnet.
Das Erstgericht bewilligte die Räumungs- und Fahrnisexekution antragsgemäß.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Parteien dahin Folge, dass es den Exekutionsantrag zur Gänze abwies.
Aus Punkt I. des Exekutionstitels, in dem die verpflichteten Parteien nur einen Verzicht auf die weitere Nutzung der Felder abgegeben hätten, ergebe sich noch keine unmittelbar vollstreckbare Räumungsverpflichtung. Punkt II. des Vergleichs beziehe sich nach dem ‑ allein maßgeblichen ‑ Wortlaut ausschließlich auf die Verpflichtung zur Räumung des Wohnhauses Z***** 6. Davon seien aber weder ein Wirtschaftsgebäude noch Stallungen oder sonstige Teile der Liegenschaften wie Felder etc umfasst. Die von der betreibenden Partei gewünschte weite Auslegung, wonach der Begriff „Wohnhaus“ in Wahrheit einen Gebäudekomplex mit Stallungen und Scheune darstelle, lasse sich aus dem Wortlaut nicht ableiten. Auch eine Teilbewilligung, nur gerichtet auf Räumung eines „Wohnhauses“, komme nicht in Betracht, weil laut Vorbringen des betreibenden Gläubigers ein solches gar nicht vorhanden sei.
Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit insgesamt 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei mit dem Antrag, die Exekution in Bezug auf die Räumung des Wohnhauses Z***** 6 zu bewilligen. Hilfsweise wird ein Aufhebungs‑ und Zurückverweisungsantrag gestellt. Als Revisionsrekursgründe werden Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit, unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung benannt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das vom Rekursgericht erzielte Auslegungsergebnis mit dem Wortlaut des Titels und dem Antragsvorbringen der betreibenden Partei unvereinbar ist; er ist auch im Umfang des Revisionsrekursbegehrens berechtigt.
1. Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ist nur dann gegeben, wenn konkrete Gründe für die Entscheidung fehlen oder nur eine Scheinbegründung durch Gebrauch allgemeiner Wendungen vorliegt. Dagegen bildet eine ‑ hier allein in Betracht kommende ‑ mangelhafte Begründung keinen Nichtigkeitsgrund (RIS‑Justiz RS0007484, RS0042133).
2. Als Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wird geltend gemacht, dass das Rekursgericht zu Unrecht keine Teilbewilligung betreffend die Räumung allein des Wohnhauses in Betracht gezogen hat. Ob die Entscheidung über den Exekutionsantrag mit dem Titel in Einklang steht, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Eine unzureichende rechtliche Erörterung des festgestellten Sachverhalts bildet keine Mangelhaftigkeit des Rechtsmittelverfahrens (RIS‑Justiz RS0043104).
Eine Feststellung, dass ein Wohnhaus nicht vorhanden sei, hat das Rekursgericht nicht getroffen; daher kann auch keine Aktenwidrigkeit oder unrichtige Tatsachenfeststellung vorliegen.
3. Zum Umfang des Räumungstitels:
3.1. Die Räumungsexekution nach § 349 EO umfasst die Entfernung der verpflichteten Partei(en) und seiner bzw ihrer Fahrnisse (RIS‑Justiz RS0002814 [T3]). Ein tauglicher Exekutionstitel für die Räumungsexekution muss die Liegenschaft oder deren Teile bestimmt bezeichnen: Daraus muss eindeutig hervorgehen, welche Teile einer Liegenschaft zu überlassen oder zu räumen sind, weil nur so das Vollstreckungsorgan in der Lage ist, die zu erzwingende Leistung dem Bewilligungsbeschluss zu entnehmen, ohne dass es weiterer Erhebungen oder Nachweise bedürfte (RIS‑Justiz RS0000249, RS0000769). Auch (genau bezeichnete) Teile von Liegenschaften können Gegenstand der Räumungsexekution sein (RIS‑Justiz RS0119166).
3.2. Das Bewilligungsgericht hat die Verpflichtung nur aufgrund des Titels festzustellen. Es hat sich dabei streng an den Wortlaut des Titels zu halten (RIS‑Justiz RS0000205) und kann nur aus diesem selbst schließen, was die Parteien oder das Gericht dabei in Wirklichkeit gemeint haben. Wenn der Titel aus Parteienerklärungen besteht, wie zB in einem Vergleich, kommt es auf den objektiven Sinn an, der sich aus der Verpflichtungserklärung im Zusammenhang mit dem sonstigen Inhalt des Titels ergibt, nicht aber darauf, was eine Partei im Einzelfall gewollt hat (RIS‑Justiz RS0000207). Eine Unklarheit des Titels geht zu Lasten des betreibenden Gläubigers (RIS‑Justiz RS0000207 [T8]).
3.3. Der Vergleich umfasst nach seinem Punkt II. die Verpflichtung, „das Wohnhaus Z***** 6, *****, bis längstens 31. 07. 2013 zu räumen und dem jeweiligen Eigentümer der EZ 70 bzw. EZ 71 Grundbuch ***** geräumt von ihren Fahrnissen zu übergeben“. In seinem Exekutionsantrag beantragte der betreibende Gläubiger die Räumung des Wohnhauses sowie der Scheune und der Stallungen. Aufgrund des Verbesserungsauftrags des Erstgerichts vom 3. Dezember 2013 (ON 2) ergänzte der betreibende Gläubiger, dass das Haus, die Stallungen und die Scheune eine Gebäudeeinheit, nämlich den Gebäudekomplex „Wohnhaus Z***** 6“ darstellen würden; dabei verwies er auf das im Insolvenzverfahren des Voreigentümers eingeholte Gutachten.
Das Rekursgericht leitete daraus ab, dass ein Wohnhaus nicht vorhanden sei, weshalb eine (Teil‑)Bewilligung der Räumungsexekution nur hinsichtlich des Wohnhauses nicht möglich sei.
Diese Ansicht kann nicht geteilt werden.
Der betreibende Gläubiger hat den Umfang der zu seinen Gunsten bestehenden titelmäßigen Räumungsverpflichtung betreffend das „Wohnhaus Z***** 6“ in einer bestimmten ‑ nämlich weiten ‑ Weise ausgelegt. Daraus kann aber nicht auf die Nichtexistenz eines Wohnhauses geschlossen werden. Im Gegenteil lautet die titelmäßige Verpflichtung in Punkt II. des Vergleichs gerade auf die Räumung des „Wohnhauses Z***** 6“. Auch in Punkt III. des Vergleichs wird die prekaristische Nutzung des „Wohnhauses Z***** 6“ eingeräumt. Diese Verpflichtung ist keineswegs unklar, gibt es doch eine gängige Auffassung, wodurch ein Wohnhaus ‑ im Gegensatz zu Stallungen und einer Scheune ‑ bestimmt wird: Es dient als Gebäude dem Wohnen von Menschen, während Stallungen typischerweise Tiere beherbergen und eine Scheune der Aufbewahrung von Tierfutter dient. In diesem Sinn besteht kein Zweifel an der titelmäßigen Verpflichtung zur Räumung eines Wohnhauses.
Eine Verpflichtung zur Räumung von Scheune und Stallungen scheint demgegenüber im Titel nicht auf. Der Wortlaut des konkreten Titels bietet keine Möglichkeit, Scheune und Stallungen in die titelmäßige Verpflichtung der Räumung eines „Wohnhauses“ (und nicht eines „Gebäudes“) mitaufzunehmen. Auch wenn Wohnhaus, Scheune und Stallungen in ein Gebäude integriert sein sollten, wie die betreibende Partei vorbringt, ist es keineswegs ausgeschlossen, eine Räumungsverpflichtung auf den räumlich abgrenzbaren Teil des Wohngebäudes einzuschränken.
4. Entsprechend dem Revisionsrekursantrag der betreibenden Partei ist daher die Exekution im Umfang der Verpflichtung zur Räumung des Wohnhauses Z***** 6 zu bewilligen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO in Verbindung mit §§ 52, 41 und 43 Abs 1 ZPO.
Die betreibende Partei hat in ihrem Exekutionsantrag die Räumung des Wohnhauses sowie der Scheune und Stallungen begehrt. Durchgedrungen ist sie mit dem Räumungsbegehren nur in Bezug auf das Wohnhaus, weshalb betreffend den Exekutionsantrag eine Kostenaufhebung gerechtfertigt ist. Die Hälfte der allein von der betreibenden Partei zu entrichtenden Gerichtsgebühren ist gemäß § 43 Abs 1 Satz 3 ZPO als Exekutionskosten der betreibenden Partei zu bestimmen.
Das Rekursverfahren ist grundsätzlich einseitig (RIS‑Justiz RS0116198), weshalb der betreibenden Partei für ihre Rekursbeantwortung kein Kostenersatz zusteht.
Das Revisionsrekursverfahren betrifft nur mehr die Räumung des Wohnhauses; diesbezüglich hat die betreibende Partei zur Gänze obsiegt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)