OGH 8ObA26/14b

OGH8ObA26/14b26.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter KR Hermann Furtner und ADir. Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. S***** L*****, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, Magistratsabteilung 2, 1010 Wien, Rathausstraße 4, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft in Wien, wegen Aufhebung einer einvernehmlichen Auflösung (Streitwert 30.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Jänner 2014, GZ 7 Ra 1/14i‑22, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 5. Juni 2013, GZ 25 Cga 71/12m‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die Vereinbarung der Klägerin mit der Beklagten vom 17. 1. 2012, mit welcher das Dienstverhältnis der Klägerin bei der Beklagten einvernehmlich aufgelöst wurde, möge für rechtsunwirksam erklärt werden, wird abgewiesen.

Das Eventualbegehren, es möge festgestellt werden, dass die Vereinbarung der Klägerin mit der beklagten Partei vom 17. 1. 2012, mit welcher das Dienstverhältnis der Klägerin bei der Beklagten einvernehmlich aufgelöst wurde, rechtsunwirksam ist, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.204,56 EUR (darin 1.700,76 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu bezahlen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 4.014,90 EUR (darin 669,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war in der Landesfahrzeugprüfstelle der Beklagten als Vertragsbedienstete nach der Wiener VBO 1995 beschäftigt.

In dieser Dienststelle besteht eine Gleitzeitregelung, die Zeitkarten sind am Beginn und am Ende des Dienstes an einer Stechuhr abzustempeln. Die in den Gleitzeitkarten erfassten Zeiten werden in das SAP-System der Beklagten übertragen und bilden die Grundlage für die Entgeltabrechnung.

Mit den Gleitzeitkarten ist nur ein einmaliges Ein- bzw Ausstempeln pro Arbeitstag möglich. Verlässt ein Dienstnehmer an einem Arbeitstag vorübergehend die Dienststelle, sei es aus dienstlichen oder privaten Gründen, bestand in der Fahrzeugprüfstelle die Praxis, dass entweder beim Verlassen der Arbeitsstelle oder erst nach der Rückkehr am Ende des Tages ausgestempelt und entweder die weitere Arbeitszeit oder im letzteren Fall die Unterbrechung händisch auf der Karte eingetragen wurde. Die Gleitzeitkarten wurden am Ende des Monats von den unmittelbaren Vorgesetzten kontrolliert, dabei konnten allfällige vergessene Eintragungen noch korrigiert werden.

Den Dienstnehmern der Landesprüfstelle waren Privatarbeiten in der Werkstätte an eigenen Fahrzeugen oder solchen naher Angehöriger erlaubt, sofern sie außerhalb der Dienstzeit durchgeführt wurden und der Vorgesetzte zustimmte. Am 21. 12. 2011 erhielt die Klägerin auf Anfrage vom stellvertretenden Leiter der Landesprüfstelle, ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, die Erlaubnis zur Durchführung von Reparaturarbeiten am Fahrzeug ihres Vaters nach Dienstende.

Sie verrichtete diese Arbeiten am 21. 12. 2011 ab etwa 16:30 Uhr. In dieser Zeit war der stellvertretende Prüfstellenleiter nicht mehr anwesend. Die Klägerin stempelte um 18:06 Uhr ihre Gleitzeitkarte aus, ohne die Dauer der privaten Reparaturtätigkeit darauf zu vermerken. Aufgrund der Aufzeichnungen der Klägerin kam es für die Dauer der privaten Tätigkeit zur Verrechnung von zwei Überstunden. Eine Korrektur der Gleitzeitkarte durch einen Vorgesetzten unterblieb, weil der Leiter der Prüfstelle nichts von der Privatarbeit der Klägerin wusste und dessen Stellvertreter, der ihr die Erlaubnis dazu erteilt hatte, über die Weihnachtsfeiertage im Urlaub war.

Am 5. 1. 2012, einem Donnerstag, wurde einem Bereichsleiter der Beklagten über einen Kollegen der Klägerin erstmals der Verdacht zugetragen, dass diese gemeinsam mit einer anderen Mitarbeiterin Manipulationen bei den Arbeitszeitaufzeichnungen vorgenommen hätte.

Hintergrund der letzteren Anschuldigung war, dass die andere Mitarbeiterin am 21. 12. 2011 nachmittag beim Verlassen des Arbeitsplatzes die Stempelkarte liegengelassen hatte. Die Klägerin fand die Karte und legte sie auf ihren eigenen Schreibtisch, wo sie der spätere Anzeiger entdeckte und kopierte. Die Karteninhaberin kehrte jedoch kurz vor 18.00 Uhr selbst in die Prüfstelle zurück, um die Stempelkarte zu suchen, erhielt sie von der Klägerin und stempelte danach selbst aus, ohne die Abwesenheitszeit zu vermerken. Nachdem der spätere Anzeiger erfahren hatte, dass die vergessene Karte am selben Tag noch gestempelt worden war, verdächtigte er die Klägerin, vor ihrem eigenen Weggehen am 21. 12. 2011 auch für die abwesende Kollegin ausgestempelt zu haben und teilte seinen Verdacht am 5. 1. 2012 unter Vorlage der angefertigten Kopien einem Vorgesetzten mit.

Nach dem folgenden verlängerten Wochenende, am 10. 1. 2012, wurde mit dem Anzeiger eine Niederschrift aufgenommen. Da sich ein angegebener Zeuge am 10. 1. im Krankenstand befand, ordnete die Beklagte eine weitere niederschriftliche Einvernahme für den 17. 1. 2011 an. Bei diesem Termin sollten auch die Verdächtigen förmlich vernommen werden. In der Zwischenzeit wurden die Klägerin und ihre Kollegin vom Leiter der Landesprüfstelle, dem aber keine Kompetenz zur Beendigung von Dienstverhältnissen zukam, wegen der Geschehnisse vom 21. 12. 2011 verwarnt. Die MA 2 als oberste Stelle für Personalangelegenheiten bei der Beklagten hatte davon keine Kenntnis. Eine Suspendierung der Klägerin erfolgte nicht.

Bei ihrer Einvernahme am 17. 1. 2011 stellte die Klägerin ein Ausstempeln für die Kollegin in Abrede, was diese auch bestätigte. Hinsichtlich der ihr vorgeworfenen Privatarbeit während der eingetragenen Dienstzeit berief sich die Klägerin darauf, wegen des großen Arbeitsanfalls auf eine Richtigstellung der Stempelkarte vergessen zu haben.

Auf Anweisung der zuständigen Personalservicestelle MA 2, die zuvor über die Ergebnisse der Einvernahmen informiert worden war, sprach der Bereichsleiter am 17. 1. 2012 die Entlassung der Klägerin mit der Begründung aus, sie habe durch die Vornahme von privaten Tätigkeiten während der Dienstzeit eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung begangen.

Unmittelbar danach wurde der Klägerin, die sich in einem sehr aufgewühlten Gemütszustand befand, mitgeteilt, dass ihr die MA 2 anbiete, das Dienstverhältnis selbst „mit heutigem Tag einvernehmlich aufzulösen“, wenn sie sofort zustimme. Eine Überlegungsfrist wurde ihr nicht eingeräumt, sie insistierte aber auch nicht darauf. Die anwesende Personalvertreterin riet ihr zur Annahme des Angebots, weil das besser für nachfolgende Bewerbungen wäre. Die Klägerin unterschrieb daraufhin die bereits von der Beklagten vorbereitete Erklärung „ Ich gebe bekannt, dass ich mein Dienstverhältnis mit heutigem Tag einvernehmlich auflöse. “ Die Klägerin war aufgrund der Äußerung des Bereichsleiters, sie habe eine schwere Dienstpflichtverletzung begangen, der Überzeugung, dass ein Entlassungsgrund vorliege.

In ihrer Klage begehrt sie, die einvernehmliche Auflösungsvereinbarung für rechtsunwirksam zu erklären. Sie sei bei Unterfertigung unter starkem Druck gestanden und habe unter Existenzängsten gelitten. Durch die Äußerung des Verhandlungsleiters, es liege ein Entlassungsgrund vor, sei sie arglistig in die Irre geführt worden. Tatsächlich sei die Entlassung nämlich unbegründet und überdies verfristet gewesen.

Die Beklagte wandte ein, sie habe bei Ausspruch der Entlassung plausible und objektiv ausreichende Gründe gehabt, die Vorwürfe gegen die Klägerin für wahr zu halten. Die Vorgangsweise der Klägerin bei der Führung ihrer Arbeitszeitaufzeichnungen habe den geltenden Dienstvorschriften grob widersprochen, ein zweimaliges bloßes Versehen sei nicht nachvollziehbar. Auch für den Vorwurf des Ausstempelns für die Kollegin hätten massive Verdachtsgründe vorgelegen. Unter Berücksichtigung der zur Aufklärung der Vorwürfe erforderlichen Erhebungen sei die Entlassung auch unverzüglich erfolgt. Die Klägerin sei nicht unter Druck gesetzt worden, die einvernehmliche Auflösung zu unterschreiben, zumal das Dienstverhältnis bereits beendet gewesen sei. Hätte die Klägerin nicht unterschrieben, wäre es bei der Entlassung geblieben.

Das Rechtsgestaltungsbegehren sei unzulässig, vielmehr wäre ein Feststellungsbegehren zu erheben. Eine Unwirksamerklärung (nur) der Änderungsvereinbarung könne die Rechtsfolgen der davor ausgesprochenen Entlassung nicht beseitigen.

In Replik auf dieses Vorbringen der Beklagten erhob die bereits in erster Instanz anwaltlich vertretene Klägerin das aus dem Spruch ersichtliche Eventualbegehren, vertrat aber weiterhin ausdrücklich den Standpunkt, die Entlassung könne auf keinen Fall wieder aufleben und müsse daher nicht angefochten werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Die Entlassung der Klägerin sei nicht gerechtfertigt, weil ihr nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens lediglich ein Versehen bei der Führung der Arbeitszeitaufzeichnungen unterlaufen sei. Durch die Verwarnung der Klägerin wäre ein allfälliges Entlassungsrecht bereits konsumiert worden, außerdem sei der Ausspruch verspätet erfolgt. Die nachträgliche einvernehmliche Auflösung habe gegen die Interessen der Klägerin verstoßen, weil sie ihr die Möglichkeit einer Anfechtung der Entlassung abgeschnitten habe.

Die Voraussetzungen für eine Anfechtung der Auflösungsvereinbarung nach § 870 ABGB, aber auch § 879 ABGB seien zu bejahen, weil die Klägerin über das Vorliegen eines Entlassungsgrundes unrichtig informiert worden sei und die Beklagte ihr trotz psychischer Belastung in einer existenzbedrohenden Situation keine Beratungs- und Überlegungsmöglichkeit eingeräumt habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Die Klägerin sei bei der Abgabe der Auflösungserklärung unzulässig unter Druck gesetzt worden. Eine mängelfreie Auflösungsvereinbarung hätte auch eine Aufklärung der Klägerin über die (mangelnde) Berechtigung und Rechtzeitigkeit der Entlassung erfordert. Auf die Ausführungen der Berufungswerberin zum Wiederaufleben der Entlassungsfolgen nach Wegfall der Vereinbarung müsse nicht eingegangen werden, weil dies nicht Verfahrensgegenstand sei.

In ihrer Revision macht die Beklagte geltend, das Berufungsgericht habe die Vertretbarkeit der Auffassung der Beklagten über das Vorliegen eines Entlassungsgrundes verkannt. Eine bereits ausgesprochene Entlassung könne nicht mehr als Druckmittel zum Abschluss einer einvernehmlichen Auflösung eingesetzt werden. Es bestehe auch keine aus der Fürsorgepflicht ableitbare Verpflichtung des Dienstgebers, den entlassenen Arbeitnehmer über eventuell mögliche rechtliche Mängel der Entlassung aufzuklären.

Die Klägerin hat die ihr gemäß § 508 Abs 5 ZPO freigestellte Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Sie ist auch berechtigt.

1. Aus Anlass der Behandlung der zulässigen Revision ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts vom Obersten Gerichtshof in jeder Hinsicht zu prüfen. Es ist daher im vorliegenden Fall zunächst auf den in den Vorinstanzen erhobenen Einwand der Unzulässigkeit des Klagebegehrens einzugehen, dem Berechtigung zukommt.

Die einseitige Erklärung der Auflösung eines Dienstverhältnisses kann nur sofort oder mit Zustimmung des durch die Auflösung Betroffenen widerrufen werden. Eine erst nachträgliche einvernehmliche Rücknahme einer bereits bewirkten einseitigen Auflösung beseitigt diese nicht (RIS‑Justiz RS0028711 [T3]). Zwar ist nach der jüngeren Rechtsprechung dann von einem ununterbrochenen Dienstverhältnis auszugehen, wenn sich die Vertragsparteien darauf einigen, es weiterhin so fortzusetzen als ob keine Unterbrechung stattgefunden hätte (RIS‑Justiz RS0028711 [T7]), dieser Fall liegt hier aber nicht vor.

Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin nicht erklärt oder auch nur den Eindruck erweckt, von einer sofortigen Beendigung des Dienstverhältnisses abstehen zu wollen. Inhalt der Auflösungsvereinbarung war lediglich, die bereits ausgesprochene Entlassung Zug um Zug gegen eine Austrittserklärung der Klägerin zurückzunehmen.

Eine erfolgreiche Anfechtung dieser Auflösungsvereinbarung wegen Willensmangels kann daher nicht nur einseitig zum Wegfall der Austrittserklärung der Klägerin führen, sondern beseitigt auch die damit untrennbar verknüpfte Rücknahme der Entlassung. Eine Anfechtung bloß desjenigen Teils der Vereinbarung, der der Klägerin zur Last fällt („Rosinentheorie“), ist nicht möglich.

Mit dem Rechtsgestaltungsbegehren allein könnte die Klägerin ihr erkennbares Rechtsschutzziel, die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses, daher nicht erreichen. Ein Rechtsgestaltungsbegehren, das nur zur Klärung einer Vorfrage für eine später jedenfalls erforderliche weitere Klage dient, ist unzulässig (vgl RIS-Justiz RS0039087: 9 ObA 93/98m).

Die Anfechtung einer unberechtigten Entlassung eines kündigungsgeschützten Vertragsbediensteten ist, wie die Beklagte bereits in erster Instanz zutreffend eingewendet hat, mit Klage auf Feststellung des aufrechten Bestehens des Dienstverhältnisses geltend zu machen (RIS-Justiz RS0039019).

Eine Umdeutung des gestellten Klagebegehrens durch das Gericht in ein solches auf Feststellung des aufrechten Bestehens des betroffenen Dienstverhältnisses ist möglich, wenn es dem offenkundig vom Kläger angestrebten Rechtsschutzziel entspricht (RIS-Justiz RS0039010); eine Umdeutung ist aber dann nicht vorzunehmen, wenn der anwaltlich vertretene Kläger, wie im vorliegenden Fall, auch nach Erörterung der Rechtsfrage auf seinem abweichenden Begehren beharrt (vgl RIS-Justiz RS0039530 [T9] ‑ Berichtigung; 5 Ob 209/07g ‑ Umdeutung eines Antrags).

Es begründet auch keine unzulässige Überraschungsentscheidung, wenn ein Rechtsstandpunkt aufgegriffen wird, der bereits in erster Instanz von einer Partei vorgebracht, mit dem Gegner erörtert und von ihm kommentiert wurde (vgl RIS-Justiz RS0120056 [T4]).

2. Auch in materiellrechtlicher Hinsicht sind die Revisionsausführungen im Ergebnis berechtigt.

Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass die Vorinstanzen nicht hinreichend berücksichtigt haben, dass die Klägerin bereits entlassen war, bevor ihr das Abänderungsangebot unterbreitet wurde. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses stand der Beklagten schon begrifflich keine weitere Sanktion mehr zur Verfügung, sodass von einer Drohung mit Nachteilen, um die Klägerin zum Selbstaustritt zu bewegen, hier nicht gesprochen werden konnte.

Schließt ein Arbeitnehmer unter dem Eindruck einer bereits ausgesprochenen Entlassung die ihm gleichzeitig angebotene Auflösungsvereinbarung ab, so kommt es für die Redlichkeit des Arbeitgebers darauf an, ob für ihn zu diesem Zeitpunkt plausible und objektiv ausreichende Gründe für einen Entlassungsausspruch gegeben waren. Ist dies der Fall, kann nicht von der Ausübung ungerechtfertigten psychologischen Drucks die Rede sein (9 ObA 158/08p, RIS‑Justiz RS0014878 [T2]; RS0014873).

Die Beurteilung dieser Voraussetzung durch die Vorinstanzen erfolgte unter Außerachtlassung wesentlicher Sachverhaltselemente.

Die Klägerin hat am 27. 12. 2011 persönlich ihre auf der Gleitzeitkarte gestempelte Arbeitszeit vom 21. 12. 2012 in das SAP-System eingetragen. Das Erstgericht hat diesen Umstand zwar in seinen Feststellungen nicht erwähnt, was aber, da es sich um einen zugestandenen und unstrittigen Sachverhalt handelt, seiner Berücksichtigung nicht entgegensteht.

Ebenfalls in den Feststellungen übergangen, aber den jeweils in ihrer Echtheit unbestrittenen Urkundenkopien zu entnehmen ist, dass auf der Gleitzeitkarte der Klägerin für den 21. 12. 2011 lediglich Beginn und Ende der Arbeitszeit gestempelt sind (Beilage ./5), in den SAP-Eintragungen der Klägerin für diesen Tag aber nicht nur diese Gesamtarbeitszeit aufscheint, sondern einzelne Stunden gesondert, unter codierter Bezeichnung der verrichteten Tätigkeit, hervorgehoben werden.

Für die Zeitspanne von 16:00 Uhr bis 18:06 Uhr, in der die Klägerin ihre privaten Reparaturarbeiten verrichtet hatte, findet sich in der SAP-Tabelle eine solche gesonderte Eintragung, die in der Spalte „Bezeichnung“ mit der Erklärung „Überprüfungstätigkeit“ versehen ist (Beilage ./6). Diese unstrittig von der Klägerin stammende Eintragung schließt es logisch aus, dass sie bloß die unrichtigen Stempelkartendaten ungeprüft in die SAP-Maske übertragen hat. Es wurde vielmehr für den streitgegenständlichen Zeitraum aktiv eine falsche Angabe eingetragen, die die Klägerin jedenfalls nicht ihrer Stempelkarte entnommen haben konnte.

Die Erwägung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin ja davon ausgehen habe können, ihr Vorgesetzter werde bei der Kontrolle der Zeitkarten die zu Unrecht verzeichneten Stunden abziehen, überzeugt nicht. Fest steht, dass der betreffende Vorgesetzte am Nachmittag des 21. 12. 2011 nicht mehr im Betrieb anwesend war, sodass er nicht wahrnehmen konnte, ob und wann die genehmigte Privatreparatur tatsächlich stattgefunden hat; über die Weihnachtsfeiertage war er auf Urlaub. Die Klägerin konnte daher keineswegs darauf vertrauen, der Vorgesetzte werde die entsprechenden Richtigstellungen vornehmen.

Im Lichte der vollständigen Tatsachengrundlage erweist sich die Ansicht der Vorinstanzen, die Beklagte habe keine hinreichend plausiblen und objektiv nachvollziehbaren Gründe für die Entlassung gehabt, als korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

Ob die Beklagte objektiv der Meinung sein durfte, dass Entlassungsgründe vorliegen, kann nur nach ihrem Wissensstand ex ante geprüft werden; es kommt aber nicht darauf an, ob ihre Ansicht ex post aufgrund der Ergebnisse eines förmlichen Beweisverfahrens auch von den befassten Gerichten geteilt wird.

Im vorliegenden Fall war die Beklagte mit der Tatsache konfrontiert, dass die Klägerin am 21. 12. 2011 innerhalb der von ihr erfassten Arbeitszeit in der Werkstätte der Beklagten private Verrichtungen durchgeführt und am 27. 12. 2011 darüber hinaus unrichtige Arbeitszeiteintragungen im SAP-System vorgenommen hatte.

Diese unstrittigen Tatsachen reichten objektiv aus, um die Annahme einer Manipulation in Täuschungsabsicht zu begründen. Den belastenden Fakten stand nur die subjektive Darstellung der Klägerin entgegen, die allerdings bei genauer Betrachtung nur den fehlenden Stempelkartenvermerk, aber in keiner Weise die SAP‑Eintragung zu erklären vermochte. Es besteht keine generelle Verpflichtung des Arbeitgebers, der leugnenden Verantwortung eines bei einer objektiven Verfehlung betretenen Dienstnehmers Glauben zu schenken, wenn gewichtige Indizien dagegen sprechen.

Vorsätzlich herbeigeführte Fehleintragungen in der der Erfassung der Arbeitszeit dienenden Zeitstempelkarte können nach ständiger Rechtsprechung eine Entlassung begründen (RIS-Justiz RS0051356; RS0029647).

3. Ob die Entlassung auch rechtzeitig ausgesprochen wurde, lässt sich nur nach den Umständen des einzelnen Falls beurteilen. Allgemein darf der Grundsatz, dass Entlassungsgründe unverzüglich geltend zu machen sind, nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0031587). Verzögerungen im Ausspruch der Kündigung von Vertragsbediensteten können insoweit anerkannt werden, als sie in in der Natur des Dienstverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falls sachlich begründet sind (RIS-Justiz RS0029273; RS0031571). Überall dort, wo ein vorerst undurchsichtiger, zweifelhafter Sachverhalt vorliegt, muss dem Arbeitgeber zugebilligt werden, zunächst geeignete Erhebungen durchzuführen. Aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer nicht schon bei Vorliegen von ersten Verdachtsgründen Maßnahmen ergriffen hat, um nicht einen allenfalls Unschuldigen zu treffen, kann eine Verwirkung des Entlassungsrechts nicht abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0029297 [T6, T9]).

Im vorliegenden Fall konnte die Ansicht der Beklagten, die Entlassung noch rechtzeitig ausgesprochen zu haben, wegen der mit Feiertagen, Urlauben und Krankenständen diverser Beteiligter begründbaren Verzögerungen der Erhebungen zumindest nicht als unvertretbar angesehen werden.

4. Der festgestellte Umstand, dass die Klägerin bereits Anfang Jänner 2011 von einem Vorgesetzten verwarnt wurde, begründete keinen Untergang des Entlassungsrechts, weil feststeht, dass die tatsächlich und allein für Personalangelegenheiten zuständige Organisationseinheit der Beklagten davon keine Kenntnis hatte. Aufgrund seiner fehlenden Entscheidungskompetenz über die Verhängung arbeitsrechtlicher Sanktionen konnte der Vorgesetzte nicht wirksam auf ein Entlassungrecht der Beklagten gegenüber der Klägerin verzichten, und zwar weder ausdrücklich, noch durch schlüssiges Handeln in Form einer Verwarnung.

5. Letztlich kann den Vorinstanzen auch nicht beigepflichtet werden, dass die Klägerin vor Unterfertigung der Auflösungsvereinbarung mangels Beratungs- und Überlegungsmöglichkeit in sittenwidriger Weise überrumpelt wurde.

Das Dienstverhältnis war zu diesem Zeitpunkt bereits durch Entlassung beendet und das Angebot einer Umwandlung in eine einvernehmliche Auflösung war für die Klägerin grundsätzlich, mit der einzigen Ausnahme einer erschwerten Anfechtungsmöglichkeit, eindeutig vorteilhafter als ihre bestehende Rechtsposition. Ein längeres Zuwarten mit einem Vergleichsanbot nach der Entlassung wäre sogar geeignet gewesen, Zweifel an der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu wecken. Es trifft auch nicht zu, dass keine Beratungsmöglichkeit bestand, weil nicht nur eine Personalvertreterin anwesend war, sondern diese auch der Klägerin gegenüber eine begründete Empfehlung abgegeben hat. Dass deren Inhalt dem heutigen Prozessstandpunkt der Klägerin widerspricht, ändert nichts daran, dass eine Beratung stattgefunden hat; eine eingehendere Besprechung wurde zwar nicht aktiv angeboten, aber von der Klägerin auch nicht nachgefragt.

Die Anforderung des Berufungsgerichts an den Arbeitgeber, einen entlassenen Arbeitnehmer, dem er noch eine gesichtswahrende einvernehmliche Auflösung ermöglichen will, zuvor über mögliche rechtliche Schwachstellen des Entlassungsausspruchs und die Möglichkeiten einer Anfechtung zu beraten, lässt sich mit der Fürsorgepflicht nicht begründen. Ist der Arbeitgeber von der Haltbarkeit seiner Rechtsposition nicht überzeugt und will er den Arbeitnehmer gerade deswegen zur einvernehmlichen Auflösung drängen, ist die Auflösungsvereinbarung schon aus diesem Grund anfechtbar. Umgekehrt kann aber von einem Arbeitgeber, der objektiv begründet von der Berechtigung einer ausgesprochenen Entlassung ausgeht, nicht verlangt werden, gegen die eigene Überzeugung und die eigenen Interessen zu argumentieren und den Arbeitnehmer geradezu zur Anfechtung der Entlassung zu drängen.

Logische Konsequenz der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung wäre, dass die Möglichkeit einer gesichtswahrenden einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses an Stelle einer berechtigten Entlassung von den Arbeitgebern aus Gründen der Rechtssicherheit schlicht nicht mehr angeboten werden könnte, was gerade aus Sicht des Arbeitnehmerschutzes alles andere als wünschenswert wäre.

6. Der Revision der beklagten Partei war daher Folge zu geben.

Bei Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts in der Hauptsache hat der Oberste Gerichtshof über die gesamten Kosten des bisherigen Verfahrens selbständig zu erkennen (RIS-Justiz RS0107860). Für das erstinstanzliche Verfahren stützt sich die Kostenentscheidung auf § 2 ASGG iVm § 41 ZPO. Die Klägerin hat keine Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis der Beklagten erhoben; offenbare Unrichtigkeiten, die von Amts wegen wahrzunehmen wären, sind nicht erkennbar. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 2 ASGG, 41 und 50 ZPO.

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