Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass es lautet:
„Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 15.891,51 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 4. 2012 zu zahlen, wird abgewiesen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.118,66 EUR (darin enthalten 853,11 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 2.395,06 EUR (darin enthalten 226,51 EUR USt und 1.036 EUR Pauschalgebühren) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.340,84 EUR (darin enthalten 163,14 EUR USt und 1.362 EUR Pauschalgebühren) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war vom 1. 9. 2003 bis 30. 9. 2010 auf Basis eines Agentenvertrags als selbständiger Vermittler von Finanzdienstleistungen für die Klägerin tätig. Die Vergütungsordnung war integrierender Bestandteil des Vertrags und regelte insbesondere das Entstehen des Vergütungsanspruchs sowie die Abrechnungsmodalitäten. Sie enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
„I. Entstehen des Vergütungsanspruchs
...
2. Der Anspruch auf Vergütung entsteht, wenn die Vermittlungstätigkeit des Agenten zum Abschluss eines Geschäfts zwischen dem Mandanten einerseits und dem Produktanbieter andererseits geführt hat, der Produktanbieter die für die Vermittlungstätigkeit des Agenten an A ***** zu bezahlende Provision abzugsfrei und entsprechend den vom Agenten zum vermittelnden Produkt gemachten Angaben an A***** geleistet hat und die das vermittelte Produkt betreffende vom Produktanbieter jeweils festgelegte Stornohaftungszeit zur Gänze abgelaufen ist.
...
8. Stornobelastungen können nur innerhalb der von den Produktanbietern bzw gesetzlich vorgegebenen Stornohaftungszeiträume entstehen.
II. Leistung von Vorschüssen
1. A***** leistet an den Agenten vor Ablauf der Stornohaftungszeit Vorschüsse, die als Gutschriften auf das Verrechnungskonto des Agenten angerechnet werden. Die Leistung von Vorschüssen ändert nichts daran, dass der Vergütungsanspruch zur Gänze ... erst nach Ablauf der Stornohaftungszeit … [1 bis 10 Jahre, bei Lebensversicherungen 5 Jahre] entsteht.
2. Werden Verträge vor Ablauf der Stornohaftungszeit aufgelöst oder in ihrem Umfang verändert, werden die bereits anteilig bevorschussten Vergütungen zur Rückzahlung durch den Agenten fällig.
...
III. Abrechnungsmodalitäten
1. Der Agent erhält von A ***** eine monatliche Abrechnung über den Stand seiner bei A***** geführten Konten (Buchauszug), wobei auf diesem Konto sämtliche Gutschriften, Belastungen und Zahlungen seit dem letzten Abrechnungsstichtag erfasst sind.
...
2. Der Agent ermächtigt A *****, gegen ihn gerichtete Forderungen mit allfälligen auf seinen Konten, insbesondere auf seinem Stornoreservekonto, befindlichen Guthaben gegenzurechnen.
3. Weisen die Konten des Agenten einen Gesamtsaldo zu dessen Lasten auf, ist der Agent verpflichtet, diesen Saldo über Aufforderung durch A ***** umgehend, längstens innerhalb von 14 Tagen auszugleichen.
...
IV. Stornoreserve
1. Zur Sicherung der bevorschussten Vergütung wird von sämtlichen Vorschüssen ein Teil als Stornoreserve (angegeben in Prozent [zwischen 5 % und 15 %] ) einbehalten. Die Höhe des Prozentsatzes der einbehaltenen Stornoreserve wird von A***** aufgrund der betrieblichen sowie sich aus dem jeweiligen Geschäft ergebenden Erfordernisse bestimmt. Die Höhe des Stornoreserve‑Prozentsatzes wird daher jährlich neu festgelegt. ...
...
3. Die zum 31. Dezember bestehende Stornoreserve wird nach Ablauf von vier Kalenderjahren zum unmittelbar darauf folgenden 31. Januar zur Freigabe fällig. Von dem zur Zahlung fälligen Betrag sind sämtliche bis zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgten Auszahlungen, Freigaben oder Belastungen abzuziehen.
4. Der Agent ermächtigt A ***** außerdem, sein Stornoreserveguthaben vorzeitig mit allfälligen Sollsalden auf andere für ihn geführte Konten (zB auf dem Verrechnungskonto) gegenzurechnen. Die vorzeitige Auszahlung des Stornoreserveguthabens liegt im Ermessen von A*****.
...“
Die Stornoreserve des Beklagten (Guthaben) wurde von der Klägerin dafür verwendet, um den negativen Saldo auf seinem Verrechnungskonto teilweise auszugleichen. Im März 2012 wies das Verrechnungskonto des Beklagten einen negativen Saldo von 15.891,51 EUR auf.
Die Klägerin begehrte die (Rück‑)Zahlung dieses Betrags. Vor Ablauf der Stornohaftungszeit erhalte ein Agent für die von ihm vermittelten Finanzprodukte nach der Vergütungsordnung nur Vorschüsse. Diese Vorschüsse seien vereinbarungsgemäß zurückzuzahlen, wenn der Vertrag entweder nicht zustande gekommen oder während der Stornohaftungszeit storniert worden sei. Der Rückforderungsanspruch nach Maßgabe der Abrechnungen ergebe sich aus der Vergütungsordnung. Die Beweislastregel des § 9 Abs 3 HVertrG gelange nicht zur Anwendung, weil die Provisionsansprüche des Beklagten noch nicht entstanden seien, sondern es sich nur um Vorschüsse handle.
Der Beklagte entgegnete, dass er weder Nichteinlösungen noch Stornierungen zu verantworten habe. Aus dem Vorbringen der Klägerin gehe auch nicht hervor, wann die einzelnen Vertragsstornierungen erfolgt seien, von welcher Seite diese ausgegangen seien und aus welchem Grund dies geschehen sei. Es werde auch bestritten, dass die Klägerin im Fall von Vertragsstornierungen die von ihr lukrierten Provisionen ganz oder teilweise wieder an die Partnergesellschaft zurückgezahlt habe. Der Anspruch des Agenten auf Vergütung entstehe nach § 9 Abs 2 HVertrG bereits dann, wenn der Vertrag zwischen dem Kunden und der Partnergesellschaft abgeschlossen worden sei und die Klägerin aus dem Geschäft die ihr zustehende Provision von der Partnergesellschaft erhalten habe. Auf solche bereits entstandenen Provisionen sei die Beweislastregel des § 9 Abs 3 HVertrG anzuwenden. Es obliege daher der Klägerin, zu behaupten und zu beweisen, dass bestimmte Verträge zwischen Kunden und Partnergesellschaften nicht ausgeführt worden seien und dies auf Umständen beruhe, die nicht von der Klägerin zu vertreten seien. Schließlich hielt der Beklagte dem Klagebegehren auch noch näher bezifferte Gegenforderungen (Guthaben auf dem Stornoreservekonto und Ansprüche aus der behaupteten Angestellteneigenschaft) entgegen.
Das Erstgericht stellte die Klagsforderung als zu Recht bestehend, die eingewendeten Gegenforderungen hingegen als nicht zu Recht bestehend fest und verpflichtete den Beklagten dementsprechend zur Zahlung von 15.891,51 EUR sA. Das Entstehen des Anspruchs auf Provision sei in der Vergütungsordnung eindeutig geregelt. Dafür sei der Ablauf der Stornohaftungszeit erforderlich. Im Anlassfall handle es sich daher nur um Vorschüsse, weshalb die Beweislastregel des § 9 Abs 3 HVertrG nicht zur Anwendung gelange. Die vereinbarte Gegenverrechnung laut Vergütungsordnung sei demnach zulässig. Die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Rückforderungsbetrags sei nachvollziehbar. Der Beklagte habe das Klagebegehren der Höhe nach auch nicht substanziiert bestritten. Die vom Beklagten eingewendeten Gegenforderungen bestünden nicht zu Recht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Mit dem Erstgericht sei davon auszugehen, dass vor Ablauf der Stornohaftungszeit nur Vorschüsse gezahlt würden, weshalb § 9 Abs 3 HVertrG nicht anzuwenden sei. Die Nichtausführung von Verträgen vor Ablauf der Stornohaftungszeit führe zu einer gänzlichen oder aliquoten Rückzahlungspflicht hinsichtlich der bevorschussten Provisionen. Die Klägerin habe die anspruchsbegründenden Tatsachen ausreichend dargelegt und auch bewiesen. Im Anlassfall hätte der Beklagte nachweisen müssen, dass die Stornierungen nach Ablauf der Stornohaftungszeiten erfolgt seien. Die ordentliche Revision sei mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten, die auf eine gänzliche Klagsabweisung abzielt.
Mit ihrer ‑ vom Obersten Gerichtshof freigestellten ‑ Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil die Vorinstanzen den Regelungsgehalt der einseitig zwingenden Bestimmung des § 9 Abs 2 HVertrG zum Zeitpunkt des Entstehens des Provisionsanspruchs verkannt und die einseitig zwingende Beweislastregel des § 9 Abs 3 HVertrG nicht angewendet haben. Die Revision des Beklagten ist auch berechtigt.
1.1 Mit der Rückforderung von Provisionszahlungen während der Stornohaftungszeit durch die (hier) Klägerin (auch durch Ausgleichen des Negativsaldos auf dem Verrechnungskonto unter Heranziehung der Stornoreserve) hat sich der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 8 ObA 20/11s befasst. Zu der ‑ auch auf den selbständigen Subvertreter anzuwendenden (1 Ob 204/07t; vgl auch RIS‑Justiz RS0116867) und hier maßgebenden ‑ Bestimmung des § 9 Abs 3 HVertrG wurde in dieser Entscheidung ausgeführt:
„Nach dieser Bestimmung entfällt der Anspruch auf Provision, wenn und soweit feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten (Kunden) und dem Unternehmer nicht ausgeführt wird und dies nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind. Für den Fall, dass die Nichtausführung des Vertrags auf einen Zahlungsverzug des Dritten zurückzuführen ist, bestimmt Satz 2 leg cit, dass der Unternehmer nachzuweisen hat, alle zumutbaren Schritten unternommen zu haben, um den Dritten zur Leistung zu veranlassen. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist geklärt, dass die Behauptungslast dafür, warum es zur Nichtausführung des vermittelten Geschäfts bzw zur Vertragsauflösung (Stornierung) gekommen ist, allgemein nicht den Vertreter, sondern den Unternehmer trifft, weil der Vertreter keinen Einblick in die Sphäre des Unternehmers hat, der im Einzelfall die Vertragsauflösung entweder selbst erklärt oder eine vom Kunden gewünschte Auflösung akzeptiert hat (1 Ob 204/07t). Der Entfall einer bereits entstandenen Provision bzw deren Rückforderung durch den Unternehmer ist nach § 9 Abs 3 HVertrG somit nur dann berechtigt, wenn die Nichtausführung des Geschäfts (zB Zahlungsverzug des Kunden; Stornogrund) nicht der Sphäre des Unternehmers zuzurechnen ist. Beim echten Untervertreterverhältnis ist die Annahme gerechtfertigt, dass „Unternehmer“ im Verhältnis zum echten Untervertreter nicht der Hauptvertreter, sondern der Vertragspartner des Hauptvertreters [Produktgesellschaft] ist, weil die 'Nichtausführung' an die Nichterbringung der Leistung durch den Kunden anknüpft. Der entstandene Provisionsanspruch des Untervertreters entfällt daher dann bzw ist dann rückforderbar, wenn die Nichtausführung des Geschäfts nicht dem Vertragspartner des Hauptvertreters [Produktgesellschaft] zurechenbar ist (Nocker, Kommentar zum HVertrG § 9 Rz 47 mit Hinweis auf die Entscheidung des BGH zu VIII ZR 31/07).
Im Fall der Nichtausführung des Geschäfts hat der Handelsvertreter bei Geltendmachung der entstandenen Provision nachzuweisen, dass der Provisionsanspruch bereits entstanden ist (Petsche/Petsche‑Demmel, HVertrG § 9 Rz 40). Dass die Umstände für die Nichtausführung des Geschäfts, also der Zahlungsverzug des Kunden bzw die Auflösungs- oder Stornogründe, nicht in seine Sphäre (bzw jene seiner Partnergesellschaft) fallen, hat der die Provision rückfordernde Unternehmer zu beweisen.
Eine Rückforderung der Provision beim Agenten kommt jedoch insoweit nicht in Betracht, als [A*****] ihrerseits die Provision aus dem entsprechenden Geschäft nicht an die Partnergesellschaft zurückgezahlt hat, weil [A*****] (Unternehmer) in diesem Fall bereichert wäre.
Diese Beweislastregel des § 9 Abs 3 HVertrG bezieht sich (nur) auf den Entfall bzw die Rückforderung entstandener (verdienter) Provisionen. Solange der Provisionsanspruch noch nicht entstanden ist, sind die Provisionsbuchungen [von A*****] als echte Vorschüsse zu qualifizieren. Da es sich in diesem Stadium nicht um die Rückforderung bereits verdienter Provisionen handelt, dürfen derartige Stornoreserven [nach Maßgabe der Vertragslage] zum kontokorrentmäßigen Ausgleich negativer Salden auf dem Provisionsverrechnungskonto herangezogen werden. Insoweit ist eine vereinbarte Gegenverrechnung im Stornofall zulässig.
Nach § 27 Abs 1 HVertrG sind unter anderem die Bestimmungen des § 9 Abs 2 und 3 leg cit zu Gunsten des Vertreters relativ zwingend und nicht abdingbar (1 Ob 204/07t).“
1.2 Aus der zitierten Vorentscheidung ergibt sich zu § 9 Abs 3 HVertrG somit, dass für die Rückforderbarkeit bereits entstandener Provisionen
‑ die nachträgliche Vertragsauflösung (Stornierung) einen Fall der (nachträglichen) Nichtausführung des vermittelten Geschäfts darstellt,
‑ auch eine teilweise Nichtausführung in Betracht kommt (arg: „wenn und soweit“) und daher auch eine teilweise Stornierung oder eine prämienrelevante Vertragsänderung (Prämienherabsetzung oder Prämienaussetzung) zu einem anteiligen Entfall der Provision führen kann,
‑ der Unternehmer (hier die Klägerin) nachweisen muss, dass die Gründe für die Stornierung bzw Vertragsänderung nach objektiven Gesichtspunkten (vgl Petsche/Petsche‑Demmel § 9 Rz 37) nicht in seine Sphäre bzw die Sphäre der Produktgesellschaft fallen,
‑ im Fall des Zahlungsverzugs des Kunden eine Rettungspflicht besteht (arg: „alle zumutbaren Schritte“) und
‑ der Unternehmer die entsprechende Provision seinerseits an seine Partnergesellschaft zurückgezahlt haben muss.
2.1 Zu der hier ebenfalls maßgebenden Bestimmung des § 9 Abs 2 HVertrG wurde in der Vorentscheidung 8 ObA 20/11s ausgesprochen, dass die Regelung, wonach der Anspruch des Agenten (Untervertreters) auf die Provision erst dann entsteht, wenn der Kunde die Leistung an die Produktgesellschaft erbracht und [A*****] von dieser die Provision zur Gänze erhalten hat, mit der in Rede stehenden Bestimmung im Einklang steht und daher gesetzeskonform ist (vgl Nocker § 9 Rz 48 und 57; Petsche/Petsche‑Demmel § 9 Rz 47; auch 1 Ob 204/07t).
2.2 Im Anlassfall setzt das Entstehen des Vergütungsanspruchs (Provisionsanspruchs) nach der Vertragslage (also nach der Vergütungsordnung) neben der Zahlung der Provision durch die Produktgesellschaft an die Klägerin auch den Ablauf der Stornohaftungszeit voraus. Die Klägerin steht dazu auf dem Standpunkt, dass vor Ablauf der Stornohaftungszeit die Provisionen nur bevorschusst würden, weshalb § 9 Abs 3 HVertrG nicht anwendbar sei und die Vorschüsse nach Maßgabe der Vergütungsordnung zulässigerweise gegenverrechnet werden könnten.
Dieser Standpunkt der Klägerin steht allerdings mit § 9 Abs 2 HVertrG in Konflikt.
2.3 Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs 2 HVertrG entsteht der (unbedingte: Petsche/Petsche‑Demmel § 9 Rz 28) Provisionsanspruch einseitig zwingend spätestens mit Ausführung des (abgeschlossenen) Geschäfts, also mit Erbringung der vertragsgemäßen Leistung, durch den Dritten (Kunden). Die Leistung des Dritten kann in einer Einmalzahlung, aber auch in (periodisch) wiederkehrenden Leistungen bestehen, wie dies etwa bei Versicherungsprämien, die zumeist jährlich, pro Quartal oder monatlich gezahlt werden, typisch ist. Wie bereits dargelegt, kommt jedenfalls nach § 9 Abs 3 HVertrG („wenn und soweit“) auch eine teilweise (Nicht‑)Ausführung des Geschäfts in Betracht. Bei (periodisch) wiederkehrenden Leistungen liegt ab der erstmaligen (Prämien‑)Zahlung durch den Kunden eine teilweise Ausführung des Geschäfts vor, was dazu führt, dass damit zumindest und jedenfalls (mehr muss hier nicht geklärt werden) der zeitlich anteilsmäßige Provisionsanspruch bereits entsteht.
Mit Bezug auf die Regelungen in der zugrunde liegenden Vergütungsordnung ergibt sich aus § 9 Abs 2 HVertrG, dass der Provisionsanspruch des Agenten (Subvertreters) mit der Zahlung der Provision aus dem ausgeführten Geschäft oder, bei wiederkehrenden Kundenleistungen, jedenfalls zeitlich anteilsmäßig mit der Zahlung der Provision aus der jeweiligen (Prämien‑)Zahlung des Kunden durch die Partnergesellschaft an die Klägerin entsteht (siehe dazu 8 ObA 20/11s). Die darüber hinausgehende Vertragsbestimmung, die den Anspruch zusätzlich vom Ablauf der Stornohaftungszeit abhängig macht, verstößt gegen § 9 Abs 2 HVertrG und ist damit unwirksam.
Dieses Ergebnis steht mit der Wertung im Einklang, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit § 9 HVertrG grundsätzlich davon ausgeht, dass die Vergütung (Provision des Handelsvertreters) in einem Zusammenhang mit dem dem Unternehmer zugekommenen Vorteil aus der Tätigkeit des Handelsvertreters steht. Grundsätzlich soll dessen verdienstliche Tätigkeit nach deren Erbringung vergütet werden (vgl 9 ObA 107/10s). Die Erbringung der Tätigkeit ist im Allgemeinen an den Geschäftsabschluss und hier im Besonderen (nach Maßgabe der Vergütungsordnung) an die Provisionszahlung durch die Produktgesellschaft an den Hauptvertreter (bzw Vermittler) zu knüpfen.
2.4 Angemerkt wird, dass eine Beurteilung nach § 26b Abs 2 HVertrG für den Versicherungsvertreter zu keinem anderen Ergebnis führt.
Diese (relativ zwingende) Sonderbestimmung ist dem § 30 Abs 2 MaklerG nachgebildet und soll das Entstehen des Provisionsanspruchs im Verhältnis zu § 9 HVertrG einfacher regeln (RV 1427 BlgNR XXII GP 12; vgl auch Petsche/Petsche‑Demmel § 26b Rz 1 f). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entsteht der Provisionsanspruch nach § 30 Abs 2 MaklerG im Allgemeinen mit der Rechtswirksamkeit des vermittelten Geschäfts. Er ist zwar grundsätzlich vom Eingang der geschuldeten Prämie abhängig und insofern mit der Zahlung der Prämie bedingt, gebührt aber auch dann, wenn die Prämie zu zahlen wäre, hätte der Versicherer seine Verpflichtungen erfüllt. Der Provisionsanspruch entfällt, insoweit der Versicherer gerechtfertigte Gründe für eine Beendigung des Versicherungsvertrags oder eine betragsmäßige Herabsetzung der Versicherungsprämie hat. Zur einvernehmlichen Auflösung wird vertreten, dass der Provisionsanspruch trotz fehlender Ausführung des Geschäfts bestehen bleibt, wenn der Auftraggeber die Gründe, die zur einvernehmlichen Auflösung geführt haben, zu vertreten hat. Allfällige rechtfertigende Gründe ‑ etwa auch aus der Sphäre des Versicherers ‑ wären vom Versicherer zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0063080). Sind diese Gründe nicht vorhanden, kann sich der Versicherer zwar seiner Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag durch dessen einvernehmliche Beendigung entledigen; die Provisionsansprüche des Maklers bleiben aber grundsätzlich weiter bestehen (RIS‑Justiz RS0028932; 8 Ob 81/09h; vgl auch 8 Ob 64/12p und 9 ObA 126/13i).
Das Abstellen auf gerechtfertigte Gründe entspricht einer Sphärenzuordnung und ist insofern mit der Beweislastregel des § 9 Abs 3 HVertrG vergleichbar.
2.5 Auf die Bestimmung des § 176 Abs 6 VersVG zu kapitalbildenden (fondsgebundenen) Lebensversicherungen hat sich die Klägerin im bisherigen Verfahren nicht berufen. § 176 VersVG betrifft in erster Linie die Ermittlung des Rückkaufwerts. Nach Abs 5 leg cit darf (bis zur Vertragsdauer von fünf Jahren) bei der Berechnung des Rückkaufwerts nur ein von der Dauer der tatsächlichen Laufzeit abhängiger Anteil an den einmaligen Abschlusskosten (Verwaltungs‑ und Vertriebskosten) berücksichtigt (abgezogen) werden. Nach Abs 6 leg cit steht einem Vermittler in den in Abs 5 geregelten Fällen nur eine anteilige Provision zu. Für die Versicherungsvermittler soll damit nicht nur der Vertragsabschluss relevant sein; dadurch sollen Fehlberatungen vermieden werden. Die Rückzahlungspflicht nach Abs 6 betrifft dann, wenn der Versicherungsvermittler die Provision vom Versicherungsunternehmen bezahlt erhält, nur das (Provisions‑)Verhältnis zwischen diesen beiden Unternehmen ( Grubmann , VersVG 7 § 176 Anm 10). Über das Entstehen des Provisionsanspruchs eines Versicherungsvertreters (Subvertreters) sagt diese Bestimmung nichts aus.
3.1 Für die Beurteilung der von der Klägerin geltend gemachten Rückforderungsansprüche ist somit zu unterscheiden, ob der den Provisionszahlungen zugrunde liegende Provisionsanspruch des Agenten bereits entstanden ist oder nicht.
Ist der Provisionsanspruch noch nicht entstanden, so richtet sich die Rückforderbarkeit nach der Vertragslage; auf die Voraussetzungen des § 9 Abs 3 HVertrG kommt es nicht an. Ist der Provisionsanspruch hingegen bereits entstanden, so müssen die Voraussetzungen der einseitig zwingenden Bestimmung des § 9 Abs 3 HVertrG eingehalten sein.
3.2 Für die Behauptungs‑ und Beweislast ergeben sich daraus die im Folgenden angeführten Konsequenzen. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von jenem, der der Entscheidung 8 ObA 20/11s zugrunde liegt, darin grundlegend unterscheidet, dass nicht der Agent seine Provisionsansprüche geltend macht, sondern der Unternehmer (Hauptvertreter bzw Vermittler) Rückforderungsansprüche erhebt. Nach den allgemeinen Regeln hat der Kläger die anspruchsbegründenden Tatsachen und der Beklagte demgegenüber die rechtsvernichtenden, rechtshemmenden oder rechtsverhindernden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0037797; RS0039939; RS0039936).
Daraus folgt, dass im Anlassfall nicht der Agent zu behaupten und zu beweisen hat, dass der Provisionsanspruch bereits entstanden ist. Vielmehr hat die Klägerin die Umstände für die Rückforderbarkeit der Provisionszahlungen, also die Voraussetzungen für den Entfall des Provisionsanspruchs darzulegen.
3.3 Konkret hat die Klägerin im Anlassfall daher zunächst darzulegen,
‑ in welchen konkreten Geschäftsfällen (Rückforderungsfällen) der Provisionsanspruch des Agenten noch nicht entstanden ist (dazu zählen die Nichteinlösung und die anfängliche Nichtausführung von Verträgen, zudem [höchstens] auch die noch nicht liquidierten Zeitperioden bei wiederkehrenden Kundenleistungen; dabei handelt es sich um Vorschussfälle)
‑ und welche Geschäftsfälle sich auf bereits entstandene Provisionen beziehen (dies sind Stornofälle und nachträgliche prämienrelevante Vertragsänderungen mit Prämienherabsetzung oder Prämienaussetzung).
In Bezug auf die zweite Kategorie muss die Klägerin darlegen,
‑ wann die Stornierung oder die Vertragsänderung zu den einzelnen Geschäftsfällen erfolgt ist (dies ist für die Aliquotierung der Rückforderung laut Vergütungsordnung nach Maßgabe der restlichen Stornohaftungszeit von Bedeutung),
‑ in welchem betraglichen Ausmaß und in welchem Verhältnis zur gezahlten Provision die Partnergesellschaft die Provision der Klägerin gekürzt hat (dies ist zur Festlegung der Stornoquote von Bedeutung),
‑ ob die Klägerin die Provision in diesem Umfang tatsächlich an die Partnergesellschaft zurückgezahlt hat,
‑ welche Provision der Agent aus dem jeweiligen Geschäftsfall erhalten hat,
‑ welcher Rückforderungsbetrag sich aus der Stornoquote gegenüber dem Agenten ergibt, sowie
‑ dass die Gründe für die Stornierung oder Vertragsänderung nicht ihrer Sphäre (hier der Sphäre der Produktgesellschaft) zuzurechnen sind, also der Grund nicht von der Produktgesellschaft ausgegangen bzw nicht von dieser zu vertreten ist oder die Produktgesellschaft einen gerechtfertigten Grund hatte (vgl Petsche/Petsche‑Demmel § 9 Rz 39), und
‑ bei Zahlungsverzug des Kunden, dass sie (hier die Produktgesellschaft) alle zumutbaren Schritte unternommen hat, um den Kunden zur Leistung zu veranlassen.
Zu den Stornogründen ist darauf hinzuweisen, dass auch eine Kündigung bzw Stornierung durch den Kunden auf das Verhalten der Produktgesellschaft zurückzuführen sein kann. In dieser Hinsicht ist nicht maßgebend, wer die Auflösungs- oder Änderungserklärung abgegeben hat, sondern warum diese abgegeben wurde, konkret ob dies von der Produktgesellschaft veranlasst wurde.
4.1 Die von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen tragen die von der Klägerin geltend gemachten Rückforderungsansprüche nicht. Im Konkreten hat das Erstgericht im Wesentlichen nur die Buchungen in den Monatsabrechnungen und auf dem Verrechnungskonto des Beklagten festgestellt und in der Beweiswürdigung dazu festgehalten, dass die Monatsabrechnungen nachvollziehbar und darin keine Fehler oder Ungereimtheiten ersichtlich seien.
4.2 Sekundäre Feststellungsmängel kommen nur im Rahmen des Tatsachenvorbringens der jeweiligen Partei in Betracht. Dementsprechend kann das Urteil einer Vorinstanz nicht zum Zweck aufgehoben werden, dass Feststellungen nachgeholt werden, die über das Parteivorbringen hinausgehen (RIS‑Justiz RS0040308; vgl auch RS0042444).
Das Vorbringen der Klägerin enthält im Hinblick auf die dargestellten Anforderungen an die Behauptungs‑ und Beweislast keine ausreichend detaillierte Darstellung zu den einzelnen zugrunde liegenden Geschäftsfällen. Dies gilt nicht nur für die „Stornofälle“, sondern ebenso für die Nichteinlösungsfälle, weil dazu nicht vorgebracht wurde, welche konkreten Vorschüsse der Beklagte für die einzelnen nicht eingelösten Geschäftsfälle erhalten hat bzw auf welche Konten diese Vorschüsse gebucht wurden. Zu den Geschäftsfällen mit wiederkehrenden Leistungen der Kunden hat die Klägerin nicht dargelegt, welche konkreten Provisionszahlungen an den Beklagten sich auf prämienmäßig noch nicht liquidierte Zeitperioden beziehen.
Das Klagebegehren erweist sich damit insgesamt als unschlüssig.
4.3 Es entspricht der Rechtsprechung, dass das Gericht eine Partei nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen darf, die sie nicht bedacht hat (vgl RIS‑Justiz RS0037300); dies gilt auch im Fall der Unschlüssigkeit des Klagebegehrens. Dieser Grundsatz wird aus den §§ 182, 182a ZPO abgeleitet (RIS‑Justiz RS0108816). Nach diesen Bestimmungen ist das Gericht allerdings nicht zur Erörterung eines Vorbringens gezwungen, dessen Schwächen bzw Ergänzungsbedürftigkeit bereits der Prozessgegner aufgezeigt hat. Angesichts solcher Einwendungen des Gegners hat die betroffene Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen (RIS‑Justiz RS0122365).
Im Anlassfall hat der Beklagte ausdrücklich auf das Entstehen seiner Provisionsansprüche nach § 9 Abs 2 HVertrG sowie auf die Beweislastregel des § 9 Abs 3 HVertrG hingewiesen und dazu ausgeführt, welche Umstände von der Klägerin zu behaupten und zu beweisen sind. Dazu hat er etwa vorgebracht, die Klägerin habe zu behaupten und zu beweisen, dass bestimmte (die einzelnen) Verträge zwischen Kunden und den Partnergesellschaften nicht ausgeführt worden seien und dies auf nicht von der Klägerin zu vertretenden Umständen beruhe. Demgegenüber gehe aus dem Vorbringen der Klägerin nicht hervor, wann die einzelnen Vertragsstornierungen erfolgt seien und von welcher Seite oder aus welchem Grund dies geschehen sei.
Damit hat der Beklagte die Schwächen und die Ergänzungsbedürftigkeit des Vorbringens der Klägerin deutlich und umfassend aufgezeigt. Angesichts dieser Einwendungen hätte die Klägerin ihr Vorbringen im Hinblick auf die Behauptungslast überprüfen müssen. Diese hat allerdings auf ihren Standpunkt beharrt, der Beklagte sei dafür behauptungs‑ und beweispflichtig, dass die von ihr angeführten Stornierungen außerhalb des Stornohaftungszeitraums erfolgt seien, sodass der Provisionsanspruch gemäß der Vergütungsordnung bereits entstanden und nicht lediglich ein Vorschuss gezahlt worden sei (ON 8, S 3).
Demnach kann das Unschlüssigkeitsurteil für die Klägerin keine Überraschungsentscheidung darstellen. Aus diesem Grund war von einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen abzusehen und das Klagebegehren sogleich abzuweisen.
5.1 Zusammenfassend ergibt sich:
Nach der einseitig zwingenden Bestimmung des § 9 Abs 2 HVertrG entsteht der Provisionsanspruch des Handelsvertreters spätestens mit Ausführung des Geschäfts, also mit Erbringung der vertragsgemäßen Leistung, durch den Kunden. Bei (periodisch) wiederkehrenden Kundenleistungen entsteht der Provisionsanspruch ab der erstmaligen (Prämien‑)Zahlung jedenfalls zeitlich anteilsmäßig im Verhältnis zum liquidierten Prämienzeitraum. Bei Tätigwerden eines selbständigen Subvertreters entsteht dessen Provisionsanspruch dementsprechend mit der Zahlung der Provision aus dem ausgeführten Geschäft oder bei wiederkehrenden Kundenleistungen jedenfalls zeitlich anteilsmäßig mit der Zahlung der Provision aus der jeweiligen (Prämien‑)Zahlung des Kunden durch die Produktgesellschaft an den Hauptvertreter (bzw Vermittler). Darüber hinausgehende vertragliche Bedingungen für das Entstehen des Provisionsanspruchs sind unwirksam. Ist der Provisionsanspruch bereits entstanden, so ist für die Frage des Entfalls bzw für die Rückforderbarkeit ‑ außer es besteht eine Sonderregelung ‑ die einseitig zwingende Beweislastregel des § 9 Abs 3 HVertrG maßgebend. Danach hat in jedem Fall der Unternehmer (Hauptvertreter bzw Vermittler) zu behaupten und zu beweisen, dass die Gründe für die nachträgliche Nichtausführung des Geschäfts (Stornierung bzw Vertragsänderung) nach objektiven Gesichtspunkten nicht in seine Sphäre bzw die Sphäre der Produktgesellschaft fallen.
5.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof somit nicht Stand. In Stattgebung der Revision war das angefochtene Urteil im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG. Da die Beklagtenvertreter ihren Kanzleisitz auch in Wien haben, gebührt für die mündlichen Streitverhandlungen nur der einfache Einheitssatz. Das gesonderte Zeugenanbot vom 11. 11. 2011 war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig, weil dieses bereits mit Schriftsatz vom 1. 11. 2011 hätte erstattet werden können (siehe dazu die Einwendungen in ON 19).
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