OGH 1Ob204/07t

OGH1Ob204/07t29.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei p***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Johannes Neumayer und Mag. Ulrich Walter, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Alexander K*****, vertreten durch Dr. Michael Brunner und Dr. Elmar Reinitzer, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 10.196,46 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Mai 2007, GZ 4 R 56/07w-25, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 12. Jänner 2007, GZ 31 Cg 217/04b-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Beklagte war als selbstständiger Versicherungsagent für eine GmbH tätig, die ihrerseits Versicherungsverträge an Versicherungsunternehmen vermittelte. Dem Rechtsverhältnis der Vertragsparteien lag eine schriftliche Vereinbarung zugrunde, in der der Beklagte als „GP" (Geschäftspartner) bezeichnet wird, und die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

„3.1. Der GP erhält Provision ... minus Stornoreserveeinbehalt ...

mit Zustandekommen des Vertrages zwischen Kunden und

Partnerunternehmen und Zahlung der Provision durch dieses an [die

GmbH] im zweitfolgenden Abrechnungsmonat.

3.2. ... Zeitraum der Stornohaftung, innerhalb dessen bei jeglicher

Vertragsauflösung/-minderung der Provisionsanspruch entfällt und vom

GP zurückzubezahlen ist ... Nach Ablauf dieses Zeitraumes (idR bzw im

Zweifel 24 Monate) erhält der GP die Stornoreserve bei aufrechtem vermitteltem Vertrag, bei Auflösung/Beendigung dieses Vermittlervertrages mit Austritt aller vom GP vermittelter Verträge aus der Stornohaftung minus der Provision aus allfälligen Stornierungsrückbuchungen ...

3.4. [wohl richtig 3.5.] Provisionsabrechnung: Der GP ist berechtigt zur

a) monatlichen Provisionsabrechnung durch [die GmbH] über alle eingereichten und vom Partnerunternehmen verprovisionierten Anträge. Diese Abrechnung gilt bei Nichtbeeinspruchung binnen 4 Wochen als vom GP anerkannt. ..."

Nachdem über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet worden war, übertrug die Masseverwalterin im Wege eines Kaufvertrags alle Ansprüche der GmbH auf Rückforderung von Provisionszahlungen gegen den Beklagten auf die Klägerin, der auch sämtliche Unterlagen überlassen wurden.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten EUR 10.196,46 sowie Mahnkosten von EUR 849,43, jeweils samt Zinsen, und brachte dazu im Wesentlichen vor, der Beklagte sei vertraglich zur Rückzahlung bereits erhaltener Provisionen verpflichtet, wenn ein vermittelter Vertrag von Kunden storniert werde. Vereinbarungsgemäß entfalle der Provisionsanspruch bei Vertragsauflösung durch den Kunden innerhalb der Stornohaftzeit, womit der Beklagte verpflichtet sei, eine bereits akontierte Provision zurückzuzahlen. Dem Beklagten seien auch monatlich entsprechende Provisionskontoauszüge übermittelt worden, welche er anerkannt habe. Das Stornoprovisionskonto des Beklagten weise einen Negativsaldo in Höhe von EUR 10.196,46 auf; EUR 849,43 seien an Inkassospesen angefallen.

Der Beklagte wandte dagegen unter anderem ein, er sei nicht verpflichtet, erhaltene Provisionen zurückzuzahlen. Selbst wenn es zu Stornierungen gekommen sein sollte, sei der Geschäftsherr verpflichtet, die Rechtmäßigkeit solcher Stornierungen zu überprüfen und gegebenenfalls auf Zuhaltung des Vertrags zu klagen. Die Klägerin werde unter anderem Vorbringen zu erstatten haben, warum Stornierungen erfolgt seien sowie welche Schritte zur Aufrechterhaltung der Vertragsverhältnisse unternommen worden seien. Er habe auch keine Abrechnungen anerkannt. Nachdem die Klägerin ihr Vorbringen durch Einbringung eines Schriftsatzes ergänzt hatte, wandte der Beklagte neuerlich die mangelnde Schlüssigkeit des Klagebegehrens ein. Den Ausführungen lasse sich nicht entnehmen, wann und von wem die von ihm vermittelten Verträge tatsächlich storniert worden sein sollten; ebenso fehle Vorbringen dazu, wann von Vertragsparteien (Versicherungsunternehmen) Stornoprämien an die GmbH verrechnet worden sein sollten und welche Zahlungen von der GmbH an den Beklagten wann und auf Grund welcher Provisionsfälle geleistet worden seien. Zu diesem wesentlichen Punkt enthalte das umfangreiche Vorbringen der Klägerin keinerlei konkrete Ausführungen. Allfällige Stornierungen wären jedenfalls dem Beklagten nicht zuzurechnen. Jene Vertragsbestimmungen, auf die sich die Klägerin berufe, seien sittenwidrig und gröblich benachteiligend, zumal sie nicht nur das gesamte unternehmerische Risiko auf den jeweiligen Geschäftspartner verlagerten, sondern es darüber hinaus auch ins Belieben der GmbH bzw des Versicherungsunternehmens stellten, ob Anträge nachträglich storniert und Provisionszahlungen rückgängig gemacht werden sollten. Nachdem das Erstgericht der Klägerin aufgetragen hatte, das Klagebegehren aufzuschlüsseln und Urkunden vorzulegen, die den Vertragsabschluss sowie die Stornierung und die Rückprovisionierung nachweisen, brachte die Klägerin in einem Schriftsatz (ON 11) vor, sie sei zwar in der Lage, zu jedem vom Beklagten bzw dessen Team vermittelten Kunden sämtliche Urkunden nachzuweisen, doch handle es sich um insgesamt 149 Kundenakten, die aus jeweils ca 15 bis 25 Seiten bestünden. Es sei daher der Klägerin auf Grund des erheblichen Umfangs dieser Urkunden - nur weil der Beklagte „ins Blaue hinein" bestreite - nicht möglich und nicht zumutbar, Urkundenabschriften anfertigen zu lassen, um diese sodann vorzulegen. Die Klägerin biete daher dem Beklagten unter Hinweis auf § 77 Abs 2 ZPO an, in bestimmten Büroräumlichkeiten in die Urkundenkonvolute Einsicht zu gewähren bzw diese auf Verlangen des Beklagten dem Gericht vorzulegen. „Als Zeichen ihres guten Willens" würden drei Kundenakten in Kopie vorgelegt, die zwei vom Beklagten vermittelte Versicherungsnehmer beträfen. Dem gerichtlichen Auftrag zur Aufschlüsselung ihres Vorbringens unter Angabe der einzelnen Geschäftsfälle kam die Klägerin nur zum Teil nach. Ihre Aufstellung über eine Vielzahl von vermittelten Verträgen enthält Angaben über den Namen des Kunden, das „Produkt", das Abrechnungsdatum, den gutgebuchten Provisionsbetrag sowie eine allfällige (gebuchte) „Stornoprovision". Hingegen ist insbesondere nicht zu erkennen, warum es zu einer „Stornierung" der jeweils angeführten Verträge gekommen sein soll. Dazu brachte die Klägerin lediglich pauschal vor, die rund um den Beklagten vermittelten Versicherungsverträge seien „wohl" zum größten Teil deshalb in den Storno gegangen, weil es sich dabei um sogenannte „Luft- und Kelleranträge" gehandelt habe. Angesichts der extrem hohen Stornoquoten sei im Zusammenhang mit den bei einigen Vertriebspartnern der GmbH eingerichteten (richtig wohl: eingereichten) Versicherungsanträgen schon von „Betrugsverdacht" die Rede gewesen. Der Beklagte habe ohne jedwede Prüfung eine Unzahl von Kundenanträgen bei der GmbH eingereicht, um „Provisionsakontis" zu erhalten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Es stellte fest, die vom Beklagten und seinem „Team" ins Verdienen gebrachten Provisionen seien ordnungsgemäß abgerechnet und dem Beklagten überwiesen worden. Ihm seien auch monatliche Abrechnungen übermittelt worden, gegen die er nicht Einspruch erhoben habe. Am 25. 10. 2002 habe das Provisionskonto des Beklagten ein Minus von EUR 10.196,46 ausgewiesen. Den Abrechnungen seien Kundenstornos von vom Team des Beklagten vermittelten Verträgen zugrunde gelegen. Die der Abrechnung zugrunde liegenden (stornierten) Verträge schienen damit zu Recht in der Abrechnung ./B auf. Da das Beweisverfahren ergeben habe, dass die Abrechnung richtig sei und die Forderungen rechtswirksam an die Klägerin zediert worden seien, sei das Klagebegehren, das durch den Schriftsatz ON 11 schlüssig gestellt worden sei, berechtigt; konkrete Einwände zu den in diesem Schriftsatz angeführten Versicherungsverträgen habe der Beklagte nicht erstattet.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer vollständigen Klageabweisung ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Bei der erstgerichtlichen Feststellung, die vom Beklagten und seinem Team ins Verdienen gebrachten Provisionen seien ordnungsgemäß abgerechnet worden, handle es sich bei der von der Berufung bekämpften Facette „ordnungsgemäß" um keine taugliche Tatsachenfeststellung, sondern bereits um die rechtliche Würdigung. Der weiteren Feststellung, wonach dem Beklagten auch monatliche Abrechnungen übermittelt worden seien, gegen die er nicht Einspruch erhoben habe, fehle schon jegliche Präzisierung, zu welchen Zeitpunkten welche Abrechnungen welchen Inhalts damit gemeint seien, sowie ob sie dem Beklagten zugegangen seien. Letztlich sei der Einwand des Beklagten, die Klageforderung sei bis zuletzt unschlüssig geblieben, berechtigt.

Auf das Rechtsverhältnis zwischen der GmbH und dem Kläger sei das HVertrG anzuwenden. Der Oberste Gerichtshof habe jüngst dessen analoge Anwendung auch auf Rechtsverhältnisse der gegenständlichen Art bejaht, nämlich bei Agieren eines (selbstständigen) Vermittlers für einen anderen Versicherungsvermittler. Für die primär relevanten Aspekte des Entfalls des Provisionsanspruchs des Beklagten und eines daraus resultierenden Rückforderungsanspruchs sei daher § 9 Abs 3 HVertrG maßgeblich, welche Bestimmung gemäß § 27 HVertrG (einseitig) zwingend sei, somit durch Vertrag zum Nachteil des Handelsvertreters weder aufgehoben noch beschränkt werden könne. Der Zeitpunkt des Entstehens des Provisionsanspruchs des Beklagten sei in Punkt 3.1 des schriftlichen Vertrags geregelt. Aus der Vereinbarung eines Stornoreserveeinbehalts ergebe sich, dass der Provisionsanspruch nur für diesen Teil erst nach Ablauf der Stornohaftzeit zustehe, wogegen der Anspruch auf den Rest der vereinbarten Provision (80 %) „mit Zustandekommen des Vertrags zwischen Kunden und Partnerunternehmen und Zahlung der Provision durch dieses" an die GmbH im zweitfolgenden Abrechnungsmonat entstehe. In diesem Umfang entstehe der Provisionsanspruch somit nicht erst nach Ablauf der Stornohaftzeit, sondern - nach Maßgabe der weiteren Kriterien - sogleich. Insoweit handle es sich entgegen der Diktion der Klägerin demnach auch um keine Vorschüsse („Akonti"). Beruhten die Provisionszahlungen der Beklagten (richtig: der GmbH) von 80 % der Gesamtprovision demnach auf in dieser Höhe bereits entstandenen Provisionsansprüchen des Beklagten, liege es grundsätzlich an der Klägerin, ein den Rückforderungsanspruch begründendes Vorbringen dahin zu erstatten, dass der zunächst entstandene Provisionsanspruch nachträglich wieder weggefallen sei. Nach § 9 Abs 3 HVertrG entfalle der Provisionsanspruch (wieder), wenn und soweit feststehe, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Unternehmer nicht ausgeführt werde, und dies nicht auf Umständen beruhe, die vom Unternehmer zu vertreten sind. Bei Zahlungsverzug des Dritten habe der Unternehmer nachzuweisen, alle zumutbaren Schritte unternommen zu haben, um den Dritten zur Leistung zu veranlassen. Die Klägerin habe nun das ihr obliegende anspruchsbegründende Vorbringen auf den Umstand der Stornierung der Versicherungsverträge innerhalb der Stornohaftzeit schlechthin beschränkt und zur weiteren Voraussetzung für den Entfall des Provisionsanspruchs, nämlich dass es sich um nicht vom Unternehmer zu vertretende Umstände handle bzw bei Zahlungsverzug entsprechende Schritte unternommen worden seien, nichts vorgebracht. Die vertragliche Regelung in Punkt 3.2, wonach der Provisionsanspruch uneingeschränkt bei jeglicher Vertragsauflösung entfalle, sei insoweit unwirksam, als sie für den Beklagten im Vergleich zur zwingenden gesetzlichen Regelung nachteilig sei. Das allein aus dem Umstand der Stornierungen abgeleitete Begehren auf Rückforderung nachträglich entfallener Provisionsansprüche gehe somit fehl. Der Beklagte habe wiederholt auf die Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens aus diesem Grunde hingewiesen.

Zum behaupteten Anerkenntnis fehle es schon an ausreichend konkreten Feststellungen, welche dem Beklagten wann zugegangene Abrechnung Grundlage eines das Klagebegehren stützenden (Saldo-)Anerkenntnisses sein solle. Im Übrigen führte die Annahme eines Saldoanerkenntnisses, das - als Wissenserklärung - zu einer Beweisverschiebung führte, zu keiner für die Klägerin günstigen Rechtsfolge, weil die Vereinbarung eines derartigen fingierten Anerkenntnisses eine Schlechterstellung des Vertreters gegenüber seiner ihm gemäß § 9 Abs 3 HVertrG zukommenden Rechtsposition wäre, welche eben im Voraus durch eine derartige Vertragsbestimmung zu seinem Nachteil nicht verändert werden könne.

Die Klageabweisung durch das Berufungsgericht wegen Unschlüssigkeit des Klagevorbringens stelle auch keine unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Der Klägerin habe als Käuferin einer Forderung, für die sowohl die Gewährleistung als auch eine Vertragsanfechtung wegen Irrtums über die Richtigkeit und Höhe der Forderung ausgeschlossen worden sei, die besondere Problematik dieser Forderungen bewusst sein müssen. Habe sie demnach die Forderungen um einen verhältnismäßig geringen Betrag erworben und habe überdies der Prozessgegner wiederholt auf das für den behaupteten Rückforderungsanspruch unzureichende Klagevorbringen hingewiesen, bestehe kein Grund für die Annahme, die Klägerin habe die Voraussetzungen des § 9 Abs 3 HVertrG im Sinne des § 182a ZPO erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten. Bei derartigen Verhältnissen könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er erachte die Klägerin als anleitungsbedürftig. Ihr sei daher auch nicht durch Urteilsaufhebung Gelegenheit zu umfänglichem ergänzendem Vorbringen zu bieten.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Behandlung von Stornoprovisionen gegenüber Versicherungsvertretern, welche nicht für den Versicherer selbst, sondern für einen Dritten mit strukturvertriebsartigen Elementen agierten, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin erweist sich als unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO abhängt.

Vorweg ist festzuhalten, dass die auf materiellrechtliche Normen

bezogene Argumentation des Berufungsgerichts ohne weiteres aus der

höchstgerichtlichen Judikatur ableitbar ist, sodass sich insoweit

eine erhebliche Rechtsfrage nicht stellt. Bei der Vertragsauslegung

ist dem Berufungsgericht keine erhebliche Fehlbeurteilung

unterlaufen, was ebenfalls Voraussetzung für das Vorliegen einer

erheblichen Rechtsfrage wäre (vgl nur RIS-Justiz RS0042936).

Dass die Bestimmungen des HVertrG 1993 auf selbstständige

Versicherungsvertreter (weiterhin) sinngemäß anzuwenden sind, hat der

Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen (8 ObA 56/02x = SZ

2002/122; RIS-Justiz RS0116867). Dies gilt auch, wenn ein

selbstständiger Versicherungsvertreter als „Subvertreter" für einen anderen Versicherungsvertreter tätig wird (SZ 2002/122; 9 ObA 81/02f). Damit gelten nicht nur die Bestimmungen des § 9 HVertrG für das vorliegende Vertragsverhältnis, vielmehr ist auch § 27 Abs 1 HVertrG zu beachten, nach dem unter anderem § 9 Abs 2 und Abs 3 zugunsten des Vertreters relativ zwingend sind und nicht abbedungen werden können. Damit hat das Berufungsgericht auch zu Recht nähere Feststellungen über den Zugang bzw den Inhalt der dem Beklagten übermittelten und unwidersprochen gebliebenen Abrechnungen für unerheblich gehalten, weil eben die Vertragsklausel über eine entsprechende Widerspruchspflicht des Vertreters, deren Verletzung zu einem (fingierten) deklaratorischen Anerkenntnis führen soll, insoweit unwirksam ist, als sie dessen Rechtsstellung benachteiligen würde, etwa durch eine gegenüber der gesetzlichen Regelung eintretende Beweislastverschiebung zu seinen Lasten. Zur Frage des Entstehens eines Provisionsanspruchs des Beklagten hat sich das Berufungsgericht auf die Vertragsbestimmung in Punkt 3.1 berufen, die vorsieht, dass der Vertreter Provision mit Zustandekommen des Vertrags zwischen Kunden und Partnerunternehmen und Zahlung der Provision durch dieses an die GmbH im zweitfolgenden Abrechnungsmonat „erhält". Die Beurteilung, mit dieser Vertragsbestimmung würden die Voraussetzungen und der Zeitpunkt des Entstehens des Provisionsanspruchs geregelt, stellt keinesfalls eine bedenkliche Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste. Soweit sich die Klägerin auf ein anderes Verständnis dieser Klausel beruft, ist sie darauf hinzuweisen, dass ein Vertrag dann primär nach seinem Wortlaut auszulegen ist, wenn ein vom übrigen Verständnis einer Vertragsbestimmung abweichender gemeinsamer Parteiwille nicht behauptet wird. Für die Interpretation des Berufungsgerichts spricht im Übrigen auch die Regelung über die „Provisionsabrechnung" (in Punkt 3.4; richtig wohl Punkt 3.5), die in lit a vorsieht, dass der Vertreter zur monatlichen Provisionsabrechnung durch die GmbH über alle „eingereichten und vom Partnerunternehmen verprovisionierten" Anträge berechtigt ist; in lit c findet sich die Klausel „Ansprüche auf Provisionen verjähren nach 12 Monaten". Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann die fragliche Verjährungsbestimmung nur so verstanden werden, dass die Verjährungsfrist ab jenem Zeitpunkt beginnen soll, zu dem der Vertreter (Geschäftspartner) berechtigt gewesen wäre, eine Provisionsabrechnung (und Auszahlung) zu verlangen. Dies stünde aber nun in einem unauflöslichen Widerspruch zur Auffassung der Klägerin, der jeweilige Geschäftspartner könne vorerst nur Akontozahlungen verlangen, wogegen die endgültige Begründung eines Provisionsanspruchs vom Ablauf des „Stornohaftungszeitraums" abhängig wäre. Dann könnten nämlich Provisionsansprüche bereits vor ihrem Entstehen verjähren, was den Vertragsparteien nicht als Ergebnis ihrer Willenseinigung unterstellt werden kann.

Nach § 9 Abs 3 HVertrG entfällt der Anspruch auf Provision, wenn und soweit feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten (hier: dem Versicherungskunden) und dem Unternehmer (hier: dem Versicherer) nicht ausgeführt wird, und dies nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind. Für den Fall, dass die Nichtausführung des Vertrags auf einen Zahlungsverzug des Dritten zurückzuführen ist, bestimmt Satz 2 ausdrücklich, dass der Unternehmer nachzuweisen hat, alle zumutbaren Schritte unternommen zu haben, um den Dritten zur Leistung zu veranlassen. Aber auch für den Fall einer Nichtausführung aus anderen Gründen kann die Behauptungslast dafür, warum es zur Nichtausführung bzw Vertragsauflösung („Stornierung") gekommen ist, keinesfalls den Vertreter treffen, der ja keinen Einblick in die Sphäre des Versicherers hat, der im Einzelfall die Vertragsauflösung entweder selbst erklärt oder eine vom Versicherungsnehmer gewünschte Auflösung akzeptiert hat. Wird bereits ausbezahlte Provision zurückverlangt, weil nach Auffassung des Zahlenden ein Fall des § 9 Abs 3 HVertrG vorliegt, trifft ihn selbstverständlich auch hier die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Vertreter für den betreffenden Geschäftsfall Zahlungen in bestimmter Höhe erhalten hat. Die Auffassung des Berufungsgerichts, im vorliegenden Verfahren habe die Klägerin ihrer Behauptungslast nicht entsprochen, begegnet keinen Bedenken. Die (rhetorische) Frage der Revisionswerberin, was hätte sie mehr an Vorbringen erstatten sollen, als die beklagte Partei hätte „Luft- und Kelleranträge" vermittelt, spricht für ein eklatantes Missverstehen der Behauptungslast im Zivilprozess. Die verwendeten Begriffe sind keineswegs allgemein gebräuchlich und daher unverständlich. Wenn die Revisionswerberin eine Erklärung nur in der Weise nachholen will, dass sie meint, sie habe damit Versicherungsanträge für nicht existente oder zumindest niemals aufgesuchte Personen gemeint, so ist dies schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil gerade aus den von der Klägerin beispielshaft „zum Zeichen ihres guten Willens" vorgelegten Unterlagen betreffend drei Geschäftsfälle erkennbar ist, dass die betroffenen Versicherungsnehmer sowohl existierten als auch von Angehörigen des Teams des Beklagten aufgesucht worden waren; auch das Erstgericht geht explizit von „Kundenstornos" aus. Aber auch zu diesen Geschäftsfällen hat die Klägerin - trotz entsprechenden Auftrags des Erstgerichts - die Erstattung konkreten Vorbringens unterlassen, das im Regelfall auch nicht durch Verweis auf vorgelegte Urkunden ersetzt werden kann. Dies kann im vorliegenden Fall auch nicht einmal ausnahmsweise erwogen werden, weil auch die vorgelegten Urkunden (./B und ./C) die - in die Behauptungslast der Klägerin fallenden - Angaben zum Stornierungsgrund nicht enthalten.

Soweit die Revisionswerberin letztlich vermeint, dem Berufungsgericht wäre eine Verletzung des Verbots der Überraschungsentscheidung vorzuwerfen und dieses hätte das Ersturteil aufzuheben und der Klägerin die Möglichkeit zur Vervollständigung ihres Vorbringens einzuräumen gehabt, ist ihr zweierlei entgegen zu halten. Zum einen hat der Rechtsmittelwerber, um den entsprechenden Rechtsmittelgrund gesetzmäßig auszuführen, die Relevanz eines behaupteten Verfahrensverstoßes darzutun, also darzulegen, welchen Verlauf das Verfahren genommen hätte, wenn der Fehler unterblieben wäre. Im Falle der mangelnden Schlüssigkeit wegen des Fehlens anspruchsbegründender Tatsachenbehauptungen hat der Rechtsmittelwerber somit darzulegen, welche konkreten Behauptungen er aufgestellt hätte, wenn ihm nach Erörterung Gelegenheit dazu geboten worden wäre. Die Erklärung der Revisionswerberin, sie hätte - im Berufungsverfahren - „entsprechende Feststellungsrügen" getroffen, erfüllt diese Erfordernisse in keiner Weise. Darüber hinaus ist auch der Vorwurf, das Berufungsgericht habe der Klägerin die Möglichkeit genommen, eine Stellungnahme abzugeben bzw richterlich gehört zu werden, angesichts des eingangs dieser Entscheidung dargestellten Verfahrensablaufs unrichtig, hat doch nicht nur der Beklagte wiederholt unter Hinweis auf die seiner Ansicht nach fehlenden Tatsachenbehauptungen die Unschlüssigkeit des Klagevorbringens eingewandt (vgl auch 8 Ob 135/06w), sondern auch das Erstgericht - erkennbar in Reaktion auf diese Einwendungen - nicht nur die Vorlage von Urkunden, sondern vor allem die Aufschlüsselung des Klagebegehrens aufgetragen. Wenn die Klägerin diesem Auftrag nun in den wesentlichen Punkten nicht entsprochen hat, kann sie nicht im Berufungs- oder Revisionsverfahren verlangen, dass ihr die versäumte Gelegenheit neuerlich geboten wird.

Der Revisionsgegner hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen. Da er darin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, war sein Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne des § 41 Abs 1 ZPO nicht erforderlich.

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