OGH 9ObA126/13i

OGH9ObA126/13i19.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Susanne Jonak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** E*****, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Fink ua, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 28.714,64 EUR brutto sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Juli 2013, GZ 7 Ra 19/13p‑17, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 12. Dezember 2012, GZ 35 Cga 160/12f‑13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie als Teilurteil zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 20.100,25 EUR brutto samt 8,38 % Zinsen seit 1. 1. 2012 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten."

Im Übrigen, also im Umfang von 8.614,39 EUR brutto samt 8,38 % Zinsen seit 1. 1. 2012 wird der angefochtene Aufhebungsbeschluss bestätigt. Die auf den bestätigenden Teil dieser Entscheidung entfallenden Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten vom 2. 4. 2008 bis zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses am 2. 3. 2011 als Angestellter im Außendienst beschäftigt.

Über das Vermögen der Beklagten wurde mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 4. 3. 2011 (*****) das Insolvenzverfahren (Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung) eingeleitet. Der Kläger meldete in diesem Verfahren ‑ neben einer unbedingten Insolvenzforderung ‑ einen Betrag von 18.641 EUR netto (das entspricht 21.183,08 EUR brutto) an Folgeprovisionen für den Zeitraum 1. 1. 2011 bis 2. 3. 2011 als bedingte Insolvenzforderung an. Seine Forderungen wurden vom Sanierungsverwalter anerkannt. Nach dem Sanierungsplan erhalten die Insolvenzgläubiger eine Quote von 30 %, zahlbar wie folgt: 10 % binnen einem Monat nach Annahme des Sanierungsplans, nicht jedoch vor dessen rechtskräftiger Bestätigung, 10 % bis 30. 7. 2012 und 10 % bis 15. 5. 2013. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 9. 7. 2011 wurde der am 31. 5. 2011 angenommene Sanierungsplan bestätigt. Am 13. 7. 2011 wurde der Konkurs über das Vermögen der Beklagten aufgehoben. Die Beklagte bezahlte die ersten beiden Raten „in Bezug auf die vom Kläger angemeldete Insolvenzforderung in Höhe von 18.641 EUR“.

Der Kläger macht mit der vorliegenden Klage weitere Provisionsansprüche von 28.714,64 EUR brutto geltend. Diese resultierten aus von ihm noch während aufrechten Dienstverhältnisses akquirierten Aufträgen, die die Beklagte mittlerweile abgewickelt habe und hinsichtlich derer die Zahlung durch die Kunden erfolgt sei. Da diese Provisionsansprüche erst mit Zahlung der Käufer entstanden seien, handle es sich um keine Insolvenzforderung, die nur im Ausmaß der Quote zu bedienen sei, sondern um eine Masseforderung. Neben einer ‑ laut Aufstellung der Beklagten ‑ aushaftenden und fälligen Provisionsforderung von 21.183,08 EUR, habe er auch Anspruch auf 5 % Provision für weitere von ihm vermittelte, von der Beklagten aber nicht erfasste, Aufträge von 150.631,21 EUR, daher 7.531,56 EUR.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass dem Kläger das Rechtsschutzinteresse an der vorliegenden Klage fehle, weil die Insolvenzforderungen des Klägers vom Sanierungsverwalter anerkannt worden seien. Jedenfalls habe der Kläger nur Anspruch im Ausmaß einer 30%igen Quote, weil er seine Provisionsansprüche aus Verträgen ableite, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen worden seien. Da noch nicht alle Kunden bezahlt hätten, sei von der bedingten Insolvenzforderung von 21.183,09 EUR brutto nur hinsichtlich eines Teilbetrags von 10.940,09 EUR brutto Fälligkeit eingetreten. Ihrer Verpflichtung zur Bezahlung der bisherigen (Stand 12. 12. 2012) Quote von 20 % sei die Beklagte nachgekommen. Die geltend gemachten Provisionsansprüche seien im Übrigen mit einem im Zuge der Auflösung des Dienstverhältnisses abgeschlossenen Vergleich bereinigt worden. Da der Kläger gegen das vereinbarte Konkurrenzverbot verstoßen habe, stünde ihr eine Kompensandoforderung von 18.000 EUR an Konventionalstrafe zu. Die Beklagte stellte auch einen Zwischenantrag auf Feststellung, dass die klagsgegenständlichen Provisionsforderungen Insolvenz-forderungen des Insolvenzverfahrens ***** des Landesgerichts Klagenfurt seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auch wenn der Anspruch auf Provision gemäß § 10 Abs 3 AngG mit dem Eingang der Zahlung des Kaufpreises beim Arbeitgeber fällig werde, sei die Forderung des Klägers bereits mit Abschluss der zugrunde liegenden und hier vor Insolvenzeröffnung vom Kläger vermittelten Verträge entstanden. Es handle sich daher um eine aufschiebend bedingte Forderung, die als Insolvenzforderung zu qualifizieren sei. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung aus dem Sanierungsplan gegenüber dem Kläger nachgekommen. Der Zwischenantrag auf Feststellung blieb unerledigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das Ersturteil auf. Ungeachtet des Umstands, dass der Kläger die Geschäfte vor Konkurseröffnung akquiriert habe, seien die gegenständlichen Provisionsansprüche zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht nur nicht fällig, sondern ‑ soweit die Zahlungen der Kunden erst nach Insolvenzeröffnung bei der Beklagten eingegangen seien ‑ auch noch nicht entstanden gewesen. Soweit die Provisionsansprüche aus Zahlungen von Kunden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens resultierten, seien sie als Masseforderung zu qualifizieren und daher von der Beklagten zur Gänze zu bezahlen. Zur abschließenden Beurteilung der Rechtssache fehlten aber noch konkrete Feststellungen zum Datum des Eingangs der von den Kunden geleisteten Zahlungen. Provisionen aufgrund von Zahlungseingängen bis zum 4. 3. 2011 seien als Insolvenzforderung zu qualifizieren und von der Beklagten nur mit der Quote ‑ soweit diese nicht ohnehin schon zur Gänze erfüllt sei ‑ zu bezahlen. Zahlungseingänge zu einem späteren Zeitpunkt bewirkten hingegen, dass die dann entstehenden Provisionsansprüche als Masseforderung zu qualifizieren seien und die Beklagte verpflichtet sei, diese zur Gänze zu bezahlen. Feststellungen fehlten auch zum behaupteten Vergleich und allenfalls zur eingewendeten Gegenforderung. Der Rekurs sei zulässig, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Qualifikation der Provisionsansprüche bei Verkaufsgeschäften vor Konkurseröffnung, wenn die Zahlungen der Kunden jedoch erst nach Konkurseröffnung eingingen, vorliege.

In ihrem dagegen gerichteten Rekurs beantragt die Beklagte die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung der klagsabweisenden Entscheidung des Erstgerichts.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

1. Vorauszuschicken ist, dass die Nichterledigung des von der Beklagten in erster Instanz gestellten Zwischenfeststellungsantrags im Ersturteil (§ 259 Abs 2 iVm § 236 Abs 1 ZPO) im Berufungsverfahren ungerügt geblieben ist, sodass dieser Teil des Anspruchs damit aus dem Verfahren ausgeschieden ist (10 Ob 2428/96y; 10 ObS 2333/96b; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² § 236 ZPO Rz 23).

2. Grundlage der vom Kläger geltend gemachten Provisionsansprüche sind von ihm noch während aufrechten Dienstverhältnisses vor Insolvenzeröffnung akquirierte, der Beklagten vermittelte Aufträge, hinsichtlich derer Zahlungen der Kunden ‑ unstrittig ‑ erst nach Insolvenzeröffnung bei der Beklagten einlangten. Die Frage, wann diese Provisionsansprüche entstanden sind, richtet sich nach § 10 Abs 3 AngG. Danach gilt mangels Vereinbarung bei Verkaufsgeschäften der Anspruch des Angestellten auf Provision als erworben, wenn eine Zahlung eingeht, und zwar nur nach dem Verhältnis des eingegangenen Betrags, bei anderen Geschäften mit dem Abschluss des Geschäfts. Die Abrechnung über die zu zahlenden Provisionen hat gemäß § 10 Abs 4 AngG mangels Vereinbarung mit Ende jedes Kalenderviertels zu erfolgen. Bei Verkaufsgeschäften ‑ solche bildeten unstrittig den Gegenstand der Tätigkeit des Klägers ‑ steht dem Angestellten daher der Anspruch auf Provision nicht schon mit der Vermittlung oder dem Abschluss des Geschäfts zu. Voraussetzung für den Provisionsanspruch ist vielmehr, dass das vermittelte oder abgeschlossene Geschäft vom Dritten, dem Geschäftspartner des Arbeitgebers, auch erfüllt wird, von ihm also eine Zahlung eingeht. Erst in diesem Zeitpunkt entsteht der Anspruch, und zwar in der Höhe, die dieser Zahlung entspricht. Voraussetzung für den Erwerb des Provisionsanspruchs bei Verkaufsgeschäften ist also der rechtsverbindliche Abschluss des Geschäfts, die unmittelbare oder gegebenenfalls mittelbare Mitwirkung des Angestellten, die Ausführung des Geschäfts und der Eingang der Zahlung (9 ObA 343/89; Preiss in ZellKomm² § 10 AngG Rz 33; Mair in Reissner, AngG § 10 Rz 24; Gerlach in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 10 Rz 62 ff). Die im § 10 Abs 4 AngG bezeichnete Abrechnung hat nicht den Erwerb des Provisionsanspruchs, sondern (arg „zu zahlende“) die bereits fälligen Provisionen zum Gegenstand (9 ObA 343/89).

3. Damit bleibt die Frage zu beantworten, ob es sich beim gegenständlichen Provisionsanspruch um eine ‑ aufschiebend bedingte ‑ Insolvenzforderung im Sinne des § 51 Abs 1 IO iVm § 16 IO oder um eine Masseforderung im Sinne des § 46 Z 3 IO handelt. Als bedingt entstanden ist eine Forderung schon dann anzusehen, wenn ihr Rechtsgrund vorhanden oder der rechtserzeugende Tatbestand zum Teil gegeben ist (RIS‑Justiz RS0017507; 8 Ob 64/12p mit weiteren Nachweisen zum „weiten Bedingungsbegriff“ in der Lehre). Als aufschiebend bedingte Forderungen im Sinne der IO sind nicht nur solche anzusehen, die zufolge rechtsgeschäftlicher Bestimmung von einem Ereignis abhängen; hierher gehören vielmehr auch gesetzlich bedingte Ansprüche (RIS‑Justiz RS0051527; RS0017507). Im vergleichbaren Fall des Provisionsanspruchs eines Versicherungsmaklers (§ 30 Abs 2 MaklerG) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass schon der klare Wortlaut des § 30 MaklerG dafür spricht, den Anspruch des Versicherungsmaklers nach dieser Bestimmung als eine Forderung anzusehen, die bereits mit der Rechtswirksamkeit des vermittelten Geschäfts im Sinn der §§ 19, 20 IO entsteht, aber mit der Zahlung der Prämie „bedingt“ ist (8 Ob 64/12p mwN; vgl auch SZ 54/31 = 5 Ob 302/81).

Da der rechtserzeugende Tatbestand des Provisionsanspruchs des Klägers für die von ihm noch während aufrechten Dienstverhältnisses und vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten akquirierten Verkaufsaufträge zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits zum Teil gegeben war, ist die gegenständliche Provisionsforderung als zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits bedingt entstanden anzusehen. Die Zahlung der Kunden bewirkte (nur) den Bedingungseintritt. Von der Bestimmung des § 46 Abs 1 Z 3 IO, wonach Forderungen der Arbeitnehmer auf laufendes Entgelt für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseforderungen sind, sollen hingegen nur jene Ansprüche des Dienstnehmers erfasst sein, die für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft für diesen Zeitraum gebühren (RIS‑Justiz RS0120406; Engelhart in Konecny, IO § 46 Rz 261). Sämtliche Leistungen im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Provisionsanspruch hat der Kläger aber bereits vor Insolvenzeröffnung erbracht.

4. Die gesetzlichen Rechtswirkungen des rechtskräftig bestätigten Sanierungsplans (§ 156 Abs 1 IO) haben ‑ mit Ausnahme des hier nicht vorliegenden Falls des § 156 Abs 4 IO ‑ zur Folge, dass die Beklagte von dem die Sanierungsplanquote übersteigenden Teil ihrer Verbindlichkeiten befreit wird. Soweit der Kläger daher Provisionsansprüche im Ausmaß einer 30 % übersteigenden Quote geltend macht, war der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und das Klagebegehren in diesem Umfang (20.100,25 EUR sA; das entspricht 70 % des Klagsbetrags von 28.714,64 EUR sA) mit Teilurteil abzuweisen.

5. Dass die gegenständliche Leistungsklage zulässig ist, obwohl die angemeldete Insolvenzforderung des Klägers vom Sanierungsverwalter anerkannt wurde (§ 60 Abs 2 IO; 9 ObA 50/12m), wird im Rekurs nicht mehr bestritten. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage der Erstreckung der Bindungswirkung der Forderungsfeststellung auf die Beurteilung der Qualifikation als Insolvenzforderung stellt sich nicht mehr (dazu im Übrigen 9 ObA 50/12m).

6. Im Umfang von 8.614,39 EUR sA war dem Rekurs der Beklagten hingegen nicht Folge zu geben, weil es, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, zur abschließenden Beurteilung des Klagsanspruchs weiterer Feststellungen zur Frage der von der Beklagten behaupteten konkreten Teilzahlungen, zum Inhalt des zwischen den Parteien anlässlich der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses abgeschlossenen Vergleichs sowie gegebenenfalls zur Kompensandoforderung bedarf.

Der Kostenvorbehalt gründet sich in beiden Aussprüchen auf § 52 ZPO.

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