OGH 3Ob212/13t

OGH3Ob212/13t22.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** L*****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinitzer Rechtsanwalts KG in Wien und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei M***** AG, *****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 43.038 EUR sA und Feststellung (Streitwert 21.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. August 2013, GZ 4 R 130/13m‑83, womit über Berufung beider Parteien das Teil‑Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 5. Februar 2013, GZ 39 Cg 81/08t‑74, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00212.13T.0122.000

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin nahm an einer von der Beklagten veranstalteten, für sie mitgebuchten einwöchigen Maledivenreise teil. Am 6. Dezember 2007 sollte sie mit einem Wasserflugzeug der Trans Malediven Airways von Malé zu jener Insel geflogen werden, auf der sich das gebuchte Hotel befindet. Die Beklagte hatte den Transfer vom Ankunftsflughafen auf Malé zu den von den Wasserflugzeugen benutzten Terminal gebucht.

Das für den Weiterflug vorgesehene Wasserflugzeug weist zwei Schwimmkörper auf, der linke wird an einem festen Steg befestigt, über den die Passagiere ein‑ und aussteigen. Da das Flugzeug auf dem Wasser schwimmt, sind leichte Bewegungen unvermeidlich, vor allem dann, wenn es ‑ wie am Vorfallstag ‑ windig ist und die Wellen zu einem Aufschaukeln des Flugzeugs führen. Nach den Arbeitsrichtlinien (Operating Manual) der Trans Malediven Airways muss das Flugzeug mit drei Halteleinen am Pier vertäut werden. Wie im Einzelnen vertäut wird, bestimmt der Kapitän. In diesem Fall war das Flugzeug nur mit zwei Leinen gesichert, die eine war stärker festgezurrt als die andere, sodass bei der lockeren Leine zwischen Schwimmer und Steg etwas mehr Spielraum bestand.

Die Richtlinien für das Bodenpersonal für das Besteigen des Flugzeugs durch Passagiere weisen als oberstes Gebot die Sicherheit der Passagiere aus. Hiefür ist in erster Linie der Kapitän zuständig, der das Betreten des Flugzeugs erlaubt. Sobald das Einsteigen erlaubt ist, muss links und rechts vom Einstieg ein Crew‑Mitglied stehen, um den Passagieren beim Betreten des Flugzeugs zu helfen. Derjenige, der die Passagiere auf dem Steg direkt zum Flugzeug geleitet, muss auf das Einstiegszeichen des Kapitäns warten, zu welchem Zeitpunkt dann bereits zwei Personen zur Unterstützung der einsteigenden Passagiere bereit stehen müssen.

Wie einer optischen Anzeige zu entnehmen war, sollte das Wasserflugzeug um etwa zehn Minuten früher als vorgesehen starten. Die Passagiere wurden von einem Mitglied des Flughafenpersonals empfangen, dieser übergab ihnen einen Gehörschutz und deutete, ihm zu folgen. Daraufhin begaben sich alle auf den Steg, an dem das Wasserflugzeug vertäut lag. Als erste ging die Klägerin, die sich sehr freute, weil sie noch nie mit einem Wasserflugzeug unterwegs gewesen war. Sie trug weiße Stoffschuhe mit Gummisohle und erreichte als erste den Bereich des Stegs, wo das Flugzeug lag. Am Ende der Plattform blieb sie stehen und betrachtete das mit zwei Leinen am Pier gesicherte Flugzeug. Ob die Leinen fest angezogen waren, beachtete sie nicht. Leicht überhöht, möglicherweise auf einem kleinen Treppchen stehend, nahm die Klägerin ein Crew‑Mitglied war. Ohne irgend ein Zeichen oder sonstige Aufforderung zum Betreten des Flugzeugs erhalten zu haben, setzte die Klägerin aus eigenem Antrieb einen Schritt, um frontal auf den Schwimmkörper des Flugzeugs zu gelangen. Wohin sie in diesem Augenblick schaute, kann nicht festgestellt werden, die Klägerin nahm noch die zwischen dem Schwimmkörper und dem Steg befindlichen Autoreifen war, einen Spalt zwischen Steg und Schwimmkörper bemerkte sie aber nicht. Aus im Einzelnen nicht mehr festzustellenden Gründen geriet die Klägerin mit dem linken Fuß zwischen Autoreifen und Schwimmer, stürzte vorn über, verklemmte sich dabei den linken Fuß und verletzte sich schwer. Die Passagiere hatten bis zum Zeitpunkt des Unfalls keine Sicherheitseinweisung erhalten.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten 43.038 EUR Schadenersatz und die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige unfallkausale Schäden. Das Flugzeug sei nicht ordnungsgemäß vertäut gewesen, andernfalls wäre es nicht zu einer Bewegung gekommen und die Klägerin hätte nicht in den Spalt zwischen Schwimmer und Steg geraten können. Die erforderlichen Verkehrssicherungspflichten seien nicht eingehalten worden. Beim Einstieg sei lediglich ein Mitarbeiter des Flughafens anwesend gewesen, der der Klägerin ein Zeichen gegeben habe. Sie sei auch über den Einstiegsvorgang nicht informiert worden.

Die Beklagte wendete ein, die Klägerin sei aus Eigenverschulden zu Sturz gekommen. Das Flugzeug sei ordnungsgemäß vertäut gewesen. Auf dem Meer komme es zu Wellengang, weshalb keine feste Verbindung zwischen einem schwimmenden Körper und dem Steg hergestellt werden könne. Ein gewisses Spiel sei nötig, um den Wellengang auszugleichen. Für die Frage der Festigkeit der Vertäuung sei es nicht relevant, ob zwei oder drei Befestigungsmöglichkeiten genutzt würden. Die Klägerin habe das Wasserflugzeug überdies ohne Aufforderung und unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt betreten wollen.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe. Der Beklagten, die für ihre Erfüllungsgehilfen hafte, sei anzulasten, dass das Flugzeug nicht ordnungsgemäß vertäut worden sei, keine Sicherheitseinweisung der Passagiere stattgefunden habe und keine Maßnahmen zur Verhinderung des eigenmächtigen Besteigens des Flugzeugs getroffen worden seien. Der Klägerin sei vorwerfbar, dass sie eigenmächtig das Flugzeug betreten habe, sodass der entstandene Schaden im Ausmaß 1 : 1 zu teilen sei.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Zwischenurteil mit Teilurteil dahin ab, dass das Leistungsbegehren der Klägerin zur Gänze abgewiesen wurde. Die Klägerin habe ihren Schadenersatzanspruch nur auf die nicht fachgerechte Vertäuung des Flugzeugs gestützt, nicht hingegen auf die Nichteinhaltung von Sicherheitsrichtlinien. Die entsprechenden Feststellungen beruhten auf überschießenden Beweisergebnissen, die vom Parteienvorbringen nicht gedeckt seien. Die von der Klägerin geforderte starre Verbindung zwischen Flugzeug und Steg sei auch im Fall fachgerechter Vertäuung nicht möglich. Der Klägerin sei der Nachweis, dass die nicht ordnungsgemäße Vertäuung die Unfallsursache gewesen sei, nicht gelungen. Da sich die Klägerin nicht auf eine Verletzung von Sicherheits‑ und Betriebsvorschriften gestützt habe, welche als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB zu beurteilen seien, sondern auf die Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten, hätte sie den Nachweis des Kausalzusammenhangs erbringen müssen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es der Rechtsprechung gefolgt sei und keine Rechtsfragen erheblicher Bedeutung zu beurteilen gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin, mit der sie die gänzliche Klagestattgebung (dem Grunde nach) anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts zulässig und teilweise auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof vermag sich der Auffassung des Berufungsgerichts, das Erstgericht habe auch vom Parteienvorbringen nicht gedeckte Feststellungen seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt, nicht anzuschließen.

Jede Partei trifft die Behauptungs‑ und Beweislast für die Tatsachen, die Voraussetzungen der für sie günstigen Rechtsnorm sind. Es trägt daher derjenige, der einen Anspruch behauptet, für alle anspruchsbegründenden (rechtserzeugenden) bzw rechtsvernichtenden Tatsachen die Behauptungs‑ und Beweislast (RIS‑Justiz RS0106638, RS0109832, RS0037797, RS0037612, RS0039936; RS0037694). Der Kläger muss seinen Anspruch nicht rechtlich qualifizieren; es genügt vielmehr, dass er seinen aus irgendeinem Rechtsgrund ableitbaren Anspruch durch das Vorbringen von Tatsachen umschreibt (RIS‑Justiz RS0037447, RS0037551, RS0107229). Das Gericht ist an die vom Kläger vorgenommene rechtliche Qualifikation des der Klage zugrundeliegenden Sachverhalts nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0037659). Dass die rechtliche Beurteilung, die der Kläger dem von ihm vorgetragenen Sachverhalt angedeihen ließ, nicht zutrifft, schließt nicht aus, dass geprüft wird, ob der geltend gemachte Anspruch bei richtiger rechtlicher Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts ganz oder zum Teil begründet erscheint (RIS‑Justiz RS0058336, vgl RS0058348).

Das Gericht darf die bei seiner Beweisaufnahme hervorgekommenen Umstände nur insoweit berücksichtigen, als sie im Parteienvorbringen Deckung finden; Feststellungen sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (RIS‑Justiz RS0040318, RS0037972).

Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, das Wasserflugzeug sei nicht ordnungsgemäß vertäut gewesen, die erforderlichen „Verkehrssicherungspflichten“ seien nicht eingehalten worden und sie habe auch keine Sicherheitseinweisung erhalten. Die Klägerin hat somit ihren Schadenersatzanspruch nicht ausschließlich auf die mangelhafte Vertäuung gestützt, sondern auch auf das Unterbleiben von Sicherheitshinweisen und die nicht ordnungsgemäße Absicherung beim Einsteigen im Allgemeinen. Dass sie diese Verletzung vertraglicher Schutz‑ und Sorgfaltspflichten als Verkehrssicherungspflichten qualifizierte und nicht als Schutzgesetzverletzung iSd § 1311 ABGB kann ihr im Sinne der oben dargelegten Grundsätze der Rechtsprechung nicht zum Nachteil gereichen. Die vom Erstgericht aufgrund des Beweisverfahrens getroffenen Feststellungen sind daher insgesamt als vom Klagevorbringen gedeckt zu beurteilen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind daher die erstgerichtlichen Feststellungen über die bestehenden Sicherheitsrichtlinien und deren konkrete Missachtung im hier zu beurteilenden Fall der rechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legen.

Grundsätzlich trifft den Geschädigten die Beweislast für den Kausalzusammenhang; dies gilt auch nach § 1298 ABGB. Dessen Beweislastumkehr betrifft nur den Verschuldensbereich (RIS‑Justiz RS0022686). Der wiederholt ausgesprochene Satz, dass es bei Verletzung eines Schutzgesetzes des strengen Beweises des Kausalzusammenhangs nicht bedürfe, darf nicht dahin verstanden werden, dass im Fall einer Verletzung eines Schutzgesetzes iSd § 1311 ABGB die Vermutung bestehe, die Verletzung des Schutzgesetzes sei für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen (keine Umkehrung der Beweislast). Doch kann ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass der von dieser Norm zu verhindernde Schaden durch dieses Verhalten verursacht wurde (RIS‑Justiz RS0027517). Die Schadenersatzhaftung des Beklagten darf nur als gegeben angenommen werden, wenn überwiegende Gründe dafür vorliegen, dass der Schaden durch das Verschulden des in Anspruch Genommenen herbeigeführt wurde, und er einen anderen Tatsachenzusammenhang nicht noch wahrscheinlicher macht. Die Frage, ob solche überwiegenden Gründe vorliegen, gehört in der Regel in das Gebiet der Beweiswürdigung. Diese Regel gilt aber nur insoweit, als es sich auch hiebei nur um Tatsachenfeststellungen handelt. Die Wertung dieser Tatsachenfeststellungen hingegen, ob damit der erforderliche Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht ist, gehört zum Gebiet der Beweislastverteilung und damit zur rechtlichen Beurteilung (RIS‑Justiz RS0022782, RS0022719, RS0022549 [T4]). Ein Beweis des ersten Anscheins kann dafür sprechen, dass der von der Schutznorm zu verhindernde Schaden durch dieses Verhalten verursacht wurde. Es obliegt den Beklagten, andere ‑ gleichfalls in Betracht zu ziehende ‑ Schadensursachen darzulegen (RIS‑Justiz RS0027517 [T2, T3]).

Bei einem Beförderungsvertrag gilt die Verpflichtung, das körperliche Wohlbefinden des Beförderten nicht zu verletzen, als vertragliche Nebenpflicht. Zu dieser Pflicht gehört es auch, die Zugänge zu den Verkehrsmitteln in einem Zustand zu erhalten, der das gefahrlose Einsteigen der Fahrgäste gewährleistet (RIS‑Justiz RS0021735). Das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrung gegen einen Schadenseintritt richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0029874).

Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB ist nicht nur ein Gesetz im formellen Sinn, sondern jede Rechtsvorschrift, die inhaltlich einen Schutzzweck verfolgt. Auch eine Betriebsvorschrift, die sich nur an Betriebsangehörige richtet, ist Schutzgesetz, wenn sie auf dem Bescheid einer Verwaltungsbehörde beruht und hiedurch eine Gefährdung von Personen vermieden werden soll (RIS‑Justiz RS0027539; vgl 2 Ob 112/10z zum Flugbetriebshandbuch).

Der Klägerin ist der Beweis gelungen, dass die Erfüllungsgehilfen der Beklagten, für deren Fehlverhalten sie einzustehen hat, weder den bestehenden Sicherheitsrichtlinien, die als Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB zu beurteilen sind, noch den ganz allgemein bestehenden Schutz‑ und Sorgfaltspflichten im Rahmen des mit der Klägerin geschlossenen Beförderungsvertrags entsprochen haben. Das Wasserflugzeug war am Steg insoweit mangelhaft befestigt, als statt drei vorgesehener nur zwei Leinen verwendet wurden, von denen eine überdies einen größeren Bewegungsspielraum bot. Darüber hinaus fehlte das zweite beim Einsteigen der Passagiere vorgesehene Besatzungsmitglied zur Absicherung des Einsteigenden. Sowohl der durch die vorschriftswidrige Vertäuung größere Bewegungsspielraum als auch die unzureichende Hilfestellung mangels eines weiteren Besatzungsmitglieds lassen das Abrutschen der Klägerin mit den Verletzungsfolgen als naheliegend erscheinen. Nach der Lebenserfahrung spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Kausalzusammenhang. Der Beklagten ist hingegen der Beweis einer anderen zumindest gleich wahrscheinlichen Schadensverursachung nicht gelungen. Die Negativfeststellung zur Verursachung des die Verletzung bewirkenden Fehltritts der Klägerin geht daher nicht zu ihren Lasten. Auch die von der Beklagten in der Berufung begehrten weiteren Feststellungen (ein direktes Erreichen der Halterrailing der Flugzeugtreppe sei vom Steg aus nicht möglich gewesen) würden daran nichts ändern, zumal die nicht ordnungsgemäße Vertäuung nach den Feststellungen nur eine der Unfallursachen war und bei starkem Wellengang die Unterstützung durch zwei Crew‑Mitglieder von Nöten gewesen wäre (Sicherheitsrichtlinien). Der Klägerin ist daher der Beweis der den erlittenen Schaden herbeiführenden objektiven Schutzgesetzverletzung gelungen, was mangels des Beweises fehlenden Verschuldens der Erfüllungsgehilfen der Beklagten deren Haftung für die Schäden der Klägerin nach sich zieht (§ 1298 ABGB).

Zutreffend hat das Erstgericht der Klägerin allerdings eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten angelastet, was zur Berücksichtigung eines Mitverschuldens iSd § 1304 ABGB führen muss (RIS‑Justiz RS0022681). Das der Geschädigte bei gehöriger Aufmerksamkeit den Schadenseintritt vermeiden konnte, begründet sein Mitverschulden (RIS‑Justiz RS0022580). Bei Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten liegt ein Mitverschulden nur dann vor, wenn ein sorgfältiger Mensch rechtzeitig erkennen konnte, dass Anhaltspunkte für eine solche Verletzung bestehen und er die Möglichkeit hatte, sich darauf einzustellen. Erkennbaren Gefahrenstellen muss grundsätzlich ausgewichen werden (RIS‑Justiz RS0023704). Von Fußgängern wird grundsätzlich verlangt, der eingeschlagenen Wegstrecke Aufmerksamkeit zuzuwenden und einem auftauchenden Hindernis oder einer gefährlichen Stelle möglichst auszuweichen (RIS‑Justiz RS0027447).

Die Gefährlichkeit des Einsteigens in das auf dem Wasser schwimmende und mit dem festen Steg bloß vertäute Wasserflugzeug war für die Klägerin offensichtlich und leicht erkennbar. Bei der Situation entsprechender Aufmerksamkeit hätte ihr der Wellengang und die damit verbundenen Bewegungen des Wasserflugzeugs und damit auch dessen Schwimmkörpers nicht verborgen bleiben können. Es ist daher der Klägerin durchaus vorwerfbar, dass sie ohne die erforderliche Aufmerksamkeit und ohne konkrete Aufforderung das Flugzeug besteigen wollte. Dieses sorglose Verhalten der Klägerin tritt im Vergleich mit den haftungsbegründenden Fehlverhalten der Erfüllungsgehilfen der Beklagten nicht in den Hintergrund; dass das Erstgericht eine gleichteilige Schadenstragung als angemessen ansah, ist nicht zu beanstanden.

Das Ersturteil ist daher wiederherzustellen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO iVm § 393 Abs 4 ZPO.

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