OGH 5Ob237/13h

OGH5Ob237/13h21.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** K*****, vertreten durch Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei F***** L*****, vertreten durch Dr. Eva-Maria Schmid-Strutzenberger, Rechtsanwältin in Krems an der Donau, wegen 28.942,76 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Oktober 2013, GZ 12 R 35/13z-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 27. Dezember 2012, GZ 33 Cg 21/12i-8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies das auf Rückzahlung von mehreren Darlehen in einem Gesamtbetrag von 28.942,76 EUR gerichtete Klagebegehren ab, weil der Kläger die jeweiligen Geldbeträge dem Beklagten im Zeitpunkt der Übergabe als Schenkung gegeben habe.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und führte in rechtlicher Hinsicht aus, übereinstimmende Willenserklärungen, aufgrund derer das Zustandekommen eines Darlehensvertrags anzunehmen wäre, ließen sich aus den Feststellungen nicht ableiten. Auch sei der Wille des Klägers nicht darauf gerichtet gewesen, das Geld später einmal zurückzufordern, weswegen auch nach der Zweifelsregel des § 915 erster Halbsatz ABGB nicht vom Zustandekommen von Darlehensverträgen auszugehen sei.

Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil jüngere höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, unter welchen Voraussetzungen bei der unentgeltlichen Überlassung eines Geldbetrags die Zweifelsregel des § 915 erster Halbsatz ABGB zur Anwendung komme und nicht eine Schenkung, sondern ein zinsenloses Darlehen anzunehmen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Der Kläger hat seine Forderung von Beginn an auf einen ganz konkreten Vertragstyp, nämlich ein Darlehen, gestützt, und hat daher die für die Annahme eines Darlehensvertrags wesentliche Tatsache, nämlich das Versprechen der Rückzahlung zu beweisen (2 Ob 2394/96i = JBl 1998, 367; 2 Ob 2163/96v; 2 Ob 12/01f; 7 Ob 91/13b; RIS-Justiz RS0019325; Schubert in Rummel, ABGB³ §§ 983, 984 Rz 5).

2. In seiner Revision macht der Kläger dazu geltend, der Beklagte habe durch seine Erklärung, die ihm zur Verfügung gestellten Geldbeträge nicht zurückzahlen zu können, zu erkennen gegeben, die empfangene Leistung zwar zurückzahlen zu wollen, dazu aber (absehbar) bloß nicht in der Lage zu sein. Daraus leitete der Revisionswerber offensichtlich ab, dass ihm der Nachweis des für das Vorliegen eines Darlehens essentiellen Versprechens der Rückzahlung (vgl RIS-Justiz RS0019325) gelungen sei.

3. Damit geht der Kläger aber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (vgl RIS-Justiz RS0043312; RS0043603 [T2, T8]), weil er bei seinen Überlegungen wesentliche Feststellungen des Erstgerichts übergeht. Danach hat ihn der Beklagte jeweils darüber informiert, dass er ihm die Geldbeträge nicht zurückzahlen werde können, worauf er die jeweiligen Geldbeträge dem Beklagten im Zeitpunkt der Übergabe jeweils „ohne Rückzahlungsverpflichtung“ überlassen habe (S 3 des Ersturteils). Auch der Beklagte ist nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Sachverhaltsfeststellungen bei der Geldübergabe nicht davon ausgegangen, dass er die Beträge zurückzahlen werde bzw werde müssen. Damit sind aber beide Streitteile übereinstimmend von keiner Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten ausgegangen. Bereits das Erstgericht hat daher insoweit zutreffend einen übereinstimmenden Willen dahin zugrunde gelegt, dass mit der Geldübergabe kein Rückzahlungsversprechen des Beklagten verbunden gewesen sei. Ein solcher übereinstimmender Wille ist als „natürlicher Konsens“ ohne Rücksicht auf die Erklärungen als Vertragsinhalt anzunehmen (RIS-Justiz RS0017741; RS0017839; Bollenberger in KBB³ § 914 Rz 5). Bereits aus diesem Grund ist dem Kläger daher der Nachweis der seinen Anspruch begründenden rechtserzeugenden Tatsachen misslungen und das Klagebegehren abzuweisen (vgl 10 Ob 93/02b = RIS-Justiz RS0019319 [T2]).

4. § 915 ABGB ist subsidiär anzuwenden und kommt nur in Ermangelung eines ermittelbaren Erklärungsinhalts zum Tragen (RIS-Justiz RS0017951). Ist ein übereinstimmender Parteiwille über Vertragsgegenstand und Vertragsinhalt feststellbar, kommt der Vertrag so zustande, wie er von den Parteien übereinstimmend gewollt wurde (RIS-Justiz RS0017741; vgl auch Heiss in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 914 Rz 31). Der ermittelte übereinstimmende Parteiwille geht daher als natürlicher Konsens einer jeden Auslegung vor (vgl Bollenberger aaO). Für die Anwendung der Zweifelsregel des § 915 erster Fall ABGB (im Zweifel die geringere Last) bleibt daher im vorliegenden Fall, weil schon nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien kein Rückzahlungsversprechen vorlag, kein Raum (vgl RIS-Justiz RS0017957; vgl auch RS0109295). Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage nach den Voraussetzungen zur Anwendung dieser Regel bei unentgeltlicher Überlassung eines Geldbetrags stellt sich damit gar nicht. Letztlich liegt auch der Entscheidung des Berufungsgerichts eine solche übereinstimmende Parteienabsicht zugrunde, wenn es im Zuge seiner Erörterungen zu § 915 ABGB festhält, dass auch der Wille des Klägers damals (gemeint: im Zeitpunkt der jeweiligen Geldübergabe) gar nicht darauf gerichtet gewesen sei, das Geld später einmal zurückzufordern (S 8 des Berufungsurteils). Dass der Beklagte keinen darauf gerichteten Willen gehabt habe, hielt das Berufungsgericht nach den Feststellungen des Erstgerichts ohnedies für erwiesen.

5. Es trifft zwar zu, wie der Revisionswerber geltend macht, dass er sein Begehren (auch) „auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere die Bestimmungen des ABGB“ gestützt hat, ein Vorbringen zu einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung, das eine Kondiktion gemäß der §§ 1431 ff ABGB rechtfertigen könnte, wurde jedoch bis Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht erstattet. Darauf ist im Revisionsverfahren nicht mehr einzugehen.

6. Die Revision des Klägers erweist sich daher insgesamt als unzulässig. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

7. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und daher auch keinen Anspruch auf Ersatz seiner Kosten des Revisionsverfahrens (RIS-Justiz RS0035979; RS0035962).

Stichworte