OGH 2Ob2163/96v

OGH2Ob2163/96v26.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf W*****, ***** vertreten durch Dr. Michael Großschedl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Johanna J*****, und 2.) Johann J*****, beide***** vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger und Dr. Helmut Atzl, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen S 500.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Februar 1996, GZ 2 R 1083/95x-24, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. Oktober 1996, GZ 5 Cg 121/95p-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 23.512,50 (darin enthalten S 3.918,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Zahlung von S 500.000 samt 6,5 % Zinsen seit dem 13.5.1993. Er habe den Beklagten über deren Bitte hin diesen Betrag mit Datum 13.5.1993 zur Verfügung gestellt. Der Betrag sollte zur Schließung eines finanziellen Tiefs für 2 bis 3 Monate hingegeben werden, vor allem bis die Mutter der Erstbeklagten durch Aufnahme eines Kredites den Finanzbedarf zur Gänze abdecke. Nachdem sich die Beklagten ein Jahr nicht gemeldet hätten und der Kreditbetrag mit Hilfe der Mutter der Erstbeklagten bereits geflossen sei, sei der Betrag fälliggestellt worden.

Der Kläger hätte den Betrag zu einer 6,5 % Verzinsung anlegen können. Die Beklagten wendeten ein, daß der Zweitbeklagte als Inhaber eines Hotelbetriebes anfangs 1993 infolge einer Umschuldung erhöhten Finanzbedarf gehabt habe. In diesem Zusammenhang habe eine Zusammenkunft mit dem Kläger stattgefunden. Dieser habe sich bereit erklärt, dem Zweitbeklagten, seinem Schwager, zu helfen und Zahlung von S 500.000 zugesagt. Das Geld sei nicht als Darlehen gegeben worden, sondern hätte als Schenkung dem Zweitbeklagten Entlastung bringen sollen. Deshalb sei auch nie von einer Verzinsung oder Rückzahlung die Rede gewesen, insbesondere auch nicht von einem kurzfristigen Bedarf, weil allen Beteiligten klar gewesen sei, daß der Zweitbeklagte zur Sicherung seines Betriebes eine Kapitalzufuhr und kein Darlehen benötige, dessen Rückzahlung er auch gar nicht versprechen hätte können. Es sei damals allgemein nach einer Familienlösung gesucht worden, die darin gefunden worden sei, den Zweitbeklagten bankmäßig zu entschulden, um die Weiterführung des Betriebes zu sichern. Auch die Schwiegermutter des Zweitbeklagten habe diesem erhebliche Geldbeträge zur Verfügung gestellt. Die Schenkung des Klägers sei auch nicht grundlos erfolgt, weil zum damaligen Zeitpunkt zwischen den Streitteilen ein gutes Verhältnis bestanden habe. Die Familie des Klägers habe über Jahre hinweg wochenlang im Betrieb des Zweitbeklagten gratis ihren Urlaub verbracht und dabei erhebliche Mittel in natura konsumiert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es folgende Feststellungen traf:

Der Zweitbeklagte ist Alleineigentümer eines Hotels. Der Hotelbetrieb befand sich im Frühjahr 1993 finanziell in einer dramatischen Situation. Der Finanzbedarf belief sich auf ca 10 Mio S. Im April 1993 fand deshalb in Graz ein Familientreffen statt. Bei den damals geführten Gesprächen waren neben den Beklagten und dem Kläger auch dessen Ehegattin und die Mutter der Erstbeklagten anwesend. Der Kläger erklärte sich bereit, mit einem Geldbetrag von S 1,000.000 zu helfen. Darüber, ob dieser Geldbetrag als Darlehen oder Schenkung gegeben werden sollte, wurde kein Wort verloren. Etwa eine Woche später rief die Erstbeklagte im Gasthaus ihrer Mutter an und verlangte den Kläger. Dieser sagte ihr am Telefon, daß er nur die Hälfte, sohin S 500.000, schicken könne. Es konnte nicht festgestellt werden, daß sich die Erstbeklagte bei diesem Telefon dem Kläger gegenüber verpflichtete, ihm die zur Verfügung gestellten Geldmittel zurückzuzahlen. Die Begriffe "Schenkung" und "Darlehen" sind auch bei diesem Telefonat nicht gefallen.

Am 13.5.1993 veranlaßte der Kläger die Anweisung des versprochenen Betrages. Der Geldbetrag diente als Finanzspritze für den sich in Schwierigkeiten befindlichen Hotelbetrieb. Er wurde aus steuerlichen Gründen auf das Geschäftskonto unter dem Titel des Klägers verbucht. Eine Schenkungssteuer wurde nicht entrichtet. Auch die Mutter der Erstbeklagten kam dem Beklagten insofern zur Hilfe, als sie ihre Liegenschaft zur Sicherung einer Hypothek über S 9,800.000 zur Verfügung stellte. Nach Zuzählung des Geldbetrages sprachen der Kläger und seine Gattin schlecht über die Beklagten, weshalb sich das Verhältnis zwischen ihnen verschlechterte. Mit Schreiben vom 27.6.1994 stellte sich der Rechtsvertreter des Klägers auf den Stadpunkt, es sei damals im Gespräch gewesen, daß der zur Verfügung gestellte Geldbetrag für zwei bis drei Monate benötigt werde. Er forderte in diesem Schreiben die Beklagten auf, binnen zehn Tagen ihre Vorstellungen über den Rückzahlungstermin bekanntzugeben. Im Antwortschreiben gab der Vertreter der Beklagten bekannt, daß der Zweitbeklagten unpräjudiziell die Rückzahlung des Geldes bis Jänner 2000 zuzüglich einer sofortigen Verzinsung von 5 % anbiete, weil der Betrag ursprünglich schenkungsweise gedacht worden sei.

Der Kläger und seine Gattin verbrachten zwölf Jahre hindurch einen jeweils dreiwöchigen Urlaub im Hotel des Zweitbeklagten. Sie nahmen dabei Halbpension in Anspruch und mußten für Unterkunft und Verpflegung nichts bezahlen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, bei einseitig verbindlichen Verträgen, wie der Schenkung, sei im Zweifel anzunehmen, daß sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auferlegen wollte. Diese Zweifelsregel könne aber erst dann herangezogen werden, wenn feststehe, daß ein unentgeltliches Rechtsgeschäft abgeschlossen worden sei, denn § 915 ABGB enthalte keine Vermutung dafür oder dagegen, daß ein unentgeltlicher Vertrag geschlossen wurde. Für ein Darlehen sei das Versprechen der Rückzahlung essentiell, das nicht schlüssig schon aus der Hingabe folge und bei dessen Fehlen ein anderes Rechtsgeschäft vorliegen müsse. Dahingestellt könne in diesem Zusammenhang bleiben, ob Unentgeltlichkeit schon dann ausgeschlossen sei und eine Schenkung nicht vorliege, wenn auch nur eine sittliche oder Anstandspflicht erfüllt werden solle. Auch eine "Schenkung" in Erfüllung einer solchen Pflicht schließe jedenfalls die Annahme eines Darlehens mit Rückzahlungspflicht aus. Der Empfänger könne daher die Vermutung des § 915 erster Satz ABGB ausschließen, wenn er Umstände des Einzelfalls nachzuweisen vermöge, die für den Verzicht auf eine Gegenleistung wegen der Erfüllung einer sittlichen oder Anstandspflicht sprächen. Dabei sei innerhalb der Familie nicht nur auf das Erfordernis der Bestimmtheit von Willenserklärungen einzuschränken, sondern es könne bereits das Fehlen einer ausdrücklichen Rückzahlungsverpflichtung im Zusammenhang mit sonst nachgewiesenen Umständen gegen eine schlüssige Vereinbarung dieser Art sprechen (SZ 51/92). Die Bereitschaft des Klägers zur Unterstützung der Beklagten habe aus dem damals noch guten Einvernehmen zwischen den Streitteilen hergerührt, aber auch aus der Tatsache, daß der Kläger und seine Gattin durch viele Jahre hindurch einen jeweils dreiwöchigen Urlaub im Hotel gratis verbracht hätten. Es sei daher hinreichend wahrscheinlich, daß der Kläger mit der strittigen Leistung eine Schenkung oder wenigstens die Erfüllung einer Anstandspflicht beabsichtigt habe. Die Beklagten seien vom Beweis einer konkreten Vereinbarung der Unentgeltlichkeit oder des ausdrücklichen Verzichtes auf Rückforderung befreit.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Klägers dieses Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes an. Die Beklagten hätten beweisen können, daß zwischen ihnen und den Klägern jahrelang ein gutes Verhältnis bestanden habe und der Kläger zwölf Jahre hindurch im Hotel jährlich einen dreiwöchigen Gratisurlaub verbracht habe. Diese Umstände sprächen für den Verzicht auf eine Gegenleistung in Erfüllung einer sittlichen oder Anstandspflicht. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Entscheidung SZ 51/92 in der Lehre (Zemen, "Im Zweifel Darlehen oder Leihe statt Schenkung", JBl 1986, 205 f) auf Kritik gestoßen sei.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel zusammengefaßt geltend, daß nach den getroffenen Feststellungen kein entgeltliches Geschäft, sondern eindeutig ein unentgeltliches Geschäft geschlossen wurde. Damit sei auch die Voraussetzung der Anwendung des § 915 ABGB gegeben, weshalb die Zuwendung eher als geliehen als als geschenkt anzusehen sei.

Dem kann nicht gefolgt werden.

Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 23.1.1997, 2 Ob 2394/96i, zu einem vergleichbaren Sachverhalt, bei welchem nicht festgestellt werden konnte, ob die Überweisung eines Betrages auf der Rechtsgrundlage eines Darlehens oder einer Schenkung erfolgte, also weder eine Schenkungsabsicht festgestellt werden konnte noch eine Vereinbarung, wonach sich der Zahlungsempfänger verpflichtet hätte, den erhaltenen Betrag zurückzuzahlen, darauf verwiesen, daß nach der allgemeinen Beweislastregel jede Partei die Beweislast für das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm trifft. Dies bedeute, daß im Regelfall derjenige, der ein Recht behaupte, die rechtsbegründenden Tatsachen beweisen müsse. In der Entscheidung SZ 51/92 habe der Oberste Gerichtshof zwar unter Hinweis auf Gschnitzer (in Klang2 IV/1, 416) ausgeführt, es könne dann, wenn die Unentgeltlichkeit der Leistung feststehe, gemäß § 915 erster Satz ABGB vermutet werden, daß die Zuwendung eher geliehen als geschenkt sei. Ähnlich habe im Fall der Entscheidung GlU 15.375 das Gericht zweiter Instanz die damals vom Obersten Gerichtshof gebilligte Ansicht, daß gemäß § 915 ABGB Schenkung nicht vermutet werde, vertreten. Stehe die Unentgeltlichkeit eines Rechtsgeschäftes fest, dann greife nach Koziol/Welser (I10, 93) die Zweifelsregel des § 915 erster Satz ABGB auch dann ein, wenn unklar sei, welcher Vertragstyp, etwa Schenkung oder Leihe, gemeint gewesen sei. Ein solcher Fall liege aber nur vor, wenn das Verhalten eines Vertragsteils in dem Sinn unklar sei, daß der andere es sowohl im Sinne einer Schenkung als auch dahin habe verstehen können, daß er zur Rückstellung der ihm überlassenen Sache oder zur Rückzahlung des ihm zur Verfügung gestellten Geldbetrages verpflichtet sei. Gebe aber der objektive Erklärungswert, der sowohl bei ausdrücklichen als auch bei schlüssigen Erklärungen für die deren Bedeutung maßgebend sei, keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Empfänger der Sache zur Rückstellung oder bei einem Geldbetrag zur Rückzahlung verpflichtet sein solle, so bestehe kein Grund, die dargestellte Zweifelsregel anzuwenden. Es müsse daher nicht darauf eingegangen werden, ob nicht überhaupt die von Zemen (Im Zweifel Darlehen oder Leihe statt Schenkung JBl 1986, 205 f) angestellten Erwägungen zuträfen.

Diese Rechtsansicht ist beizubehalten. Hat der Kläger seine Forderung auf einen ganz konkreten Vertragstyp gestützt (Darlehen), muß er demnach das für die Annahme eines Darlehensvertrages wesentliche Versprechen der Rückzahlung (§ 983 ABGB; Schubert in Rummel2 Rz 5 zu §§ 983, 984) beweisen. Mißlingt der Nachweis dieser den Anspruch begründenden rechtserzeugenden Tatsache, ist das Klagebegehren abzuweisen.

Auch bei dem hier zu entscheidenden Sachverhalt sind keinerlei Umstände zutage getreten, die eine Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten entweder ausdrücklich oder stillschweigend zur Folge gehabt hätten. Bereits vom Berufungsgericht wurde darauf hingewiesen, daß der Kläger mit seiner Familie öfters einen dreiwöchigen Urlaub im Hotel des Zweitbeklagten verbrachte; dies könnte aber eine Schenkungsabsicht des Klägers erklären. Da jedenfalls eine Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten durch den dafür beweispflichtigen Kläger nicht bewiesen werden konnte, wurde das Klagebegehren zu Recht abgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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