OGH 2Ob12/01f

OGH2Ob12/01f25.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef K*****, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Doris K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Fulterer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen S 100.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 8. November 2000, GZ 3 R 336/00k-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 4. August 2000, GZ 2 C 720/99z-11, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung eines ihr am 18. 8. 1993 gewährten Darlehens über S 100.000.

Die Beklagte wendete ein, den Geldbetrag nicht angenommen zu haben, wenn sie gewusst hätte, dass der Kläger diesen zurückfordern werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen wurden:

Im August des Jahres 1993 wurde das Auto der Beklagten aufgrund eines Unfalls unbrauchbar. Für den Kauf eines neuen übergab ihr ihr Schwiegervater, der Kläger, einen Betrag von S 100.000. Dabei wurde weder ausdrücklich vereinbart, dass dieser Geldbetrag nur geliehen werde, noch, dass es sich dabei um eine Schenkung handle. Die Beklagte unterfertigte aber eine von der Ehegattin des Klägers geschriebene Bestätigung, wonach ihr der Kläger einen "Kredit" von S 100.000 zum Kauf eines Autos gewährt habe. Beide Streitteile gingen aber davon aus, dass der Betrag von der Beklagten nicht zurückbezahlt werden müsse.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, für ein Darlehen sei die Rückzahlungsverpflichtung essentiell. Es liege an dem Kläger zu beweisen, dass die Beklagte eine solche eingegangen sei. Bei einer Schenkung habe hingegen die Beklagte die rechtsbegründende Tatsache der Schenkungsabsicht zu beweisen. Liege aber eine Schenkung vor, schließe dies die Annahme eines Darlehens aus. Bei der Auslegung von Verträgen sei die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspreche. Dabei sei innerhalb einer Familie nicht nur das Erfordernis der Bestimmtheit von Willenserklärungen einzuschränken, sondern könne bereits das Fehlen einer ausdrücklichen Rückzahlungsverpflichtung im Zusammenhang mit sonstigen nachgewiesenen Umständen gegen eine schlüssige Vereinbarung dieser Art sprechen. Die Umstände des vorliegenden Falles machten es hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger mit seiner Zahlung keine Rückzahlungsverpflichtung verbunden habe, sondern vielmehr eine Schenkung oder wenigstens die Erfüllung einer Anstandspflicht beabsichtigt habe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Beklagte eine Bestätigung unterfertigt habe, in der von einem "Kredit" die Rede sei. Vielmehr sei der Wille der Parteien eben nicht auf eine Rückzahlungsverpflichtung gerichtet gewesen. Ein solcher übereinstimmender wahrer Wille ("natürlicher Konsens") habe gemäß § 914 ABGB Vorrang vor dem objektiven Erklärungswert.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass derjenige, der das Vorliegen einer Schenkung behaupte, dafür beweispflichtig sei. Nach den Feststellungen sei bei der Übergabe der S 100.000 weder ausdrücklich vereinbart worden, dass dieser Geldbetrag nur geliehen werde, noch, dass es sich dabei um eine Schenkung handle. Die Beklagte habe somit den ihr obliegenden Beweis der Schenkungsabsicht nicht erbracht. Gemäß § 1444 ABGB könne aber ein Verzicht formfrei und auch schlüssig geschehen. Im vorliegenden Fall seien beide Streitteile davon ausgegangen, dass der übergebene Betrag von der Beklagten nicht zurückbezahlt werden müsse. Darin liege ein Verzicht und damit eine Aufhebung der Verbindlichkeit der Beklagten. Der Kläger sei daher nicht berechtigt, den geltend gemachten Betrag von dieser zu fordern.

Über Antrag des Klägers änderte das Berufungsgericht den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision dahin ab, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Es begründete dies damit, dass der Frage, ob eine Feststellung, wonach beide Parteien davon ausgingen, dass der übergebene Betrag nicht zurückbezahlt werden müsse, einen Verzicht nach § 1444 ABGB darstelle, erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, ein schenkungsweiser Verzicht sei ein Verfügungsgeschäft, welches eines Titels und eines Modus bedürfe. Das "davon ausgehen" spiele sich aber im mentalen Bereich ab und reiche nicht aus, um einen Titel im rechtlichen Sinn zu begründen. Bei richtiger Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes hätten die Vorinstanzen dem Klagebegehren stattgeben müssen.

Hiezu wurde erwogen:

Wie der erkennende Senat bereits mehrfach ausgeführt hat (2 Ob 2394/96i = JBl 1998, 367; 2 Ob 2163/96v) hat der Kläger, der seine Forderung auf einen ganz konkreten Vertragstyp stützt (Darlehen), die für die Annahme eines Darlehensvertrages wesentliche Tatsache, nämlich das Versprechen der Rückzahlung zu beweisen. Die Zweifelsregel des § 915 erster Halbsatz ABGB greift nur dann ein, wenn das Verhalten eines Vertragsteils in dem Sinn unklar ist, dass der andere es sowohl im Sinn einer Schenkung als auch dahin verstehen konnte, dass er zur Rückstellung der ihm überlassenen Sache oder zur Rückzahlung des ihm zur Verfügung gestellten Geldbetrages verpflichtet sei. Gibt aber der objektive Erklärungswert keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Empfänger der Sache zur Rückstellung oder (bei einem Geldbetrag) zur Rückzahlung verpflichtet sein soll, so besteht kein Grund, die dargestellte Zweifelsregel anzuwenden.

Auch bei dem hier zu entscheidenden Sachverhalt sind keinerlei Umstände zutage getreten, die eine Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten entweder ausdrücklich oder stillschweigend zur Folge gehabt hätten. Ganz im Gegenteil, vielmehr sind beide Streitteile nach den maßgeblichen Feststellungen des Erstgerichtes davon ausgegangen, dass der der Beklagten übergebene Betrag nicht zurückzubezahlen sei. Zutreffend hat das Erstgericht darauf hingewiesen, dass dieser "natürliche Konsens" ohne Rücksicht auf die Erklärungen als Vertragsinhalt gilt (JBl 1988, 714; RIS-Justiz RS0017741 und RS0017839).

Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage des Vorliegens eines Verzichtes nach § 1444 ABGB ist daher nicht zu beurteilen. Die Entscheidung der Vorinstanzen entspricht vielmehr (jedenfalls im Ergebnis) der oben zitierten Rechtsprechung des erkennenden Senates, weshalb die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind.

Das Rechtsmittel des Klägers war deshalb zurückzuweisen. Die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers nicht hingewiesen hat.

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