OGH 3Ob146/13m

OGH3Ob146/13m8.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei G***** Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, wegen 25.000 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. Mai 2013, GZ 3 R 69/13g-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 31. Jänner 2013, GZ 26 Cg 71/12p‑10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der Kläger macht mit seiner am 18. April 2012 eingebrachten Klage als nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch die Wertminderung seiner Liegenschaft geltend und begehrt die Feststellung der Haftung der beklagten Nachbarin für sämtliche künftigen, von ihrer Betriebsanlage verursachten Immissionsschäden (zB Gesundheitsbeeinträchtigungen). Die Beklagte, die im Übrigen die Ortsunüblichkeit der Immissionen und der Beeinträchtigung der Benutzung der Liegenschaft des Klägers bestritt, wendete auch für Ansprüche aus Immissionen vor dem 18. April 2009 Verjährung ein, weil ihm diese seit dem Jahr 2007 bekannt gewesen seien. Daraufhin stellte der Kläger klar, dass die Immissionen erst im Jahr 2010 das ortsübliche Maß überschritten und die ortsübliche Nutzung seines Grundstücks wesentlich beeinträchtigt hätten, sodass die gerichtliche Geltendmachung erst im Jahr 2010 möglich gewesen sei.

Das Erstgericht hielt den Verjährungseinwand für berechtigt, weil die Immissionen bereits im Jahr 2008 ein subjektiv für den Kläger nicht mehr erträgliches Ausmaß erreicht hätten und er Schaden und Schädiger gekannt habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das erstgerichtliche Endurteil in ein Zwischenurteil, wonach Leistungs- und Feststellungsbegehren nicht verjährt seien, ab. Die Verjährungseinrede beziehe sich gar nicht auf die klagegegenständlichen Ansprüche, weil der Kläger nur die ab dem Jahr 2010 eingetretenen Immissionsschäden geltend mache. Bei wiederkehrenden Immissionen und fortgesetzter Beeinträchtigung beginne die Verjährungsfrist mit jeder weiteren Immission neu zu laufen. Die Verneinung der Verjährung sei mit einem Zwischenurteil nach § 393a ZPO auszusprechen.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Beklagte Aktenwidrigkeit geltend, weil sie die Verjährungseinrede hinsichtlich aller in der Klage erhobenen Ansprüche, daher auch für jene nach dem 18. April 2009 erhoben habe. Der Kläger mache einen einheitlichen Schaden geltend, dessen Primärschaden spätestens im Jahr 2008 eingetreten sei. Von diesem Zeitpunkt laufe die Verjährungfrist, die bei Klageeinbringung bereits abgelaufen gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Damit gelingt es der Beklagten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, sodass ihre außerordentliche Revision als nicht zulässig zurückzuweisen ist.

1. Der Anspruch nach § 364a ABGB tritt nur an die Stelle der sonst nach § 364 Abs 2 ABGB bestehenden Untersagungsbefugnis und kann daher nur unter den gleichen Voraussetzungen geltend gemacht werden, also nur auf den Ersatz jenes Schadens gerichtet sein, der auf eine das ortsübliche Maß übersteigende Einwirkung und eine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung des eigenen Grundes zurückzuführen ist; ein „Sockelwert" der Einwirkungen ist hinzunehmen (RIS‑Justiz RS0010671) nur der über das zu duldende Maß hinausgehende Schaden ist zu ersetzen (1 Ob 258/11i mwN).

Dem entsprechend macht der Kläger mit seinem Leistungsbegehren ausdrücklich (nur) die merkantile Wertminderung seiner Liegenschaft (vgl 1 Ob 74/09b) geltend, die durch die das zu duldende Maß übersteigenden, erst im Jahr 2010 (nach Änderung der Betriebsanlage und Ausdehnung der Betriebszeit auf einen 24‑Stunden‑Betrieb von Montag 6:00 Uhr bis Samstag 22:00 Uhr) vorliegenden Immissionen eingetreten sei. Er verlangt damit den Ersatz eines erst im Jahr 2010 eingetretenen Schadens aufgrund einer erst damals ortsunüblich gewordenen Immission.

2. Ersatzansprüche aus § 364a ABGB verjähren als Entschädigungsansprüche des § 1489 ABGB in drei Jahren (RIS‑Justiz RS0010690). Die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 erster Satz ABGB) beginnt nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen (RIS‑Justiz RS0083144; vgl RS0087615).

Der vom Kläger behauptete Primärschaden konnte daher bei Einbringung der Klage im Jahr 2012 noch nicht verjährt sein, ebenso wenig ein vorhersehbarer (und nicht auszuschließender) Folgeschaden.

3. Die ‑ aus Gründen der Prozessökonomie vorgezogene - Prüfung der Verjährung des Klageanspruchs im Rahmen eines Zwischenurteils nach § 393a ZPO erfolgt bei vorläufiger Annahme der Grundlagen des behaupteten Anspruchs (RIS‑Justiz RS0127852).

Das Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO steht aber einer späteren Abweisung der Klage nicht entgegen, wenn im weiteren Verfahren der erhobene Anspruch aus anderen Gründen als dem abschließend erledigten Verjährungseinwand nicht erwiesen werden sollte (vgl RIS‑Justiz RS0127852 [T1]).

Stichworte