OGH 3Ob34/13s

OGH3Ob34/13s19.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** eGen, *****, vertreten durch Mag. Harald Schöbel, Rechtsanwalt in Wörgl, gegen den Beklagten M*****, vertreten durch Mag. Gerhard Endstrasser, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen 77.385,76 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2012, GZ 1 R 182/12t‑29, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 16. Mai 2012, GZ 12 Cg 124/11g‑25, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.880,36 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 480,06 EUR USt) und die mit 7.262,14 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof (darin enthalten 345,69 EUR USt, 5.188 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Im April 2008 gründeten der Beklagte, sein Vater ‑ der ursprünglich Erstbeklagte, gegen den ein klagestattgebendes Versäumungsurteil ergangen und in Rechtskraft erwachsen ist ‑, die Mutter des Beklagten und A***** (in der Folge immer: Mitgesellschafter) als Gesellschafter die H***** GmbH (in der Folge immer: GmbH), wobei der Beklagte, seine Mutter und der Mitgesellschafter zu 20 % und der Vater des Beklagten zu 40 % am Unternehmen beteiligt waren.

Alleinvertretungsbefugte Geschäftsführer waren zunächst der Beklagte und der Mitgesellschafter. Unternehmensgegenstand der GmbH war die Produktion und der Vertrieb von speziellen Kochblocks, unter anderem für Schauküchen.

Der Vater des Beklagten, der bereits vorher jahrelang im Rahmen eines anderen Unternehmens in diesem Bereich tätig gewesen war, war für den Vertrieb der Produkte verantwortlich. Er stellte die Kundenkontakte her und verkaufte die Produkte. Er war bereits in Pension und arbeitete gegen Spesenersatz im Unternehmen mit. Er hatte jedoch weder im Detail Einblick in die buchhalterischen Unterlagen, noch entnahm er Gelder von den Firmenkonten bzw Firmenkrediten.

Ende des Jahres 2009 schied der Mitgesellschafter als Geschäftsführer der GmbH aus, nachdem er festgestellt hatte, dass entgegen der mit dem Beklagten getroffenen Vereinbarung nicht beide Gehälter gekürzt worden waren, sondern nur seines, während der Beklagte sein Gehalt trotzdem weiter bezog, wobei der Mitgesellschafter aufgrund eines zufällig aufgefundenen Kontoauszugs sogar den Eindruck hatte, dass der Beklagte sein Gehalt erhöht hatte.

Mit Ausstieg des Mitgesellschafters aus der Gesellschaft verfügte der Beklagte ab dem 8. Juli 2010 ebenso wie sein Vater über 40 % der Gesellschaftsanteile. Die restlichen 20 % der Anteile hielt weiterhin seine Mutter.

Der Beklagte war für den Einkauf, die Konstruktion und den Zusammenbau der verkauften Produkte verantwortlich. Er bestimmte die Personalpolitik und regelte die buchhalterischen Belange. Er wickelte die Bankgeschäfte des Unternehmens ab und war Alleinberechtigter für das electronic banking auf dem Unternehmenskonto bei der klagenden Partei.

Im März 2009 nahm er einen Abstattungskredit der klagenden Partei zur Finanzierung eines Firmenwagens in Anspruch, für welchen er persönlich die Bürgschaft übernahm. Darüber hinaus schloss er in diesem Zeitraum auch ohne Wissen seines Vaters eine Zessionsvereinbarung mit einer Sparkasse in der Weise, dass „alle hereinkommenden Gelder der GmbH“ an die Sparkasse zediert wurden.

Auch die Gattin des Beklagten war in der GmbH tätig. Sie bereitete vorwiegend die Belege für die Buchhaltung vor, übernahm aber auch Reinigungsarbeiten, arbeitete in der Produktion mit und führte Besorgungsfahrten durch.

Anfang des Jahres 2009 bestand ein finanzieller Engpass bei der GmbH, der nicht über die Hausbank überbrückt werden sollte, sondern über eine kurzfristige Finanzierung von 100.000 EUR bei der klagenden Partei. Diese Summe benötigte die GmbH zur Abdeckung von Lieferantenforderungen. Zu diesem Zweck führten der Beklagte und sein Vater Gespräche mit der klagenden Partei. Als Grund für den Finanzierungsbedarf legten sie dar, dass es Probleme beim Verkauf von drei Kühlgeräten im Wert von ca 100.000 EUR gegeben habe. Da die klagende Partei das Risiko der erst seit dem Jahr 2008 operativ tätigen Firma trotz der eingeholten Unterlagen schwer einschätzen konnte, verlangte sie persönliche Sicherheiten vom Beklagten und seinem Vater.

Die GmbH eröffnete darauf im Februar 2009 bei der klagenden Partei ein Konto samt Kontokorrentkredit mit einem Rahmen von 100.000 EUR und der Vereinbarung der Abdeckung nach drei Monaten. Dieser Kredit wurde durch Wechselbürgschaften sowohl des Beklagten als auch seines Vaters besichert.

Nachdem regelmäßig um Verlängerung der Finanzierung angesucht und die klagende Partei vertröstet worden war, wobei der Kontokorrentkredit nur spärlich bedient wurde, drang die klagende Partei im Sommer 2010 auf eine Lösung der anstehenden Probleme.

Sie führte in der Folge intensive Gespräche mit dem Beklagten, der auch die relevanten Unterlagen hinsichtlich der finanziellen Situation der GmbH an die klagende Partei übermittelte. Alle geforderten OP‑Listen und sonstigen Firmendaten und Zahlen sowie Informationen bekam die klagende Partei vom Beklagten, mit welchem sie die übermittelten Unterlagen auch genau besprach. Der Beklagte trat als der entscheidungsbefugte Geschäftsführer auf. Er wusste im Vorfeld des Abschlusses des Abstattungskreditvertrags im Oktober 2010 über die finanzielle Situation des Unternehmens der GmbH genau Bescheid.

Da die klagende Partei aufgrund der vorgelegten Zahlen noch immer der Ansicht war, dass die GmbH in der Lage sein werde, die kreditierte Summe zurückzuzahlen, ging sie auf den Vorschlag des Beklagten auf Gewährung eines Abstattungskredits ein.

Am 5. Oktober 2010 unterzeichnete der Beklagte als Geschäftsführer der GmbH den Abstattungskreditvertrag, wonach zur Deckung des ursprünglichen Kontokorrentkreditvertrags ein Kredit in Höhe von 94.000 EUR aufgenommen wurde. Es wurden 4,75 % p.A. Sollzinsen, 6 % p.A. Verzugszinsen, eine vierteljährliche Kreditprovision in Höhe von 0,25 % vom Rahmen sowie eine einmalige Bearbeitungsgebühr in Höhe von 1 % vereinbart. Die Zahlung sollte in 60 monatlichen Pauschalraten in Höhe von 1.769 EUR jeweils am Monatsletzten, beginnend mit 31. Oktober 2010, erfolgen.

Als Sicherheit für den Abstattungskredit unterzeichnete der Beklagte einen Bürgschaftsvertrag zur Sicherstellung aller bestehenden und künftigen Forderungen des Kreditgebers einschließlich Zinsen, Spesen und sonstigen Nebengebühren in Höhe von 94.000 EUR. Der Beklagte verpflichtete sich zur Übernahme der Haftung als Bürge und Zahler zur ungeteilten Hand.

Am Ende des Bürgschaftsvertrags ist in Fettdruck festgehalten, dass der Bürge über die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers informiert wurde und zur Kenntnis nimmt, dass er mit einer Inanspruchnahme aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Kreditnehmers rechnen müsse. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass der zu sichernde Kredit nicht zur wirtschaftlichen Verfügung des Kreditnehmers, sondern nur zur Abdeckung einer bereits bestehenden Kreditverbindlichkeit verwendet wird.

Die Übernahme der Bürgschaft durch den Beklagten war für diesen keine bloße Investition. Von der Kreditvergabe hing der Fortbestand der GmbH ab, wovon die wirtschaftliche Situation des Beklagten, der sein Einkommen aus der Firma bezog, erheblich betroffen war.

Die klagende Partei überprüfte im Zusammenhang mit der Bürgschaftsübernahme durch den Beklagten dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Aufgrund des aufscheinenden Gehalts von 3.800 EUR und des vorhandenen Liegenschaftsbesitzes, woraus der Beklagte auch Mieteinnahmen bezog, ergab sich für die klagende Partei keine schlechte wirtschaftliche Situation des Beklagten.

Auch der Vater des Beklagten ging eine Bürgschaft zur Sicherung des Abstattungskredits ein. Ferner wurden mehrere Lebensversicherungen und ein Bausparvertrag zur Besicherung des Kredits verpfändet.

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2010 legte der Beklagte mit sofortiger Wirkung seine Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH zurück. Am 18. November 2011 wurde seine Funktion im Firmenbuch gelöscht. Neuer Geschäftsführer wurde der Vater des Beklagten.

Am 25. Jänner 2011 wurde über das Vermögen der GmbH Konkurs eröffnet. Am 15. März 2011 zeigte der Masseverwalter die Masseunzulänglichkeit an.

Die klagende Partei begehrt mit ihrer am 21. Juli 2011 eingebrachten Klage den der rechnerischen Höhe nach unstrittigen Betrag von 77.385,76 EUR sA. Der Beklagte habe für einen der GmbH am 5. Oktober 2010 gewährten Abstattungskredit von 94.000 EUR ‑ gemeinsam mit seinem Vater ‑ die Haftung als Bürge und Zahler übernommen. Über die GmbH sei am 25. Jänner 2011 das Konkursverfahren eröffnet worden. Per 28. Juni 2011 schulde sie den Klagebetrag samt den begehrten Zinsen. Der Beklagte sei Alleingeschäftsführer und Mitgesellschafter der GmbH zu 40 % gewesen. Die vorgenommene Umschuldung sei im überwiegenden wirtschaftlichen Eigeninteresse des Beklagten gelegen. Er sei nicht Interzedent, jedenfalls aber nicht als Verbraucher zu behandeln. Eine umfassende Aufklärung des Beklagten iSd § 25c KSchG sei daher zwar nicht erforderlich gewesen, aber ohnedies erfolgt. Der Beklagte habe monatlich 6.770 EUR verdient, seine Ehefrau 1.200 EUR brutto.

Der Beklagte wendet ein, die von ihm übernommene Haftung sei gemäß § 25c KSchG unwirksam. Er sei Verbraucher, weil er bloß zu 40 % Gesellschafter der GmbH gewesen sei. Die klagende Partei habe es unterlassen, ihn über die schlechte wirtschaftliche Lage der GmbH aufzuklären. Es lägen auch die Voraussetzungen des § 25d KSchG vor, weil die übernommene Haftung in einem unbilligen Missverhältnis zu seiner Leistungsfähigkeit gestanden sei. Er habe ‑ bei einem damaligen Einkommen nach Abzug von Steuern und Sozialversicherung von 3.500 EUR monatlich ‑ monatliche Verbindlichkeiten von 4.000 EUR tilgen müssen. Er wäre daher niemals in der Lage gewesen, die Abstattungskreditraten zu leisten. Im Übrigen läge eine grobe Äquivalenzstörung iSd § 879 ABGB vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Neben den eingangs wiedergegebenen, im Berufungsverfahren unbekämpft gebliebenen bzw vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen traf das Erstgericht noch folgende weitere Sachverhaltsfeststellungen:

Bereits ab Anfang des Jahres 2009 zog der Beklagte die Kompetenzen der Geschäftsführung an sich. Er schloss seinen Mitgeschäftsführer immer mehr von der Geschäftsführung aus und ließ diesem keine Informationen mehr zukommen. Schon ab diesem Zeitpunkt war er de facto der alleinige Entscheidungsträger im Unternehmen. Er hatte den überwiegenden bestimmenden Einfluss auf die Führung des Unternehmens.

Im Rahmen der Beweiswürdigung, traf das Erstgericht überdies die Feststellung, dass die klagende Partei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten anlässlich der Bürgschaftsübernahme überprüfte und dabei zu keinem negativen Ergebnis kam. Dabei verwies das Erstgericht auf die Angaben eines näher bezeichneten Zeugen ‑ eines Angestellten der klagenden Partei ‑, der dem Erstgericht weit glaubwürdiger schien als der Beklagte, weshalb es den Angaben des Zeugen, der Beklagte habe ihm nie mitgeteilt, dass er monatliche Ausgaben in Höhe von 4.000 EUR gehabt habe, auch das Privatkonto des Beklagten sei unauffällig erschienen, glaubte.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass nach der maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Beklagte bei Abgabe der Bürgschaftserklärung für die GmbH unternehmerisch tätig geworden sei. Er sei zum Zeitpunkt der Aufnahme des Abstattungskredits und der Übernahme der Bürgschaft zwar nur 40 % Gesellschafter der GmbH gewesen, habe aber nicht nur relevanten, sondern beherrschenden Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens ausgeübt. Er sei formell und faktisch Alleingeschäftsführer gewesen. Die Übernahme der Bürgschaft sei für ihn keine bloße Finanzinvestition gewesen; er habe vielmehr unternehmerische Interessen verfolgt. Die §§ 25c und 25d KSchG seien nicht anzuwenden. Die Berufung auf § 879 ABGB scheide aus, weil festgestellt worden sei, dass eine allenfalls schlechte Vermögenssituation des Beklagten der klagenden Partei nicht bekannt gewesen sei. Im Übrigen sei außerhalb des KSchG ein strengerer Maßstab an die Privatautonomie anzulegen. Nicht jede mögliche finanzielle Schwierigkeit, einer Bürgschaftsverpflichtung nachzukommen, führe zur Sittenwidrigkeit der Vereinbarung aufgrund einer Äquivalenzstörung.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung Folge, hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anwendbarkeit des KSchG auf einen Minderheitsgesellschafter einer GmbH mit Geschäftsführerbefugnis nicht bestehe.

Die in der Berufung bekämpfte Feststellung, dass der Beklagte bestimmenden Einfluss im Unternehmen hatte und ab Anfang des Jahres 2009 de facto sämtliche Unternehmensentscheidungen traf, übernahm das Berufungsgericht mangels Entscheidungsrelevanz nicht.

Es vertrat ‑ unter Darlegung von Rechtsprechung und Lehrmeinungen ‑ zusammengefasst die Auffassung, dass eine geringere Beteiligung als 50 % an einer GmbH ohne gesellschaftsvertraglich eingeräumte Sperrminorität dem Gesellschafter typischerweise keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung verschaffe. Der Beklagte sei daher als Verbraucher im Sinne des KSchG zu qualifizieren. Auch aus den ‑ insoweit nicht übernommenen ‑ erstinstanzlichen Feststellungen über den Tätigkeitsbereich und die Entscheidungsbefugnisse des Beklagten ergebe sich nicht zwingend ein beherrschender Einfluss.

Eine Haftungsbefreiung nach § 25c KSchG komme jedoch nicht in Betracht, weil der Beklagte über die finanzielle Situation der GmbH im Vorfeld des Abschlusses des Abstattungskreditvertrags im Oktober 2010 genau Bescheid gewusst habe.

Allerdings bedürfte es im fortzusetzenden Verfahren vor dem Erstgericht einer Überprüfung, ob das richterliche Mäßigungsrecht nach § 25d Abs 1 KSchG zum Tragen komme. Zu diesem Thema fehle es an Feststellungen.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird der Antrag auf Aufhebung des Aufhebungsbeschlusses und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht beantragt.

Der Beklagte beantragt in seiner Rekursbeantwortung, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Die Rekursausführungen der klagenden Partei zielen zentral darauf ab, dass der Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags Alleingeschäftsführer und 40 % Gesellschafter der GmbH war und daher nicht als Verbraucher zu behandeln sei.

Dazu wurde erwogen:

1. Der Oberste Gerichtshof hat zuletzt in der Entscheidung 2 Ob 169/11h (ÖBA 2012/1838 [im Ergebnis zust P. Bydlinski ]) den Meinungsstand zur Frage, ob die §§ 25c und 25d KSchG auf GmbH‑Gesellschafter anzuwenden sind, zusammengefasst und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass für die Unternehmerqualifikation eines (geschäftsführenden) GmbH‑Gesellschafters erforderlich sei, dass dieser die Mehrheit der Geschäftsanteile oder zumindest 50 % halte. Eine geringere Beteiligung ohne gesellschaftsvertraglich eingeräumte Sperrminorität verschaffe dem Gesellschafter typischerweise keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung. Die von einem Teil der Lehre vertretene Auffassung, Gesellschafter schon bei einem Geschäftsanteil von 20 % ( Karollus , Anmerkung zu OGH 11. 2. 2002, 7 Ob 315/01a, JBl 2002, 527) bzw 25 % ( Heidinger , Entscheidungsanmerkung zu 7 Ob 266/06b in wbl 2007/199) als Unternehmer im Sinne des KSchG zu qualifizieren, lehnte der zweite Senat ab.

2. Ob unter Berücksichtigung der vom Berufungsgericht nicht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts, wonach der Beklagte den überwiegenden bestimmenden Einfluss auf die Unternehmensführung hatte und er bereits ab Anfang des Jahres 2009 „de facto“ der alleinige Entscheidungsträger im Unternehmen bezüglich des kaufmännischen Bereichs war, eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein könnte, bedarf deshalb keiner Auseinandersetzung, weil dem Klagebegehren auch unter Zugrundelegung der Anwendbarkeit der §§ 25c und 25d KSchG stattzugeben ist:

2.1 Das Berufungsgericht übernahm die Feststellung, dass der Beklagte die Gespräche mit der klagenden Partei führte, alle relevanten Unterlagen über die finanzielle Situation der GmbH an die klagende Partei übermittelte und die klagende Partei die übermittelten Unterlagen (OP‑Listen, sonstige Firmendaten) mit dem Beklagten genau besprach. Ferner übernahm das Berufungsgericht die Feststellung, dass der Beklagte im Vorfeld des Abschlusses des Abstattungskreditvertrags im Oktober 2010 über die finanzielle Situation der GmbH genau Bescheid wusste.

2.2 In der Entscheidung 8 Ob 61/05m (ÖBA 2006/1331 [zust P. Bydlinski ]) verneinte der Oberste Gerichtshof eine Aufklärungsobliegenheit des Kreditgebers, wenn der Interzedent, der überdies selbst die Kreditverhandlungen für den Hauptschuldner eigenverantwortlich führte, über dessen Finanzlage zur Gänze unterrichtet ist. Diese Auffassung wurde in Folgeentscheidungen bekräftigt (RIS‑Justiz RS0120255).

2.3 Da auch im Anlassfall der klagenden Partei der von ihr zu führende Nachweis gelungen ist, dass der Beklagte bei Abgabe seiner Haftungserklärung über die Lage der Schuldnerin Kenntnis hatte, also davon auszugehen ist, dass keinerlei Informationsgefälle zu Lasten des Beklagten bestand, bedurfte es keiner weiteren Aufklärung über die wirtschaftliche Situation der GmbH.

Darauf, dass hier die „Aufklärung“ der klagenden Partei im Kreditvertrag bloß formularmäßig vorgenommen wurde (vgl 8 Ob 121/05k SZ 2006/11) kommt es daher nicht an.

2.4 § 25d KSchG ermöglicht die richterliche Mäßigung der von einem Verbraucher eingegangenen Verbindlichkeit in Fällen, in denen die Sittenwidrigkeit der Interzessionsvereinbarung nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zwar zu verneinen ist, in denen jedoch ein unbilliges Missverhältnis zwischen Leistungsfähigkeit und eingegangener Verbindlichkeit besteht, welche unter Berücksichtigung der Umstände des jeweils zu beurteilenden Falls eine Herabsetzung der Forderung angemessen erscheinen lässt.

2.5 Grundvoraussetzung für eine Mäßigung der Verbindlichkeit ist, dass diese in einem unbilligen Missverhältnis zur Leistungsfähigkeit des Verbrauchers steht und dieses Missverhältnis dem Gläubiger bei Begründung der Verbindlichkeit zumindest erkennbar war ( Kathrein in KBB³, § 25d KSchG Rz 4; 8 Ob 61/05m ÖBA 2006/1331 [ P. Bydlinski ]). Dabei trifft den Interzedenten die Behauptungs- und Beweislast für die Erkennbarkeit des krassen Missverhältnisses ( Mayrhofer in Klang ³ § 25d KSchG Rz 27; 8 Ob 61/05m; 1 Ob 188/09t ÖBA 2010/1617).

2.6 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts reichen die erstgerichtlichen Feststellungen für die Beurteilung aus, dass es schon an dieser Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 25d KSchG fehlt:

2.6.1 Das Berufungsgericht vertrat dazu die Auffassung, dass Feststellungen fehlten, welche tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrags bestanden hätten. Es ergebe sich aus den Feststellungen des Erstgerichts nicht, ob es sich bei dem festgestellten Gehalt um den Netto‑ oder Bruttobezug gehandelt habe. Die Höhe der Mieteinnahmen sei ebenfalls nicht festgestellt. Es fehlten auch Feststellungen zu den vom Beklagten vorgebrachten laufenden finanziellen Belastungen, seinen Kreditverbindlichkeiten, den Sorgepflichten und dem Einkommen seiner Ehegattin.

2.6.2 Dabei lässt das Berufungsgericht jedoch zunächst außer Acht, dass der Beklagte selbst (S 5 in ON 20) vorbrachte, dass sein monatliches Einkommen nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen 3.500 EUR betragen habe (vgl auch die von der klagenden Partei vorgelegte Forderungsanmeldung Beilage ./U, aus der hervorgeht, dass der Beklagte im Konkurs über das Vermögen der GmbH Geschäftsführerentlohnungsforderungen von monatlich 6.770 EUR anmeldete ‑ die Echtheit dieser Urkunde wurde vom Beklagten anerkannt ‑ S 2 in ON 15).

2.6.3 Darauf, dass der Klägerin bei Überprüfung des unbilligen Missverhältnisses Sorgepflichten des Beklagten auffallen hätten müssen, hat sich der behauptungs‑ und beweispflichtige Beklagte in erster Instanz nicht berufen.

2.6.4 Vor allem aber lässt das Berufungsgericht außer Acht, dass die zum Teil als Feststellungen zu wertenden Ausführungen des Erstgerichts in seiner Beweiswürdigung ausdrücklich erkennen lassen, dass der Beklagte den Mitarbeitern der klagenden Partei nie mitteilte, dass er Kreditverbindlichkeiten in Höhe von 4.000 EUR gehabt habe. Der zuständige Mitarbeiter der klagenden Partei konnte dem bei der klagenden Partei geführten Privatkonto des Beklagten nichts Auffälliges entnehmen; auch eine Auskunft des Kreditschutzverbandes hat nichts Negatives erbracht.

2.6.5 Der Beklagte hat in seiner Berufung zwar (andere) Feststellungen des Erstgerichts bekämpft; die Feststellung, was er zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrags verdiente und welche Informationen die Beklagte über sein Einkommen bzw seine sonstigen Verbindlichkeiten hatte, bekämpfte er jedoch nicht. Er behauptete in der Berufung lediglich einen Feststellungsmangel, der darin begründet sein soll, dass das Erstgericht die Höhe seiner monatlichen Belastungen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht feststellte. Darauf kommt es aber nicht an, weil es dem behauptungs‑ und beweispflichtigen Beklagten nicht gelungen ist, nachzuweisen, dass der klagenden Partei seine allenfalls tatsächlich bestehende schlechte finanzielle Lage zum maßgeblichen Zeitpunkt (6 Ob 192/07i; RIS‑Justiz RS0113934; RS0113938) erkennbar gewesen sein musste.

2.6.6 Ausgehend von dem der klagenden Partei bekannten Nettoeinkommen des Beklagten in Verbindung damit, dass der klagenden Partei allfällige Kreditverbindlichkeiten des Beklagten weder bekannt gegeben wurden noch für sie entsprechende Anhaltspunkte für solche Verbindlichkeiten bestanden, konnte sie davon ausgehen, dass der Beklagte mit diesem Nettoeinkommen ‑ unabhängig davon, ob es nun, wie zugestanden, 3.500 EUR oder wie nach den Feststellungen „aufscheinend“ (gemeint: der klagenden Partei bekannt gegeben) 3.800 EUR betrug ‑ in der Lage sein würde, die Abstattungskreditraten von monatlich 1.769 EUR zu begleichen.

2.7 Da es somit bereits an der Grundvoraussetzung für die Anwendung des Mäßigungsrechts nach § 25d KSchG ‑ und für die Annahme der Sittenwidrigkeit der übernommenen Haftung nach § 879 Abs 1 ABGB (RIS‑Justiz RS0113490) ‑ fehlt, ist es unerheblich, ob der Beklagte „de facto“ Entscheidungsträger bei der GmbH war; bejahendenfalls, welche Konsequenzen daraus zu ziehen wären.

2.8 Aus diesem Grund bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit der Entscheidung 4 Ob 232/12i, die für einen atypischen Kommanditisten mit wirtschaftlichem Eigeninteresse an dem gewählten Kredit eine teleologische Reduktion des § 25d KSchG bejahte.

3. Es ist daher der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluss aufzuheben und durch Endurteil in der Sache selbst im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen klagestattgebenden Urteils zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Für die Berufungsbeantwortung gebührt lediglich ein Einheitssatz von 150 % (§ 23 Abs 9 RATG). Eine Berufungsverhandlung fand nicht statt.

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